Mittwoch, 13. Februar 2019

Meine 50 Lieblingsfilme des Jahres 2018 (Teil III)

Der zweite Part meiner Lieblingsfilmliste 2018 liegt schon hinter uns, und nun ist es an der Zeit, euch den dritten Teil zu präsentieren. Erneut möchte ich euch ein wenig auf die Folter spannen und zunächst ein paar Ehrennennungen loswerden, also auf Filme verweisen, die bei einem etwas anderen Feld an Mitbewerbern wohl im Ranking gelandet wären. Da hätten wir Mandy, das surreale und blutige Andrea-Riseborough-und-Nicolas-Cage-Vehikel mit einem Bombenscore von Jóhann Jóhannsson. Der erste Akt vernachlässigt in meinen Augen die dichte Atmosphäre und die eigenwillige Stilistik, die später wichtig werden, leider für figurenbasiertes Fundament, das es nicht bräuchte, aber der Rest des Films ist unvergesslich! Abgeschnitten ist unterdessen ein eisiger, dreckiger deutscher Thriller mit Selbstironie, der einen schneidigen Spagat zwischen Pulp und Suspense wagt, Terminal ist ein von Margot Robbie angeführtes Alice im Wunderland-Delirium von einem Female-Empowerment-Fiebertraum, dessen hypnotischen Szenen fast den zähen Übergang von Akt eins zu Akt zwei vergessen lassen, A Beautiful Day ist eine smarte, schön gefilmte Action-Dekonstruktion, die aber gerne noch etwas mehr kritischen Biss hätte haben dürfen, und Aufbruch zum Mond ist ein sehr gutes, ruhiges Drama mit einem minimalistischen Ryan Gosling, dem für diese Liste einfach ein paar Tropfen Herzblut meinerseits fehlen.

Aber genug der Vorrede, hier sind sie, die Plätze 30 bis 21 in meiner Favoritenliste 2018!

Platz 30: Christine (Regie: Antônio Campos)

Nach einem Drehbuch des Autoren Craig Shilowich, der Anfang des Jahrtausends in eine Depression verfiel und seither mit dem entsprechenden Problemen zu kämpfen hat, inszeniert Regisseur Antônio Campos (Simon Killer) dieses Drama mit immensem Feingefühl: Christine handelt von einer Fernsehjournalistin, die Mitte der 1970er-Jahre mit allerlei Tücken zu kämpfen hat: Sie will mehr menschelnden Qualitätsjournalismus, der Chef will sie wahlweise auf schneller heruntergerissene Themen ansetzen oder doch lieber reißerische Geschichten von ihr haben. Am Arbeitsplatz wird sie aufgrund ihres Geschlechts nicht für voll genommen, als Dauersingle, der auf die 30 zugeht und obendrein mit Frau Mutter zusammenlebt, gilt sie sowieso als seltsam, und dann nähert sich obendrein im TV-Geschäft eine technologische Veränderung, die es zu begreifen gilt. Statt durch den Stress an die Decke zu gehen, entwickelt Christine schweren Trübsinn - aber sie nimmt sich fest vor, sich beruflich und privat neu aufzustellen ... Rebecca Hall erfüllt die Hauptrolle mit viel Gefühl, lässt sie berührendzwischen "Lasst mich alle in Ruhe"-Entnervtheit und "Wieso ist niemand auf meiner Seite"-Kummer gleiten, die Seitenhiebe auf das Journalismusgeschäft sind zeitlos und die karge, ausgebleichte Ästhetik des Films passt zum Setting (70er-Lokalfernsehen) sowie zu Christines Seelenleben. Stark.

Platz 29: Bad Times at the El Royale (Regie: Drew Goddard)

Drew Goddards stilvoll-eleganter, dennoch auch gewalthaltiger Mix aus Crime, Comedy, Thriller, Action und Drama ist eine gelungene Stilübung darin, tarantinoesk zu sein, ohne einen Tarantino-Trittbrettfahrer abzugeben. Besetzt mit einem starken Ensemble, das unter anderem Chris Hemsworth als "sexy Manson", einen sarkastischen Jon Hamm, eine einmal mehr ihr komödiantisches Geschick ausspielende Dakota Johnson, einen coolen Jeff Bridges und die bislang wenig beachtete, doch sehr talentierte Cynthia Erivo umfasst, scherzt, beißt und grübelt sich Bad Times at the El Royale in einem Edel-Pulp-Tonfall durch gesellschaftliche Probleme der 60er und 70er, die heute wieder an Aktualität gewinnen. Ein großes, stilsicheres, spannendes Vergnügen, erzählt in einer Cliffhanger liebenden Episodenstruktur.

