Twist: Der Hype um Immersion (Kulturmagazin, 2023) Um kurz melancholisch zu werden: In den vergangenen vier Jahren hat sich Twist für mich zu einer festen Instanz und meinem liebsten TV-Kulturmagazin entwickelt. Frisch, sympathisch und anspornend moderiert, aus stets wechselnden (immer herrlich fotografierten) Städten präsentiert, nimmt sich Twist allen erdenklichen Kunst- und Kulturthemen an. Jede Folge hat ein Leitthema, dem sich die Redaktion in verschiedenen Beiträgen annimmt, die teils im nicht ausverbalisierten, kritischen Dialog miteinander stehen. Informativ, Perspektiven aufzeigend und das aus einer jungen, entdeckungsfreudigen Haltung heraus.
Vor wenigen Wochen wurde das Format einem "Soft Reboot" unterzogen, die Moderation gestrichen, die Themenabschnitte einer jeden Folge sind nun kohärenter (oder: monotoner). Es ist immer noch ein sehenswertes Format, aber es hinterlässt mich etwas blaumütig, dass die lebhaftere, buntere, variantenreichere Ur-Version von Twist aufgegeben wurde (wohl mangels Erfolg). Die Moderatorinnen (Stamm-Team: Bianca Hauda und Romy Straßenburg im Wechsel) haben sich redlich bemüht, arte machte mehrmals Umfragen, um Wege zu finden, das Format stärker zu pushen, ich hab das Format öfters ungefragt weiterempfohlen... Es hat wohl nicht sollen sein.
Daher würde ich mich ärgern, die Mediatheken-Tipps nicht zu nutzen, um auf die "alte" Twist-Variante hinzuweisen, solange einige Ausgaben davon in der arte-Mediathek und bei YouTube online sind. Exemplarisch habe ich mal die Folge über Immersion in der Kunst genommen. Denn seit der Ausgabe brüte ich darüber, mal das Phoenix des Lumières zu besuchen. Vielleicht spornt sie euch wiederum an, Twist zu bingen. (Und wenn genug von euch bingen, wird vielleicht die alte Twist-Version aufgrund plötzlichen Erfolgs zurückgeholt?) arte-Mediathek, abrufbar bis zum 10. März 2024
CineKino: Schlüsselmomente des europäischen Kinos (Dokuserie, ab 2016) In der Dokuserie CineKino reist arte durch die entscheidenden Momente in der Kinogeschichte jeweils eines europäischen Landes. Die vier derzeit abrufbaren Ausgaben widmen sich jeweils Frankreich, Belgien, Deutschland und Italien, ab dem 8. März folgen Ausgaben über Großbritannien, Spanien, Tschechien und die Slowakei, die Schweiz, Österreich und Polen. Bei unter 30 Minuten Laufzeit pro Folge mit Filmausschnitten, Interviews und Archivaufnahmen selbstredend nicht allumfangend, bietet CineKino dennoch einen leidenschaftlichen, Impulse zum Wieder- und Neuentdecken setzenden Querschnitt dessen, was die behandelten Filmnationen ausmacht. arte-Mediathek, Folge eins bis vier abrufbar bis zum 6. April 2024
Pioniere der Filmmusik: Europas Sound für Hollywood (Dokumentation, 2023) In 52 bis zum Rand mit Information vollgepackten Minuten blickt diese arte-Doku auf drei Männer die während der Anfänge des Tonfilms vor dem Nationalsozialismus geflohen sind und in Hollywood die "Sprache" der Filmmusik entscheidend mitgeprägt haben: Erich Wolfgang Korngold, Max Steiner und Franz Waxman. Ihre Einflüsse, ihr Leben in den USA und ihr Einfluss wird ebenso behandelt, wie eine Brücke ins Heute geschlagen wird: Wieso sind Hans Zimmer, Ramin Djawadi und Harold Faltermeyer von Deutschland aus nach Hollywood gekommen, was inspiriert sie und wie haben sie den Mainstream-Sound verändert? (Die Doku enthält Spoiler für Keine Zeit zu sterben.) arte-Mediathek, abrufbar bis zum 24. Mai 2024
