Freitag, 5. März 2021

Meine unsortierten Gedanken zu "WandaVision"

Spoilerwarnung: Ich setze voraus, dass ihr die Serie bereits komplett gesehen habt! 

Der Schlussakkord wurde unnötig unterbrochen. Mit dieser Negativität wollen wir beginnen.

Denn der Entschluss von Disney+ und den Marvel Studios, WandaVision wöchentlich zu veröffentlichen, statt die komplette Serie in einem Rutsch online zu stellen, kam in meinen Augen der Serie sehr zugute. Bloß hätten es idealerweise acht Folgen sein sollen, statt neun. Die Serie nicht mit einer XXL-Folge abzuschließen, sondern mit zwei XL-Episoden, hemmte für mich die Emotionalität dessen, wie alles zu einem Ende findet.


Episode acht (Was bisher geschah ...) und Episode neun (Das Serienfinale) stellen zwei Seiten derselben Medaille dar: Folge acht lässt uns schmerzlich nah Wendepunkte in Wandas Leben mit ansehen, und ermöglicht somit eine ungefilterte Kostprobe dessen, was in der von Elizabeth Olsen so wandelbar und komplex verkörperten Protagonistin vorgeht. "Survivor's Guilt", Kummer, das Gefühl, alleingelassen zu werden, Wut, Weltschmerz, all dies rumort in dieser Frau, die obendrein Kräfte hat, die sie selber nicht begreift. Auf der Superheldenserien-Ebene der Serie, und somit wortwörtlich in der Welt von WandaVision, ist das in dem Sinne zu verstehen, dass Wanda eine Hexe mit außerordentlicher Macht ist. Im übertragenen Sinne, wenn man bedenkt, auf welcher Thematik diese Serie fußt, ist damit gemeint, dass Wanda fähig ist, ihren Schmerz zu verarbeiten ... Aber aufgrund eines Mangels an sie verstehenden Vertrauenspersonen, einer ihr auf Augenhöhe begegnenden Trauerbegleitung, und angesichts eines falschen Selbstverständnisses, vergräbt sie alles, was sie verletzt, zu tief in ihrem Inneren, und begibt sich in eine (weil dies eine Marvel-Serie ist: wortwörtliche) Weltflucht, die in dieser Intensität nur noch mehr Leid nach sich zieht. 


Während die achte Episode somit vorführt, wie wir dort angelangt sind, wo die Serie begonnen hat, dreht sich Folge neun darum, dass Nutznießer und Antreibende von Wandas Elend in Zaum gehalten werden. Sowie darum, dass Wanda dieses fatale Tief verlassen muss, Selbsterkenntnis betreibt und den Preis dafür bezahlt (oder wenigstens den Willen zeigt, ihn zu bezahlen), wie sie anderen Schmerz dadurch zugefügt hat, dass sie ihrem eigenen Kummer ungesund entgegnete. Und weil dies halt eine Marvel-Cinematic-Universe-Serie ist, äußert sich dieser Prozess in allerhand Supergekloppe und Superkräfte-Strahlenrumgeschleuder. 


Durch das Veröffentlichen dieses Schlussaktes von WandaVision in Form von zwei Episoden, die noch dazu mit einer Woche Abstand erschienen sind, lag zwangsweise der Schwerpunkt der Finalfolge auf physischer Auseinandersetzung. Genauer gesagt auf physischer Auseinandersetzung übernatürlich befähigter Individuen. Und dann wurden auch noch weite Strecke dieser Kämpfe in der matschigen "Strahlen treffen auf Strahlen, und das Bild ist völlig mit unförmigem Zaubernebel überfrachtet"-Ästhetik ausgetragen, die schon Filme wie Batman v Superman: Dawn of Justice, Wonder Woman oder Justice League plagte. Das ist nicht der Eindruck, den ich aus dem Finale einer Serie wie WandaVision nehmen möchte. Ist das doch einer Serie, die mit den Mitteln der Superheldenerzählung und Mysteryelementen, von Verdrängung sowie Trauerbewältigung erzählt!

