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2019 war nicht bloß ein sehr gutes Filmjahr, in dem ich mich stressen musste, meine Hitliste auf 50 Ränge zu kürzen. Es war auch ein gelungenes Jahr für Animationsfilme. Neben den Titeln, die wir hier schon gesehen haben, und jenen, die noch folgen werden, gab es drei weitere Animationsfilme, die denkbar kurz davor standen, sich noch in mein Ranking zu mogeln. Bevor es mit den Lieblingsfilmen 2019 auf Platz 40 bis 39 weitergeht, möchte ich daher diese
animierten Ehrennennungen vorstellen. Da wäre DreamWorks Animations Trilogiefinale
Drachenzähmen leicht gemacht 3 - Die geheime Welt, ein überaus schön animiertes Wikingerabenteuer mit satten Wiesen, atmosphärischen Schatten, einladend lodernden Feuern und einem ebenso rührenden wie konsequenten Ende. Dann wäre da
The LEGO Movie 2, der mir viel besser gefällt als das Original. Herrlich-ironische Songs und eine clevere Story über Gendergleichberechtigung und Vorurteile machen die Komödie zu einem großen Vergnügen, das mit jedem weiteren Rewatch noch steigen könnte - aber ich will diese Liste nicht erst 2030 veröffentlichen. Und einfach bezirzend-charmant:
Shaun das Schaf - UFO-Alarm, ein wirklich liebenswerter Film. Weniger herzlich, sondern spannend, ist die Doku des Filmjahres und daher ist sie ebenfalls eine Ehrennennung wert:
Free Solo, die Geschichte eines wahnsinnigen Kletterversuches und einer Beziehung, die nur die zweite Geige spielt.
Nun genug der Vorrede. Hier sind die nächsten Einträge in meine Herzensliste des Filmjahres 2019:
So sieht es also aus, wenn Robert Rodriguez ein für seine Verhältnisse saftiges Budget erhält und es nicht komplett für die Gagen seines Casts verpulvern muss!
Alita: Battle Angel ist eine mit Witz und Persönlichkeit erzählte Sci-Fi-Actiongeschichte, deren Actionszenen flott geraten sind, deren Design hübsch-markant-seltsam ist (vor allem das Figurendesign!) und die mit Rosa Salazar eine sehr engagierte Hauptdarstellerin hat. Christoph Waltz gefällt als kauziger, aber auch ernster Cyber-Arzt und das 3D gehört zu den besten des Filmjahres. Wäre da nur nicht dieser extrem offensichtliche Sequel-Hook, bei dem ich leider anzweifle, dass er noch aufgelöst wird ...
Platz 39: Parasite (Regie: Bong Joon-ho)
Es ist nunmehr jahrzehntealte Tradition: Jede Oscar-Saison gibt es eigentlich einen Anwärter auf den Academy Award in der Kategorie "Bester Film", den ich geradezu verabscheue. Es ist der
Extrem laut und unglaublich nah-Gedenkpreis, wenn man so will. Im Rennen zum 92. Academy Award ist mir das erspart geblieben - dafür gibt es aber sogleich zwei Filme in der Spitzensparte, die sehr anstrengende Fans zu Tage gebracht haben. Da wäre einerseits
Joker, der einige sehr ätzende Verteidiger im internationalen Filmdiskurs hat, die so tun, als sei es der härteste, mutigste, intelligenteste, komplexeste Film, den es je gegeben hat. Und alle, die ihn nicht mindestens super finden, sind in den Augen dieser Leute jämmerliche Babys. Und dann ist da
Parasite, dessen wohlverdientes Lob sich in der Blase internationaler Filmportale und (semi-)professioneller Schreiberlinge zum Thema Film sukzessive in eine Wahnvorstellung hineingesteigert hat, laut der Bong Joon-ho mit diesem Film die Konzepte "Kapitalismussatire" und "Genrewechsel innerhalb einer Erzählung" praktisch erfunden hat. Was totaler Murks ist (selbst wenn man ausschließlich auf Bong Joon-hos Schaffen blickt, gibt es schon frühere Beispiele dafür). Aber ich will in meinen Jahrescharts Filme nicht für lästigen Diskurs um sie herum bestrafen oder für die seltsamsten Auswüchse ihres Fandoms.
Zumal sich diese lange Hinleitung ironischerweise thematisch sehr schlüssig in diesen südkoreanischen Satire-Thriller fügt, erzählt er doch von einer Familie der Unterschicht, die sich mit pfiffigen Tricks gut bezahlte Jobs beschafft - woraufhin sich irgendwann die Frage stellt, ob nach dem findigen Trickzug nicht irgendwann eine Grenze überschritten und alles übertrieben wurde. Mit eindrucksvollem Produktionsdesign versehen und mühelos zwischen Witz und Ernst wechseln, ist
Parasite ein wenig so etwas wie
der zahmere, aber ambitionierter in Szene gesetzte, südkoreanische Cousin von HERRliche Zeiten. Die Wirtschaftskritik fällt mir etwas zu sanft aus, doch schon der Look allein hebt
Parasite dennoch in meine Top 40.
