Seiten

Mittwoch, 28. Dezember 2022

Die schlechtesten Filme 2022

Immer mehr Filmschaffende und Mitglieder der Filmpresse lassen kein gutes Haar an Floplisten. Nachvollziehbar, denn seit popkulturelle Diskussionen in den sozialen Netzwerken im Sekundentakt in Geschrei und Gebrüll ausarten, ist der Diskurs über Kunst, Unterhaltung und unterhaltende Kunst verpestet. Dennoch halte ich vorerst an meiner hier Tradition des negativen Jahresrückblicks fest.

Einfach, weil ich es wertvoll finde, als Gegengewicht zu meinen filmverliebten Texten und Rankings in Erinnerung zu rufen, bei welchen Filmen ich ratlos oder gar grantig zurückgeblieben bin. Es braucht ja Schatten, um das Licht zu würdigen; wer nur lobt, dem glaub man's irgendwann nicht; yada yada. Man muss dabei ja nicht übermäßig beleidigend werden. Es geht darum, das Bild zu vervollständigen.

Und vielleicht, aber nur vielleicht, findet ihr in dieser Hitliste sogar Titel, auf die ihr neugierig werdet, weil ihr erahnt, sie mehr zu mögen als ich?


Platz 10: Hocus Pocus 2 (Regie: Anne Fletcher) und Das Versteck (Regie: Pascual Sisto)

Eröffnen möchte ich die Retrospektive der negativen Filmgefühle mit einem ungleichen Doppel: Ich liebe Hocus Pocus und bin mit meinem Kaufverhalten sozusagen Mitschuld daran, dass es einen zweiten Teil gibt. Doch beim Anblick von Hocus Pocus 2 habe ich mich gefühlt, wie ich mir vorstelle, was in denjenigen vorgegangen sein muss, die dem Original damals Verrisse verpasst haben:
Ich fand die jugendlichen Figuren weitestgehend egal, das Drehbuch zäh und unlustig und den Look des Sequels schäbig. Es hat zwar eine meiner liebsten Musikeinlagen des Filmjahres, aber sie überschattet den gesamten Rest des Films, dem einfach die Kenny-Ortega-Campiness fehlt.

Bei diesem Sequel bin ich überzeugt: Es ist sein Problem. Ich glaube, dass das zentrale Hexen-Trio engagiert war, in seiner Gesamtheit wirkt die Fortsetzung auf mich aber wie etwas, das mit der Haltung "Disney+ braucht einen neuen Exklusivfilm, hier, hau mal was raus" angegangen wurde. Ich war ein einfaches Ziel für diesen Film, und dennoch hat er meilenweit an mir vorbeigeschossen.

Das Versteck habe ich bereits 2021 unter dem Originaltitel John and the Hole im Rahmen des Fantasy Filmfests auf der großen Leinwand gesehen, und ich habe mich im anschließenden Gespräch mit anderen Besucher*innen wie im falschen Film gefühlt: Ich fand die Geschichte eines Teenagers, der seine Familie in einer Grube im benachbarten Wald gefangen hält, gähnend langweilig, affektiert gespielt und so tiefgreifend wie die Eintrittskarte, die ich für ihn gelöst habe.

Aber alle, mit denen ich sprach, waren begeistert. Und auch mein geschätzter Filmstarts-Kollege Oliver Kube hat eine schön geschriebene Lobesrede auf den Film verfasst, die mich an mir zweifeln lässt. Habe ich denselben Film gesehen? Es muss ein "Ich-Problem" sein, ich bin unfähig, die richtige Wellenlänge für diesen Film zu finden. Trotzdem hat mich dieser metaphorische Thriller so genervt, es wäre verlogen gewesen, ihn aus meiner Flopliste rauszuhalten. Ihr da draußen, derweil: Hört eher auf Oliver als auf mich.

Platz 9: Liebesdings (Regie: Anika Decker)

Ich drücke Anika Decker die Daumen. Ihr Regiedebüt Traumfrauen ist kurzweilig, ihre Verwechslungskomödie High Society hat mir Spaß gemacht und als Drehbuchautorin verhalf sie sowohl Til Schweiger (Keinohrhasen, Zweiohrküken) als auch Detlev Buck (Rubbeldiekatz) und Karoline Herfurth (SMS für Dich) zu gelungenen Erfolgen. Daher erklärte ich mir die unlustigen Trailer für Liebesdings als Auswüchse eines mies geleiteten Marketings. Dann habe ich den Film gesehen und einer meiner ersten Gedanken war: "Oh, das Marketing war ja noch schmeichelhaft."


