Montag, 22. Mai 2017
"Pirates of the Caribbean – Salazars Rache": Ein Film, so viele Meinungen ...
Es ist endlich wieder so weit: Nach Jahren des Wartens öffnet sich das nächste Kapitel der Pirates of the Caribbean-Saga. Die Pressevorführung des fünften Teils dieser Disney/Bruckheimer-Reihe war für mich eine ziemlich aufreibende Angelegenheit, immerhin geht es mit meinem Lieblings-Filmfranchise weiter. Und vielleicht kennt ihr dieses Gefühl von euren jeweiligen Topfavoriten: Der neue Eintrag in die Reihe fühlt sich im ersten Moment immer etwas fremd an, ganz gleich, wie gut man ihn im ersten Moment einschätzt. Schließlich lebte man zuvor einige Zeit in einer Welt, in der die vorhergegangenen Filme eine in Zement gemeißelte Einheit bildeten. Und jetzt ist da plötzlich ein neuer Film mit dabei ... Und im Falle von Pirates of the Caribbean – Salazars Rache kommt noch hinzu: Ich habe den Film ja nicht einfach für mich allein geguckt, sondern im Auftrage meines Filmkritikerjobs. Ja, ja, ich kann wirklich nicht klagen, schließlich konnte ich die Produktion daher noch vor dem Kinostart sehen. Dennoch fügt dies eine weitere Dimension der Distanzierung zum Geschehen hinzu.
Und so kommt es, dass in meinem Kopf eine Vielzahl an Beobachtungen, Perspektiven und Meinungen herumschwirrt, die ich zu diesem Piratenabenteuer festhalten kann. Aber wozu hat man seine eigene Seite, wenn man sie nicht für solch eine unkonventionelle Rezension nutzt?
Die Feststellung, die ich an die Gegner der Reihe richten möchte: Zunächst einmal ... Leute, was stimmt mit euch nicht? Wie könnt ihr nur Pirates of the Caribbean nicht mögen? Aber, gut ... So sehr ich dem neuen Film ein stattliches Einspielergebnis gönne: Ihr wärt bei Salazars Rache im Kinosaal fehl am Platz. Man muss die anderen Filme nicht gesehen haben, um der Handlung zu folgen (es sei denn man ist von der Art "Ich weiß, dass es vorher Filme gab, also stelle ich bei jeder Kleinigkeit übergenaue Fragen, um zu erfahren, was ich vielleicht versäumt habe!"), allerdings stützt Drehbuchautor Jeff Nathanson, obwohl er neu zur Reihe hinzugestoßen ist, ein Gros des emotionalen Rückgrats darauf, dass wir die Figuren bereits kennen und lieben gelernt haben. Und obwohl Salazars Rache seine eigene Grundstimmung hat (so wie auch alle Teile zuvor), so setzt er sich ganz klar aus den typischen Pirates of the Caribbean-Zutaten zusammen (wie halt die anderen vier Filme). Wer also bislang nicht einen einzigen Film dieser Saga mochte, wird auch hier auf Elemente stoßen, die bisher für Abneigung sorgten. Ich mein, klar, es gibt immer Leute, die als lebende Ausnahme die Regel bestätigen, trotzdem würde ich dazu tendieren: Gebt lieber erstmal den bisherigen Teilen noch eine Chance, als vertrauensselig in den fünften zu gehen.
Die geerdete (Landgang-)Meinung: Visuell pompöses Piratenabenteuer mit einigen erstaunlichen Specialeffects und superaufwändigem Produktionsdesign sowie starken Kostümen. Mit Disney-Grenzen testendem, ultraräudigem Dialogwitz und sehr sympathischen Neuzugängen zum bisherigen Pirates-Cast. Die Musikuntermalung ist schmissig, schön und eingängig, wenngleich de neuen Motive eher rar gesät sind. Depp ist im ersten Drittel in ein paar Szenen "off", wird aber nach und nach zum guten, alten Käpt'n Jack. Der Action fehlt Gore Verbinskis Wahnsinn, jedoch ist sie trefflich geschnitten und abwechslungsreich. Das Storytelling ist ungewohnt schlicht für die Reihe, dafür mit emotionalem Rückgrat: Lauter, schräger, düsterer als Teil 1, schneller als der vierte Teil, bescheidener und stringenter als zwei und drei. Wer wenigstens irgendeinen der bisherigen Pirates of the Caribbean-Filme mochte, sollte erneut ins Kino, denn auch wenn Salazars Rache wohl bei wenigen zum Favoriten werden dürfte, so hat er das Zeug dazu, sich in vielen Herzen als guter Rang zwei oder drei innerhalb der Saga zu platzieren.
