Platz 10: Greatest Showman (Regie: Michael Gracey)
Greatest Showman fühlt sich an wie die zusammengestutzte, keinerlei Ruhe findende, auf die Höhepunkte reduzierte Videofassung eines Roadshow-Musicalfilms der 60er- oder 70er-Jahre an, die aus einem ausschweifenden Drei-Stunden-Klopper eine knackige 95-minütigen Wucht aus Musik und Kostümen formt. Eine sonderbare Feststellung, aber sie ist in diesem sehr spezifischen Fall vollauf aus Kompliment gemeint: Hugh Jackmans Passionsprojekt besteht allein aus Hits, aus Wendemomenten und aus ansteckender Spielfreude. Füllmaterial blieb durch und durch auf der Strecke, und wie der Film seine Stellung zur problematischen realen Person P.T. Barnum in einem Rausch aus Klang und Farbe zirkusmäßig und mit Showmanship verdreht, finde ich auf einer Metaebene sehr pfiffig. Der Film kommentiert diese Wendehalsmentalität ja sogar - und so bleibt geballtes Entertainment über.
Platz 9: Schneeflöckchen (Regie: Adolfo J. Kolmerer und William James)
Deutsches Kino, mal ganz anders: Schneeflöckchen ist ein dystopisch angehauchtes, pulpiges Rache-Metamärchen mit einer Geschichte in der Geschichte, einem poetischen Blutbad, albernem Humor, geistreichem Witz, flotter Situationskomik, durchgeknallten Situationen und dreckiger Action. Ein Film, wie es ihn im deutschen Filmbetrieb eigentlich nicht geben könnte, doch wundervoller und wundersamer Weise gibt es ihn! Geile Sache!
Platz 8: Zombies - Das Musical (Regie: Paul Hoen)
Ganz egal, ob man den Film nun als Disney Zombies, Z-O-M-B-I-E-S oder Zombies - Das Musical kennt: Dieser irre pastellfarbene, Retro-Ästhetik mit Industrial Chic und Dubstep-Elementen vereinende Fiebertraum von einem Disney Channel Original Movie ist der (vorläufige?) Höhepunkt in einer über ein Jahrzehnt andauernden Mutation der Disney-Fernsehfilmware. Seit High School Musical wird die Tonalität der Disney-Channel-Exklusivfilme campiger und campiger, und Zombies - Das Musical ist der denkwürdigste Beweis dafür, dass die Leute im Disney Channel anderes Wasser trinken als der Rest des Disney-Konzerns. Freundliche, aber von Vorurteilen und institutionalisierten Ungerechtigkeiten unterdrückte Zombies und gleichgeschaltete Heile-Welt-Grinsebacken gehen erstmals gemeinsam auf die selbe Schule, wo sich eine Standesgrenzen übergreifende Liebe anbahnt. Mit feistem, ironischem Lächeln im Gesicht, wonnig-amüsierten, campigen Songs, einer goldigen Meg Donnelly als Cheerleader mit Geheimnis und einem schlacksig-charmanten Milo Manheim als Zombie, der mit kleinen Schritten einen gesellschaftlichen Wandel voranbringen will, ist diese Disney-Fernsehproduktion wissentlich-albern, und dennoch ist sie mit respektabler Überzeugung umgesetzt. Schräg, niedlich, sonderbar, wunderbar!
Poppige Klänge treffen Old-School-Musical-Naivität, Paul Hoen inszeniert wie ein Kenny Ortega, dem keinerlei Grenzen gesetzt werden, und es ist alles einfach so entzückend-zuckersüß-durchgeknallt! Ich liebe es und komm beim Gucken aus dem glücklichen Grinsen nicht mehr raus! Wenn ihr mich fragt: Das hier ist ein Glanzstück im modernen Disney-Schaffen, und das kann mir niemand ausreden!