Es liegt nicht am Ensemble. Lucie Heinze findet in der Rolle einer feministischen Komikerin eine gute Balance aus quirlig und bodenständig. Denis Moschitto, Peri Baumeister und Alexandra Maria Lara werten praktisch jeden Film auf, in dem sie aufkreuzen. Und Elyas M'Barek habe ich die Rolle eines von der Presse genervten Schauspielers ohne jeden Hauch eines Zweifels abgekauft.


Und Liebesdings hat Momente, die zünden. Etwa, wenn der wie ein Blutsauger gekleidete "Reporter" eines hetzerischen Boulevardblattes, das frappierend an ein reales, leider erfolgreiches Schmierenblatt erinnert, in der Kotze eines Stars rumwühlt, um eine Schlagzeile zu forcieren. Aber: Den Großteil von Liebesdings finde ich einfach stumpf.

Die Dialoge hören sich an wie Platzhalter in einem First Draft, die noch durch geschliffenere Umformulierungen ersetzt werden müssen. Monologe über queere, feministische oder anti-rassistische Belange kommen hier den Figuren nicht authentisch, raffiniert oder peppig von den Lippen, sondern klingen so, wie sich Mario Barth oder Dieter Nuhr wohl fälschlicherweise vorstellen, wie das Stand-up in der Die Caroline Kebekus Show sein könnte. Die Liebesgeschichte in diesem Film zündet nicht, die Figurenentwicklung ist irritierend-sprunghaft.

Alles in allem wirkt Liebesdings so, als hätte Bora Dagtekin im Das perfekte Geheimnis-Mindset anonym Reshoots bewerkstelligt und so Decker ihren Film weggenommen. Mich würde brennend ein ehrliches Making of dieser Komödie interessieren, denn ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Deckers ursprüngliche Vision abbildet. Falls doch: Naja, wir alle haben mal ein Formtief. Nächstes Mal sitze ich wieder erwartungsvoll im Kino.

Platz 8: Falling for Christmas (Regie: Janeen Damian)

Ich habe Sympathie für Lindsay Lohan übrig und angesichts dessen, wie gut sie spielen kann, wenn sie in der Spur ist und das richtige Projekt gefunden hat, gönne ich ihr ein Comeback. Doch Falling for Christmas ist gleichzeitig ein Schritt nach vorne und ein Schritt zurück: Verkrampft inszeniert, klischee- und sprunghaft geschrieben und von mehreren ihrer Co-Stars mies gespielt, kann Lohan aus diesem Netflix-Weihnachtskitsch unmöglich eine Karrierte-Trumpfkarte formen.

Aber sowohl die Kernzielgruppe dieser Wohlfühl-Sinnlosfilme als auch die für die Memes und ironische Freude am Unfug hereinschauenden Nasen sind wohlwollend genug, um Lohan diesen Film nicht vorzuwerfen. Das macht Falling for Christmas trotzdem nicht besser. Aber irgendwo zwischen den miesen Witzen und übertriebenen Gefühlsschwankungen beweist Lohan charmante Selbstironie. Good for her.

Platz 7: Ice Age - Die Abenteuer von Buck Wild (Regie: John C. Donkin)

Animationen, die teilweise auf dem Niveau von Samstagmorgen-Computeranimationsserien vergangener Tage liegen, und viel, viel Leerlauf: Der direkt auf Disney+ rausgehauene Ice Age-Nachklapp Die Abenteuer von Buck Wild ist lieblos, träge und kalt kalkuliert. Donkin und sein Team trifft dabei längst nicht der Großteil der Schuld, wurde dieses Projekt doch einst als Serie entwickelt und nach einer entsprechenden Ankündigung unentwegt klein geschrumpft, bis nur noch ein mickriges Team an ihm tüftelte, das viel zu wenig Arbeitskraft hatte, um ein CG-Projekt in Spielfilmlänge zu stemmen, das versucht, visuell an das Ice Age-Erbe anzuknüpfen. In Sachen Budget wird es nicht anders gewesen sein, und wer könnte unter diesen Umständen schon kreativ aus den vollen Schöpfen?

