David Packouz (Miles Teller) hat nur überschaubares unternehmerisches Geschick: Um seiner Tätigkeit als medizinischer Masseur zu entfliehen, erwirbt er massenweise hochwertiger Bettlaken, die er an Altersheime verkaufen will. Die Betreiber könnten sich aber nicht weniger dafür interessieren, wie schmiegsam die Bettwäsche ihrer Heimbewohner ist – und so bleibt der werdende Vater auf seiner Investition sitzen. Als er seinem früheren Schulfreund Efraim Diveroli (Jonah Hill) begegnet, der ein kleines Waffenhandelsunternehmen führt, sieht David eine attraktive Gelegenheit, doch noch an die nötigen Summen zu gelangen, um seiner Freundin Iz (Ana de Armas) und dem kommenden Nachwuchs ein schönes Leben zu ermöglichen. David heuert bei Efraims Firma AEY an – und erfährt, dass die US-Regierung neuerdings sämtliche Beschaffungsaufträge öffentlich ausschreiben muss. Die großen Waffenhändler kämpfen vehement um Großaufträge – aber es bleiben Krümel von diesem Kuchen übrig, die so kleine Unternehmen wie AEY mehr als nur satt machen …
Selbst das Leben in Saus und Braus ist keine Bro-Komödie
Mit War Dogs wandelt Todd Phillips auf den Pfaden dreier Produktionen: Aus thematischen Gründen werden Erinnerungen an Andrew Niccols Satiredrama Lord of War – Händler des Todes wach, einem hochpolitischen Film mit Nicolas Cage, der mit deftigem Humor laut die amoralische Welt des Waffenhandels anklagt und der für seinen Protagonisten eine herbe Fallhöhe bereit hält. Darüber hinaus ist War Dogs gewissermaßen die juvenile Version von Martin Scorseses Kracher Wolf of Wall Street: Beide Filme versetzen ihr Publikum in eine Welt des Exzesses und der verantwortungslosen Verschwendung – wo Scorsese aber in annähernd drei Stunden ausführlich sämtliche Facetten der betrügerischen Wall-Street-Welt beleuchtet, hakt Phillips den Adrenalinrausch und die Gefahren des planlosen Waffenhandels zügiger und nicht ganz so manisch ab.
Dennoch haben beide Filme gemeinsam, dass sie die Perspektive ihrer Protagonisten übernehmen und sich somit die Moral der Geschichte nicht überdeutlich ankündigt, sondern sie sukzessive auf einen eintröpfelt: Ja, die hedonistischen Protagonisten von Wolf of Wall Street sowie War Dogs genießen stellenweise das Leben aus vollen Zügen, und es mag sein, dass sie trotz mancher Schicksalsschläge unbelehrbar sind – dennoch sollte allen Filminteressenten mit halbwegs intaktem Gewissen klar werden, wie bitter der Nachgeschmack der gezeigten Lebenswandel ist.
Die deutlichsten Parallelen weist War Dogs aber zu Michael Bays kleinem Passionsprojekt Pain & Gain auf: Bay drehte seine stilistischen Markenzeichen in seiner rabenschwarzen Gangsterposse voll auf, setzte somit die verbrecherischen, muskelbepackten Antihelden, die sich zu Ruhm und Reichtum betrügen wollten, greller als seine üblichen Blockbuster-Helden in Szene. Der Filminhalt widersprach derweil vehement der Verpackung: Mark Wahlberg, Anthony Mackie und Dwayne Johnson spielen in Pain & Gain arrogante Hohlköpfe, die den amerikanischen Traum missverstehen und sich mit Dummdreistigkeit rücksichtslos in der Gesellschaft nach vorne boxen wollen.
Diesen Gedanken verfolgt Todd Phillips nahezu 1:1 in War Dogs: Der Regisseur und sein Stammkameramann Lawrence Sher fangen die moralisch verwerfliche „Von ganz unten nach ganz oben“-Aufstiegsgeschichte in kontrastreichen, gestochen scharfen Bildern ein, wie sie einem Michael-Bay-Megablockbuster entsprungen sein könnten. Tagsüber blendet ein azurblauer Himmel, die Sonne strahlt in einem saftigen Orange, abends erfüllt ein komplexes Farbspiel aus Blau, Orange und Purpur den Himmel im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Anderswo erschafft ein die ganze Leinwand erfüllendes Farbschema eine intensivere Stimmung: In der Wüste schimmert das Bild in stechenden Gelbtönen, andere Schauplätze sind Grau und Stahlblau. Weitwinkelaufnahmen und gezielt eingesetzte Kameraeinstellungen aus der Froschperspektive stilisieren David und Efraim zu saucoolen, taffen Typen hoch, deren Autos glänzend lackiert sind und deren Klamotten selbst in chaotischen Momenten so schneidig sind, dass die Zwei trotz verdattertem Gesichtsausdruck respektive deutlichem Übergewicht direkt auf das Set eines Mode-Werbeshootings spazieren dürften. Verquickt wird die Hochglanzoptik mit zeitgemäßen, lässigen Kompositionen von Cliff Martinez (The Neon Demon) und einem zeitlosen Chartkracher-Soundtrack.