Daher hätte ich es besser gefunden, wären die Episoden acht und neun als eine große Folge veröffentlicht worden. Gerne auch noch mit gestutzter Action in der zweiten Hälfte und einem kürzeren Agatha-Rückblick (der zwar inhaltlich berechtigt ist, aber in der gebotenen Länge zu viel erzählerisches Gewicht von Wanda wegnimmt) zu Beginn der ersten Hälfte. 


Aber: Das betrifft in dieser Intensität ja nur meine unmittelbare Rezeption des Finales. Die Serie als solche verliert durch dieses Ende nur minimal als Überzeugungskraft. Und mit Ausnahme von Episode vier (die als Perspektivwechsel nicht nur eine strukturell erquickliche Zäsur darstellt, sondern zudem eine wertvolle, empathisch-kritische Außenansicht auf Wandas Position bringt), hätte ich zudem die S.W.O.R.D.-Szenen halbiert, da sie sich zu sehr auf die Zahnräder innerhalb der MCU-Logik der Serie konzentrieren, statt Wandas Charakterbogen voranzubringen. Doch das waren dann auch schon all meine nennenswerten Kritikpunkte.


Insgesamt bin ich nämlich überaus angetan von WandaVision. Verdrängungsmechanismen in Form einer außer Kontrolle geratenen Superkraft darzustellen, ist eine ebenso ungewöhnliche wie entwaffnende Art, sich dem Thema zu nähern. Geradlinige Dramen darüber mögen zweifelsohne den Reiz haben, dass sie authentisch und lebensnah wirken, allerdings erlauben sie auch, sich emotional zu wappnen und vor den Inhalten zu sperren, weil man ja weiß, worauf es hinausläuft. Die Nähe auf einer Ebene des Erzählprozesses gestattet eine Distanznahme auf einer anderen.

Ähnlich, wie Animationsfilme es vermögen, durch ihre künstlerische sowie gekünstelte Präsentation die "Verteidigung" des Publikums zu lockern, gestattet es der mystische Überbau von WandaVision, derweil, unbedarfter an seine Thematik zu schreiten. Es ist weniger wirklichkeitsgetreu, aber es kann auf andere Weise an Echtheit zulegen. So haben halt alle Erzählkulturen ihre Vorzüge, die fabelhafte und die bodenständigere ... 

Ich mein: Mir war von Beginn an klar, dass eine anfangs Episode für Episode eine andere Sitcomära imitierende Serie über die übernatürliche Wanda, die bislang ein Trauma nach dem nächsten erlebt hat, auf das Thema Verdrängung und Kummer hinauslaufen wird. Dazu musste ich gar keine Puzzlesteine zusammenlegen, das ließ sich schon den einzelne Stücken entnehmen.

Doch es schien mir zunächst eher Plotmotor zu sein. Die Ausrede, die Produzent Kevin Feige und Co. nehmen, um eine Serie zu entwerfen, die sich über Stilimitation und Geheimnisse definiert (was absolut seinen Reiz gehabt hätte). Ich ließ mich von den extrem pointierten Sitcom-Hommagen amüsieren, und durch die wöchentliche Veröffentlichung von der Rätselmanie, was genau innerhalb der Serienrealität abläuft, mitreißen. Während für mich die vielen Referenzen auf Marvel-Comics und -Schaffende nette, kleine, der Zerstreuung dienende Easter Eggs darstellten, sorgten die unzähligen Parallelen auf die bisherigen Marvel-Studios-Filme, die innerhalb Wandas zerbrechlicher Sitcom-Welt bemerkt werden konnten, für eine trügerische Auseinandersetzung mit Wandas Kummer:

Ich dachte beispielsweise bei den Werbespots an Situationen innerhalb der MCU-Timeline zurück, wie an Wandas Verlust ihrer Eltern. Oder an ihren tödlichen Fehler in Lagos. Sie wurden mir prägnanter in Erinnerung gerufen, das allerdings auf (oberflächlich betrachtet) emotional distanzierte Weise: "Ha, ich weiß, was die rote Flüssigkeit bedeuten soll, die komplett weggewischt wird, als sei nichts passiert. Wanda verdrängt Lagos! ... Ohwei ... wie böse." Ich durfte mir so vorkommen, als stünde ich über diesen Dingen, so als würde ich nur ein Rätselheft lösen. Aber ich wurde dadurch stärker involviert, womit sich die Fallhöhe für später vergrößerte. Und die zahlreichen Sitcom-Hommagen sowie -Anspielungen ließen eigene Nostalgie für heimelige TV-Momente aufkommen, sie ließen mich in selbst konsumiertem Eskapismus schwelgen. Ganz so wie Wanda. 

So kam es, dass es mich mittendrin sehr wohl unvorbereitet traf, als ungeschönt und direkt Wandas Trauer behandelt wurde, und die Serie in ein und derselben Episode vorführte, wie wohltuend seichte Unterhaltung sein kann, als auch, wie trügerisch und schlussendlich schädlich es ist, wenn man sich allein an Eskapismus festklammert, statt den wahren Problemen ins Auge zu blicken.

Ich möchte sagen: Regisseur Matt Shakman und Chefautorin Jac Schaeffer gelang es dank der Struktur ihrer Serie, der in emotionaler Ablenkung wie ungetäuschter Auseinandersetzung spitzen Dialogen, sowie des grandiosen Casts, mich gewissermaßen in Wandas Schuhe zu versetzen. Trotz von Anfang an bestehender Zweifel daran, dass ich ein reines eskapistisches Erlebnis haben werde, war ich willens, mich vom unter der Oberfläche brodelnden Ernst ablenken zu lassen. Bis es unvermeidbar war. Und unvermeidbar einprasselnde, schwere Gefühle wiegen sogleich doppelt so schwer. Die finale Auseinandersetzung damit wäre auch im ersten Moment einnehmender gewesen, wäre sie direkt im Tandem erfolgt. Aber Zeit ist ein dehnbarer Begriff: Noch liegt eine Woche zwischen dem Aufwühlen Wandas und dem Anbeginn des Aufbereitungsprozess, an die ich mich Tag für Tag erinnern kann. Schon in wenigen Wochen wird die Zeit zwischen den beiden Folgen für mich verschwimmen, ich werde wissen, dass sieben Tage zwischen Folge acht und neun lagen, aber das ist dann nur noch eine mir rational bewusste Zahl. Kein wahres Gefühl mehr. Darum werde ich WandaVision nicht daran messen, wie ich während der letzten Folge reagierte, sondern an der Gesamtheit der Serie und welchen Eindruck sie bei mir hinterließ.


WandaVision kann insofern für sich stehen, als dass der Erkenntnisprozess Wandas und ihre internen wie externen Querelen einen stimmigen Bogen ergeben. Und dass zwar angedeutet wird, dass Wanda die Kurve kriegen könnte, aber ein Hauch des Zweifels übrig bleibt, wäre ein ehrliches Ende (denkt an nur bis zum Abspann und erachtet alles danach als Vorschau auf andere Geschichten im selben Serienuniversum). Es ist ein ununterbrochener Prozess, sein Päckchen mit sich zutragen, und selbst wer lernt, schonender zu tragen, wird nie sicher sein können, ob man es nicht doch (wieder?) fallen lässt.


Doch da es das MCU ist, bleibt es nicht beim offenen Ende. Nun heißt es "Abwarten und Mitfiebern", ob Wanda wirklich die richtigen Schlüsse gezogen hat, oder in eine zornige Position gedrängt wird. Die Antwort bekommen wir voraussichtlich 2022. Und bis dahin hält unter anderem The Falcon and the Winter Soldier das MCU am Laufen. Ich freu mich drauf.

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