Platz 28: Christopher Robin (Regie: Marc Forster)

Was für ein schöner, herzerwärmender Film: Christopher Robin malt sich aus, was passiert, wenn der menschliche Freund von Winnie Puuh, I-Ah, Tigger, Ferkel und Konsorten erwachsen wird. Angesiedelt im London nach dem Zweiten Weltkrieg treffen wir Christopher Robin als Kriegsveteran wieder, der sich in einer Firma zerschleißt, in der sein Vorgesetzter denkbar wenig an Arbeit interessiert ist, geschweige denn am Wohlsein des Kollegiums. Ewan McGregor spielt den überarbeiteten, freundlichen Ehemann und Familienvater, der aufgrund eines dringenden Arbeitsengpasses zähneknirschend seine Liebsten hinten anstellen muss, mit Feingefühl und verborgenem Witz. Als sich seine Vorstellungskraft nach vorne kämpft und seine imaginären Spielgefährten versuchen, ihn in ihre Welt zurückzuholen oder alternativ in seiner Welt für mehr Freude zu sorgen, ist natürlich Chaos vorprogrammiert. Doch es sind die bittersüßen, nuancierten Noten, in denen Marc Forsters Film so richtig glänzt. Als Bonus für Disney-Fans gibt es neue Sherman-Musik. Hach.

Platz 27: Die dunkelste Stunde (Regie: Joe Wright)

Nach dem kommerziellen Misserfolg und den brutalen Verrissen seines Fantasyfilms Pan war Regisseur Joe Wright nach eigenen Aussagen am Boden und überlegte, ob er seine Karriere an den Nagel hängen sollte. Als ihm die Regie bei Die dunkelste Stunde angeboten wurde, war er jedoch Feuer und Flamme für den Stoff, da er sich irgendwie in Winston Churchill wiedersah, der für den Löwenteil der Handlung damit zu kämpfen hatte, dass ihn niemand auf seinem Posten sehen wollte. Also nahm Wright den Job an - und Wrights Passion ist dem Film durchweg anzumerken. Gary Oldman gibt eine intensive, aber auch kurzweilige Darbietung ab, Bruno Delbonnels sanfte Lichtgebung und Dario Marianellis sehr emotionale, aber nie in Kitsch abgleitende Filmmusik geben der Nacherzählung der ersten Wochen Churchills im Amt des Premierministers die nötige Gravitas und das Drehbuch von Anthony McCarten ist nicht bloß eine große Verneigung vor der Macht des Wortes, sondern zudem eine leider extrem mit unserer Zeit resonierende, flammende Ansprache darüber, dass mit faschistischen Kräften nicht zu verhandeln ist und man den Kampf gegen sie niemals aufgeben sollte. Hinzu kommt ein punktgenau gewählter Schluss und, tja, hier sind wir. Ein Film, der in der Oscar-Saison Anfang 2018 von vielen als 08/15-Laberdrama abgetan wurde, sitzt hier bequem und stolz in meinen Jahrescharts.

Platz 26: Auslöschung (Regie: Alex Garland)

Alex Garlands erstes Projekt nach dem hervorragenden Ex_Machina ist, in meinen Augen, nicht ganz so prägnant wie das packende Kammerspiel, doch das macht es nicht minder faszinierend: Der Sci-Fi-Thriller mit einer kühl-eindringlichen Natalie Portman in der Hauptrolle ist eine filmische Allegorie auf Depression (oder darauf, wie verschieden der Umgang mit unaufhaltsamem Wandel ausfallen kann, je nach interpretatorischem Ansatz, wenngleich der Depressionsansatz in meinen Augen stärker in der Figurenzeichnung verankert ist), die sich mit Bildgewalt und atonaler, Gänsehaut erregender Musik ins Gedächtnis brennt. Was der Beginn von Akt zwei meiner Meinung nach an atmosphärischer Dichte missen lässt, macht das intensive Finale wieder wett. Tragisch, dass wir in Deutschland diesen Film nicht im Kino sehen durften. Danke, Paramount. Danke, Netflix ...

Platz 25: No Way Out - Gegen die Flammen (Regie: Joseph Kosinski)

Tron: Legacy- und Oblivion-Regisseur Joseph Kosinski verlässt die Welt des Sci-Fi-Kinos, um sich stattdessen dem Katastrophendrama zu widmen - und auch in diesem Genre weiß der Mann zu überzeugen: No Way Out erzählt von einer Feuerwehrtruppe, angeführt von einem bärigen Josh Brolin, die den unzuverlässig vor sich hinlebenden Miles Teller in ihrer Mitte aufnimmt und ihm eine Umgebung gibt, in der er charakterlich wachsen kann. Gefilmt in starken, einprägsamen Bildern, entsteht so eine konsequent falschen Pathos vermeidende Heldengeschichte über Waldbrandbekämpfung, das Geradebiegen kaputter Biografien und die Angst vor dem Alleinsein. No Way Out ist einer der am sträflichsten unterschätzten Filme des Jahres 2018.

Platz 24: Black Panther (Regie: Ryan Coogler)

Nachdem sich 2017 nicht ein einziger Marvel-Film in meinen Jahrescharts finden ließ, eröffnete das Marvel-Jahr 2018 direkt mit einem Kracher: Black Panther hat ein farbenfrohes, kreatives Produktionsdesign, eine starke, percussionlastige Musikuntermalung und einen genial gespielten Schurken in Form von Michael B. Jordans determiniertem Killmonger - einem Extremisten, dessen Anliegen aus einem erschreckend-profunden Keim entwächst. Hinzu kommen tolle weibliche Nebenfiguren wie Letitia Wright als Technikass Shuri sowie ein dramatischer Familienkonflikt, der diesem Film eine höhere emotionale Fallhöhe gibt als im Marvel Cinematic Universe gewohnt. Ja, die Digitaltricks sind teilweise grausig, aber die Balance aus Witz und Dramatik, Eskapismus und Gesellschaftskommentar lässt mich das weitestgehend vergessen.

Platz 23: Werk ohne Autor (Regie: Florian Henckel von Donnersmarck)

Da bringt Walt Disney Motion Pictures Germany mal endlich wieder eine einheimische Produktion auf den Markt, die dann ein paar Monate später obendrein nicht nur eine, sondern sogleich zwei Oscar-Nominierungen einheimst. Und wie danken deutsche Kritiker das? Gar nicht. Denn Werk ohne Autor kommt im deutschsprachigen Raum eher so lala an. Unverständlich, wenn man mich fragt: Werk ohne Autor ist zweifelsohne nicht frei von Schönheitsfehlern - von Donnersmarcks Inszenierung ist im ersten Akt teils krampfhaft, vor allem in den Szenen zwischen rund um die Gräueltaten der Nationalsozialisten. Aber dem stehen allerhand Argumente entgegen, weshalb dieser Film meiner Ansicht nach mehr Anerkennung verdient hätte: In atmosphärisch dichten Bildern eingefangen und von Tom Schilling, Sebastian Koch sowie Paula Beer facettenreich gespielt, ist Werk ohne Autor eine Verneigung vor der Macht der Kunst, ein malerisches, trotzdem mahnendes Soziogramm über die mangelnde Empathie im Nachkriegsdeutschland sowie ein stilistisch spannender Hybrid aus Fakt und Fiktion. Werk ohne Autor hat das Potential, mit der Zeit sogar weiter zu wachsen, vielleicht würde er in drei, vier Jahren höher in diesem Ranking stehen - denn nach und nach stören mich die Problemchen weniger, während ich die Glanzmomente mehr mag. Aber im Moment darf sich dieser Mammutfilm auf Rang 23 gehuldigt fühlen.

Platz 22: Call Me By Your Name (Regie: Luca Guadagnino)

Das "Bester Film"-Line-up bei den 90. Academy Awards hat mir nicht sonderlich zugesagt, aber neben Die dunkelste Stunde hat mich ein weiterer Nominierter gepackt - und zwar Luca Guadagninos gefühlvolles, mit großer Selbstverständlichkeit gespieltes Liebesdrama Camm Me By Your Name. Ein Film voller Italien-Urlaubsflair, wunderschönen Bildern, melancholisch-romantischer Musik und eloquenten Figuren. In dieses wohlige Drumherum bettet Guadagnino fantastische Performances von Armie Hammer und Timothée Chalamet ein - viel mehr braucht es manchmal nicht für einen filmischen Triumph.

Platz 21: Zwei im falschen Film (Regie: Laura Lackmann)

Laura Lackmanns Zwei im falschen Film ist ein reiner Konzeptfilm, doch ein äußerst cleverer: Ein unscheinbares Pärchen mosert über einen kitschigen, weltfremden Liebesfilm und verlässt lästernd während des Abspanns das Kino. Daraufhin begleiten wir Laura (Laura Tonke) und Hans (Marc Hosemann) durch ihren lahmen Alltag. Schluderig gefilmt, ein akustischer Albtraum und mit banalen, unterkühlten Beinahestreitigkeiten gefüllt, ist dieser zwar wie 1:1 aus dem wahren Leben gerissen - nur wer will sich das schon antun? Das erkennen auch Laura und Hans, weshalb sie sich vornehmen, ihre Beziehung aufzuhübschen, ohne dabei in Filmkitsch abzugleiten. Doch inszenatorisch hat Regisseurin Laura Lackmann andere Pläne, wie sich auch an der Dramaturgie der Gespräche ablesen lässt ... Zwei im falschen Film besteht quasi aus zwei Filmen, bei denen allerhand schief läuft, die gemeinsam aber ein geistreiches, stilistisch durchdachtes, kinopassioniertes Gesamtwerk ergeben. Super!


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