Doch was durchweg stur in einem „Ist das nicht verflucht cool?“-Stil vermittelt wird, erzählen die Drehbuchautoren Phillips, Jason Smilovic und Stephen Chin mit einer zerrüttenden Begeisterung. Eingangs mag War Dogs ein euphorisches Tempo haben und Efraims sowie Davids Aufstieg im Waffenbusiness mit unironischen Erfolgsmontagen skizzieren. Aber nicht einmal nach einem Drittel der Laufzeit intensivieren sich die Risse, die sich bereits bei Efraims Einführung als fahrlässigen Großkotz angedeutet haben: Als Waffenhändler begeben sich die Jungunternehmer leichtsinnig in Gefahr, und auch wenn sie Hangover-mäßig selbst auf der Flucht vor drohender Waffengewalt verbal schlagfertig sind, so lässt die Schlagzahl an klassischen Pointen radikal nach. Das Duo mag sich ob vermeintlich cleverer Geschäftstricks selber beweihräuchern, aber narrativ distanziert sich War Dogs subtil von seinen Figuren:
Phillips bleibt nah bei ihnen, gibt nur selten Außenstehenden wie Davids Frau Iz Raum, kritische Nachfragen zu stellen. Doch da Szenen selten auf einer Pointe enden, sondern Phillips die Probleme der Waffenhändler durch längere Laufzeit stärker gewichtet, wird klar: Nein, so wie diese Möchtegernhelden will kein vernünftiger Mensch sein. Im Zusammenspiel mit der das Geschilderte bejubelnden Inszenierung ergibt sich ein sehr konzeptueller, schwer zu greifender, aber den gesamten Film aufwertender Humor. Freunde von Pain & Gain werden dies zu schätzen wissen, wer schon den Witz dieses Films nicht mochte, wird derweil mit War Dogs aller Wahrscheinlichkeit ebenfalls Probleme haben.
Schaulaufen für Hill & Teller
Anders als Michael Bays selbstironischer Verbrecherirrsinn Pain & Gain verzichtet War Dogs auf eine „So dumm, dass man ihn lieb haben muss“-Rolle. Verhalf ein sich mit Hundeblick durch seine Schreckenstaten schlagender Dwayne Johnson dem heimlichen War Dogs-Vorläufer wenigstens zu einem Sympathieträger der Marke „Er ist nicht böse, er ist auf unzurechnungsfähige Weise naiv!“, so ist Phillips' Projekt kompromissloser, aber uncharmanter. Miles Teller wirkt als David Packouz neben Jonah Hills Möchtegern-Scarface zwar bodenständig, letztlich spielt Teller ihn aber als jemanden, der es eigentlich besser wüsste, aber gleichermaßen zu faul und zu gierig ist, um gegen seinen kleinkriminellen Kumpel zu rebellieren. Auch das sehr nüchterne Zusammenspiel mit Lebensgefährtin Iz erschwert es David, als Identifikationsfigur herzuhalten – wobei Ana de Armas‘ steife Performance es Teller eh kaum ermöglicht, seiner Figur wenigstens eingangs eine plausible romantische Ader zu bescheren.
So wenig Tellers Performance nach Sympathien greift – der Two Night Stand-Mime kann trotzdem in dieser Rolle punkten, indem er trockenen Witz, überschwängliche Begeisterung über Fortschritte bei AEY und still wachsenden Frust über Efraim ungezwungen unter einen Hut bringt. Hill hingegen legt Efraim als überlebensgroßen, unberechenbaren Freak an, dessen magnetische Anziehungskraft auf Geschäftspartner und David zwar nachvollziehbar ist, der aus sicherer Distanz jedoch einfach nur noch irre erscheint. Efraim ist ein Schlag Mensch, der einem mit seinen Macken ein süffisantes Grinsen entlockt, während der Verstand leise, aber bestimmt sagt: „Schnell weg, bei dem ist niemand sicher!“
Der restliche Cast kann sich, auch aufgrund dessen, dass der narrative Fokus auf den AEY-Bossen klebt, nicht sonderlich nach vorne spielen. Allein die Gastrolle eines alten Wegbegleiters Phillips‘ hat angesichts ihrer schmierigen Erscheinung, jedoch trockenen Handlungsweise, durchaus Prägnanz. Dass die Autoren gen Schluss wiederholt auf diesen Quasi-Cameo zurückgreifen, lässt War Dogs zwar nach dem Spannungshöhepunkt weiterplätschern, ein eiskalter, Fragen aufwerfender Schluss unterstreicht dafür den Status dieses Films als schwarzes Schaf in Phillips' Vita: Keine Schlusspointe, kein letzter Knall, sondern ein Auslassungszeichen: So wie in War Dogs sollte der amerikanische Traum nicht sein, aber allen künstlerischen Freiheiten dieses Films zum Trotz, ist er als bitteres Stück Ironie verflixt akkurat …
Fazit: Ein ironisch-dramatischer Mix aus Lord of War, Pain & Gain und Wolf of Wall Street: War Dogs ist zwar nicht ganz so ambitioniert und wild, wie es diese Kombination an Vorbildern erwarten lässt, dennoch ist Hangover-Macher Todd Phillips ein Hochglanzfilm mit trockenem Hintersinn gelungen, der nicht unterschätzt werden sollte.
Diese Kritik erschien zuerst bei Quotenmeter.de
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