Freitag, 12. März 2021

Meine Lieblingsfilme 2020 (Teil IV)

was bisher geschah ...

Ich setze mir ja bei meiner notorisch lang gereiften Jahresbestenliste seit einiger Zeit das Ziel, stets schneller zu sein als die Academy Awards. Und, wow, dieses Mal ist mir das auf voller Linie gelungen: Die kompletten Charts gingen hier im Blog online, noch bevor die Oscar-Nominierungen öffentlich wurden. Na, wenn das kein Grund zur Feier ist! Etwa mit den finalen Ehrennennungen meiner Favoritenliste 2020! Der Netflix-Psychothriller Horse Girl lässt Alison Brie eine zermürbte Frau in einem verwirrenden Plot über Wahrnehmung spielen. The Babysitter: Killer Queen führt McGs mit Abstand beste Regiearbeit gekonnt fort. Der Anfang ist etwas unfokussiert, aber später fängt sich die blutige Sause. Vergiftete Wahrheit ist ein stark gespieltes Justizdrama mit einem engagierten Mark Ruffalo als Anwalt, der einen Chemieskandal aufdeckt, dem der Film wohl dokumentarisch eher gerecht werden würde, doch auch in dieser Form spannend angepackt wurde.

Greenland ist ein umfassend erzähltes, charakterlich stark fokussiertes Katastrophendrama, das einfach rund ist! Kim Possible – Der Film ist campiger Bonbonspaß. Und Bruderherz ist ein sehr schön erzähltes Disney-Sportdrama, das zudem von Verantwortung, ungleicher Chancenverteilung und Familiensinn erzählt. Aber genug des Vorgeschmacks. Ab in die Top Ten!

Platz 10: Little Women (Regie: Greta Gerwig)

Welch atemberaubend schöne Adaption eines Literaturklassikers: Durch Greta Gerwigs unchronologische, sich an den emotionalen Wendepunkten der Geschichte orientierte, Neuaufreihung der Szenen gewinnt dieses Schwesterndrama enorm an Gefühlsgewalt. Der Cast ist fantastisch (insbesondere Florence Pugh und Saoirse Ronan), und Gerwigs Inszenierung ebenso filigran wie fesselnd. Die so unterschiedliche Frauwerdung eines Geschwisterquartetts ist in Gerwigs Händen gewieft, dramatisch und zudem mit einem waschechten Gänsehautfinale versehen, das mir den Atem geraubt hat. Einfach bezaubernd!

Platz 9: Trolls: World Tour (Regie: Walt Dohrn)

Ein 3D-Spektakel der Farben und Klänge: So bescheiden der erste Trolls-Teil ist, so sensationell ist die Fortsetzung. Oberflächlich eine nimmermüde Musikparty voller irrer Gags, schräger Figuren und durchgeknallten Anblicken. Unter der Oberfläche wartet eine schrill umgesetzte Geschichte über Geschichtsrevision, das Ausnutzen der Macht, die damit einhergeht, in der gesellschaftlich dominanten Position zu sein, Vertrauen unter Freunden, kulturelle Aneignung sowie den Wert der Vielfalt und des Anerkennens von Unterschieden, inklusive der teils damit einhergehenden historisch gewachsenen (und anzugleichenden) Bevor- und Benachteiligungen. Hmmm? Was, gerade keine Lust auf eine rührend-gewitzte Auseinandersetzung mit dieser Themengewalt? Egal, guck mal hier, plüschig-flauschig-glitzernde Dinge, die sich rauschhaft durch verschiedene Musikrichtungen ackern, und unvorhersehbare Humorausbrüche! WUHU!

Platz 8: Mandibules (Regie: Quentin Dupieux)

Zwei putzig-verpeilte Versager und Kleinganoven entdecken eine Fliege in der Größe eines Kleinhundes und nehmen sich vor, sie zu dressieren, um mit ihr Geld zu verdienen. Es folgt: Ein Ringelpietz der Situationskomik, Running Gags, Unannehmlichkeiten und Absurditäten. Dupieux entfacht ein Feuerwerk der Lachsalven und Juxraketen. Spitzenlaune garantiert.

Platz 7: Berlin Alexanderplatz (Regie: Burhan Qurbani)

Burhan Qurbani nimmt zusammen mit seinem Schreibpartner Martin Behnke die legendäre Romanvorlage von Alfred Döblin und verlegt sie ins Heute. Nun zur Geschichte über einen Geflüchteten umgewandelt, der ein Guter sein will, doch in einem Land ankam, das ihn mit Füßen tritt (wenn es nicht gerade die schlechtesten Aspekte seiner Persönlichkeit anfeuert), ist Berlin Alexanderplatz fesselndes Charakterdrama, hypnotische Ganoventragödie und stilsicher zugespitzter Gesellschaftskommentar zugleich. Welket Bunguê, Jella Haase, Albrecht Schuch und Joachim Król spielen grandios, die Regieführung ebenso famos wie die Lichtsetzung und das Sounddesign. Und genauso unwichtig wie mich begeisternd: Es kommt eine Wildcats-Jacke vor. Welches Team?!