Platz 7: BlacKkKlansman (Regie: Spike Lee)
Kommen wir von einem Film, in dem eine Rassenunruhe zu Gunsten eines feierlichen Tanzwettbewerbs mit aussöhnender Botschaft ausgesetzt wird, zu einem Film, den ich liebend gern auf einem Filmfestival im Double Feature mit Zombies - Das Musical programmieren würde, einfach nur, um meinen Schabernack mit dem Verstand des Publikums zu treiben. Denn was im Disney Channel noch putzig und mit gemäßigten Gefühlen sowie verqueren Analogien abläuft, gestaltet sich bei Spike Lee schon erschreckender, wirklichkeitsnaher, verständnisloser und zorniger: Regie- und Autoren-Legende Spike Lee haut mit dieser satirischen Kriminal-Thrillerdramödie ihren besten Film seit vielen Jahren raus und zeigt in BlacKkKlansman auf, wie tief verwurzelt Hass und Intoleranz in der US-Gesellschaft sind, wie schwer sie zu besiegen sind und dass sich in intoleranten Mobs noch so viele Dorftölpel befinden können: Sie bestehen auch aus verbitterten, stoischen Kämpfern und eiskalt berechnenden Demagogen sowie Populisten, was eine abartig gefährliche Mischung ergibt. Lee packt dieses Thema über die unglaubliche, irrwitzige Geschichte eines Schwarzen und eines Juden an, die den Ku Klux Klan unterwandern, würzt sie mit Situationskomik, Absurdität und satirischen Biss, mischt cineastische Kunstgriffe und Filmhistorienkritik darunter und verpasst dem ganzen dann noch ein Finale, bei dem es einem die Kehle zuschnürt. Sensationell.
Platz 6: 303 (Regie: Hans Weingartner)
Innerhalb weniger Minuten nachdem in der Pressevorführung das Licht aus- und der Projektor anging, habe ich gemerkt, dass ich mich in diesen Film verlieben werde. Und dieses Gefühl sollte sich nicht trügen: Regisseur/Autor Hans Weingartner und seine Ko-Autorin Silke Eggert haben in diesem Gesprächsfilm zwei sympathische, redselige Figuren erschaffen, denen wir während einer in dieser Form nicht geplanten Europareise zuschauen dürfen. 145 Minuten lang lernen wir Jule und Jan kennen, während sie diskutieren, zanken, sich necken, sich trösten und der Studierendenphilosophie frönen. Mit unwiderstehlichem Charisma und feinen mimischen Nuancen tragen Mala Emde und Anton Spieker diesen Film auf ihren Schultern und lassen uns an ihren Lippen kleben, während sie Weingartners und Eggerts ausgefeilte Dialoge von sich geben - und ich muss sagen: Ich hätte ihnen nochmal 145 Minuten lang zuhören können.
Platz 5: I, Tonya (Regie: Craig Gillespie)
Einmal Biopic in die Fresse, bitte! Craig Gillespie leiht sich ein paar Seiten aus dem The Big Short/American Animals-Regelbuch für Verfilmungen wahrer Begebenheiten und pfeffert uns eine laute, knallige, wütende, ratlose und bei all dem in ihren Zwischentönen noch immer sensible Auseinandersetzung mit der berühmten, der berüchtigten Eiskunstläuferin Tonya Harding um die Ohren. Die asthmatische, unangepasste, verbissen kämpfende, aus sozialschwachen Verhältnissen kommende Rockerin in ihrem Metier erfüllte alle Bedingungen für eine Aschenputtel-Geschichte - nur, dass sie den eingeschworenen Entscheidungsträgern im Eiskunstlauf zu unelegant, zu sorgenbelastet war. Allen Hindernissen zum Trotz kämpfte sie sich zu einigen Ehren im Sport ihrer Wahl durch - und doch ist sie für alle Zeiten vor allem für die Brecheisenattacke auf ihre Mitbewerberin Nancy Kerrigan bekannt. Wie widersprüchlich die Berichte über diesen Vorfall (und Hardings Leben generell) sind, führen Gillespie und Drehbuchautor Steven Rogers mit rotziger Attitüde vor, sie bürsten den Film so, dass er zu Hardings Persona passt. Und dennoch lassen sie Raum für Einfühlungsvermögen, geben der von Margot Robbie mit immenser Leinwandpräsenz und emotionaler Komplexität gespielten Harding die Chance, in einem stillen, nachhallenden Moment, den Medien einen Spiegel vorzuhalten. Spaßig, knallig und mit satirisch-dramatischer Raffinesse - I, Tonya rockt!
Platz 4: Climax (Regie: Gaspar Noé)
Mehr als 20 Menschen. Eine Turnhalle. Die letzte Probe vor der großen Tanztournee. Eine ausgelassene Feier. Sangria. LSD. Chaos bricht aus. Flackernde Lichter. Elektrisierende Musik. Streit. Panik. Eine Filmerfahrung mit immenser Sogkraft. Ein farbintensiver Rausch aus Klang und Bewegung, aus Elan, Wut und Furcht. Climax ist ein drogeninduzierter, zerstörerisch-vitaler Tanz hinein in tiefe Seelenabgründe. Ein diabolisch-sündhaftes Sehvergnügen.
