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Donnerstag, 24. Dezember 2020

Die schlechtesten Filme des Jahres 2020

Ein Filmjahr lässt sich nicht so schnell abschließen. Jahr für Jahr erscheinen im Kino, auf DVD, auf Blu-ray und im Streaming so viele Filme aus allen möglichen Ländern, dass man noch viele Jahre später weitere Perlen und weitere Stück Kohle entdecken kann. Aber weil sich im Jahr 2034 wohl wenige für die Tops und Flops des Jahres 2020 interessieren würden, ist es Tradition, solche Listen zeitnah zu veröffentlichen. Und während ich mir für's Lob doch lieber etwas mehr Zeit lasse, um die Komplimente so richtig reifen zu lassen, habe ich kein Problem damit, die Negativität zügiger rauszuspülen. Und somit: Willkommen zu meiner alljährlichen Negativliste.

Da das Filmjahr 2020 ein ungewöhnliches war, halte ich meine Flopliste jedoch kürzer als sonst. Das liegt einerseits daran, dass in diesem Jahr, in dem mehrere Studios Entscheidungen getroffen haben, mit denen sie dem Kulturstandort und der medialen Technik Kino in Zeiten dringender Unterstützung stattdessen fiese Tritte gegen das Schienbein verpasst haben, nicht wirklich allzu viel weiteres Gemecker hinterher gejagt werden muss. Es war alles mies genug. Und zweitens habe ich in diesem heimkinointensiven Jahr bei den neuen Starts stärker selektiert, um die vielen, vielen Stunden auf dem heimischen Sofa stattdessen mit Rewatches geliebter Filme und mit Erstsichtungen von bislang versäumten Klassikern und Geheimtipps zu verbringen. 

Daher: Dieses Jahr gibt's nur eine Flop 10. Und, sicherheitshalber wie jedes Jahr auch hier die Erklärung: Die Überschrift ist übertrieben, doch "die mir unliebsten Filme 2020" ist so ungelenk, dass ich mich nicht traue, das als Überschrift zu wählen. Was folgt, sind also nicht die zehn Filme, die ich mit kritisch analytischem Verstand nach ganz unten packe (auch wenn ein paar Filme dabei sind, die ich sehr wohl auch aus kritisch-analytischer Sicht mies finde), sondern die zehn Filme, die mein Filmherz am meisten genervt, verärgert oder auf aggressive Weise angeödet haben. Klar soweit? Na wunderbar, dann geht's nun los ... 

Platz 10: Der Killer in mir (Regie: Adam Egypt Mortimer)

Um fair zu sein: In jedem "normalen" Jahr, in dem ich deutlich wahlloser Neuerscheinungen sehe und zudem auch einfach wesentlich mehr von ihnen (statt die brachliegende Kinolandschaft zu nutzen, um ältere Filme zu schauen), wäre Daniel isn't real (wie Der Killer in mir im Original heißt) wohl eher bei meinen größten Enttäuschungen des Jahres und vielleicht noch in meinen unehrenhaften Nennungen. Nicht aber in meinen Flops. Und ich würde den Film auch niemals für eine kopfgesteuerte Nominierungsliste einreichen, mit der die Titel gesammelt werden, die in einen Kanon der miesesten Filme 2020 aufgenommen werden sollten. Aber: Adam Egypt Mortimers Psychothriller über einen unsichtbaren Freund mit argem Hang zum Bösen (ein Konzept, das Familienfilme der 90er und 00er mehrfach abgegrast haben) hat dennoch auf einer rein gefühlgesteuerten Negativliste meines Jahres 2020 ganz eindeutig eine Nennung verdient. 

Mortimer ist durchaus vielversprechend als Regisseur - sein Gefühl für die Geschichte vertiefende Farbästhetiken ist sehr reizvoll und wie er psychologische Konzepte wiederholt durch puppenhäuschenhafte und mystische Settings visualisiert, ist ansprechend. Aber: Sämtliche Suspense in diesem Film wird mehrmals durch galliges Overacting von Miles Robbins und Patrick Schwarzenegger zerstört. Welches Verhalten die Nebenfiguren lange, lange erdulden, kaufe ich ihnen partout nicht ab, und die Songeinsätze sind wiederholt unfreiwillig komisch. Und auch wenn Mortimer in Interviews sehr empathisch und nachdenklich wirkt, finde ich die Aussage des fertigen Films mit jedem Tag, der vergeht, mehr und mehr ärgerlich: Mortimer will sicherlich nichts Schädliches über mentale Probleme aussagen, und doch finde ich die Storymechanismen dieses Films (selbst an Genremaßstäben gemessen) überaus banal, tumb und garstig. Und das nicht in einem "Oh, das wird mich noch lange heimsuchen"-Horrorsinne, sondern in einem "dein Plot widerspricht sehr deutlich dem, was als moralische Absicht durch den Film hindurchschimmert"-Sinne.

Platz 9: 365 Days (Regie: Barbara Bialowas & Tomasz Mandes)

Um ein Vielfaches fragwürdiger als der erste Fifty Shades of Grey-Teil, der aufgrund seiner erzählerischen Inkompetenz es nicht gebacken bekam, eine brauchbare BDSM-Beziehung zu skizzieren, und so stattdessen eine giftige, elendige Romanze entwarf, die ein Bein bereits in der Tür namens häuslicher Gewalt hat. Aber auch deutlich kurzweiliger zu schauen: 365 Days ist wie ein Hochglanz-Schundheft fotografiert (das ist ein Lob ... irgendwie), ständig in Bewegung (das auch) und strunzdämlich (das in diesem Fall nicht). Aber wenigstens fühlt sich dieses "Ich verliebe mich in meinen Entführer, denn er ist so gut im Bett!"-Elend nicht dreimal so lang an wie es ist. Daher "nur" Platz 9 der Flopliste - die Dialoge sind grottig, die Figurenzeichnung völlig unplausibel und der "skandalöse" Sex, der manche (teils seriöse) Filmportale die Frage aufwerfen ließ, ob Netflix etwas so pornöses überhaupt zeigen darf, ist gar nicht so skandalös und überhaupt nicht pornös. Da wurde sich mal wieder aufgeregt, wo kein Grund zur Aufregung war, um Klicks zu generieren. Aber irgendwie ist der steif gespielte, ranzig geplottete Murks schmissig übermittelt - und ich bin daher neugierig auf Teil zwei. Vielleicht rettet sich diese polnische Bestselleradaption-Filmreihe noch? Wunder geschehen ... 

Platz 8: Ruf der Wildnis (Regie: Chris Sanders)

Ein hässlich überanimierter Digitalhund soll die ganze emotionale Stärke dieses Abenteuerfilms stemmen - und scheitert dabei katastrophal. Das Vieh sieht einfach dämlich aus, und kombiniert damit, wie uneinig sich der sonst so großartige Regisseur Chris Sanders (Lilo & Stitch) ist, ob diese Geschichte plausibel oder eine hibbelige "Hahaha, was für ein lustiger Hund!"-Komödie sein soll, wurde Ruf der Wildnis für mich sehr schnell zur Geduldsprobe. Ich kam beim Gucken aus dem Augenrollen nicht mehr raus, da helfen auch kein knurriger Harrison Ford, eine komödiantisch eitel agierende Karen Gillan und ein liebenswerter Omar Sy. Es ist (aufgrund abgeschlossener Verträge erklärbar, doch künstlerisch gesehen) absolut verrückt, dass dieser klebrige Schund ins Kino entlassen wurde, und der um Meilen spannendere und emotionalere Togo als Disney+-Original direkt als Streamingtitel verramscht wurde.

Platz 7: Slaxx (Regie: Elza Kephart)

Die größte Enttäuschung auf dem diesjährigen Fantasy Filmfest: Ein Film über eine Killerjeans, der "Fast Fashion", Modekult und unmenschliche Produktionsbedingungen kritisieren will? Das klingt mega! Die Umsetzung ist jedoch ungeheuerlich lahm und arm an Verve. Schade.

Platz 6: Die Hochzeit (Regie: Til Schweiger)

Daran erkennt man, welch seltsames Filmjahr 2020 für mich war: Die Hochzeit, die Fortsetzung von Klassentreffen 1.0 - Die unglaubliche Reise der Silberrücken entließ mich Anfang des Jahres mit dezenter Hoffnung. Der Film hat ein paar eklatante Makel. Einige sehr, sehr in die Länge gezogenen Gags sind sehr, sehr träge und hohl. Die Entscheidungen, welche Songs wie lange in welcher Lautstärke laufen, sind mitunter rätselhaft und lassen das fertige Produkt in Sachen Tonschnitt und Tonabmischung halbgar wirken. Und dass sich Til Schweigers Figur von einer ihrer ärgsten Kritikerinnen angraben lässt und sie dann heroisch in den Wind schießt ... Ähm ... Ja. Sehr unangenehm. Und doch: Die Hochzeit ist viel, viel besser als der unausstehliche, peinliche, unfähig zusammengeklatschte Vorgänger. Er hat einige Momente der Kurzweil und feilt die Hauptfiguren fein, die im ersten Teil noch so grobschlächtig waren. Ich dachte nach meinem Kinobesuch: "Joah, der war zwar nicht gut, wird aber auch überhaupt nicht in meinen Flops landen." Und dann geschah 2020. Sorry ...

Platz 5: Amulet - Es wird dich finden (Regie: Romola Garai)

So, jetzt aber: Während Die Hochzeit in einem normalen Jahr wahrscheinlich meiner Flopliste entgangen wäre, so hätte es diesen Horrorfilm (?) definitiv so oder so in meine Flops verschlagen. Romola Garais Gruselgeschichte handelt von einem Mann, der seine ihn zermürbende Vergangenheit hinter sich lassen will, und nun in einer neuen Heimat Unterschlupf bei wohlmeinenden Frauen des Glaubens findet. Der Film springt zwischen zwei Erzählebenen hin und her, es braucht etwas, bis sich abzeichnet, ob es Gegenwart und Vergangenheit, Realität und Traumwelt oder sonstwie verbundene Ebenen sind ... Und je weiter dieser Film voller Overacting, das sich mit der ruhig-ominösen Inszenierung beißt, voranschreitet, desto stärker dämmert es: Ja. Der Film steuert wirklich die langweiligste Lösung von allen an und vermittelt sie mit extra großer Schwerfälligkeit. Nicht spannend, nicht schaurig, nicht bewegend, nicht anspruchsvoll - dieser Film ist einfach nichts. Naja, okay, das praktische Make-up ist achtbar. Das reicht aber nicht.

Platz 4: Timmy Flop: Versagen auf ganzer Linie (Regie: Tom McCarthy)

Wenn ich mir sämtliche Filme vor Augen führe, die 2020 ihre Deutschlandpremiere hatten, so gibt es keinen, bei dem mich der US-Pressekonsens ratloser zurückgelassen hat. Mein US-Kollegium war einheitlich von der Überzeugung, dass Timmy Flop das Highlight des ersten Schubs an Disney+-Originalfilmen sei. Der Film wäre so wunderbar "undisney" und so kreativ und smart und ... Nein. Nein, nein, nein, was habt ihr denn da bitte alle gesehen? Ich verstehe diese Lobeshymnen überhaupt nicht. Nicht das kleinste bisschen. Timmy Flop ist das, was ich mir vorstelle, was vollauf überzeugte Disney-Hater denken müssen, wie sämtliche Disney-Familienkomödien sind. Denn diese Kinderdetektivgeschichte dreht sich um ein vollkommen unausstehliches, neunmalkluges Kind, das einen Elternteil verloren hat und sich nun in eine weltfremde Halbfantasie flüchtet. Aber weil das ja so niedlich ist, korrigiert niemand dieses Kind, das eigentlich in professionell helfende Hände gehört, statt amüsiert begafft. So dass es frei von jeglichem Verantwortungsgefühl Chaos und Unfrieden stiftet - aber weil es ein ach-so-süßer-Disney-Kinderprotagonist ist, sollen wir das zelebrieren. Timmy Flop würde sich bestens mit der Rostlaube Hook, wie sie in Cars 2 dargestellt wurde, und dem Titelhelden eines gewissen, von mir verhassten, gemeinhin geliebten deutschen Oscar-Anwärters vertragen. Die drei Unverantwortungstiere. Demnächst in meinen Albträumen ... 

Platz 3: Artemis Fowl (Regie: Kenneth Branagh)

Was für ein Auffahrunfall: Nach jahrelanger Verzögerung in der Vorproduktion, vergleichsweise unauffälligen Dreharbeiten und zahlreichen Verschiebungen ab Beginn der nebulösen Postproduktion wurde die einst als Kino-Franchisebeginn erachtete Jugendbuchadaption Artemis Fowl diesen Sommer auf Disney+ geparkt. Und dort sorgte Artemis Fowl für Lachflashs und Kopfschütteln. Dem Film steht "Ich hatte Produktionsprobleme" noch stärker auf die Stirn geschrieben als Josh Tranks Fantastic Four: Den Großteil des Films über wird darüber gesprochen, dass etwas geschah oder getan wird. Aber es passiert nur sehr wenig. Entweder erzählt Josh Gad in die Kamera, was wir hätten sehen sollen, oder aus dem Off wird Exposition nachgereicht oder aber es finden plotentscheidende Dialoge komplett im Off statt. Wenn mal was passiert, dann ist es lustlos inszeniertes digitales Chaos mit Effekten, die selten gut, und sehr häufig mies sind. 

