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Dienstag, 21. November 2017

Aus Einflüssen munter und liebenswert zusammengeschnurrt

Es ist eines dieser "Walt Disney Meisterwerke", die keine eigene Themenparkattraktion erhalten haben, keine Serienfortsetzung, nicht einmal eine Weiterführung in Form eines DisneyToon-Studios-Films. Und von einem Realfilm-Remake ist auch nicht die Rede - und das, obwohl Disney die heutzutage mit ähnlichem Eifer ankündigt wie einst Fortsetzungen für den Videomarkt. Kurzum: Es ist ein Disney-Trickfilm aus der zweiten oder gar dritten Reihe. Schließlich hat es der Film nicht einmal auf irgendeine Referenz, und sei sie noch so klein, im Disney Infinity-System gebracht.

Und wenn an den Film gedacht wird, so kommt es gerne Mal vor, dass zynischere Zungen behaupten, er gehöre ans untere Ende der Meisterwerke-Rangfolge, da es doch nur ein ambitionsloses, zusammengeklautes Filmchen sei, das belanglos im Disney-Kanon rumdümpelt. Gleichzeitig ist es aber auch einer der erfolgreichsten Filme der deutschen Kinogeschichte und zudem eine durch und durch liebenswerte, kleine, feine Produktion. Es ist an der Zeit, für diesen Disney-Zeichentrickfilm eine Lanze zu brechen.

Meine Damen und Herren, ich erbitte mir mehr Respekt für ...

Aristocats

Egal, wie klein und nichtig Aristocats als Story und wieder verwendbare Marke erscheinen mag: Als Baustein des Disney-Imperiums ist Wolfgang Reithermans Regiearbeit gar nicht so unbedeutend. Es ist der erste Disney-Zeichentrickfilm, der ohne größeren Einfluss durch Walt Disney entstand und somit ist sein solider finanzieller Erfolg in den USA sowie seine große Popularität im Europa der frühen 70er-Jahre keinesfalls zu unterschätzen. Diese musikalische Zeichentrickkomödie hielt die Disney-Maschine am Laufen und in den Köpfen der Leute, nachdem der so einflussreiche Firmengründer 1966 verstarb.

Walts Beteiligung an Aristocats beschränkt sich nahezu darauf, dass er grünes Licht gab. Ursprünglich war die Story einer Katzenmutter und ihrer Kinder, die von einem Butler sowie einer Magd ausgesetzt werden, als Realfilm-Zweiteiler für Walt Disneys Fernsehsendung geplant, doch die Story, die Harry Tytle und Tom McGowan erarbeiteten, schien in Walt Disneys Augen Potential für einen Zeichentrickfilm zu haben. 1966 beauftragte er Cinderella-Autor Ken Anderson, dies genauer zu überprüfen, woraufhin er gemeinsam mit Reitherman an einem Treatment tüftelte, in dessen Rahmen der Fokus stärker auf die Katzen gelegt wurde. Nur kurz vor seinem Tod gab Walt Disney, basierend auf einigen frühen Skizzen, den Daumen hoch für die Aristocats.

Nach Walts Tod änderte sich die Story weiter: Aus zwei Schurken wurde einer, die Absicht der Katzenmutter, für jedes ihrer Kinder eine neue Heimat zu finden, wo sie ihre Talente ausleben können, wurde gekippt. Reitherman befand, dass eine Abenteuerkomödie im Stile von 101 Dalmatiner reizvoller sei.

Rückblickend mögen viele Disney-Fans die Hände vor dem Kopf zusammenschlagen und sich fragen, wie rührend Aristocats hätte sein können, aber im Kontext des filmischen Zeitgeschehens muss ich Reitherman das richtige Näschen attestieren: Das Publikum war auf amüsante Trickabenteuer aus, wie der immense Erfolg von Das Dschungelbuch und zuvor auch 101 Dalmatiner bewies. Nach Disneys Tod keine Risiken eingehen zu wollen, sollte einige Jahre später für den Konzern zu einem schwerwiegenden Problem werden, allerspätestens Cap & Capper verzettelte sich viel zu sehr in Disney-Formeln. Aber der erste aktiv in Produktion geschickte Film ohne Walt brauchte ein "Keine Sorge, wir sind noch da, und wir unterhalten euch weiterhin wie gewohnt"-Feeling.