Die Fan-Perspektive: Eine sadistische, passionierte Verneigung vor der Reihe. Der Filmkanon wird von Nathanson sowie den Regisseuren Joachim Rønning und Espen Sandberg mehrfach in Frage gestellt, woraufhin sie mit etwas Abstand zurück rudern, mit einem fiesen Grinsen im Gesicht: "Nein, wir haben eben kein Loch in Figurenentwicklung und Kontinuität geschossen. Reingefallen!". Das erweiterte Universum … äh … wird anerkannt, aber es wird Diskussionen geben, die es über (mögliche) Ungenauigkeiten zu führen gilt. Der Film hat dafür mehrere dicke, saftige Fanservice-Momente. Wenn es der letzte Teil sein sollte, ist’s ein sehr würdevolles Ende.
Ich, ganz privat, als jemand, der dieses Franchise ganz, ganz nah am Herzen trägt: So bin ich noch nie in einer Pressevorführung durch Himmel und Hölle gegangen. Was für ein Glück, dass ich relativ abgeschottet saß und mich daher niemand hat sehen oder hören können. Gigantische Momente der Freude wechselten sich mit intensivster Besorgnis ab. Mehrmals täuschte der Film an, eher ein "Ok, das ist was für Gelegenheitsfans und Popcornkinogänger, aber das, was ich suche, ignoriert er"-Projekt zu sein, nur um mich dann vollauf zu entschädigen. An mehreren Stellen war ich kurz vor der Resignation, nur um mich dann mit aller Macht zurückzuhalten und nicht laut klatschend, aus dem Sessel hüpfend meine Freude zu proklamieren: "Ja! Ja! Danke, wie genial!" Aber, nur um es noch einmal ganz sicher festzuhalten: Es wird (kaum) wem so ergehen wie mir! Aber ich, mit meiner intensiven, emotionalen Bindung zu der Reihe, ihren Themen, Figuren und Musikstücken war nach diesem ersten Salazars Rache-Seherlebnis außer Atem und brauchte etwas, um wieder runterzukommen. Und, wow, was freue ich mich auf die entspannte(re) Zweitsichtung, wenn ich mich zurücklehnen und in den Saal horchen kann, ob irgendwo ein Menschlein sitzt und so hörbar mitleidet und mitjubelt wie ich beim ersten Mal. Ich, als wer, der die irrsinnige, aberwitzige, überambitionierte Seite der Reihe mag, werde ihn auf Dauer trotz dieser unfassbar intensiven Erfahrung beim ersten Gucken nicht so feiern wie meinen Lieblingsteil. Aber, hey, meinen liebsten Pirates of the Caribbean mögt ihr da draußen im Durchschnitt nicht so sehr wie ich, da ist das nur ausgleichende Gerechtigkeit. Nur das Kopfzerbrechen, wie ich den Piratenspaß gern fortführen würde, das wird mich in den nächsten Tagen und Wochen beschäftigen.
Ab den Abendstunden am 24. Mai könnt ihr euch ebenfalls auf Pirates of the Caribbean – Salazars Rache einlassen. Ich würde empfehlen, eher auf 3D zu verzichten, es sei denn, ihr seid 3D-Fans, habt ein gutes 3D-Kino in eurer Nähe oder seid innige Fans und die 2D-Optionen sagen euch zeitlich nicht so sehr zu. So oder so: Habt Spaß. Und: Trinkt aus, Piraten, Yo-Ho!
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2 Kommentare:
Stellt sich nur die Frage: Wirst du deinen bisherigen Ganz-oft-im-Kino-ansehen-Rekord brechen?
Das weiß ich selber noch nicht. Wird dadurch entschieden, wie hoch der Rewatch-Faktor von "Salazars Rache" ist. Der von "Am Ende der Welt" (der ja Sondervorführungen sei Dank doch 'nen Abstand aufbauen konnte) ist ja für mich schon recht enorm.
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