Platz 6: Der Unsichtbare (Regie: Leigh Whannell)

Nach dem genüsslichen Sci-Fi-Actioner Upgrade legt Leigh Whannell nochmal ein paar Schippen extra drauf: Er nimmt sich dem unterschätzten, großartigen sowie klassischen Universal-Horror-Franchise rund um den Unsichtbaren an und macht ihn nun vom faszinierenden Fiesling (das Original) oder vom Sympathie haltenden Anti-Helden (Teil zwei) zur steten, unsichtbaren Bedrohung. In dieser Der Unsichtbare-Variante ist die Titelfigur ein übergriffiger, manipulativer Bastard, der enorm davon profitiert, wie wenig Frauen Glauben geschenkt wird, wenn sie von einer Bedrohung spricht, die andere aber nicht zu Gesicht bekommen. Elisabeth Moss' Spiel geht unter die Haut, die Regieführung ist punktgenau und Benjamin Wallfischs Score ist einer der besten des Jahres. Hammer.

Platz 5: Knives Out (Regie: Rian Johnson)

Agatha Christie nach Art von Rian Johnson: In einem grotesk eingerichteten Herrenhaus ist der Patriarch einer geschäftigen, gut betuchten Familie gestorben. War es Selbstmord, wie die Polizei vermutet, oder doch ein Mord aus Rache, Gier nach dem Krimiroman-Imperium des Opfers oder aus dem Motiv heraus, ihn und seine Geheimnisse unter die Erde zu bringen? Der daueramüsierte, Rätsel liebende Südstaatenschnüffler Benoit Blanc nimmt sich dem Mysterium an. Daniel Craig ist eine Gute-Laune-Wucht als Blanc, der Starauflauf an Verdächtigen ist spitze besetzt (Chris Evans als schwarzes Schaf der Familie, das riesigen Spaß daran hat, dass der Rest des Clans nun auch mal Antipathie abbekommt, sticht besonders heraus) und Ana de Armas, die ich zuvor meistens schwach fand, entpuppt sich hier als überaus talentiert: Sie spielt überaus differenziert und komplex die Pflegerin des Toten, die als Migrantentochter zum Streitthema der Familie wird. Die einen halten mit ihrer Geringschätzung gar nicht hinter dem Berg, die anderen sind so lange aufgeschlossen, bis sie das Gefühl haben, sie würden ihre Privilegien verlieren. Knives Out ist gerissen strukturiert, spitze gefilmt und voller markanter Figuren.

Platz 4: I'm Thinking of Ending Things (Regie: Charlie Kaufman)

Die Wartezeit war viel zu lang, doch dieses Jahr gab es endlich einen neuen Film von Charlie Kaufman: Diese surreale Tragödie mit viel schwarzem Humor und einem hypnotischen Look glänzt mit einer wundervollen Jessie Buckley und einem nicht minder denkwürdigen Jesse Plemons in den Hauptrollen. Bestechenden Dialogen. Und mit einer Story, die immer wieder in einem neuen Licht erstrahlt.

Platz 3: Die obskuren Geschichten eines Zugreisenden (Regie: Aritz Moreno)

Eine Geschichte über eine Geschichte, die sich im Rahmen einer Anekdote aufdrängt, die eine Anekdote beinhaltet ... Aritz Morenos Die obskuren Geschichten eines Zugreisenden ist ein verwegener Genremischmasch aus Krimi, Komödie, Beziehungshorror, zynischem Melodrama und ein paar weiteren Genrekrümeln, in dem der Akt des Geschichtenerzählens der wahre Star ist. Wobei Morenos galant-unangenehme Regieführung ebenfalls großen Beitrag leistet: Immer wieder werden durch kleine visuelle Schnörkel, musikalische Entscheidungen und erzählrhythmische Ungenauigkeiten die Tonalitäten verwischt. Das Ergebnis ist nicht unbedingt einzigartig, aber durchaus unvergleichlich.

Platz 2: 1917 (Regie: Sam Mendes)

Zwei Soldaten werden im Ersten Weltkrieg aus ihrer Pause gerüttelt und mit der Aufgabe betreut, einen anderen Stützpunkt darüber zu informieren, dass seine Männer in eine Falle laufen werden, sollte man den geplanten Angriff auf die Deutschen nicht abblasen. Was folgt, ist ein sich dehnendes und wieder zusammenschnappendes Band der als Selbstverständlichkeit präsentierten Widersprüchlichkeiten. 1917 wirkt wie in Echtzeit erzählt, rafft aber eine Mission zusammen, die deutlich länger dauern würde als die Laufzeit dieses Films. Mendes erzählt von einem spezifischen Einsatz, der doch alltäglich ist und für unzählige andere stehen kann. Es ist eine in den Details realistische Darstellung dieses Geschichtskapitels, und doch ist die Gesamtheit des Films ein naturalistisches Essay, in dem die Landschaften und die poetisch-dringliche Klangtapete die Vergänglichkeit der Menschen und die Sinnlosigkeit ihrer Kriegshandlungen kommentiert. Denn egal, wie viel sie zerstören mögen, die Natur kann sich, im Gegensatz zu den menschlichen Opfern, unbeirrt regenerieren. 

Platz 1: Soul (Regie: Pete Docter & Kemp Powers)

Der beste Pixar-Film seit Alles steht Kopf: In Soul drängen sich Fragen auf wie "Was, wenn wir einem unerreichbaren Ziel nachjagen?", "Was, wenn die Leidenschaft zur Besessenheit wird?", "Was braucht es, um die Freude zu erkennen, die ständig direkt unter deiner Nase wartete?" und "Wie zeigt man auf, dass das Leben trotz Enttäuschungen lebenswert ist?" Wunderschön animiert (das herbstliche New York ist beinahe so einladend wie das Ratatouille-Paris), ebenso humorvoll wie gefühlvoll geschrieben und voller Kreativität, ist Soul ganz klar mein Lieblingsfilm des Jahres 2020. 

