Jeder Plot hat eine
Daseinsberechtigung. Jede Geschichte ist erzählenswert. Sie muss nur
in einem angemessenen Kontext erzählt werden. Und selbstredend kommt
es auf die Umsetzung an. Struktur, Tonfall, handwerkliches Können
und künstlerischer Einfallsreichtum – diese Elemente prägen eine
Geschichte viel stärker als der rudimentäre Plot. Selbstredend
steckt in manchen Plots ein größeres, stärkeres Potential. Eine
aus sich heraus strahlende, sich nahezu sofort aufdrängende
Herangehensweise, die frisch und fesselnd erscheint. Der Plot von
Verborgene Schönheit ist haarsträubend – und
kann daher als Saatkorn für einen fiesen, feinen Film herhalten, der
eine ungewöhnliche Story erzählt. Per se lassen sich die folgenden
Zeilen also irgendwo zwischen neutral und reizvoll einordnen:
Die Werbefachleute Whit Yardshaw
(Edward Norton), Claire Wilson (Kate Winslet) und Simon Scott
(Michael Peña) bangen um die Zukunft ihrer Firma: Ihr bester Freund
und Vorgesetzter, Howard Inlet (Will Smith), ist seit dem Tod seiner
Tochter vor wenigen Jahren depressiv, ja, nahezu katatonisch. Er
weigert sich, zu reden, zu arbeiten oder mehr als das Nötigste zu
essen. Um ihre finanzielle Zukunft abzusichern, wollen sie ein
letztes großes Geschäft abschließen, bräuchten dafür jedoch
eigentlich Howards Unterschrift. Da dieser aber weiterhin apathisch
durch den Tag stapft, beschließen sie, die drei Laiendarsteller Amy
(Keira Knightley), Raffi (Jacob Latimore) und Brigitte (Helen Mirren)
anzuheuern. Sie sollen Howard gegenüber die Verkörperungen der
Liebe, der Zeit und des Todes spielen und ihn so in den Wahnsinn
treiben, damit er endlich als unzurechnungsfähig attestiert wird und
Whit, Claire sowie Simon die Geschicke der Firma ohne ihn leiten
können.
Daraus ließe sich nach der Schule des
ersten Kill the Boss-Teils eine schwarze Komödie
spinnen. Oder ein Thriller, der zu ähnlich großen Teilen aus der
Sicht des Opfers und der Täter erzählt wird – eine Art
Gaslicht oder Das Haus der Lady
Alquist fürs Jetzt. Oder ein beklemmender
Mystery-/Psychothriller aus der Sicht des Opfers – inklusive
gemeinem Plottwist, der dessen beste Freunde als Strippenzieher
enttarnt.
Stattdessen ist Verborgene
Schönheit ein noch krasserer Fall narrativer, tonaler und
inszenatorischer Fehlgriffe als die kurz zuvor veröffentlichte
Sci-Fi-Liebesgeschichte Passengers, in der
moralische Kurzschlussentscheidungen auf kitschigste,
konventionellste Weise romantisiert werden. Allan Loebs Drehbuch
platzt förmlich vor Glückskeksweisheiten und Kalendersprüchen, die
Komponist Theodore Shapiro (Trumbo) mit durchaus
wunderschönen, allerdings somit drastisch fehlleitenden Melodien
untermalt. Knightley, Mirren und Latimore bieten diese Kitschphrasen
in einem konsequent abgedroschenen Tonfall und mit weit
aufgerissenen, staunenden Augen feil – und auch
SPECTRE-Nebendarstellerin Naomie Harris muss als
Trauerbegleiterin durchweg einen anbiedernd-belehrend-entzückten
Singsang von sich geben.
Will Smith wiederum spielt sich in den
ersten vier Fünfteln des Films die Seele aus dem Leib – und das so
sehr, dass er die hauchdünne Schicht an ehrlicher Emotionalität in
dieser cineastischen Geschmacklosigkeit zum Zerreißen bringt. Wenn
er als Howard mit verquollenen Augen und steinerner Miene in einem
Gefühlsmix aus Wut und Trauer Dominosteine aufbaut oder Fahrrad
fährt, agiert Smith so aufgesetzt und gewollt, dass es förmlich von
der Leinwand runterbrüllt: „GEBT MIR ENDLICH DEN VERDAMMTEN OSCAR!
BITTE!!!!!!!!!!!!“ Im letzten Fünftel hingegen rutscht Smith
schlagartig in den Kamillentee-und-Seelenbalsam-Tonfall seiner
Kollegen ab – damit auch ja niemand aufgewühlt den Saal verlässt.
Kamerafrau Maryse Alberti (The
Wrestler) kann mit ihren stimmig ausgeleuchteten Bildern
leider nicht David Frankels Regieführung aushebeln. Der Regisseur
solch deutlich gelungener Filme wie Marley & Ich
und Der Teufel trägt Prada setzt den Stoff wie
eine weihnachtliche, pseudophilosophische Spezialfolge einer 80er-
oder 90er-Jahre-Sitcom um – inklusive mit im Kino versackenden
Lachpausen, wann immer eine der Figuren einen schlagfertigen Spruch
von sich gibt. Doch abgesehen von wenigen perfekt getimten,
staubtrockenen Kommentaren Helen Mirrens oder der dauerverzweifelt
agierenden Keira Knightley gibt es in Verborgene
Schönheit nichts zum Lachen:
Die Dialoge und der generelle Tonfall
sind zu verkitscht-zuckrig, um den potentiell schwarzhumorigen Kern
würdigen zu können. Im Gegenzug sind die Absichten von Howards
Freunden zu abgebrüht, als dass sich dieser Story irgendetwas
Inspirierendes abgewinnen ließe. Verborgene Schönheit
ist der noch hässlichere, noch stärker missratene und moralisch
fragwürdigere junge Bruder des ebenfalls schon überaus kritischen
Will-Smith-Pathosdramas Sieben Leben.
Fazit: Eine Story,
die in diversen Genres funktionieren könnte, doch niemals als
inspirierend-philosophische Dramödie, wird mit nichtigen
Alltagsweisheiten bespickt als ungeheuerlich bemühte,
inspirierend-philosophische Dramödie ins Kino entlassen. Um die hier
verborgene Schönheit zu finden, braucht es ein
Hochleistungsmikroskop.
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