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Samstag, 17. Februar 2024

Mediatheken-Tipps (17. Februar 2024)

Ein süßer Fratz (Musical, 1957) Eine Besetzung zum Verlieben in einer Stadt zum Verlieben: Musical-Spitzenregisseur Stanley Donen (Singin' In The Rain) versammelt Fred Astaire (als Modefotograf, der Persönlichkeit und Intellekt schätzt) und Audrey Hepburn (als schüchterne Buchhändlerin und Hobby-Philosophin) in Paris. Donen herzt seinen Schauplatz und bringt uns mit Leichtigkeit dazu, den Cast (noch mehr als eh schon) zu bewundern. Hinzu kommen fröhliche Lieder, variantenreiche Tanzeinlagen und ein Schaulaufen bildhübscher Mode. Ein Herz von einem Wohlfühlfilm! arte-Mediathek, abrufbar nur noch heute - aber am 23. Februar folgt um 14.15 Uhr eine Wiederholung bei arte (ob der Film dann erneut in der Mediathek landet, ist mir derzeit leider nicht bekannt)

Comedian Harmonists (Historien-Tragikomödie, 1997) Anekdotisch aufbereitete, gelegentlich etwas kitschig-klischeehafte, dessen ungeachtet wirksam-schmerzliche Nacherzählung des Aufstiegs der Gesangstruppe Comedian Harmonists, während sich der Nationalsozialismus aufbäumt. In schwächeren Momenten schwingt ein naiver "Sowas wird nie mehr passieren"-Duktus mit, in den stärkeren lässt Regisseur Joseph Vilsmaier gekonnt unbekümmerte Stimmung in erschütterte Bitterkeit umkippen: Es geht um Verdrängung, das Unterschätzen offensichtlicher Gefahren und das Gefühl der Ohnmacht, wie man sich ihnen stellen soll. Ein etwas holpriger Film, den ich trotzdem sehr mag (die Evergreens auf dem Soundtrack helfen da natürlich). Deutsche Vergangenheitsbewältigung war in den 1990ern und 2000ern schonmal deutlich missglückter. ARD-Mediathek, abrufbar bis zum 20. Februar 2024

Der diskrete Charme der Bourgeoisie (Surreale Dramödie, 1972) Vielleicht der berühmteste Langfilm in Luis Buñuels Vita (was ich genauso über Dieses obskure Objekt der Begierde schreiben würde): Diese skurrile Gesellschaftssatire spielt behände sowie ohne die anstrengende Selbstverlebtheit vieler Buñuel-Imitator:innen mit Erzählkonventionen und dreht sich um sechs Personen der Pariser Oberschicht. Ständig wird ihr geplantes, gemeinsames Mahl aus immer absonderlicheren Gründen verschoben. Ein Running-Gag-(Alb-)Traum, der sich an Snobismus, Gier, Arroganz und verbittertem Traditionsdenken abarbeitet - und selbst, wenn man gerade nicht über Subtext und Aussagen nachdenken will, durch seinen stilistischen Findungsreichtum blendend unterhält. Auch ein Top-Tipp für Stephen-Sondheim-Fans, da Sondheim Akt eins seines letzten Musicals, Here We Are, an diesen Klassiker angelehnt hat! arte-Mediathek, abrufbar bis zum 31. März 2024

Leslie Caron, eine Pariserin in Hollywood (Doku-Porträt, 2014) Mit Ein Amerikaner in Paris und Gigi hat Leslie Caron zwei absolute Filmklassiker in ihrer Vita stehen, die insbesondere ihre atemberaubenden, grazilen Tanzschritte für die Ewigkeit festhalten. Dieses Doku-Porträt erzählt, wie sie es vom Pariser Konservatorium zur Primaballerina und nach Hollywood schaffte, lässt sie kritisch über uniforme Massenchoreos sprechen und Licht auf grausiges Geschehen hinter den MGM-Kulissen werfen. Zudem wird auf Carons Umgang mit schweren Depressionen eingegangen. Vor allem aber zeigt die Doku, was für eine nimmermüde, charmante Präsenz Caron heute noch ist. Unter den fast einstündigen Star-Dokus im arte-Fundus eine der denkwürdigeren - und da der Qualitätsdurchschnitt solcher arte-Dokus mehr als respektabel ist, sollte diese hier auch für Filmfans als Empfehlung gelten, denen Caron noch kein Begriff ist. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 13. Mai 2024