Jodorowsky’s Dune (Dokumentation, 2013) Eine der größten Was-wäre-wenn?-Geschichten des Kinos: Der chilenische Regisseur Alejandro Jodorowsky wollte Frank Herberts Dune verfilmen, steigert sich allerdings in immens ambitionierte Ideen herein und eckt daher mit den Finanziers zusammen. Der Film kam daher nicht aus der Planungsphase heraus, allerdings tröpfelten Designideen in spätere, wirklich vollendete Werke wie Alien. Diese Doku erzählt, wie es zur Kombi aus Jodorowsky und Dune kam, seine Ideen werden vorgestellt und der streitbare Regisseur darf sich darüber aufregen, dass nichts daraus wurde. Faszinierende Doku, nach der ich zumindest keinerlei Glauben daran hatte, dass man diese Dune-Version jemals hätte umsetzen können. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 18. August 2024
Radio macht Geschichte (Doku-Podcast-Miniserie, 2023) Anlässlich des 100-jährigen Radiojubiläums widmen sich die Autoren Tomas Fitzel (rbb), Sven Hecker (MDR) und Max Knieriemen (SWR) in 15 kompakten Episoden zu jeweils knapp einer Viertelstunde zahlreichen Facetten des Mediums. Mit Original-Audioausschnitten aus wichtigen, einflussreichen, kultigen, berüchtigten oder beliebten Radioübertragungen, (Archiv-)Interviewschnipseln und einer einordnenden Erzählstimme wird etwa über die Entwicklung des Radios aufgeklärt. Oder die Geschichte der Live-Reportage. Oder des Hörspiels. Oder darüber, weshalb das Radio-Nachtprogramm in Deutschland ist, wie es ist. Oder darüber, weshalb die Polizei gegen Verkehrsinformationen im Radio war. Schön zusammengeschnürte Info-Häppchen voller "Oha?!"-Momente, sympathisch erzählt! ARD-Audiothek, voraussichtlich abrufbar bis zum 8. Oktober 2024
Zauberei auf dem Sender (Metafiktionale Hörspiel-Groteske, 1924/1962) Ach, du heilige Makrele: 1924 hatte Dr. Hans Flesch, Intendant des Radiosenders Frankfurt 1, eine herausragende Idee, die sich als verspielter Vorbote von Orson Welles' Krieg der Welten-Adaption von 1938 bezeichnen ließe: Live wurde das Programm seines Senders durch reinstes Chaos durcheinander gewirbelt. Der Ansager verhaspelt sich. Die "Märchentante" platzt ins Studio und verlangt, den Kindern abends was erzählen zu dürfen. In der Regie funktionieren die Regler nicht, sodass gleichzeitig Töne aus verschiedenen Winkeln der Station über den Äther geschickt werden. Und dann prahlt ein selbsternannter Zauberer, er könne dafür sorgen, dass das Publikum ihn sieht. All das war ein geskriptetes Hörspiel, das die Formen des Radios bereits in seinen Anfangsjahren auslotete - und leider nicht als Aufzeichnung erhalten blieb. Stattdessen wurde das Skript 1962 erneut eingesprochen. Kesser Schabernack, den gern mal eine TV-Produktionsfirma als Inspiration nutzen dürfte, um dem linearen Fernsehen in seinen späten Jahren einen feisten "Was passiert hier?!"-Moment zu verschaffen. ARD-Audiothek, mir unbekanntes Ablaufdatum
Warum Mediatheken-Tipps? Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender sind ein unablässig sprudelnder Quell an sehenswerten Produktionen. Ob Spielfilm, Dokumentarfilm, Reportage, Konzertfilm, Serie, oder oder oder. Doch nicht nur, dass man da leicht den Überblick verlieren kann: Ich kenne einige Menschen, die den Mediatheken kaum oder gar keine Beachtung schenken. Mit dieser Artikelreihe möchte ich Orientierung bieten, ebenso wie Anreiz, sich vermehrt mit den Mediatheken zu befassen. Dazu gebe ich wöchentlich sechs Anschautipps.
Wieso sechs Tipps? Ich möchte, dass diese Artikelreihe händelbar bleibt. Für mich, damit ich sie neben meinen anderweitigen Verpflichtungen verfassen kann. Und für euch: Ich will euch nicht mit Anschautipps erschlagen. Sechs Tipps halte ich indes für umsetzbar: Selbst, wer alle Tipps ansprechend findet, kann sich täglich einen davon angucken, und hat dennoch bis zur nächsten Ausgabe der Reihe auch einen Tag "mediathekenfrei".
Die Mediatheken-Tipps erheben selbstredend keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt viel mehr zu sehen, als ich hier Woche für Woche nennen könnte.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen