Robert Zemeckis meldet sich zurück im Fach des Familiengrusels: Der Zurück in die Zukunft- und Falsches Spiel mit Roger Rabbit-Regisseur nähert sich nur selten dem schaurigen Fach, doch mit Der Tod steht ihr gut hat er einen der besten Filme aus der Sparte "Tim-Burton-Filme, die Tim Burton nie gemacht hat" abgeliefert, die es so zu finden gibt. Und auch wenn seine Weihnachtsgeschichte so ihre Makel hat (einige gar eklatante), so ist die Motion-Capturing-Tour-de-Force mit Jim Carrey reizend familienfreundlich-gruselig geraten. Insofern war ich vorfreudig-neugierig auf Zemeckis' Hexen hexen, die neuste Adaption der Roald-Dahl-Geschichte, die 1990 bereits von Nicolas Roeg (Wenn die Gondeln Trauer tragen) verfilmt wurde.
Die Story dreht sich um einen Waisenjungen, der bei seiner liebevollen Großmutter lebt, die über großes Vorwissen über Hexen verfügt und ihren Schützling sofort in ein opulentes Seebad-Hotel verfrachtet, als sich abzeichnet, dass Hexen es auf ihn abgesehen haben. Denn Hexen greifen üblicherweise nur Kinder vom unteren Ende der Sozialleiter an - sie würden doch nie in ein Luxushotel gehen ... Aber ausgerechnet jetzt bittet die Hoch-Großmeisterhexe der Welt ihre Weggefährtinnen aus allen Teilen des Erdballs in genau dieses Hotel, um unter falscher Identität bei einem Kongress einen Plan zu schmieden, wie sie alle Kinder der Welt in Mäuse verwandeln und zerquetschen können ...
Ich habe die Rezeption von Roegs Hexen hexen gespaltener in Erinnerung als sie nun mit einem Blick auf Aggregatorseiten wie Rottentomatoes wirkt: Mit Respekt für die praktischen Effekte, aber Verständnis für Roald Dahls überaus kritische Sicht auf den Film (vor allem auf sein gegenüber der Vorlage abgeschwächtem Ende) und viel Schulterzucken für Passagen, in denen Hexen hexen auf der Stelle tritt, schien mir die erste Adaption gemeinhin mehr als Film wahrgenommen, der zwar recht harsch für einen Kinderspaß war, aber erzählerisch halt dennoch unausgegoren ist. Doch der sehr positive Rottentomatoes-Konsens und die völlig aus dem Nichts gekommene, urplötzlich-unabdingbare Liebe für die erste Verfilmung, die nun aus den sozialen Netzwerken trieft, machen mir offensichtlich, dass ich da eher eine Minderheit als Teil der Mehrheit bin.
Doch ich muss der aktuell so deutlichen Liebe für Hexen hexen von 1990 in einer Hinsicht deutlich widersprechen. Es geht um das Hexen-Make-up von Anjelica Huston.
Das Hexen-Make-up Hustons wird derzeit herumgereicht als strahlendes Beispiel dafür, was 1990 alles richtig war in Hollywood und was heute im auf Computereffekte setzenden Hollywood alles falsch liefe, denn Huston sei ja noch gruselig gewesen. Sagen zumeist Leute jenseits der 30 oder gar 40, die es vermissen, sich als Grundschulkind aufgrund von Bergen von Schminke zu ängstigen. Aber selbst ich als jemand, der einen gut gemachten, praktischen Effekt enorm zu schätzen weiß, würde dem entgegnen: Ja, Hustons Hexenform ist beeindruckende Handwerkskunst. Aber ich finde sie nicht mehr gruselig. Wenn ich sie mir als Erwachsener anschaue, sehe ich etwas, bei dem ich sofort an die Stunden an Arbeit denke, die da wohl reingeflossen sind. Ich respektiere diese Leistung sehr, doch sie ist zu sehr Hexen-Klischee-Abarbeiterei, als dass sie mir irgendeine Form von Schauer entlocken würde. Dafür ist es zu karikaturesk-grotesk. Und ich wage zu behaupten, dass es selbst der Kernzielgruppe des Films so heute in weiten Teilen geht, da entstellte, absurde Anblicke nunmehr in der Popkultur viel weiter verbreitet sind. Hässlich ist heute nicht mehr automatisch angsteinflößend.
Egal, wie viele die visuelle Grundentscheidung hinter Zemeckis' Hexen hexen hinterfragen, muss ich grundsätzlich sagen: Der Cast Away-Filmemacher verfolgt da einen guten Impuls, wenn er sich bei der Absurdität des Hexendesigns zurücknimmt. Anne Hathaway als Hexe lässt mir deutlich eher einen Schauer über den Rücken laufen, wenn ihre dezent zu großen Augen in die Kamera starren und sich ihr Lächeln langsam über die Breite dehnt, die ein Menschenlächeln haben dürfte. Die "Uncanny Valley" hat angerufen, eine ihrer Bewohnerinnen ist ausgebüxt ...
Das Problem ist jedoch: Zemeckis weiß offenbar nicht, was er da an der Hand hat. Im fertigen Film enthüllt er Hathaways volle Hexenform viel zu früh, er zeigt mehrmals, wie sie mutiert und sofort wieder in menschliche Form zurück schwenkt und so den Schrecken wieder zurücknimmt. Er gewöhnt sein Publikum durch kleine, stetige Tropfen an das visuelle Grauen und Unwohlsein - und das ist symptomatisch für den kompletten Film. Zemeckis' Version ist auf dem Papier näher an der Buchvorlage und garstiger. Doch in der Umsetzung dämpft Zemeckis diese Härte, Schaurigkeit und Gemeinheit unentwegt dadurch ab, dass etwa einige besonders garstige Anblicke extrem cartoonig und schlacksig animiert sind. Oder aber der Schnitt konterkariert sie. Oder aber die in Mäuse verwandelten Kinder schneiden Grimassen, als stünden sie für ein DreamWorks-Animation-Poster Modell, was in seiner aggressiven "Bin ich nicht hip?"-Art allem kurz zuvor aufgebautem Flair die Fallhöhe nimmt. Ähnliches gilt für Alan Silvestris Score, bei dem auf jede Minute mit dunkler Märchenatmosphäre fünf Minuten kommen, die so klingen, als hätte Zemeckis ihm gesagt: "Hey, gib mir deine Avengers | Infinity War-Entwürfe, das kam doch gut an?!"
Dessen ungeachtet bleiben mir Chris Rocks sehr launigen (aber quantitativ etwas übertriebene) Erzählkommentare positiv in Erinnerung, das routiniert-warmherzige Spiel von Octavia Spencer als liebende Großmutter sowie natürlich Anne Hathaway, die ihre in Ocean's 8 und Glam Girls begonnene "Ich übertreibe maßlos und habe Spaß daran"-Saga mit ansteckender Freude fortführt. Leider reicht das nicht, um das (auch der Vorlage geschuldete) Auf-der-Stelle-treten abzuschütteln oder das Gefühl, Zemeckis hätte seinen eigenen Stoff nicht so ganz erfasst.
Aber: Hey, wenigstens bekommen wir den Film (kurzzeitig) im Kino zu sehen (anders als die USA), und für einen Kinonachmittag mit jüngeren Kindern, die sich gruseln wollen, ist dieser Hexen hexen noch immer annehmbares Herbstkino!
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