Einen Trost gibt es allerdings: Nach Die Abenteuer von Buck Wild erschien mit der Kurzfilmsammlung Ice Age: Scrats Abenteuer noch ein Ice Age-Projekt auf Disney+. Und die kompakten Geschichten sind nicht nur viel besser animiert, sondern dienten der Belegschaft von Blue Sky Studios als Abschiedsvorstellung. Mit Passion und Witz zeigen sich Studio und Filmreihe darin noch einmal in Top-Form. Ich gebe zu, ich hatte nicht nur viel zu lachen, sondern gen Schluss auch aufgrund dieser außenstehenden Faktoren feuchte Augen. Ich war nie der größte Ice Age-Fan, aber in seinen besten Momenten war das Franchise sehr vergnüglich. Und Blue Sky hatte es nicht verdient, als Opfer der Disney/Fox-Übernahme einfach so gekillt zu werden.

Platz 6: 13 Fanboy (Regie: Deborah Voorhees)

13 Fanboy versucht, ein inoffizielles Wes Craven's New Nightmare für die Freitag, der 13.-Reihe zu sein: In diesem Meta-Slasher, inszeniert von einer früheren Darstellerin des Franchises, die ironischerweise und tatsächlich Deborah Voorhees heißt, jagt ein maskierter Killer frühere Darstellerinnen der Freitag, der 13.-Reihe. Einzelne Sequenzen in dieser Jason-Voorhees-Hommage sind für einen Direct-to-Video-Schlitzer ganz passabel konstruiert, etwa eine tödlich endende Stunt-Probe. Doch diese wenigen "Och, das ging ja"-Momente trösten nicht über diesen ungeheuerlich hässlich ausgeleuchteten, abartig zäh erzählten Rest dieses Slashers hinweg. 

Platz 5: Brain Freeze (Regie: Julien Knafo)

Ein neuer Turbodünger vergiftet das Wasser in einem geschlossenen, kanadischen Wohnkomplex und verwandelt alle, die es zu sich nehmen, in blutrünstige, zombieähnliche Unholde. Dieser Low-Budget-Partyhorror will mit abstruser Logik und schrillen Figuren ein Vergnügen für die Mitternachtsschiene oder Bier-und-Nacho-Filmabende sein. Gerne, bin ich für zu haben. Aber ich habe mich durch die 91 Filmminuten gequält und war nach ihnen erstaunt, dass es nur 91 Minuten waren. Es fühlte sich an wie eine gesamte Staffel einer belanglosen, lustig gemeinten, drögen Miniserie.

Die guten Gags sind rarer gesät als in einem Mario-Barth-Instagram-Live-Rant, Spannung ist non-existent und die Gewaltspitzen sind matschiges Effektchaos, wenn sie denn irgendwann mal passieren. Hier könnte man irgendeinen schnippischen Spruch über Hirnfrost einsetzen, wäre dies eine Flopliste nach alter Schule. 

Platz 4: The Man from Toronto (Regie: Patrick Hughes)

Sechs Wochen vor Drehstart verließ Jason Statham abrupt The Man from Toronto, laut Berichten des Branchenblogs Deadline Hollywood, weil ihm die eingeschlagene Richtung der Verwechslungs-Actionkomödie missfiel. Hastig wurde Woody Harrelson als Ersatz herangekarrt und so gut den Verantwortlichen möglich auf Statham-Look gestylt. All das ist zehntausendfach spannender als der eigentliche Film, der mit plumper Action, einem stumpf um die Gewaltspitzen herumtänzelndem Schnitt und haarsträubend-lustloser Charakterzeichnung langweilt.

Platz 3: 365 Days: Noch ein Tag (Regie: Barbara Białowąs & Tomasz Mandes)

Na, erinnert ihr euch an 365 Days? Einen dieser Filme, über die Netflix zahlreiche Rekordmeldungen rausgehauen hat und die 2020 für ein paar Wochen großer Streitpunkt in den sozialen Netzwerken war? Die Adaption des ersten Teils einer Erotikromanreihe von Blanka Lipińska war nur der Anfang, auch wenn es vergleichsweise einfach war, das zu versäumen, ließ der Buzz doch von Film zu Film nach! Ich bin aus morbider Neugier allerdings am Ball geblieben, und darf berichten: Das große Finale der Filmtrilogie ist extrem langweilig.

Die Figuren sind in einem paradoxen Irgendwas gefangen zwischen "Sie ändern ihre Ansichten total sprunghaft" und "Aber schlussendlich ändert sich eigentlich nie etwas" (die After-Reihe lässt grüßen), die Popmusik-Einlagen klingen wie schlechte Cover von schlecht abgekupferten Nummern aus der Fifty Shades of Grey-Reihe und der Look ist so passionslos gelackt, dass keine prickelnde Reibung entstehen kann. Und der ganze trashige Sex hat sich hier total abgenutzt, nun werden zumeist unmotiviert Körper aneinander gerieben, ohne irgendwelche Grenzen auszuloten, Figuren damit weiterzuerzählen oder Stimmung zu erzeugen.

