Ich bin großer Fan von Wes Anderson. Oder sollte ich lieber sagen: "Ich war es"?
Dieser Gedanke plagte mich die vergangenen paar Jahre. Denn obwohl Die Royal Tenenbaums und Moonrise Kingdom zu meinen absoluten Lieblingsfilmen zählen und ich auch Durchgeknallt, Die Tiefseetaucher sowie Darjeeling Limited sehr liebe (und nach anfänglichen Problemchen Rushmore ebenfalls ins Herz geschlossen habe), ließ mich Grand Budapest Hotel 2014 äußerst enttäuscht zurück. 2018 konnte ich Wes Andersons zweitem Stop-Motion-Film, Isle of Dogs, noch weniger abgewinnen als dem charmanten und gewitzten, mich aber kalt lassenden Der fantastische Mr. Fox. Obwohl ich es nicht wollte, lastete letztlich auf The French Dispatch eine große Bürde: Kann Anderson mit seinem neusten puppenhäuschenhaft ausstaffiertem Film mein Herz zurückgewinnen, oder drängt sich der Gedanke auf, dass ich mit seinen neueren Werken einfach nicht auf einer Wellenlänge liege?
Wie die Überschrift euch bereits verraten hat: Ersteres trat ein, glücklicherweise! Das Thema und Setting von The French Dispatch hat sicherlich seinen Beitrag dazu geleistet: Andersons neuster Film ist ein cineastischer Liebesbrief an den kauzig-intellektuellen Journalismus, wie ihn The New Yorker leistet und in seiner Blütezeit förmlich lebte und atmete. Das ist ein Metier, mit dem man unmittelbar mein Interesse erhascht, und wie Anderson in seinem Filmuniversum daraus das exzentrische, anspruchsvolle französische Ablegerformat einer US-amerikanischen Kleinstadtzeitung macht, hat für mich immensen Charme - ebenso wie die verschachtelte, dreckige, gleichwohl pittoreske Stadt, in der das titelgebende Druckerzeugnis angesiedelt ist.
Außerdem nähert sich Wes Anderson dem Journalismus, wie ihn The New Yorker-Gründer Harold Ross vorlebte, mit einer Art kritischer Nostalgie: Die ebenso aufgeladene wie beschauliche Ästhetik, in der Andersons dem Auge schmeichelnde Symmetrieliebe und ein das Auge überforderndes Maß an markanten Details aufeinandertreffen, strahlt große Passion aus. Und sowohl Erzählstimme wie auch Erzählhaltung zeigen genauso sehr innige Begeisterung für diese Figuren und ihre Arbeit. Gleichwohl ist The French Dispatch kein kantenloses Fest der Verklärung. Sei es der Running Gag (oder eher: die herumlungernde Pointe) eines Redakteurs, der noch nie einen Artikel fertiggestellt hat, und trotzdem in den Redaktionsräumen herumsteht, oder eine Parade an Seitenhieben auf dramaturgische Freiheiten in der Berichterstattung sowie die journalistische Beobachterposition verlassende Reportagen. Seien es bewusst große Text/Bild-Scheren oder das Mantra des von Bill Murray verkörperten Chefredakteurs, laut dem man Fehler, Patzer und ähnliches einfach wie Absicht darstellen sollte: Anderson liebt alles, was er hier zeigt, weil er die Inspiration verehrt - doch er verleugnet nie, dass sich Kritikpunkte aufzeigen ließen.
Und so hatte The French Dispatch fast schon eine versehentliche, auf mich zugeschnittene Metaebene: Der Film schien mit mir über Wes Andersons Stärken und Passionen zu sprechen und sich für meine Antipathie gegenüber den vergangenen zwei Filmen entschuldigen zu wollen. Dass darüber hinaus dieser berückend schön gefilmte, von Alexandre Desplat musikalisch amüsiert untermalte, fabelhaft ausgestattete Film viel mehr Fokus auf das Charisma und den Witz seines Stoffes legt, und nicht wie Grand Budapest Hotel versucht, den flach skizzierten Figuren noch Pathos und Dramatik zu entlocken, macht ihn für mich zu einer viel runderen Angelegenheit.
Die Royal Tenenbaums und Moonrise Kingdom sind in meinen Augen unerreicht, dort entwickelt Anderson in seiner Ästhetik zudem noch runde, komplexe, mich bewegende Figuren. The French Dispatch ist dagegen das Partnerstück zu Grand Budapest Hotel: Nostalgie und visueller Prunk haben Vorrang. Bloß, dass der Neuere für mich abgerundeter und seine Tonalität besser einschätzender wirkt und mich von der Thematik her einfach deutlich mehr anspricht. 108 Minuten glückseliges Lächeln vor der Kinoleinwand!
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