Dies lieferte Aristocats, und selbst wenn der jazzige Einfluss von Dschungelbuch, das Tier-Entführungsabenteuer von 101 Dalmatiner und die Romanze zwischen Haustier und Streuner aus Susi und Strolch in ein Paket gepresst wahrlich keinen superoriginellen Film ergeben: Diese Katzenabenteuerkomödie gleicht dies mit einer geballten Ladung Charisma aus.

Dazu trägt unter anderem das Pariser Flair des Films aus. Vielleicht ist es das romantisch-pittoreske Setting selbst, doch in der Xerox-Ära der Disney-Trickstudios fällt es schwer, einen Film mit hübscheren, detaillierteren Hintergründen zu finden als Aristocats. Katzenmutter Duchesse ist zwar eine betont feine Dame, dennoch wird ihr durch die freundliche Charakteranimation und Eva Gabors respektive Brigitte Grothums warme Stimme eine zugängliche Art attestiert, genauso wie Thomas O'Malley (Phil Harris bzw. Edgar Ott) nicht einfach nur eine Katzenkopie vom feschen Draufgänger Strolch ist, sondern auch ein schnell dem Familiengedanken gegenüber auftauender Nicht-so-ganz-Cassanova. Das neckische Zusammenspiel der Katzenkinder Marie, Berlioz und Toulouse beruht nur minimal auf geschwisterlichem Streit, und bringt auch einige entspanntere Momente mit sich, und sowohl die Romanze zwischen Thomas und Duchesse als auch das Anfreunden zwischen Thomas und den Kindern wird selbst bei einer sehr knackigen Laufzeit von rund 78 Minuten in recht plausiblen Fortschritten skizziert.

Höhepunkt des Films ist dennoch die explosive Gute-Laune-Nummer Katzen brauch'n furchtbar viel Musik von Floyd Huddleston und Al Rinker, die gewiss im Alleingang dafür gesorgt hat, dass die Ende der 70er aufkeimenden Vorwürfe, die Disney-Studios seien eingestaubt, nicht schon in den frühen 70ern aufgekommen sind. Gleichwohl sticht die Szene nicht dornig aus dem Film hervor oder wirkt wie ein "Wir sind noch immer relevant!"-Hilfeschrei, sondern ist ein organischer Moment, in dem Lebemann Thomas und die elegante Duchesse durch ihre Liebe zur Musik näher kommen und die erschöpften Katzenkinder wieder Energie schöpfen.

Aristocats mag sich weder so hartnäckig in die Popkultur festgebissen haben wie Das Dschungelbuch, noch so viele Herzen verwirrt haben wie der in meinen Augen öde geratene und brutal überbewertete Robin Hood, doch mit Flair und Schwung hat er einige typische Disney-Zutaten neu zu einem liebenswerten Film zusammengemischt und so das Studio zu einem entscheiden Zeitpunkt auf dem Kurs gehalten.

Und deshalb hat Aristocats mehr Respekt verdient!

1 Kommentar:

  1. Herbert von Vaucanson5. Dezember 2017 um 11:45

    Du hast meinen Tag gerettet!

    Definitiv mein Lieblingsfilm für viele Jahre, bevor Lilo und Stitch erschien und ihn ablöste. Hab' die Lieder meinen Kindern zum Einschlafen vorgesungen, weil ich die halt auswendig konnte.
    Generell mag ich die Filme dieser Jahre sehr gerne - also die ganze Reitherman-Zeit von Dalmatiner bis Bernhard und Bianca. Wunderschöne Zeichnungen und tolle Musik (Ja, da stechen Aristocats und Dschungelbuch für mich als alten Jazzer natürlich noch mal deutlich hervor).
    Ich hatte die alle als Schallplatten(!) mit Bildern aus dem Film im Klappcover ... zum Gucken musste ja erstmal wieder ein Rerun im Kino erfolgen.
    Vielen Dank für die schöne Erinnerung ... werd' gleich mal nach der DVD im Schrank suchen.

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