Platz 3: Assassination Nation (Regie: Sam Levinson)
Wenige Augenblicke nach Beginn von Assassination Nation spricht Protagonistin Lily mehrere Trigger-Warnungen aus. Die Tonspur piepst und pfeift. In riesigen Lettern pfeffert uns Regisseur Sam Levinson in rapider Abfolge entgegen, was in den kommenden Filmminuten auf uns zukommt. Frauenhass. Mord. Versuchter Mord. Versuchte Vergewaltigung. Transphobie. Mickrige Männeregos. In Supernahaufnahmen zeigt Levinson, wovor er uns warnt. All dies eingebettet in einen rotzigen, genervten, aber kernig-charmanten Erzählkommentar. Von diesem Moment an wusste ich, dass Assassination Nation das Zeug dazu hat, ganz, ganz weit vorne in meinen Jahrescharts mitzuspielen. Und er hat abgeliefert: In stylischen Bildern und von markiger Musik begleitet, erzählt Assassination Nation von vier jugendlichen Freundinnen, die ein typisches Millennialleben leben. Sie werden von bigotten Vorstellungen ihrer Elterngeneration ausgebremst. Sie chatten, texten, sexten und streamen. Sie hinterfragen. Sie werden vorverurteilt, am laufenden Band. Aber sie machen sich ihr Leben schon schön. Jedenfalls, bis eine Welle an brisanten Leaks ihr Heimatdorf zum Kochen bringt. Assassination Nation ist ein messerscharf beobachtetes Porträt einer Teilgeneration, das sich ihr stilistisch vollauf hingibt – und nach und nach zu einer zornigen Satire wird, die oberflächlich die gefährlichen Tendenzen der sozialen Netzwerke auseinandernimmt. Aber das wahre Ziel dieser Satire ist die Doppelmoral der Vorgängergenerationen. Dieser filmische Ritt argumentiert komplex sowie intensiv – und stellt seinem jungen Publikum den Benzinkanister sowie eine Packung Streichhölzer hin. Doppelzünger des Westens, fürchtet euch!
Platz 2: Avengers | Infinity War (Regie: Anthony & Joe Russo)
Marvel Studios, die ewige Brautjungfer in meinen Jahrescharts. 2014 war ich nach der Sichtung von The Return of the First Avenger sicher, dass es mein Lieblingsfilm des Jahres sein wird. Dann kam Gone Girl und zog am Actionthriller der Russo-Brüder vorbei. 2016 legten die Russos den nicht minder gelungenen The First Avenger: Civil War nach, erneut war ich felsenfest davon überzeugt, dass es mein Favorit des Jahres ist und bleiben wird. Aber dann sah ich Ghostbusters - Answer the Call und war hin und weg. 2018 veröffentlichte Marvel Avengers | Infinity War, seinen bis dato monumentalsten Film. Ein Glanzstück des fesselnden Pacings, der minutiös strukturierten Actionnarrative, die starre Grundregeln aushebelt und andere Konventionen andeutet, um die Erwartungshaltung des Publikums listig zu lenken. Avengers | Infinity War ist zu gleichen Teilen ein bombastischer Katastrophenfilm im Comicgewand und ein filmgewordenes Rockkonzert der Superheldenaction. Ein gigantisches Figurenensemble spielt die Hits - und gleichwohl sehen wir eine diverse, eklektische Heldensammlung, wie sie mit aller Macht ein drohendes Unheil abzuwenden versucht. Das Ergebnis: Ein atemberaubendes Filmevent, dessen filmschaffendes Geschick deutlich größer ist, als es viele einem solchen Effektspektakel anzuerkennen gewillt sind. Und ich frage mich: Wenn schon Avengers | Infinity War nicht Gold für Marvel holt, werde ich jemals einen Marvel-Film bis zur Eins durchwinken - oder haben wir den Zenit erreicht?
Platz 1: Anna und die Apokalypse (Regie: John McPhail)
Wunderschöne Lieder. Liebenswerte Figuren. Fesches Augenzwinkern. Emotionale Ehrlichkeit. Rohe, sinnlose, cartoonig-überzogene Gewalt. Anna und die Apokalypse ist ein bloody good musical, wie für mich geschaffen! Dieser schottische Genremischmasch hat Herz und eine feine Einfachheit an sich. Es macht derbe viel Spaß. Und es ist dennoch kein ironischer Trash, sondern ein vollauf passioniertes, vergnügtes High-School-Weihnachtsmusical. Das halt während der Zombieapokalypse spielt und seine vielfältige Auswahl an eingängigen Songs zwischen Teenagersorgen und Zombiespaßsplatter parkt. Irre, individuell, genau mein Ding.