Platz 2: Die Känguru-Chroniken (Regie: Dani Levy)

Eine Kinosatire, die nur bruchstückhaft den Charme der Vorlage auf die Leinwand rettet, deren Inszenierung jegliches Flair vermissen lässt (wenngleich das titelgebende Känguru sehr gut animiert ist), und deren Skript so tumb und denkfaul ist, dass man es fast schon auf Applaus von der falschen Seite anlegt. Den es wohl daher nicht gab, weil kurz nach Kinostart ein anderes Thema jegliche Aufmerksamkeit forderte: Die Känguru-Chroniken ist ein erschreckend dämlicher Film, dessen politische Pointen viel zu oft nach hinten losgehen. Ätzend.

Platz 1: Verotika (Regie: Glenn Danzig)

Samhain- und Danzig-Gründer Glenn Danzig adaptiert in diesem Horror-Episodenfilm Comics seines eigenen Verlags Verotik. 2019 feierte Verotika seine Weltpremiere auf dem Filmfestival Cinepocalypse in Chicago, wo das Publikum den Film in Anwesenheit des Filmschaffenden lauthals verlacht hat. Und in der anschließenden Frage-und-Antwort-Stunde gab sich Danzig völlig ratlos, was denn geschehen sei. Er habe den Film nicht als Komödie angelegt, wieso also lachen die Leute an Stellen, an denen er nicht lachen würde?

Diese Anekdoten machten mich neugierig. Ich habe eh eine Schwäche für Horror-Episodenfilme, und nachdem 'Bloody Disgusting', 'Entertainment Weekly', 'The AV Club' und 'Vulture' Vergliche mit Tommy Wiseau und Ed Wood gezogen haben, war ich gebannt: Ist Verotika etwa ein möglicher, neuer Kultfilm der Marke "So schlecht und inkompetent, dass es wieder gut wird?" Und könnte ich hier früh auf den Kultzug mit aufspringen? Kaum wurde Verotika dieses Frühjahr erstmals in Deutschland feilgeboten (als Bezahlstream auf Amazon), musste ich zuschlagen. Und ... Ich habe es bereut. Wieder einmal kann ein Schrottfilm seinem Ruf nicht gerechtwerden: Verotika ist vollkommen unfähig zusammengeschustert, doch nicht auf spaßige, aufregende Weise. Sondern einschläfernd. Naja, oder ich habe einfach ganz anders veranlagte Lachmuskeln, schließlich finde ich viele "OMG, WTF, was ist das?!"-Kultmüllfilme einfach nur uninteressant ... 

Verotika umspannt drei Episoden. Es geht um eine Pariser Prostituierte mit Augäpfeln als Nippel, die von einer Albinospinne verfolgt wird, die sich in einen Killer in Menschengröße verwandeln kann. Es geht um eine Stripperin, die andere Frauen aufgrund ihrer Schönheit attackiert. Und um eine Herzogin, die Jungfrauen ermorden lässt. Aus all diesen Konzepten lassen sich brauchbare wie trashig-vergnügliche Horrorstoffe weben, doch Danzig hat kein Auge für Atmosphäre, kein Gehör für akustische Suspense und kein Händchen für ... irgendwas. Die laienhaft inszenierten Episoden plätschern kopflos vor sich her, mehrmals setzt Danzig auf Schockeffekte, die nicht schocken, weil ein einfach nur schäbig-hässliches Kostüm oder ein ranziger Effekt ewig lang eingefangen wird, und der Cast ist weitestgehend unfähig (Trinkspiele auf wechselnde oder brechende Akzente wären bei Verotika tödlich). Einzig die Damen aus der Rahmenhandlung, rund um eine folternde Erzählerin, haben einen Funken schauspielerisches Talent im Leib. Und bedenkt man, dass eine von ihnen in Marvel's Agents of S.H.I.E.L.D. und V/H/S Viral mitgespielt hat (Noelle Ann Mabry), und die Andere über 170 Schauspielcredits sowie 42 Regie-Nennungen in der IMDb hat (Kayden Kross), lässt sich das wohl mit "Okay, die hat Danzig wohl vorm noch ausstehenden Durchbruch aufgegabelt" und "Nunja, stete Arbeit schleift womöglich das Talent, ganz gleich, welche Art Film man so dreht" erklären.

Verotika ist mit Abstand der schlechteste Film, den ich seit langer, langer Zeit gesehen habe. Und doch würde ich nicht dafür stimmen, dass man sich dieses Elend anschauen müsste. Die Faszination hat Verotika für mich (anders als bei vielen anderen Schreiberlingen) nicht.

Tja ... in diesem Sinne: Frohe Weihnacht, frohe frohe Weihnacht, euch allen!

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