Süddeutschland zu Beginn der 1940er-Jahre: Der aufgeweckte, jedoch vorlaute Ernst Lossa (Ivo Pietzcker) wird von seinem Kinderheim als „schwer erziehbar“ diagnostiziert und einer Nervenheilanstalt überwiesen. Dort soll dem 13-jährigen Halbwaisen, der als Sohn eines fahrenden Händlers aufgewachsen ist, seine rebellische Ader ausgetrieben werden. In der von Dr. Veithausen (Sebastian Koch) mit eiserner Hand geleiteten Klinik finden sich Menschen jeden Schlags, die nicht der Vorstellung einer makellosen Herrenrasse entsprechen, die das NS-Regime propagiert. Wie der hellwache, aber unangepasste Ernst nach und nach bemerkt, werden dort regelmäßig Insassen ermordet. Das vermeintliche Pflegepersonal begründet dies hinter verschlossenen Toren damit, dass nur so das Volk gereinigt werden kann. Ernst plant gemeinsam mit der Mitpatientin Nandl, seiner ersten Liebe (Jule Hermann), die Flucht – begibt sich damit jedoch in große Gefahr …
Schon früh kristallisiert sich Hauptdarsteller Ivo Pietzcker als Glanzlicht dieses kargen Dramas heraus: Der Jungdarsteller agiert gänzlich ohne die für viele Mimen seines Alters typische Verkrampftheit und erhält schon in der Auftaktsequenz die Gelegenheit, scheinbar mühelos seine Rolle des Ernst Lossa als störrischen Pubertierenden darzustellen: Ernst ist frech, vorlaut und schlagfertig, hat aber die Sympathien auf der Seite, weil er mit seiner rotzigen Attitüde gegen die gestrengen, empathielosen Gefolgsleuten des NS-Regimes rebelliert.
Gleichwohl wird klar, dass Ernst Lossa kein junger Widerstandskämpfer ist, sondern schlicht ein launenhaftes Kind, das gegen Befehle, unsinnige Vorschriften oder unverständliche Autoritätsstrukturen Sturm läuft – und gegen alles, was ihm fremd ist. Erstmal in der Nervenheilanstalt angelangt, mault Ernst seine Mitinsassen an, sei es, weil sie ihm zu nahe kommen, er ihre Behinderungen lachhaft findet oder er schlicht die Geduld verliert, wenn er sich mit einem zuvorkommenden, stotternden Buben unterhält. Pietzcker gelingt es, die sprunghafte Laune Ernsts, von mitfühlend und kritisch hinterfragend zu derb und selbstgefällig, stimmig unter einen Hut zu bringen. Ebenso taut er schrittweise im Umgang mit den anderen Patienten auf, ohne seine Lausebengel-Ausstrahlung zu verlieren: Mit unzufriedenem Gesichtsausdruck, doch einem Geduld ausstrahlenden Gestus, füttert er verschlossene Kinder und knüpft vorsichtige Bande mit der von Jule Hermann goldig gespielten Nandl.
Während das Zusammenspiel Hermanns und Pietzckers zwar eine charmante Unschuld ausstrahlt, jedoch nie solche Funken versprüht, dass sie die Ausführlichkeit ihrer romantischen Ausflüge rechtfertigen würde, gefällt Pietzckers Interaktion mit Fritzi Haberland umso mehr: Haberland gibt mit gebeutelter, erschöpfter Haltung eine Krankenschwester, die das sinnlose Morden nicht weiter hinnehmen kann, jedoch nicht weiß, wie sie dagegen vorgehen sollte. Mit Ernst schließt Haberlands Figur der katholischen Sophia ohne explizite Absprachen einen Pakt – sie bemühen sich, unauffällig und im Kleinen Sand ins Getriebe der Euthanasiemaschine zu streuen.
Diese von Kameramann Hagen Bogdanski in grau-graublauen Farben gehaltene Geschichte weist aber eine träge Dramaturgie auf, so dass sich keine Spannung oder aufreibende Dramatik entwickelt. Die schwermütig ablaufenden Kapitel dieser Geschichte werden dabei ebenso wenig von tiefgehenden Charakterisierungen geprägt – von Ernst abgesehen, sind alle handelnden Figuren recht simpel beschrieben, wie etwa die von der Euthanasie überzeugte Krankenschwester Edith. Henriette Confurius verleiht ihr zwar eine bemerkenswert frostige Präsenz, trotzdem lässt sich die Einseitigkeit dieser Rolle oder auch des kalkulierenden, gewissenlosen Dr. Veithausen nicht verleugnen.
Fazit: Nebel im August ist dank seines guten Hauptdarstellers und respektvollen Umgangs mit dem erschütternden zentralen Thema trotz dramaturgischen Leerlaufs ein passables Historiendrama.
Diese Kritik erschien zuerst bei Quotenmeter.de
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