Freitag, 5. März 2021

Meine unsortierten Gedanken zu "WandaVision"

Spoilerwarnung: Ich setze voraus, dass ihr die Serie bereits komplett gesehen habt! 

Der Schlussakkord wurde unnötig unterbrochen. Mit dieser Negativität wollen wir beginnen.

Denn der Entschluss von Disney+ und den Marvel Studios, WandaVision wöchentlich zu veröffentlichen, statt die komplette Serie in einem Rutsch online zu stellen, kam in meinen Augen der Serie sehr zugute. Bloß hätten es idealerweise acht Folgen sein sollen, statt neun. Die Serie nicht mit einer XXL-Folge abzuschließen, sondern mit zwei XL-Episoden, hemmte für mich die Emotionalität dessen, wie alles zu einem Ende findet.


Episode acht (Was bisher geschah ...) und Episode neun (Das Serienfinale) stellen zwei Seiten derselben Medaille dar: Folge acht lässt uns schmerzlich nah Wendepunkte in Wandas Leben mit ansehen, und ermöglicht somit eine ungefilterte Kostprobe dessen, was in der von Elizabeth Olsen so wandelbar und komplex verkörperten Protagonistin vorgeht. "Survivor's Guilt", Kummer, das Gefühl, alleingelassen zu werden, Wut, Weltschmerz, all dies rumort in dieser Frau, die obendrein Kräfte hat, die sie selber nicht begreift. Auf der Superheldenserien-Ebene der Serie, und somit wortwörtlich in der Welt von WandaVision, ist das in dem Sinne zu verstehen, dass Wanda eine Hexe mit außerordentlicher Macht ist. Im übertragenen Sinne, wenn man bedenkt, auf welcher Thematik diese Serie fußt, ist damit gemeint, dass Wanda fähig ist, ihren Schmerz zu verarbeiten ... Aber aufgrund eines Mangels an sie verstehenden Vertrauenspersonen, einer ihr auf Augenhöhe begegnenden Trauerbegleitung, und angesichts eines falschen Selbstverständnisses, vergräbt sie alles, was sie verletzt, zu tief in ihrem Inneren, und begibt sich in eine (weil dies eine Marvel-Serie ist: wortwörtliche) Weltflucht, die in dieser Intensität nur noch mehr Leid nach sich zieht. 


Während die achte Episode somit vorführt, wie wir dort angelangt sind, wo die Serie begonnen hat, dreht sich Folge neun darum, dass Nutznießer und Antreibende von Wandas Elend in Zaum gehalten werden. Sowie darum, dass Wanda dieses fatale Tief verlassen muss, Selbsterkenntnis betreibt und den Preis dafür bezahlt (oder wenigstens den Willen zeigt, ihn zu bezahlen), wie sie anderen Schmerz dadurch zugefügt hat, dass sie ihrem eigenen Kummer ungesund entgegnete. Und weil dies halt eine Marvel-Cinematic-Universe-Serie ist, äußert sich dieser Prozess in allerhand Supergekloppe und Superkräfte-Strahlenrumgeschleuder. 


Durch das Veröffentlichen dieses Schlussaktes von WandaVision in Form von zwei Episoden, die noch dazu mit einer Woche Abstand erschienen sind, lag zwangsweise der Schwerpunkt der Finalfolge auf physischer Auseinandersetzung. Genauer gesagt auf physischer Auseinandersetzung übernatürlich befähigter Individuen. Und dann wurden auch noch weite Strecke dieser Kämpfe in der matschigen "Strahlen treffen auf Strahlen, und das Bild ist völlig mit unförmigem Zaubernebel überfrachtet"-Ästhetik ausgetragen, die schon Filme wie Batman v Superman: Dawn of Justice, Wonder Woman oder Justice League plagte. Das ist nicht der Eindruck, den ich aus dem Finale einer Serie wie WandaVision nehmen möchte. Ist das doch einer Serie, die mit den Mitteln der Superheldenerzählung und Mysteryelementen, von Verdrängung sowie Trauerbewältigung erzählt!

Daher hätte ich es besser gefunden, wären die Episoden acht und neun als eine große Folge veröffentlicht worden. Gerne auch noch mit gestutzter Action in der zweiten Hälfte und einem kürzeren Agatha-Rückblick (der zwar inhaltlich berechtigt ist, aber in der gebotenen Länge zu viel erzählerisches Gewicht von Wanda wegnimmt) zu Beginn der ersten Hälfte. 


Aber: Das betrifft in dieser Intensität ja nur meine unmittelbare Rezeption des Finales. Die Serie als solche verliert durch dieses Ende nur minimal als Überzeugungskraft. Und mit Ausnahme von Episode vier (die als Perspektivwechsel nicht nur eine strukturell erquickliche Zäsur darstellt, sondern zudem eine wertvolle, empathisch-kritische Außenansicht auf Wandas Position bringt), hätte ich zudem die S.W.O.R.D.-Szenen halbiert, da sie sich zu sehr auf die Zahnräder innerhalb der MCU-Logik der Serie konzentrieren, statt Wandas Charakterbogen voranzubringen. Doch das waren dann auch schon all meine nennenswerten Kritikpunkte.


