Immerhin: Wie schon 2018 präsentiere ich euch 50 Ränge, statt der 45 aus den Jahren 2015 und 2016 oder der 35 Stück aus dem Jahr 2017. Denn wieder einmal gab es zu viele Filme, die ich unbedingt noch einmal an dieser Stelle loben und feiern wollte. So viel also zum ständigen "Es läuft ja nichts mehr" ...
Platz 50: Vice - Der zweite Mann (Regie: Adam McKay)
sowie: Official Secrets (Regie: Gavin Hood)
Das letzte Unentschieden in meinen Jahrescharts ist schon ein paar Jahre her, doch beim Rückblick auf 2019 kam ich nicht umhin, den letzten Platz doppelt zu vergeben. Aber dieses Mal passen die beiden Filme wenigstens zusammen: Sowohl Vice als auch Official Secrets blicken zurück auf ein politisches Thema, das die Welt (und auch mich) in den frühen 2000er-Jahren extrem bewegt hat, nämlich auf den Angriffskrieg der USA auf den Irak. Adam McKay wiederholt seinen The Big Short-Mix aus Drama und Satire, um mit Wut und Witz vorzuführen, wie Dick Cheney zum mächtigsten und gefährlichsten Mann der Welt aufsteigen konnte. Official Secrets dagegen blickt aus europäischer Sicht auf den Irakkrieg und zeigt Keira Knightley (wieder einmal großartig aufspielend) als Frau, die über politische Mauscheleien stolpert, mit denen die USA Unterstützung für den Kriegseintritt erzwingen wollen. Wo Vice knallig gespielt ist und argumentiert, ist Official Secrets ein ruhiges Thrillerdrama über den inneren Tumult einer Whistleblowerin und die weiten Strecken, die eine Zeitung geht, um ihre Informationen zu verifizieren. Der eine Film hat Style, der andere Emotion. Das ergibt ein kurzweiliges, spannendes Double Feature.
Platz 49: Ich habe meinen Körper verloren (Regie: Jérémy Clapin)
Jérémy Clapins Ich habe meinen Körper verloren verquickt Zeichnungen und 3D-Elemente zu einer nachdenklichen, feinfühligen Geschichte über eine abgeschnittene Hand, die sich ihren Weg zurück zum Rest "ihres" Körpers macht. Verschränkt wird dies mit Rückblenden über die Geschichte des Jungen, der seine Hand verloren hat. So entsteht eine zärtliche, kleine Romanze, die in Wahrheit aber vor allem eine Erzählung über das Verarbeiten von Schuld und das Finden von Mut ist. Das Ende gerät mir eine Spur zu zügig, so dass die Emotionen, die der Film sachte, aber stetig aufbaut, in den letzten Minuten geradezu zu einem Abschluss geprescht werden, aber der Look und der trockene, teils makabre Humor gleichen das weitestgehend wieder aus.
Platz 48: Ready or Not (Regie: Matt Bettinelli-Olpin & Tyler Gillett)
Aus dem neuen Trend-Genre "Reiche, wa?!" präsentiert euch Fox "Ich heiße nur noch Searchlight Pictures" Searchlight Pictures diese flotte, blutige, böse Horror-Komödie über eine Braut, die an einem blutigen Ritual ihrer Schwiegerfamilie teilnehmen muss. Das Regie-Duo Bettinelli-Olpin & Gillett hüllt sein pointiertes Jagdspiel in einen edlen, schattigen Look, Samara Weaving ist einfach wie für Horrorkomödien gemacht (siehe auch: Netflix' The Babysitter und den Horror-Comedy-Actioner Mayhem) und selbst wenn ich das Ende thematisch inkonsequent finde, sorgt es im vollen Kinosaal einfach für massig Stimmung, so dass ich es dem Film nur ein bisschen übel nehme. Die launigen Kills und feinen Spannungsschübe bleiben ja dennoch.
Platz 47: The Art of Self-Defense (Regie: Riley Stearns)
Jesse Eisenberg zum Ersten: Im dezent skurrilen Stil eines The Double gehalten, erzählt The Art of Self-Defense von einem Niemand, der von allen runtergebuttert und eines Nachts überfallen sowie verprügelt wird. Daraufhin meldet er sich in einem Selbstverteidigungskurs an und hält sich plötzlich für den größten Macker von allen. So beginnt eine intellektuelle, nicht aber borniert-verkopfte Komödie über das toxische Selbstbild von Männern und die wohl noch giftigere Erwartung an sich selbst, die sie aufbauen. Garniert wird das mit staubtrockenem, hintersinnig-bescheuertem Situationswitz, wunderbar treffenden Parodien kantiger Chauvis und einer grandiosen Imogen Poots als die einzige Frau in einer Gruppe verschwitzter Typen. Und dann ist da natürlich die Schlusspointe!
Platz 46: Gemini Man (Regie: Ang Lee)
Old-School-Bruckheimer-Action trifft auf Ang Lee, der filmtechnische Fingerübungen macht: Gemini Man ist ein Sci-Fi-Actionthriller mit flotten Actionsequenzen (Stichwort: Motorradkampf!), einem hervorragend digital verjüngtem Will Smith in einer Doppelrolle, einer sympathisch-schnippischen Mary Elizabeth Winstead und dem ersten Einsatz von High Frame Rate, der mich überzeugt. Flüssiges 3D und gestochen scharfe Bilder machen das Geschehen von Gemini Man förmlich greifbar und so ergibt sich eine Mischung aus Bruckheimer-Rücksturz und Ang-Lee-Filmfuturismus, der leider nur sehr wenige Kritiker überzeugte und auch an den Kinokassen enttäuschte. Aber ich hab das Gefühl, genau die Zielgruppe des Films zu sein: Ich fand's gut, ich weiß nicht, was ihr alle hattet.
Platz 45: Shazam! (Regie: David F. Sandberg)
Na endlich! Ich mag Man of Steel, hatte Batman v Superman: Dawn of Justice in meinen Flops, fand Suicide Squad schwach, aber anschaubar, Wonder Woman und Justice League waren wieder Flop-Kandidaten und auch den Hype um Aquaman konnte ich absolut nicht verstehen. Aber mit Shazam! kam für mich endlich die Rettung des DC-Filmuniversums daher: David F. Sandberg kreiert eine überaus vergnügliche, energiegeladene Superheldengeschichte mit ein paar Verweisen auf seine Horrorwurzeln und einer überraschend rührenden Familien-Hintergrundgeschichte. Zachary Levi hat ansteckend viel Spaß, Jack Dylan Grazer gefällt als Beinahe-Rüpel mit Herz und die Gags sitzen. Runder, quirliger Comicspaß!
Platz 44: Dumbo (Regie: Tim Burton)
Das beste (und einzige gute) Disney-Remake des Jahres 2019 erzählt von einem kleinen Zirkus mit einer Star-Attraktion, der von einem riesigen Entertainment-Zirkus aufgekauft und daraufhin massiv beschnitten wird. Anders gesagt: Tim Burton macht in Dumbo einen auf Die Dinos und nimmt Disney-Geld, um unter dem Disney-Markennamen wirtschaftliche Entscheidungen des Disney-Konzerns zu kritisieren. Diesen Schneid muss ich einfach belohnen, und dann kommt noch hinzu, dass ich den Film sehr liebenswert finde. Selbstredend reicht er nicht an das Original heran, doch Burton erzählt Dumbo mit einer großäugig-verzauberten Erzählhaltung, das Produktionsdesign ist nostalgisch-verschnörkelt, die Titelfigur ist knuffig animiert und es gibt jede Menge kleine Einfälle und Dialogfetzen, die mir einfach ein lang anhaltendes Grinsen ins Gesicht zaubern.
Platz 43: Zombieland: Doppelt hält besser (Regie: Ruben Fleischer)
Satte zehn Jahre nach dem Original stand sie auf einmal an: Die Rückkehr nach Zombieland. Ich müsste lügen, würde ich sagen, dass ich die Fortsetzung heiß erwartet habe. Aber umso überraschter war ich dann, als ich sie gesehen habe: Die alte Gang ist zurück, wird ergänzt um spaßige Neuzugänge und schon geht er ab, der Spaß. Flott erzählt, mit immenser Gag-Frequenz und stattlicher Trefferquote ist Zombieland: Doppelt hält besser eine schmissige Zombie-Action-Komödie, die mich bestens unterhalten und extrem positiv überrascht zurückgelassen hat.
Platz 42: Gloria - Das Leben wartet nicht (Regie: Sebastián Lelio)
Sebastián Lelio liefert mit Gloria - Das Leben wartet nicht das Remake seines 2013 veröffentlichten Films Gloria ab, und führt formidabel vor, wie Eigen-Remakes auszusehen haben: Diese Dramödie mit einer toll aufspielenden Julianne Moore erzählt von einer geschiedenen Frau mittleren Alters und ihrem tragikomischen, zwischen Banalitäten, Freude und Rückschlägen schwankendem Leben. Ohne stringenten Plot, sondern nur mit ein paar wiederkehrenden, lose verbundenen Handlungsfäden versehen, lernen wir in diesem "Slice of Life"-Film die Titelheldin kennen, leiden mit, wenn sie versetzt wird, freuen uns, wenn sie ihr Leben in die Hand nimmt und lachen/schimpfen/schimpflachen über John Turturro als schwer einzuschätzenden Flirt. Etwas munterer als das Original und dennoch (oder gerade daher) sogar noch einfühlsamer ist Gloria ein festlicher Film über unfestliche Lebensjahre. Wunderbar.
Platz 41: Riot Girl (Regie: Jovanka Vuckovic)
Aus der Kategorie "Filme, deren Zielgruppe ein kleiner Fleck auf einem Venn-Diagramm darstellt, und ich bin stolzer Teil dieses Flecks" präsentierte uns das Fantasy Filmfest 2019 Riot Girls, einen postapokalyptischen Nostalgietrip, der in einem alternativen 1995 spielt. Ein mysteriöser Virus hat alle Erwachsenen ausgelöscht und nun haben Teenager die Welt an sich gerissen. Und wie es mit Teenagern so ist, haben sich prompt Grüppchen gebildet. Dort stromern die Punks durch die Ruinen der zurückgelassenen, alten Welt. Drüben leben die reichen, sportlichen Kids in einem feucht-autoritären Traum eines strengen Schulregimes, inklusive mit Stolz getragener Varsity-Jacken. Wir folgen der relativ vernünftigen Nat (Madison Iseman) und der aufmüpfigeren Scratch (Paloma Kwiatkowski) bei einem riskanten Manöver hinter feindlichen Linien, und erleben dabei einen von Jovanka Vuckovic genüsslich orchestrierten Whiplash an tonalen Schwankungen:
In der einen Minute Punkerinnen-Flick, dann Amblin-eske Kinderfantasie, dann wird im feinsten Disney-Channel-Original-Movie-Camp über den Erhalt des Status Quo und das Ehren der Schulkleidung gejammert - und dann werden Köpfe in kleine Bröckchen zerschossen. Jovanka Vuckovic feiert diese pubertären Stimmungsschwankungen mit süffisant überspitzten Klischees, die sie wahlweise so sehr überzieht, dass es herrlich-lustig wird, oder aber mit Vehemenz konterkariert. Die haptischen Effekte rocken, der Mix aus bunter, heiler Welt und dreckig-unangepasster 80er-Attitüde sowie motziger 90er-Revoluzzerstimmung ist einmalig und die beiden Hauptdarstellerinnen sind einfach bombig! Voll. Mein. Ding!