Undine (Entmystifizierendes Großstadt-Liebesdrama, 2020) Christian Petzolds Auftakt zu seiner angekündigten, thematischen "Elemente-Trilogie" führt uns zurück zur Ur-Ahnin von Arielle und Co.: Zum Undine-Mythos. In Petzolds Vision ist die Wassernymphe, die dazu verdammt ist, sie unzureichend liebende Männer zu töten, eine studierte, freiberufliche Stadthistorikerin in Berlin. Diese Undine will gegen ihre mörderische Bestimmung ankämpfen und verliebt sich, kurz nachdem sie von ihrem (Ex-)Partner verschmäht wurde, in einen zartfühligen Industrietaucher. Bezaubernd gefilmt (in den Unterwasserszenen mit bewussten Reminiszenzen an Disneys Abenteuer-Meilenstein 20.000 Meilen unter dem Meer) und ebenso feinsinnig wie beherzt-verletzlich erzählt, lebt Undine insbesondere von der ungewöhnlichen, berührenden Chemie zwischen Paula Beer und Franz Rogowski in den Hauptrollen. Ein Film, der immer besser wird, je öfter man an ihn denkt. arte-Mediathek, abrufbar bis zum 31. Mai 2024

Weekend (Experimentell montiertes Hörspiel, 1930) Nachdem er die (zu hoch angesehenen Klassikern aufgestiegenen) Experimental-Dokumentarfilme Berlin - Die Sinfonie einer Großstadt und Melodie der Welt inszenierte (musikalisch begleitete, soghaft montierte Schnipsel von Momentaufnahmen, sozusagen Vorläufer der Qatsi-Trilogie), wollte Regisseur Walter Ruttmann diese Erfahrung ins Radio übertragen. Entstanden ist eine assoziativ aneinander geschnittene, gleichwohl eine recht repräsentative Chronik bildende Abfolge an Geräuschen eines Berliner Wochenendes. (Zur Einordnung: Damals ging das Wochenende nur von Samstagabend bis Montagfrüh. Das heute als normal geltende Zwei-Tage-Wochenende musste hart gegen Vorwürfe "Ihr seid nur alle faul!" erkämpft werden.) Ein Zeitdokument, das die Form des Hörspiels in seinen frühen Jahren auslotet. Lange verschollen geglaubt, wurde 1978 glücklicherweise eine Kopie entdeckt - und zwar in New York! ARD-Audiothek, mir unbekanntes Ablaufdatum

Warum Mediatheken-Tipps? Die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender sind ein unablässig sprudelnder Quell an sehenswerten Produktionen. Ob Spielfilm, Dokumentarfilm, Reportage, Konzertfilm, Serie, oder oder oder. Doch nicht nur, dass man da leicht den Überblick verlieren kann: Ich kenne einige Menschen, die den Mediatheken kaum oder gar keine Beachtung schenken. Mit dieser Artikelreihe möchte ich Orientierung bieten, ebenso wie Anreiz, sich vermehrt mit den Mediatheken zu befassen. Dazu gebe ich wöchentlich sechs Anschautipps.

Wieso sechs Tipps? Ich möchte, dass diese Artikelreihe händelbar bleibt. Für mich, damit ich sie neben meinen anderweitigen Verpflichtungen verfassen kann. Und für euch: Ich will euch nicht mit Anschautipps erschlagen. Sechs Tipps halte ich indes für umsetzbar: Selbst, wer alle Tipps ansprechend findet, kann sich täglich einen davon angucken, und hat dennoch bis zur nächsten Ausgabe der Reihe auch einen Tag "mediathekenfrei". 

Die Mediatheken-Tipps erheben selbstredend keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit. Es gibt viel mehr zu sehen, als ich hier Woche für Woche nennen könnte.

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