Insgesamt bin ich nämlich überaus angetan von WandaVision. Verdrängungsmechanismen in Form einer außer Kontrolle geratenen Superkraft darzustellen, ist eine ebenso ungewöhnliche wie entwaffnende Art, sich dem Thema zu nähern. Geradlinige Dramen darüber mögen zweifelsohne den Reiz haben, dass sie authentisch und lebensnah wirken, allerdings erlauben sie auch, sich emotional zu wappnen und vor den Inhalten zu sperren, weil man ja weiß, worauf es hinausläuft. Die Nähe auf einer Ebene des Erzählprozesses gestattet eine Distanznahme auf einer anderen.

Ähnlich, wie Animationsfilme es vermögen, durch ihre künstlerische sowie gekünstelte Präsentation die "Verteidigung" des Publikums zu lockern, gestattet es der mystische Überbau von WandaVision, derweil, unbedarfter an seine Thematik zu schreiten. Es ist weniger wirklichkeitsgetreu, aber es kann auf andere Weise an Echtheit zulegen. So haben halt alle Erzählkulturen ihre Vorzüge, die fabelhafte und die bodenständigere ... 

Ich mein: Mir war von Beginn an klar, dass eine anfangs Episode für Episode eine andere Sitcomära imitierende Serie über die übernatürliche Wanda, die bislang ein Trauma nach dem nächsten erlebt hat, auf das Thema Verdrängung und Kummer hinauslaufen wird. Dazu musste ich gar keine Puzzlesteine zusammenlegen, das ließ sich schon den einzelne Stücken entnehmen.

Doch es schien mir zunächst eher Plotmotor zu sein. Die Ausrede, die Produzent Kevin Feige und Co. nehmen, um eine Serie zu entwerfen, die sich über Stilimitation und Geheimnisse definiert (was absolut seinen Reiz gehabt hätte). Ich ließ mich von den extrem pointierten Sitcom-Hommagen amüsieren, und durch die wöchentliche Veröffentlichung von der Rätselmanie, was genau innerhalb der Serienrealität abläuft, mitreißen. Während für mich die vielen Referenzen auf Marvel-Comics und -Schaffende nette, kleine, der Zerstreuung dienende Easter Eggs darstellten, sorgten die unzähligen Parallelen auf die bisherigen Marvel-Studios-Filme, die innerhalb Wandas zerbrechlicher Sitcom-Welt bemerkt werden konnten, für eine trügerische Auseinandersetzung mit Wandas Kummer:

Ich dachte beispielsweise bei den Werbespots an Situationen innerhalb der MCU-Timeline zurück, wie an Wandas Verlust ihrer Eltern. Oder an ihren tödlichen Fehler in Lagos. Sie wurden mir prägnanter in Erinnerung gerufen, das allerdings auf (oberflächlich betrachtet) emotional distanzierte Weise: "Ha, ich weiß, was die rote Flüssigkeit bedeuten soll, die komplett weggewischt wird, als sei nichts passiert. Wanda verdrängt Lagos! ... Ohwei ... wie böse." Ich durfte mir so vorkommen, als stünde ich über diesen Dingen, so als würde ich nur ein Rätselheft lösen. Aber ich wurde dadurch stärker involviert, womit sich die Fallhöhe für später vergrößerte. Und die zahlreichen Sitcom-Hommagen sowie -Anspielungen ließen eigene Nostalgie für heimelige TV-Momente aufkommen, sie ließen mich in selbst konsumiertem Eskapismus schwelgen. Ganz so wie Wanda. 

So kam es, dass es mich mittendrin sehr wohl unvorbereitet traf, als ungeschönt und direkt Wandas Trauer behandelt wurde, und die Serie in ein und derselben Episode vorführte, wie wohltuend seichte Unterhaltung sein kann, als auch, wie trügerisch und schlussendlich schädlich es ist, wenn man sich allein an Eskapismus festklammert, statt den wahren Problemen ins Auge zu blicken.

Ich möchte sagen: Regisseur Matt Shakman und Chefautorin Jac Schaeffer gelang es dank der Struktur ihrer Serie, der in emotionaler Ablenkung wie ungetäuschter Auseinandersetzung spitzen Dialogen, sowie des grandiosen Casts, mich gewissermaßen in Wandas Schuhe zu versetzen. Trotz von Anfang an bestehender Zweifel daran, dass ich ein reines eskapistisches Erlebnis haben werde, war ich willens, mich vom unter der Oberfläche brodelnden Ernst ablenken zu lassen. Bis es unvermeidbar war. Und unvermeidbar einprasselnde, schwere Gefühle wiegen sogleich doppelt so schwer. Die finale Auseinandersetzung damit wäre auch im ersten Moment einnehmender gewesen, wäre sie direkt im Tandem erfolgt. Aber Zeit ist ein dehnbarer Begriff: Noch liegt eine Woche zwischen dem Aufwühlen Wandas und dem Anbeginn des Aufbereitungsprozess, an die ich mich Tag für Tag erinnern kann. Schon in wenigen Wochen wird die Zeit zwischen den beiden Folgen für mich verschwimmen, ich werde wissen, dass sieben Tage zwischen Folge acht und neun lagen, aber das ist dann nur noch eine mir rational bewusste Zahl. Kein wahres Gefühl mehr. Darum werde ich WandaVision nicht daran messen, wie ich während der letzten Folge reagierte, sondern an der Gesamtheit der Serie und welchen Eindruck sie bei mir hinterließ.


WandaVision kann insofern für sich stehen, als dass der Erkenntnisprozess Wandas und ihre internen wie externen Querelen einen stimmigen Bogen ergeben. Und dass zwar angedeutet wird, dass Wanda die Kurve kriegen könnte, aber ein Hauch des Zweifels übrig bleibt, wäre ein ehrliches Ende (denkt an nur bis zum Abspann und erachtet alles danach als Vorschau auf andere Geschichten im selben Serienuniversum). Es ist ein ununterbrochener Prozess, sein Päckchen mit sich zutragen, und selbst wer lernt, schonender zu tragen, wird nie sicher sein können, ob man es nicht doch (wieder?) fallen lässt.


Doch da es das MCU ist, bleibt es nicht beim offenen Ende. Nun heißt es "Abwarten und Mitfiebern", ob Wanda wirklich die richtigen Schlüsse gezogen hat, oder in eine zornige Position gedrängt wird. Die Antwort bekommen wir voraussichtlich 2022. Und bis dahin hält unter anderem The Falcon and the Winter Soldier das MCU am Laufen. Ich freu mich drauf.

Freitag der Karibik #72

 Where's a Pirate?

Vieles ist seit dem letzten Freitag der Karibik geschehen! Box-Office-Analysten sagten die Pirates of the Caribbean-Saga tot, weil sie mit Teil fünf "nur" 794 Millionen Dollar eingenommen hat. Dann wurde öffentlich, dass Disney derzeit an zwei Pirates of the Caribbean-Filmen arbeitet. Nicht an zwei Entwürfen, von denen sich dann einer durchsetzen soll. Nein. Es werden zwei Filme entwickelt, die Disney umgesetzt sehen will. Gerüchteweise einer, der die altbekannte Filmwelt fortführt (wenngleich mit neuen Figuren im Fokus), und einer, der eher eine Art Neustart darstellt.

Und da drängt sich mir eine Frage auf: Was sollte mit He's a Pirate geschehen, wenn Jack, Will, Elizabeth und Konsorten nicht mehr im Fokus der Filmreihe stehen? Ist das Motiv so eng mit den Figuren verwoben, dass es unpassend wäre, es ohne sie weiter zu verwenden? Oder ist das Motiv eher mit der Filmreihe verquickt, so dass es falsch (und enttäuschend wäre), ohne es weiterzumachen?

Meine Position dazu: He's a Pirate könnte weiter verwendet werden. Während The Medaillon Calls alias "Jack Sparrows Einmarschmusik" fest mit Jack assoziiert ist, und daher ohne ihn nicht mehr in purer Form verwendet werden sollte (über kurze, kaschierte Referenzen ließe sich reden), ist He's a Pirate ein allgemeiner eingesetztes Stück. Allein schon, dass seine pure (und wohl am stärksten in den Köpfen des Publikums verankerte) Version im Abspann von Fluch der Karibik vorkam, und es generell im ersten Teil immer wieder während Actionmomenten variiert wird, sollte das deutlich unterstreichen.

He's a Pirate in einem Film ohne Will, Jack und Elizabeth einzusetzen, wäre also nicht so, als würde man einen heroischen Akt von Thorin Eichenschild in Der Hobbit mit einem schaurig-schurkischen Motiv aus Der Herr der Ringe untermalen. Oder sowas in der Art. Dennoch weiß ich nicht, wie ich zu einem sturen "Wir benutzen He's a Pirate exakt so wie früher, denn das ist, was die Fans wollen"-Denken stehen würde. 

Letztlich kommt es natürlich auf den Film, seine Tonalität, Story, Figuren und den Moment an, in dem man auf He's a Pirate zurückgreifen würde. Vielleicht findet man den perfekten Rückgriff, in dem es die altbekannte, pure Version sein muss, eventuell aber auch nicht. Per se, rein theoretisch gesprochen, würde ich aber hoffen, dass man dieses großartige Stück Musik nicht als Krücke benutzt, um sich im neuen Kapitel der alten Pirates of the Caribbean-Welt einerseits, geschweige denn beim ersten Kapitel in einem neuen Pirates of the Caribbean-Buch andererseits, auf alten Verlässlichkeiten ausruhen zu können.

Mein Gespür würde daher besagen, dass man bei Pirates of the Caribbean: Welchen Seemansgarn in der von Gore Verbinski errichteten Welt können wir denn noch so spinnen? musikalisch besser an Teil fünf anschließt als an Teil vier, sich also stärker darum bemüht, neue Themen prominent aufzubauen, statt alte abzuwandeln. Eine hörbar umarrangierte, aber klar wiedererkennbare He's a Pirate-Version, wie sie Geoff Zanelli im Abspann verwendet, darf liebend gern hier und da auftauchen. Ist ja auch die altbekannte Filmwelt, wenngleich wir uns in anderen Winkeln tümmeln, da ist das noch gut zu vernehmende Echo bekannter Musik durchaus angebracht.

Kniffliger wird es beim gerüchteweise eigenständigeren Pirates of the Caribbean-Projekt: Auf der einen Hand muss man diese Eigenständigkeit auch deutlich ausdrücken und durchziehen. Auf der anderen Hand wäre die Frage erlaubt, weshalb das denn dann noch Pirates of the Caribbean sein soll, statt etwa eines gänzlich neuen Piraten-Franchises, wenn man sich völlig von ikonischen Aspekten der Filmreihe distanziert. Wie etwa He's a Pirate.

Das ist eine wesentlich kompliziertere Balance, die man halten müsste, als beim obigen Gedankenspiel. Meine Annäherung wäre es wohl, in diesem Film He's a Pirate noch stärker umzuarrangieren und behutsam in die wahrscheinlich neue Klangwelt dieses Abenteuers einzuweben. So, dass das Publikum beim Zuschauen nicht raushört: "Oh, sie spielen endlich die Hits!" Es sollte eher eine unterbewusste Familiarität werden, quasi ein "Oh, wenn ich aufmerksam dem Album lausche, realisiere ich, weshalb ich dieses komfortable Gefühl habe, einen alten Bekannten wieder zu treffen: Da versteckt sich He's a Pirate in der Komposition!"


Aber egal, wie die Verantwortlichen vorgehen werden ... Ich kann erste, konkrete Meldungen über die zwei PotC-Filme nicht abwarten! 

Donnerstag, 4. März 2021

Meine Lieblingsfilme 2020 (Teil III)

was bisher geschah ...

Wir nähern uns allmählich den Top Ten, aber alles schön der Reihe nach. Erst ein paar Ehrennennungen, dann die Ränge 20 bis 11, und dann bald das große Finale dieses Jahresrückblicks. Also: Spike Lees Da 5 Bloods hat mit Delroy Lindos Darbietung eines politisch streitbaren, schwarzen Vietnamkriegsveteranen eine der besten Schauspielleistungen des Jahres zu bieten. Um Lindo herum fehlt mir manchmal die Würze etwa eines BlacKkKlansman, aber allein schon seinetwegen muss der Film wenigstens in meine Ehrennennungen. Guy Ritchies The Gentlemen wiederum ist ein sehr unverfrorener, launiger Rücksturz in frühere Ritchie-Tonalitäten und besticht nicht nur mit denkwürdigen Zitaten, sondern vor allem mit einer atemberaubende Garderobe (Charlie Hunnams blauer Mantel allein ist schon Oscar-würdig!), während Judd Apatows The King of Staten Island die empathische Mutfindung eines kriselnden Endzwanzigers nachskizziert und dabei mit vielen denkwürdigen Dialogwitzen punktet.


Glen Keanes Animationsfilm Die bunte Seite des Mondes ist visuell beeindruckend, einfallsreich und hat einige Ohrwürmer zu bieten, Curtiz ist der zweitbeste Schwarzweiß-Film des Jahres über die Produktion eines Klassikers der goldenen Studioära, und Becky ist ein schön-bös-gewalthaltiges "Junges Mädchen attackiert Neonazis"-Filmvergnügen. Cathy Yans Birds of Prey (and the Fantabulous Emancipation of One Harley Quinn) schlussendlich ist in den besten Momenten ein Emanzipation auf mehreren Ebenen durchexerzierendes Superantiheldinnenerlebnis, in dem vor allem Margot Robbie und Mary Elizabeth Winstead schauspielerisch glänzen und Yan inszenatorisch aufdreht. Zwischendurch verliert der Film ein Stückchen weit an Verve, daher ist er ganz, ganz knapp an den Tops gescheitert. Aber ich will dringend mehr von Yan sehen und hoffe, dass DC öfter in der Brids of Prey-Stimmung operiert. So ... und nun ... die nächsten Plätze der Hitliste!

Platz 20: Relic (Regie: Natalie Erika James)

Natalie Erika James' Gruseldrama Relic über Alters- und Erbkrankheiten sowie Familienzusammenhalt, Fürsorge und die Angst, in die (gesundheitlichen) Fußstapfen seiner Eltern zu treten, ist ebenso poetisch-wunderschön wie herzzerreißend-besorgniserregend. Alle drei zentralen Frauen in diesem Film haben Seiten, die zur Identifikation und Empathie einladen, wie auch Aspekte an sich, die dazu einladen, kritisch über uns selbst nachzudenken und sich von ihrem Verhalten beunruhigen zu lassen. Aber nicht nur, dass Emily Mortimer, Robyn Nevin und Bella Heathcote mitreißend spielen, darüber hinaus ist James' Regieführung beachtlich. Vor allem der dritte Akt ist wundervoll desorientierend, was mich auf handwerklicher Ebene begeistert, auf rein oberflächlicher Grusel-Ebene sehr effektiv ist und schlussendlich emotionale Signifikanz für die Figuren hat und somit die Themen und Charakterisierungen des Films spitz zusammenbringt.

Platz 19: Bad Boys for Life (Regie: Adil El Arbi & Bilall Fallah)

Ein weiteres Bad Boys-Sequel, nun aber ohne Michael Bay auf dem Regiestuhl? Ich war skeptisch, immerhin definierten sich die ersten beiden Buddy-Actioner vor allem durch Bays Stilistik. Jedoch war ich auch neugierig, denn mit Adil El Arbi & Bilall Fallah heuerte Produzent Jerry Bruckheimer ein fähiges belgisches Regie-Duo an, das schon in seinem Heimatland eine Ästhetik entwickelte, die nah am Bruckheimer-Style der 90er und frühen 00er ist. Dass er das Gespann zudem sofort für zwei seiner Franchises einlud (nämlich auch für Beverly Hills Cop) gab mir ein wenig Vertrauen. Und, wie sich zeigen sollte: Das völlig zurecht! Bad Boys for Life ist unverschämt unterhaltsam! Will Smith und Martin Lawrence knüpfen da an, wo sie aufgehört haben, und glänzen nun mit der "eingelebten" Dynamik zweier alternder Freunde. Arbi und Fallah bleiben nah genug an der Hochglanz-Krawall-Seite Bays, dass der Film als Fortführung seines Schaffens verstanden werden kann, und finden dennoch eine eigene (weniger hektische) Bildsprache mit kräftigen Farbkontrasten. Die altbekannten Figuren werden stimmig vertieft, die neuen Schurken sind kurzweilig, es gibt mehrere Actionpassagen, die in Erinnerung bleiben, und die Sprüche machen Laune. Oh, und der Score von Lorne Balfe geht hier mehr in die Richtung, die ich mir von ihm in 6 Underground gewünscht hätte. Mehr davon!

Platz 18: Taylor Swift: Miss Americana (Regie: Lana Wilson)

In der Dokumentation Taylor Swift: Miss Americana begleiten Lana Wilson und ihr Team Taylor Swift auf einem Scheideweg: Während der Phase, während der sie eine neue Selbstwahrnehmung entwickelt, kritischer denn je über die Medienberichterstattung rund um sie nachdenkt, das Selbstbewusstsein entwickelt, sich dagegenzustellen, politisch offen zu kommunizieren und zudem ihre hoch theatralische Reputation-Phase abstreift. Wilson schafft daraus aber keinen filmischen Wikipedia-Artikel über Swift, sondern nutzt diesen Einblick in ihren Kreativ- sowie Selbstfindungsprozess als Sprungbrett, um größere, allgemeinere Themen anzuschneiden. Taylor Swift: Miss Americana ist eine großartige Dokumentation über Feminismus, Medienpolitik und sogleich mehrere mediensozilogische Phänomene. Sehr sehenswert!

Platz 17: Jojo Rabbit (Regie: Taika Waititi)

Ganz in der Tradition von Ernst Lubitsch weigert sich Taika Waititi in Jojo Rabbit, dem von ihm kritisierten Faschismus auch nur ein Stück Deutungshoheit zu gewähren. Denn eine Darstellung Hitlers oder ideologisch überzeugter Nazis als fähig und einschüchternd würde denen letztlich nur in die Karten spielen, holt so etwas doch immer irgendwelche politisch verwirrte Leute ab. Nimmt man ihnen jedoch ihre einschüchternde Wirkung, entzieht man ihnen ihre Kraft. Jojo Rabbit befolgt das und stellt unentwegte Propaganda überdeutlich als die Gehirnwäsche, die Leuten lächerliche, abscheuliche Ideen einredet, dar, die sie ist. Die große Kunst ist es, die Inhalte ins Lächerliche zu überziehen, ohne die grauenvollen, reellen Konsequenzen zu verlachen. Und auch das gelingt Jojo Rabbit: So beißend-urkomisch der Film zwischendurch sein kann, macht er noch immer klar, dass man auch die weltfernste, abartigste Denkweise nie unterschätzen darf, da von ihr noch immer große Gefahr ausgeht. Jojo Rabbit sorgt für Lachtränen wie auch Tränen der Erschütterung - und skizziert auf denkwürdige Weise, wie wertvoll es ist, gegen die Ausbreitung hasserfüllter Ideologien anzukämpfen und aufzuklären. 

Platz 16: Possessor (Regie: Brandon Cronenberg)

Aus der Kategorie "Festivalfilme 2020, die noch keinen deutschen Starttermin haben, und daher von mir der Einfachheit halber auch in die 2020-Topliste kommen": Die zweite Langfilm-Regiearbeit von Brandon Cronenberg. Der Film spielt in einer Welt, in der Auftragskiller eine neue, fiese Methode haben, um ihre Ziele zu erledigen. Denn eine Killeragentur versetzt ihre Täter in den Körper anderer Menschen, die dann, von den Killern besessen und fremdgesteuert, in die Nähe ihrer Ziele gelangen. Cronenberg macht daraus einen eisig kalten, hoch stilisierten Film, bei dem der Kontrollverlust gewieft visualisiert wird, und der uns tief in die verschwimmenden Leben des Kontrollierten  (stark: Christopher Abbott) und der Kontrollierenden (fantastisch: Andrea Riseborough) absteigen lässt. Die Gewaltspitzen sind rar, aber dafür ebenso wie die Mindfuck-Momente mit herausragenden praktischen Effekten umgesetzt. 

Platz 15: Happiest Season (Regie: Clea DuVall)

Weihnachtsmuffel Abby Holland (Kristen Stewart) und Weihnachtsnärrin Harper Caldwell (Mackenzie Davis) sind seit etwa einem Jahr zusammen und beschließen ultrakurzfristig, die Feiertage zusammen bei Harpers Eltern zu verbringen. Harper will ihrer Freundin somit das ungeliebte Fest wieder näher bringen, Abby freut sich derweil, somit eine vielversprechende Gelegenheit zu haben, um Harper zu fragen, ob sie sie heiraten will. Auf der Fahrt zu Harpers Eltern macht sie jedoch eine unerwartete Beichte: Sie hat sich in ihrer Familie noch nicht geoutet und bittet Abby daher, sich über Weihnachten nur als Mitbewohnerin auszugeben. Was folgt, ist eine bestechend toll geschriebene Festtags-Liebes-Dramödie, in der wir Abby dabei zusehen, wie sie mit ihrem Frust darüber hadert, von Harper in eine Art emotionale Gefangenschaft genommen worden zu sein, und wie Harper mit sich ringt, Verantwortung für dieses Handeln zu übernehmen und ihre Gründe für diese Trickserei auszudrücken. 