Hallo nochmal, Marielle Heller: Die Regisseurin befand sich schon mit ihrem Debüt
The Diary of a Teenage Girl in meinen Jahrescharts. 2019 platzierte sie sich mit ihrem zweiten Film erneut in meinem Ranking der Filme, die mich besonders angesprochen haben. Diese auf wahren Begebenheiten basierende Dramödie handelt von einer Schriftstellerin, die nach früheren Erfolgen als ausgebrannt gilt und nun mit gefälschten Briefen großer Persönlichkeiten ihren Unterhalt ermogelt. Einfühlsam erzählt, mit Witz und dennoch mit kritischer Distanz, ist dies ein wunderbarer "Showcase" für Melissa McCarthys darstellerisches Talent - und Richard E. Grant ist als Komplize und seelische Teilzeitstütze einfach eine Wonne!
Platz 37: Captain Marvel (Regie: Ryan Fleck & Anna Boden)
Während
Alita: Battle Angel eine der besten 3D-Versionen des Jahres hat, ist
Captain Marvel ein Anwärter auf den 3D-Negativpreis. Vor allem das erste Drittel gerät in 3D (zumindest meiner Auffassung nach) geradezu irritierend - also
noch irritierender, als es sein sollte. Denn Ryan Fleck und Anna Boden haben mit
Captain Marvel einen Film erschaffen, der sehr eng an seiner Hauptfigur orientiert ist. Wir begegnen Vers, einer fähigen Kämpferin mit einem gesunden, zurückhaltenden, trockenen Sinn für Humor, die gemeinhin aber eine sehr ruhige, vernunftbetonte Person ist. Und
dennoch erzählen ihr andauernd alle um sie herum, sie sei eine emotionale, unberechenbare Frau, die sich endlich mal einkriegen soll. Und
dann erfährt sie auch noch, dass ihre vermeintliche Heimat und ihre vermeintlichen Verbündeten womöglich über ihre Intentionen und Vers Vergangenheit gelogen haben. Es folgt ein schmissiger Mix aus Selbstfindungstrip, Empowerment (oder im Falle unserer Heldin wohl eher Re-Powerment) und Buddy-Cop-Movie mit einer ausdrucksstarken, dennoch subtilen Brie Larson und einem digital beeindruckend gut verjüngtem Samuel L. Jackson.
Captain Marvel ist definitiv ein Film, der mit einem Rewatch gewachsen ist, da sich das etwas ziehende erste Drittel rückblickend viel besser in den Rest des Films fügt. Und zumindest in diesem Film haben die Marvel Studios mein "
Superman-Problem" (actionbasierte Filme, deren Hauptfiguren extrem stark sind, sind für mich eher öde, da es den Kämpfen an Spannung mangelt), als dass es hier gar nicht primär um "Wer wird gewinnen?" geht, sondern darum, ob sich unsere Heldin selber findet und lernt, ihre Kräfte auszubauen. Ähnlich wie in
Man of Steel, wenn man so will! Dann hoffen wir mal, dass Captain Marvel eine
Justice League-Blamage erspart bleibt.
Platz 36: Vox Lux (Regie: Brady Corbet)
Als hätte Lars von Trier
A Star Is Born gemacht.
Sony Pictures brachte 2019 sogleich zwei Popcorn-Actionkomödien heraus, die nicht nur temporeich, witzig und überaus gefällig sind, sondern unter ihrer äußerst vergnüglichen Oberfläche auch erstaunlich clever. Das hier ist die nach Starttermin betrachtet zweite von ihnen, in diesem Ranking ist sie derweil die erste:
Jumanji: The Next Level verbildlicht das Konzept des Code Switchings sowie das Gefühl, durch sich verändernde Umstände nicht mehr dieselbe Person wie früher zu sein, in Form einer Abenteuerhandlung. Die bunt gemischte Heldentruppe landet in einem Videospiel (viele von ihnen erneut), doch die wenigsten von ihnen spielen die Figuren, die sie schon einmal gespielt haben. Und so müssen sie nicht nur in den Schuhen Anderer durch diverse Herausforderungen wandeln, sondern in völlig ungewohnten Schuhen Anderer. Und dann gibt es auch noch die Möglichkeit/Notwendigkeit weiterer Persönlichkeitswechsel ... Sehr pointiert gespielt, mit einem bestens aufgelegten Cast und mit videospielesk eskalierenden Actionszenen ist
Jumanji: The Next Level sehr flottes, vergnügliches Popcornkino. Doch dadurch, wie das Dilemma der zentralen Figuren auf oberflächlich-konzeptueller als auch auf herzlich-emotionaler, tiefer gehender Ebene konsequent durchgezogen wird, ist
Jumanji: The Next Level obendrein auch noch ein geistreicher, herzlicher Film. Jedenfalls meiner Meinung nach - man muss diesen Aspekt am Film halt einfach erstmal sehen ...
