Magic Mike's Last Dance schleudert seinem Publikum daher weniger nackte Haut ins Gesicht und ersetzt stürmischen sexuellen Drang durch hingebungsvolle prickelnde Sinnlichkeit. Jedenfalls immer dann, wenn er nicht die Steven-Soderbergh-Variante eines durch "Lasst uns eine Show auf die Bühne stellen"-MGM-Musicals, gefiltert durch einen Step Up-Trittbrettfahrer-Tanzfilms ist.
Der erste Tanz in Magic Mike's Last Dance ist dennoch (oder gerade daher) sinnlicher, schärfer als alles, was die deutlich explizitere Netflix-Trilogie 365 Days zu bieten hat: Hayek Pinault und Tatum reiben und winden sich in engen, brisanten Stellungen, die großes Vertrauen ineinander verlangen. All das, während sie (größtenteils) bekleidet sind, selbst wenn Max und Mike ins Gesicht geschrieben steht, wie sehr sie sich nach engerem Kontakt verzehren.
Die prickelnde Choreografie dieser Sequenz und die hingebungsvollen Performances fängt Soderbergh in kühl-schmeichelnden Hochglanzbildern ein, die Kamera bleib weitestgehend in respektvoller Distanz zu den Figuren, als sei sie ein beschämter Beobachter, der jedoch zu fasziniert ist, um den Raum zu verlassen. Dieser Auftakt wird gen Ende in einem geradezu athletischen, dennoch zärtlichen Contemporary im strömenden Theaterregen gespiegelt: Er ist artistischer, ausdrucksvoller und theatraler, in ihm erzählen Tatum und seine Tanzpartnerin Christie-Leigh Emby wortlos eine Geschichte, während Max und Mike zu Filmbeginn reiner Begierde nachgingen.
Der Wassertanz löst auch (zumindest partiell) eine thematische Diskussion in Magic Mike's Last Dance ein: Max sucht privat wie beruflich feministische Erfüllung und einen Weg zur Selbstbestimmung. Die in Mikes Show involvierte Theaterschauspielerin Hannah (Juliette Motamed) unterstreicht den Wunsch nach künstlerischer Erfüllung in Form weiblicher Perspektive. Fragen, die im Dialog wiederholt angestoßen, nicht aber groß ausdiskutiert werden.
Allerdings wird, ähnlich wie hinsichtlich der Suche nach besserem Erotiktanz in Magic Mike XXL, ein Lösungsvorschlag ausgeführt: Diese Tanzshow voller durchtrainierter Männer umfasst auch Nummern, in denen Frauen mittanzen. Wunscherfüllung durch repräsentierte Partizipation, wenn man so will.
Zwischen diesen Eckpfeilern des Films steht ein ausgedehnter Mittelteil, in dem wenig getanzt, noch weniger Kleidung vom Leib gerissen, und viel geplant wird. Wir müssen Tänzer casten! Die Besetzung des für Mikes Stück abgesetzten Dramas will involviert werden! Mike hat Ideen, die aber Maxandra ablehnt. Maxandra will sich auf Mikes Ideen einlassen, aber er hat keine. Mike und Max ziehen an einem Strang, doch die Behörden stellen sich ihnen in den Weg! Private Konflikte zehren an den Nerven! Private Konflikte inspirieren!
Auf dem Papier ist das ziemlicher Genrestandard, und auf der erzählerischen Oberfläche bleibt es auch so. Allerdings bemüht sich Soderbergh, mit Stil und Klasse durch dieses Standardprozedere zu schreiten. Im Interview mit Matt Zoller Seitz von Vulture benannte Soderbergh als Inspirationsquellen den Dialogwitz der Komödien eines Ernst Lubitsch, die feministisch-meinungsstarken Charakterzeichnungen einer Lina Wertmüller und die Bildsprache eines Bernardo Bertolucci.
Nicht, dass Soderbergh sich auf eine Stufe mit diesen Vorbildern stellt, oder Magic Mike's Last Dance aus dem Stand heraus von Fans auf diese Stufe gehoben wird. Aber die Absicht, der Blick hin zu ihnen, ehrt Soderbergh und ist zuweilen, flüchtig zu merken. Hayek Pinault spielt eine stolze, in prachtvoll-bossiger Mode gekleidete, frustrierte Gattin-in-Trennung, die ebenso sehr als Mikes Mäzenin agiert, wie sie als Produkt einer Männerwelt sich im Heute endlich selbst neu definieren will, auch wenn sie die dazu nötige Methodik noch nicht beherrscht.
Max' belesene, vorlaute und trotzdem empathische Adoptivtochter Zadie (Jemelia George) und Butler Victor (Ayub Khan Din) sorgen verlässlich für spitzzüngige Wortwechsel. Und die Situationskomik, wenn Ex-Schreiner/Ex-Stripper/Erotikshowregisseur Mike mit Londons High Society kollidiert, ist köstlich. Doch zwischen zündenden Momenten der figurenbasierten Komik und der Dramatik einer Projekt- und Beziehungsfindung plätschern wiederholte Charaktermomente orientierungslos aus, als wäre die Idee für eine Szene bereits da, nicht aber die Idee, wie sie umgesetzt werden sollte.
Ohne großes tonales Augenzwinkern hat Magic Mike's Last Dance gleichwohl ein metafiktionales Echo. Ging doch auch Channing Tatum nach Magic Mike XXL den Weg nach (Las Vegas und daraufhin nach) London, um dort eine erotisch angehauchte Tanzshow auf die Bühne zu stellen. War doch auch Tatum einige Jahre lang wenig im Rampenlicht zu sehen, orientierte sich privat und als kreativer Schöpfer neu. Die ersten zwei Drittel von Magic Mike's Last Dance sind insofern ein fiktionalisiertes Making-of der realen Magic Mike-Liveshow, deren Choreografien als Blaupause für das Finale dieses Films dienten.
Zugleich steht der Verdacht im Raum, dass auch etwas Soderbergh in Magic Mike steckt. Kündigte der Filmemacher doch schon mehrmals seinen (Kino-)Ruhestand an, bloß um dann doch wieder zurückzukehren. Und wer wettet, dass die verzweifelte Suche nach einem funktionierenden dritten Akt auch ihm schon mehrmals die Nerven geraubt hat, dürfte diese Wette gewinnen.
Das Ringen darum, die Showplanung zu vollenden, hätte mehr Pfeffer vertragen können, sei es durch Witz, Dramatik oder erhellende Einblicke in den Kreativprozess. Und sowohl beim Casting als auch in den Proben und in der Finalshow kommt es gelegentlich zu einer sperrigen Kluft zwischen der gezeigten Choreografie und der letztendlich drunter gelegten Musik.
Wenn Magic Mike's Last Dance Feuer fängt, brennt es trotzdem lichterloh. Vor allem während der filmischen Kurzform der Magic Mike-Liveshow, die durch pointierte Blicke auf das Publikum, eine großartige Soundabmischung und eine sich förmlich näher an die Action sehnende, am Riemen reißende Kameraarbeit mächtig Stimmung macht.
Magic Mike's Last Dance ist in vielen Kinos zu sehen.
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