DuValls und Mary Hollands Skript lässt ohne Unterlass das Verständnis für die Maskerade bei Harpers Eltern fluktuieren, DuValls Inszenierung ist mit weihnachtlichem Glanz und immer wieder prägnant um die Ecke kommender Schwere versehen, und der Cast ist einfach famos! Kristen Stewart, Mackenzie Davis, Alison Brie, Aubrey Plaza, Dan Levy, Mary Holland, Victor Garber und Mary Steenburgen sind allesamt spitze gecastet und (dis-)harmonieren wundervoll. Könnte ein neuer Weihnachtsfilmklassiker werden.

Platz 14: Bliss (Regie: Joe Begos)

Now that's what I call Kunsthorror: In Bliss dreht sich alles um die freischaffende Malerin Dezzy, die sich gerade in einer Schaffenskrise befindet und daher Inspiration ... oder Ablenkung ... oder Erlösung von ihrem Frust ... oder alledreizusammen in Drogen und Party sucht. Und somit sehen wir Dezzy Drogen nehmen, Party machen, Sexpartner suchen, Sex haben, laut Metal hören und dabei, wie sie nackt malt. Und dann wieder beim Drogen nehmen, Party machen, Rumvögeln, laut Metal hören und nackt Malen. Woraufhin sie Drogen nimmt, Party macht, wild rumvögelt, laut Metal hört und nackt malt. Bis alles verschwimmt. Und ist sie womöglich besessen? Oder verliert sie ihren Verstand? Oder frisst ihre Kunst sie von innen auf? Oder alledreizusammen? Soghaft inszeniert, ungeheuerlich konsequent umgesetzt und dreckig-peppig gespielt.

Platz 13: Mank (Regie: David Fincher)

An der Oberfläche ist Mank eine Citizen Kane-Hommage, auf der zweiten Ebene ein Making-of-Drama wie Curtiz oder Ed Wood. Doch darunter ist Mank noch viel, viel mehr, und es ist unfassbar schade, dass so viele Leute Mank auf die ersten beiden Ebenen reduzieren. Es ist ein Drama über den Akt des Kunstschaffens, inklusive der Frage, wer wie viel Credit veredient und wie direkt oder indirekt Inspirationen aus dem eigenen Leben in das Schaffen einfließen. Es ist ein Meta-Kommentar sowohl auf den aktuellen Stand Hollywoods als auch darauf, wie sich die medienpolitische Historie immer wieder wiederholt. Es ist ein Drama über Selbstblendung, mediale Manipulation und das Verkennen der Zeichen, die schon an der Wand stehen. Gary Oldman ist wie gemacht für die Rolle des grantigen, wortgewandten Alkoholikers (Die dunkelste Stunde lässt grüßen), Amanda Seyfried glüht in jeder ihrer Szenen, und Finchers Regieführung ist überaus detailverliebt. 

Platz 12: The Assistant (Regie: Kitty Green)

Ein Tag im Leben einer Frau an einem männerdominierten Arbeitsplatz, in diesem Fall spezifisch einer Assistentin in einer Filmproduktionsfirma (ich denke, viele hören die Nachtigall hier schon trapsen), wenngleich ähnliches in unzähligen anderen Branchen geschehen könnte. Regisseurin und Autorin Kitty Green beobachtet ganz fein, lässt uns unangenehm nah an die andauernden Mikroaggressionen, Doppeldeutigkeiten, Abfälligkeiten und Blicke heranrücken. Julia Garner ist brillant in der Titelrolle und Matthew Macfadyen in völliger Beiläufigkeit ungeheuerlich ätzend in seiner Ignoranz und Arroganz.

Platz 11: Die Weite der Nacht (Regie: Andrew Patterson)

Ein Paradeexemplar für ein Langfilmregiedebüt mit immensem Selbstbewusstsein: Andrew Patterson lässt uns tief in die Welt einer Episode einer fiktiven Twilight Zone-Trittbrettfahrerserie im Sci-Fi-genre abtauchen. Kompliziert konstruierte Plansequenzen, lang beobachtende Einstellungen, die eine junge Telefonistin und einen jungen Radiomoderator bei ihrer Arbeit zeigen, bei der sie schalten, drücken, drehen und aufrollen wie im Schlaf. Das Bild verschwindet, um Radiodrama-Atmosphäre zu erzeugen. Was in schwächerer Hand konfus und überambitioniert werden könnte, dient hier dank Pattersons zielstrebiger Regiearbeit und dem atmosphärischen sowie doppelbödigen Skript einer packenden Sci-Fi-Mystery-Story, die wiederum auf den Schultern zweier großartiger Jungdarsteller ruht. Sierra McCormick und Jake Horowitz glänzen in ihren Rollen, die etwas progressiv für ihre Zeit sind, aber dennoch ganz klar Produkte ihrer Gesellschaft darstellen, und daher immer wieder an die Grenzen ihrer Vorstellungskraft und ihres empathischen Verständnisses geraten.

Fortsetzung folgt ...