Guardians of the
Galaxy-Star Chris Pratt. Die Tribute von
Panem-Hauptdarstellerin Jennifer Lawrence. Ein elegant
gestaltetes, mittels zumeist sehr ansehnlicher Effekte verwirklichtes
Raumschiff als Setting. Und ein schnell begriffenes Konzept, das in
allerlei Genres funktionieren würde – von Horrorfilm oder
Psychodrama bis hin zu Hochglanzblockbuster: Was, wenn man bei einer
mehr als ein Jahrhundert überdauernden Weltraumreise viel zu früh
aus seinem künstlichen Schlaf geweckt wird?
Passengers ist ein
(oberflächlich betrachtet) überaus attraktiver Hollywood-Film.
Einer, der bei sehr flüchtiger Betrachtung hält, was er verspricht:
The Imitation Game-Regisseur Morten Tyldum
erschafft eine vor Rückverweisen strotzende, ästhetische
Science-Fiction-Welt. Das Drehbuch von Jon Spaihts
(Prometheus) ist dynamisch strukturiert: Mit
ruhigem Prolog, einem zunächst sehr lustigen ersten Akt, der ins
Dramatische kippt. Einem romantisch aufgezogenen zweiten Akt, der in
unter die Haut gehende Suspense kippt. Ehe der sukzessive
vorbereitete, laute und effektlastige, mit Action bepackte finale Akt
folgt.
Jennifer Lawrence und Chris Pratt
spielen ihr leinwandtaugliches Charisma aus. Pratt verinnerlicht ein
Großteil der vielen, verworrenen Emotionen seiner Rolle. Lawrence
indes spult zwar die Videobotschaften ihrer Figur routiniert runter
(und somit die Szenen, die ihr eine runde Hintergrundgeschichte geben
sollen), erweckt sonst jedoch einen engagierten Eindruck.
Doch die Oberfläche von
Passengers ist rasch weggekratzt. Es fängt schon
beim Produktionsdesign an. Dass sich die Kulissen an Filmklassikern
anlehnen, ist noch problemlos. Dass die als Zufluchtsort und Hort
komödiantischer Szenen dienende Bar an die aus Shining
angelehnt ist, ist aber, je nach Blickwinkel: A) Ein recht wahlloser
Verweis. Oder B): Beweis dafür, dass das Gesamtwerk deutlich
leichtgängiger und gedankenloser geraten ist, als es wohl einst sein
sollte.
Die Instrumentalmusik von Komponist
Thomas Newmans wiederum ist einprägsam, betörend schön und komplex
arrangiert – sowie ein dreister Eigenklau aus seinen Arbeiten für
die Pixar-Filme Findet Nemo, WALL·E
und Findet Dorie. Die Technologie des als
Schauplatz dienenden Raumschiffs operiert nur auf Hollywood-Logik,
mit Makeln, die sich nach der Storydramaturgie richten. Nicht nach
einer inneren, kohärenten Logik.
Und all dies sind noch immer (etwas
tiefer gehende) Schönheitsfehler. Die wirklich argen Probleme an
Passengers, die einen anhaltend bitteren
Nachgeschmack hinterlassen, werden im Film erst nach rund der Hälfte
der Laufzeit bemerkbar. Doch sie nehmen sukzessive zu. Und da Tyldum
im haarsträubende Züge annehmenden Finale jegliche rettende Option
links liegen lässt, gerät Passengers vom
Blockbuster mit unglücklichen Implikationen zum möglichen
Diskussionsanreger und schlussendlich zu einem
frustrierend-problematischen Stück Popkultur.
Spoilerfrei lässt sich dies nicht
näher artikulieren – Sci-Fi-Liebhaber und Gelegenheitskinogänger,
die nicht zu viel wissen wollen, sollten anhand der obigen Zeilen
abschätzen, wie sehr sie Passengers denn nun
reizt. Alle anderen können sich gerne vorab auf ein mehr als bloß
fragwürdiges Ende gefasst machen …
Ab hier SPOILER!
Entgegen dem, was die Trailer und
TV-Spots behaupten, handelt Passengers nicht
davon, dass ein Mann und eine Frau 90 Jahre vor Ankunft an ihrem Ziel
auf einem Raumschiff aufwachen, während der Rest der Passagiere noch
seinen das Altern ausbremsenden Schlaf hält. Stattdessen dreht sich
der Beginn des Films um einen einzelnen Mann, dem diese Misere
widerfährt. Chris Pratt spielt dies mit Galgenhumor, der in „Das
Beste aus der Sache machen“-Spritzigkeit übergeht und dann Schritt
für Schritt zu wahnhafter Einsamkeit wird.
