Platz 18: Luca (Regie: Enrico Casarosa)
Von Frankreich geht's rüber nach Italien: Enrico Casarosas Luca ist Sommergefühl, Kindheitsnostalgie, gechillte Freundschaftsfeier und fantasievolle, innige Toleranzgeschichte zugleich, mit bildhübschen Schauplätzen und charmanten Figuren. Einfach ein herzlicher Film!
Platz 16: Promising Young Woman (Regie: Emerald Fennell)
Was für ein Debüt! Autorin und Regisseurin Emerald Fennell denkt in Promising Young Woman das Revenge-Genre weiter, indem sie Carey Mulligan auf eine großartig beobachtete Rachetour gegen das Weggucken, Nettspielen und Ausnutzen schickt. Ohne Selbstjustiz zu verherrlichen, gelingt es ihr dennoch, uns mit einem herrlichen "Das hast du dir jetzt verdient!"-Denkzettel nach dem nächsten zu unterhalten, und dabei mit (internalisiertem) Sexismus abzurechnen und Genrekonventionen auszuhebeln. Nicht nur im Revenge-Genre, sondern auch im Segment der dramatischen Indie-Romanze, die proklamiert, dass sich Traumata durch Liebe heilen ließe. Super gespielt, doppelt- wenn nicht gar dreifachbödig skizziert und tonal zielsicher, trotz hoch diffiziler Drahtseilakte.
Platz 15: Pig (Regie: Michael Sarnoski)
Genuss, die Zweite: Nicolas Cage spielt in Pig einen Einzelgänger, dem sein geliebtes Trüffelschwein gestohlen wird. Also begibt er sich gemeinsam mit seinem letzten menschlichen Kontakt (Alex Wolff) auf die Suche nach dem Ringelschwanztierchen, das ihm alles bedeutet. Was folgt, ist, wie es in der Kinowerbung so schön bezeichnet wird, ein ruhiger, verständnisvoller Empathiefeldzug. Cage ist ruhig. Und er ist verständnisvoll. Und ich find das äußerst befriedigend! Denn wie Cage mit enormer Präsenz Besonnenheit, Kummer und Einfühlungsvermögen ausstrahlt, um seinen Punkt klar zu machen... Um sich an allen Möglichkeiten einer glücklichen Aussicht festzuklammern... Um Konflikt vor sich herzuschieben oder auch mal sein Gegenüber zu Selbsterkenntnis zu drängen... Das ist fabelhaft. Ebenso wie Michael Sarnoskis Herangehensweise an die Themen "Nutze dein Leben" und "Verarbeite Rückschläge... egal, wie lang es dauert" herangeht. Und ein köstlicheres, appetitanregenderes Finale hätte ich mir für diesen im Vorabhype fälschlicherweise als "John Wick... mit einem Schwein!" angepriesenen Film nicht vorstellen können.
Platz 14: Titane (Regie: Julia Ducournau)
Nach Raw haut Julia Ducournau ein weiteres Brett raus: Ein Teil Bodyhorror, ein Teil wütender, queerer Thriller, ein Teil feministische Zornesfantasie und drei Teile überraschend einfühlsame, verletzliche, sich in Gefühlssackgassen hockende Geschichte über zwei orientierungslose Seelen, die mit großer Dringlichkeit Halt und Verständnis suchen, sich aber aus gesellschaftlichen Gründen nicht trauen, dies auszusprechen. Titane ist in seinen Spitzen hart wie Titanstahl und in seiner inneren Gesamtbefindlichkeit aufgerieben-weich wie eine frisch aufgeschlagene Schläfe. Agathe Rousselle und Vincent Lindon spielen klasse, der Look ist toll, Ducournau hat für die nächsten paar Jahre mein vollstes Vertrauen.
"Der blutigste Disney-Film überhaupt", das war das Ziel, das Happy Deathday-Regisseur Christopher Landon mit Freaky erreichen wollte - selbst wenn er die Slasher-Komödie für Blumhouse und Universal inszenierte, und nicht etwa für das Haus der Maus. Diese Attitüde, vermengt mit der Ambition seines Schreibpartners Michael Kennedy, einen stolzen, bunten, munteren, durchdacht-launigen Film über Identität zu machen, ergibt Freaky. Und Menschenskinder, was ist das für eine abgefahrene Kombo, die da an meiner Tür klopft und sagt: "Sonderlieferung speziell für dich." Vince Vaughn und Kathryn Newton sind als blutgieriger Killer und/oder schüchterne Schülerin eine absolute Wucht, die Kills machen gigantische Laune, die Nebenfiguren sind ebenso schrill wie charmant und die rote Lederjacke, die Newton trägt, wird in die Genregeschichte eingehen! Dass Freaky dann auch noch neben seines stattlichen Spaßfaktors eine runde Selbstfindungs- und vor allem Rückgratstärkungsgeschichte erzählt, rundet diesen Slasherspaß gewordenen Disney-Channel-Stoff herrlich ab.
Platz 12: Beyond the Infinite Two Minutes (Regie: Junta Yamaguchi)
Kammerspiel-Zeitreisespaß, Knuffelfilm und launiger Ensemble-Showcase: Regisseur Junta Yamaguchi und Autor Makoto Ueda haben für ihre japanische Theatertruppe einen Film geschaffen, der nur so vor Charisma strahlt. Ein verliebter, schüchterner Cafébesitzer findet heraus, dass der TV-Monitor in seiner kleinen, über dem Café liegenden Wohnung einen Blick zwei Minuten in die Zukunft gestattet. Prompt mischen sich seine Freunde und seine Angestellte ein und lassen sich Spinnereien einfallen, wie sich das für romantische Absichten, Spielereien, Scherze, Späße und zum Geldverdienen ausnutzen lassen könnte. Das locker-leicht umgesetzte, rasiermesserscharf konstruierte Drehbuch macht Laune, die mit winzigen Mitteln umgesetzte Regie verleiht dem Ganzen eine liebenswerte Lockerheit, während sie stets ihre Marker trifft. Und der bestens eingespielte Cast glänzt mit einer unbändigen Spielkind-Energie, die sich auf die Figuren überträgt - eine Gruppe hibbeliger, sich selbst amüsierender, freundlicher Spielkinder. 70 Minuten langes Bis-über-beide-Ohren-Grinsen-Kino!
Platz 11: The French Dispatch (Regie: Wes Anderson)
Kauzig, detailversessen und voller Witz. Und jetzt endlich wieder auf einer Wellenlänge mit mir: In Grand Budapest Hotel und Isle of Dogs habe ich den Wes Anderson, den ich so sehr liebe, schmerzlich vermisst. Die Ästhetik war da, doch das dahinter hat mich nicht ansatzweise so sehr erreicht wie in seinen vorherigen Filmen. The French Dispatch ist dagegen wieder der Anderson, den ich abfeiere. Das äußert sich dieses Mal als Augenweide von einem Film voller Charme, Einfällen, Stars und neckischen Verneigungen sowie liebevollen Attacken auf den selbstbezogen-intellektuellen Journalismus. Fabulös.
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