Es wirkt an der Oberfläche zunächst
einmal wie ein schlechter Witz: Ein quasi erblindeter Jugendlicher
macht eine Ausbildung. Ausgerechnet zur Servicekraft. Und dann auch
noch in einem Luxushotel! Da, wo ein scharfes Auge, ein sicheres
Auftreten und absolute Stolperfreiheit unerlässlich sind! Das kann
ja nur in beschämende Slapstick-Kapriolen münden … Mein
Blind Date mit dem Leben ist jedoch keinesfalls ein
unsensibles, zweistündiges „Ein junger Mister Magoo
versucht sich als Kellner“-Lachfest. Sondern die inspirierende
filmische Adaption einer erstaunlichen wahren Geschichte –
gewitzt-feinfühlig von Groupies bleiben nicht zum
Frühstück-Regisseur Marc Rothemund umgesetzt und mit
bestechendem Charme von Kostja Ullmann in der Hauptrolle gespielt.
Die rund zweistündige Dramödie
Mein Blind Date mit dem Leben erzählt lose die
Geschichte des Motivationsredners und Autoren Saliya Kahawatte. Der
Deutsch-Singhalese verlor im Teenageralter annähernd 95 Prozent
seines Sehvermögens, weigerte sich anschließend allerdings, sein
Leben von diesem Handicap diktieren zu lassen. Also beschloss er,
weiter seinen Wunsch zu verfolgen, in einem Luxushotel zu arbeiten.
Da Bewerbungen mit ehrlichen Angaben bezüglich seiner Sehbehinderung
allesamt abgelehnt werden, verschweigt er sie letztlich – und
kriegt anschließend den begehrten Ausbildungsplatz. Was sich in
Wirklichkeit in einem Hamburger Hotel abgespielt hat, verlegt
Rothemund in seinem Film in den leinwandfüllenden,
altmodisch-prunkvollen Bayerischen Hof in München.
Dort lernt Saliya den lockeren Lebemann
Max (herrlich: Jacob Matschenz) kennen, der schon kurz nach diesem
Treffen bemerkt, welche Scharade sein Mitauszubildender spielt. Aus
dem verbissen jegliche Hürden nehmenden Saliya und dem sorgenfreien
Max wird ein eingespieltes Team – trotzdem stellen sich dem nahezu
blinden Träumer immer neue Herausforderungen, die zunehmend an
seinem Nervenkostüm nagen …
Das Skript von Oliver Ziegenbalg
(Friendship!) und Ruth Toma (Kebab
Connection) ist in Stimmungszyklen aufgebaut: Eingangs wird
ganz zügig und effizient Saliyas Leben vor dem Eintreten seiner
dramatischen Sehprobleme skizziert. Danach führt Mein Blind
Date mit dem Leben nüchtern, aber mit kleinen emotionalen
Ausrutschern, vor, wie sich der Abiturient ans Leben mit seinem
Handicap herantastet: Ullmann spielt glaubwürdig, wie Saliya zwar
von seiner Sehbehinderung zermürbt wird, aber stur daran arbeitet,
irgendwie weiter zu machen und neuen Mut findet. Dies hat einen eher
dramatischen Unterton, allerdings sind die munteren Gespräche
zwischen Saliya und seiner Schwester Sheela (perfektes Timing: Nilam
Farooq) kleine muntere Momente, die sehr gut die nächste Phase des
Films vorbereiten.
Saliyas erste Wochen am Bayerischen Hof
inszeniert Rothemund als launige „Betrugsgeschichte“: Max und
Saliya verheimlichen mit verschwörerischem Grinsen untereinander den
Vorgesetzten Saliyas Handicap – und mit beschwingter Musik sowie
glanzvoller Bildästhetik lädt der Regisseur sein Publikum dazu ein,
sich mit den Beiden über jeden neuen Kniff zu freuen. Rothemund legt
es unaufdringlich nahe, nicht über Saliya zu lachen, sondern mit
ihm. Schleichend kehrt mit Johann von Bülows arrogantem Ausbilder
Kleinschmidt, der daran einen Narren gefressen hat, Saliya zu
piesacken, jedoch auch wieder größere Dramatik in die Handlung ein.
Und auch die Liebelei mit der Gemüselieferantin Laura (Anna Maria
Mühe) steht auf wackligen Beinen ...
Wenn die Stimmung danach völlig ins
Dramatische kippt und Rothemund skizziert, wie Saliya an der Mühe,
nicht als Blinder unter Sehenden aufzufallen, zu zerbrechen droht,
tut sich der Oscar-nominierte Regisseur etwas schwerer als zuvor:
Zwar gerät dieses Tief plausibel und Ullmanns Performance rutscht
stimmig vom charismatischen Strahlemann zu jemandem
Selbstdestruktiven. Spürbare Nachwirkungen hat diese Phase aber
kaum, so dass der letzte Akt vergleichsweise simplifiziert
daherkommt.
Inspirierend bleibt die Story dennoch:
Ein gut gelauntes Inklusionsplädoyer, das humorvoll erklärt, welche
Hürden Blinde im Alltag zu nehmen haben – und das die altbekannte
Moral „Lebe deinen Traum“ auf unverbrauchte Weise neu aufzäumt.
In Form der afghanischen Küchenkraft Hamid (Kida Khodr Ramadan)
treibt Rothemund obendrein den Gedanken, Grenzzäune im Kopf des
Publikums einzureißen, ganz charmant auch bei den Nebenfiguren fort:
Solche sympathischen, nicht aber anbiedernden Nebenrollen braucht das
deutsche Massenkino viel häufiger.
]Fazit: Ein
einfühlsam erzählter Gute-Laune-Film, der zu berühren weiß:
Mein Blind Date mit dem Leben packt sein Thema
ebenso sensibel wie gewitzt an und punktet mit einer tollen
Darbietung von Kostja Ullmann.
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