Als nach etwa einem Jahr dieses Wrack
von einem Mann kurz davor steht, Selbstmord zu begehen, spielt er mit
dem Gedanken, einen weiteren Passagier aufzuwecken – und ihm somit
die vermeintlich sichere Zukunft auf einem noch 89 Reisejahre
entfernten Planeten zu nehmen. Er hadert mit sich, was Pratt mit
verletzten Hundeaugen und verlorenem Gesichtsausdruck darbietet, gibt
letztlich aber nach, und reißt eine Journalistin aus ihrem
künstlichen Schlummer – ohne ihr davon zu erzählen.
Dass sich daraufhin zwischen den beiden
Figuren eine neckische Dynamik entwickelt, ist vertretbar. Lawrence
und Pratt holen mit ihrem komödiantischen Timing und dem im
Mittelteil süffisant-zynisch-doppelbödigen Humor viel aus dieser
Prämisse heraus. Und dass sich nach dieser in gewisser Weise einem
Mord (auf Zeit) gleichkommenden Tat Passengers
nicht auf Anhieb zum Psychothriller wandelt, kann wohlwollend als
strukturelle Überraschung gesehen werden. Ähnlich eines
Slasherfilms, der vor dem brutalen Finale durch Humor seine Figuren
menschlicher macht.
Dennoch muss diese den Film
überschattende Tat auf langer Sicht Konsequenzen nach sich ziehen –
und in der Skizzierung dieser wird Passengers
endgültig vom glattgebügelten, aber kurzweiligen Blockbuster mit
potentieller Sci-Fi-Psychokammerspiel-Prämisse zum Problemwerk. Nach
allerlei süßlich-verspielten Liebesalbereien kommt das dunkle
Geheimnis ans Licht. Von einer kurzen Montage abgesehen, in der
Lawrence mit voller Inbrunst die Gefühle darbietet, die ihre Figur
erfüllen, von Horror und Wut hin zu Abscheu, macht Tyldum ein
RomCom-Missverständnis aus der Sache. Unsere füreinander bestimmten
Helden liegen sich in den Haaren, aber eine freundliche Bildsprache,
quirlige Hintergrundmusik und gewitzte Dialoge sowie gemeinsam
überwundene Actionsequenzen führen sie nach dem Zoff schrittweise
wieder zusammen!
In den letzten Filmminuten entwirft
Tyldum mehrere Szenarien, in denen das Karma wieder ausgeglichen
werden könnte. Aber die zwar leicht erklärte, dennoch gravierende
und grauenvolle Verzweiflungstat bleibt ungesühnt. Viel schlimmer:
Sie wird als die einzig richtige Entscheidung geschildert, eine mit
fruchtbaren, aus inniger Liebe entsprungenen Nachwirkungen.
Es ist völlig akzeptabel, wenn
Blockbuster-Figuren moralisch fragwürdig handeln und Plots ethische
Fragen aufwerfen. Etwa: „Wie würdest du handeln, wenn du dein
Leben retten und verbessern könntest, indem du die Pläne einer
anderen Person zerstörst?“ Es müssen auch nicht einmal sämtliche
unentschuldbaren Entscheidungen bestraft werden – Krimis, in denen
der Mörder entkommt und Horrorfilme, in denen das Böse nur gehemmt,
nicht aber bezwingt wird, sind nicht grundlos beliebt.
Passengers gehört
aber nicht zu diesen fies-grimmen Geschichten. Sondern ist die
fröhlich dahingesäuselte, ohne jeglichen Funken der Subversion
versehene Geschichte eines Mannes, der zum Selbstschutz und zur
Bespaßung das Leben einer Frau zum Entgleisen bringt. Sie verlieben
sich. Sie kommt hinter den Ursprung dieser Romanze, woraufhin die
Frau nach kurzem Wutanfall erkennt, dass er den richtigen Riecher
hatte und sich ihm willig hingibt. Munter-romantische
Streicherklänge, Happy End für alle! Das wird Teilen des Publikums
zurecht den Magen verdrehen – und andere naiv-ahnungslos ein
Weltverständnis in den Kopf setzen, das es zu bekämpfen, statt zu
bestätigen gilt.
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