Platz 34: Hotel Mumbai (Regie: Anthony Maras)
Anthony Maras widmet sich in seinem Regiedebüt einem verheerenden Terroranschlag, der hierzulande erschreckend wenig behandelt wurde. Maras nimmt die zahlreichen Hürden, die sich bei Katastrophenfilmen über reale Attentate stellen, mit scheinbarer Leichtigkeit und liefert ein packendes, niederschmetterndes Thrillerdrama ab, das frei von falschem Pathos oder gefährlichem Voyeurismus ist. Stattdessen ist
Hotel Mumbai geradliniges, handwerklich beeindruckendes Spannungskino, das sich wiederholt behände in die richtige Richtung lenkt, wann immer es droht, abzudriften. Angesichts dessen, wie sehr dieser Film unterging: Absolute Geheimtipp-Sehempfehlung!
Ich mag Shia LaBeouf. Das filmvernarrte Internet hat ihm jahrelang Unrecht getan. Aber sowas kann es ja gut. Auch Dakota Johnson ist eine ganz Tolle, die von manchen Dödeln als unfähig abgetan wird, weil sie es sich erdreistet hat, bei einem sicheren Gehaltsscheck namens
Fifty Shades of Grey zuzusagen. Ein Film, der diese beiden Leutchen, die ich liebend gerne in Schutz nehme, vereint, hat bei mir eh schon Punkte gut. Wenn sie dann auch noch ihre Stärken ausspielen können (Shia als verletztes Hündchen von einem Mann, das sich eine harte Schale angeeignet hat, Dakota mit viel beiläufigem Witz), hat der Film noch mehr Punkte bei mir gut. Und dann ist
The Peanut Butter Falcon auch noch mit dem talentierten Newcomer Zack Gottsagen und einer Bluegrass-Märchenstimmung gesegnet, mit der diese Road-Trip-Tragikomödie von Selbstvertrauen, Akzeptanz und Lebensträumen erzählt. Hach!
Platz 32: Leid und Herrlichkeit (Regie: Pedro Almodóvar)
In diesem autobiografisch angehauchten Drama (oder ist es schon autobiografisch durchsetzt?) von Pedro Almodóvar spielt Antonio Banderas in einer potentiellen Karrierebestleistung einen alternden Regisseur, der aufgrund der digitalen Restauration und der folgenden Wiederaufführung eines seiner gefeierten Frühwerke ins Grübeln gerät. Darauf folgt ein stilles, zerbrechliches Sinnieren über das Altern, vertane Chancen, Ehrlichkeit gegenüber sich und seinen Liebsten und über Liebe, die man nicht zugelassen hat. Einfach schön.
Platz 31: Brittany Runs a Marathon (Regie: Paul Downs Colaizzo)
Comedy-Nebenrollen-Wunder Jillian Bell (u.a.: 22 Jump Street, Girls' Night Out, G.änsehaut, Fist Fight) bekommt ihre erste Film-Hauptrolle und spielt in Brittany Runs a Marathon die schnippische, sich durch ihr Leben mogelnde Brittany, die es sich in einer ganz bestimmten Nische in ihrem beruflichen und privaten Gefüge bequem gemacht hat: Sie ist die fröhliche, lustige Pummelige. Als ihr Arzt sie warnend zur Seite nimmt, sie sei nunmehr ungesund rund, will sie es zunächst nicht wahrhaben. Dann folgt eine Phase der völligen Desillusionierung und Verzweiflung. Als sie sich einer Laufgruppe anschließt, findet sie neue Freunde und steht für ihre alten Freunde nicht mehr durchweg zur Verfügung, was Brittany (und ihr Selbstbild) mehr verändert als der schlichte Akt des Laufens und Abnehmens ... Paul Downs Colaizzo schafft mit Brittany Runs a Marathon eine unbequem-schöne, frech-ehrlich-aufmunternde Geschichte über ungesunde Bequemlichkeit, sei sie in Sachen Sport, Selfcare, Freundschaftspflege oder kritischem Hinterfragen des eigenen Umgangs, und darüber, wie man diese Faulheit bezwingt. Fein beobachtet werden alltägliche Gemeinheiten analysiert und abgebildet, der Film hütet sich vor vorschnellen Urteilen, Brittanys charakterlicher Wandel ist genauso witzig wie berührend und Jillian Bell wächst mit ihren neuen schauspielerischen Aufgaben.
1 Kommentare:
"Vox Lux" ist treffend analysiert. ;)
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