Donnerstag, 17. August 2017

The Promise


Das Historiendrama The Promise geriert Anfang des Jahres in die Negativschlagzeilen der Filmpresse, weil es zügig in die höheren Reihen der IMDb-Flopliste wanderte. Doch die von Hotel Ruanda-Regisseur Terry George inszenierte und verfasste, mehr als zweistündige Produktion ist nicht etwa so ein qualitativer Totalausfall wie die ebenfalls mit zahllosen Negativbewertungen bedachte Animationskomödie Emoji – Der Film, die sich im Userranking der bekannten Plattform einen Katastrophenrang sicherte. Stattdessen ist The Promise ein Paradebeispiel für die Unverlässlichkeit des Filmportals. Unmittelbar nach der Weltpremiere war der Film für Userwertungen freigegeben – und wies innerhalb weniger Sekunden mehr 1/10-Wertungen auf, als die Premiere überhaupt Besucher hatte. Kurze Zeit später hatte The Promise rund 70.000 Wertungen mit der Tiefstnote. Georges Versuche, sich mit den IMDb-Betreibern wegen dieser Hate-Wertungen auseinanderzusetzen, liefen schief – und so starteten er und diverse Prominente einen Aufruf, zum Ausgleich 10/10-Wertungen abzugeben, so dass sich die unehrlichen Abstimmungen gegenseitig aufwiegen.

Diese Hintergründe überschatten nicht etwa den eigentlichen Film und sein geschichtliches Thema – sie unterstreichen viel mehr, wie dringend eine Kinoproduktion wie The Promise gebraucht wird: Die Geschichte beginnt während der letzten Atemzüge des Ottomanischen Reiches und mündet letztlich darin, dass die Protagonisten Zeugen des Völkermordes an über einer Millionen Armenier während des Ersten Weltkrieges werden. Ähnlich, wie Deutschland beschämenderweise noch immer Probleme mit Geschichtsverleugnern hat, die den Holocaust als infame Lüge bezeichnen, gibt es noch immer viele Menschen, die diesen Genozid als fiktiv erachten – und da sich die Literatur und Filmkultur deutlich weniger mit dem Mord an zahlreichen Armeniern beschäftigt als mit den Schandtaten der Nationalsozialisten, haben die Geschichtsverdreher in diese Fall ein leichteres Spiel.

Die The Promise-IMDb-Misere ist eine Folge dessen: Das Geschichtsdrama wird in dunkleren Ecken des Internets als Propaganda bezeichnet, die eine erlogene Schandtat als Wahrheit darstellen würde. Diese sowieso schon ungeheuerlichen Kommentare sind angesichts des eigentlichen Schwerpunkt des Films noch kurioser, denn schlussendlich erzählt The Promise nur im Hintergrund von den wahren Gräueltaten – im Mittelpunkt des Films stehen fiktive Figuren und ihre Liebe zueinander: Der begabte Medizinstudent Michael (Oscar Isaac) verliebt sich Hals über Kopf in die attraktive Künstlerin Ana (Charlotte Le Bon), die aber bereits in einer Beziehung mit einem amerikanischen Fotojournalisten (Christian Bale) steckt. Dessen ungeachtet fangen Michael und Ana eine leidenschaftliche Affäre an – bis der Erste Weltkrieg eskaliert und die Herrschenden im Ottomansischen Reich Jagd auf Menschen mit armenischen Wurzeln macht, und somit auf Michael und Ana …

George fängt dieses Liebesdreieck zunächst mit einer altmodischen Melodramatik ein – in prachtvollen Bildern und mit schmachtender Musik. Überhaupt wirkt The Promise, wann immer das Drama nicht nah an die Kriegsschrecken heranfährt, bewusst altbacken und von der Exotik eines anderen Ortes zu einer anderen Zeit verzaubert. Das ist eine zweischneidige erzählerische Entscheidung. Der Ansatz, das dunkle Geschichtskapitel des Genozids an Armeniern während des Ersten Weltkrieges mit einer tragischen Liebesgeschichte zu verschränken, ist nur auf dem ersten Blick abgedroschen. Dutzende von wichtigen Geschichtskapiteln wurden durch die Verquickung einer (oft fiktiven) Romanze, und somit einem zwischenmenschlichen, privaten Schicksal, und der umfassenderen historische Tragödie begreifbar gemacht. Regisseur/Autor Terry George versucht mit The Promise, ein Ungleichgewicht zu beheben, indem er eine oft unter den Teppich des Verschweigens gekehrte Begebenheit genau so anpackt, wie schon viele andere zuvor.

Dennoch stolpert The Promise in der Umsetzung zuweilen über die eigenen Füße. Wenn der hervorragende Hauptdarsteller Oscar Isaac in den dreckig-ergreifenden Bildern des Kameramanns Javier Aguirresarobe die Grausamkeit der Ereignisse unmittelbar erkennt, ist dies viel ergreifender als die nach Lehrbuch konstruierte Dreiecksbeziehung, welche das genreaffine Publikum zuvor (und danach) durch ihre Austauschbarkeit zu distanzieren droht. Die an historischen Begebenheiten orientierten Szenen sind dank der passionierten Umsetzung aber genug, um die schwächeren Momente aufzuwiegen, wenn man dem Film denn eine Chance gibt. Dennoch wäre hier etwas weniger mehr gewesen – mit einer konzentrierteren Erzählung und einer etwas zügigeren Laufzeit würden die immer harscheren Tiefen, die unsere Protagonisten durchmachen, noch härtere Schläge in die Magengrube und daher eindringlicher.

The Promise ist ab sofort in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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