Aber eines muss ich Barbara Białowąs & Tomasz Mandes lassen: Sie entwickeln auf der Zielgerade ab und zu Selbstironie, etwa mit einer Traumsequenz, in der sich unsere weibliche Hauptfigur einen Dreier mit den beiden um sie buhlenden Herren herbeiwünscht. Der ist mit einer süffisanten "Komm, hier, das passt noch rein"-Attitüde inszeniert, die ausreichte, um ihn vom Silberrang dieses Countdowns fernzuhalten. 

Platz 2: Jeepers Creepers: Reborn (Regie: Timo Vuorensola)

Was macht man als Studio, wenn man im Fundus eine Horrorreihe hat, deren Monster zu einer kleinen bis mittelgroßen Ikone des Schreckenskinos der 2000er-Jahre geworden ist, doch mehr und mehr Filmfans erkennen: Oh, diese Jeepers Creepers-Filme wurden von Victor Salva gedreht, der zuvor wegen sexueller Misshandlung eines Minderjährigen im Gefängnis saß. Keine Personalie, die man gerne anfeuert, noch dazu, wenn Salva beispielsweise in Teil drei Szenen einbaut, in denen Figuren mit Sexualstraftätern sympathisieren. Nun, man wirft diesen Mann raus und wagt sich an einem Kann-aber-nicht-muss-Reboot:

In Jeepers Creepers: Reborn werden Handlungspunkte aus den Vorgängern referenziert, allerdings wird auch darüber gesprochen, dass der Creeper eine Filmfigur sei, die auf lokalen Legenden basiert. Da darf sich das Publikum seine eigene Distanz zwischen Teil vier und den vorherigen Filmen herbei interpretieren. Klingt erst einmal nicht nach der allerschlechtesten Idee, und Regisseur Timo Vuorensola hat mit Iron Sky bereits eine schmissige Trash-Hommage verantwortet. Allerdings kam Vuorensola nicht auf Iron Sky-Niveau ans Set, sondern schluderte sich im Iron Sky 2-Stil sonst was zusammen:

Jeepers Creepers: Reborn sieht grässlich aus, der freudlose Score zerstört sämtliche jämmerlichen Reste an Spannung und die Story mäandert konsequenzlos vor sich her. Und der Creeper bekam ein Facelift, das ihm sein Grauen raubt. Einziger Lichtblick in dieser Graupe:

Meine Fast-Namensvetterin Sydney Craven, die in diesem Horrorfilm zwar wiederholt mit übertriebenem Spiel ins Auge sticht. Das halte ich allerdings für ein Versagen ihres schläfrigen Umfelds, denn isoliert betrachtet hat Craven eine spritzig-natürliche Energie, die in einem Projekt, in dem nicht alles um sie herum Murks ist, richtig gut zünden könnte. Ich wünsche ihr eine baldige Gelegenheit, ihren Ruf in bessere Bahnen zu lenken. Und der Creeper hat womöglich einfach ausgedient.

Platz 1: 365 Days: Dieser Tag (Regie: Barbara Białowąs & Tomasz Mandes)

365 Days ist Schrott zum Fremdschämen. 365 Days: Noch ein Tag ist ein langweiliger, motivationsloser Trilogieabschluss mit einem winzigen, winzigen Funken an "Wir haben nun Narrenfreiheit, oder? Es juckt ja niemanden, was hier abgeht?"-Rebellentum. 365 Days: Dieser Tag wiederum ist ein Nichts von einem Film: Die Brücke zwischen dem "Hier, guck mal, wie skandalös wir sind! Shades in fragwürdiger, Hallo, bitte beachtet uns!"-Auftakt und dem weichgespülten Ende hat absolut gar nichts zu sagen, zu erzählen oder zu zeigen.

Szenen beginnen und enden einfach irgendwo, Cliffhanger werden nicht etwa aufgelöst, sondern ignoriert, und die konfusen Twists werden mit einer gähnenden Gleichgültigkeit inszeniert, mit der andere ihre Socken wechseln. 365 Days: Dieser Tag ist das, was wohl dabei herauskäme, würde man den Film drehen, den sich die harschesten Verrisse der Fifty Shades-Sequels zusammenspinnen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen