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Dienstag, 7. März 2017

Meine Lieblingsfilme 2016 (Teil IV)

Weit sind wir gekommen, nun stehen bloß noch ein paar Ehrennennungen im Weg, bis wir endlich mein Lieblingsdutzend an neuen Produktionen aus dem deutschen Filmjahr 2016 abhaken können.

Da wäre etwa John Carneys Musikfilm Sing Street, der saustarke, eingängige Musik und liebenswerte Figuren beinhaltet, der mich allerdings als Story längst nicht so nachhaltig beeindruckt hat wie einige der innigeren Fans dieser Produktion. Nichts passiert ist eine schmucke, nicht hundertprozentig runde, deutschsprachige Mixtur aus pechschwarzer Komödie und Drama über einen hinterlistigen Verantwortungsverweigerer, Midnight Special ist ein ultracooler Film, der wie die Art Film wirkt, die Disney Anfang der 80er verzweifelt auf den Markt warf, um jugendaffin zu wirken - inklusive der Pacingprobleme vieler dieser Filme. Wild ist ein mutiges deutsches Psychogramm, das allerdings längst nicht so profund ist, wie es sich selber verkauft, Birnenkuchen mit Lavendel eine charmante Romantikdramödie, die noch minimal mehr Flair hätte haben dürfen, und Mahana ist ein in Lokal- und Zeitkolorit schwimmendes Maori-Familiendrama mit Charme und Aussagekraft, das hauchdünn an dieser Rangliste gescheitert ist.

Nun aber genug des Hinhaltens. Hier sind die Top 12 der Filme, die mein Cineastenherz 2016 am höchsten haben schlagen lassen!

Platz 12: Zoomania (Regie: Byron Howard & Rich Moore)

Ein Meisterwerk in Sachen Weltenbildung und zudem eine animationstechnische Augenweide, ist Zoomania zwischenzeitlich für meinen Geschmack zu sehr normales Buddy-Cop-Movie, und zu wenig die regelmäßig hier aufblitzende originelle Disney-Version dessen, als dass ich mich hinter diejenigen stellen würde, die die lautesten Lobeshymnen auf diese Animationskomödie singen. Aber das ist Meckern auf gehobenem Niveau. Denn als fein gegliederte, doch mächtig komische Analogie (nicht etwa als simpel übersetzte Fabel) über die Doppelmoral unserer Gesellschaft ist Zoomania einer der mutigeren Einträge in den Disney-Animationskanon und die schiere Menge an denkwürdigen Figuren, die Howard, Moore & Co. hier erschaffen haben, ist beeindruckend. Solide Action, scharfsinnige Alltagsbeobachtungen und lockere Dialoge runden den Gesamteindruck ab.

Platz 11: Junges Licht (Regie: Adolf Winkelmann)

In einem Jahr, in dem das deutsche Kino überdurchschnittlich viele bemerkenswerte Filme zu bieten hatte, beeindruckte mich keine Produktion aus der Bundesrepublik mehr als Adolf Winkelmanns doppelbödiges Loblied auf den Ruhrpott: Die Geschichte eines Sommers, in dem sich die Welt eines jungen Teenagers schleichend veränderte, ist in romantisierten Bildern eingefangen, wird mit dem Erzähltempo eines kontemporären Märchens abgewickelt und erklingt in verklärend-bezirzenden Tönen. Früher, da war alles besser. Und, hach, als Männer noch Männer waren und im Schweiße ihres verrußten Angesichts hart gearbeitet haben! Oder eben doch nicht, denn das Dialogbuch ist eine schonungslose, rekursive Bestandsaufnahme dessen, was die Gesellschaft in den frühen 60er-Jahren noch für angemessen hielt. Dieser Zusammenprall von Tonfällen, Farbästhetiken und Weltbildern ist als Film schwer zu fassen und noch schwerer rational zu erklären: Entweder nimmt man sich dieser Bauchgefühl-Auseinandersetzung mit dem Ruhrgebiet (und Deutschland) von damals auf assoziativer Ebene an, wird verzaubert und geistig angeregt. Oder man reibt sich wund, Junges Licht mittels des filmischen Einmaleins zu erörtern. Ich habe mich für Ersteres entschieden.

Platz 10: The Neon Demon (Regie: Nicolas Winding Refn)

Betörend schön fotografiert. Geisterhaft erzählt. Seelenlose Figuren. Perfekte, eiskalt-mechanisch bezirzende Musik. Und grotesk-makabrer Inhalt. Nach dem von mir nur mit einem desinteressierten Schulternzucken entgegengenommenen Only God Forgives haut Drive-Regisseur Nicolas Winding Refn mit The Neon Demon wieder einen starken Film heraus, der vor Atmosphäre trieft und eine eindringliche Verschmelzung aus Form und Thematik darstellt. Diese Schauermär vom Glitzer- und Glamour-Leben mag zwar einen Plot haben, der selbst den Body Mass Index der meisten Topmodels mächtig aussehen lässt, doch dies hat hier stylische Methodik. Cliff Martinez' Musik, diese kontrastreichen Farben und Elle Fannings schwer zu lesendes, dennoch reichhaltiges Spiel ergeben einen verqueren, kantigen Film, den jeder gesehen haben sollte, der sich an gewagtes Atmokino herantraut.

Platz 9: Arrival (Regie: Denis Villeneuve)

Anspruchsvolle, aber gefühlvolle Sci-Fi mit humanistischer Message, bei der nicht etwa technologische Errungenschaften oder naturwissenschaftliche Fragen im Mittelpunkt stehen, sondern die Macht geduldsamer Kommunikation sowie die Relevanz von Linguistik? Arrival trifft schon allein konzeptionell mehr als nur einen Nerv bei mir, und dank des stimmigen Scores, der hypnotischen Kameraarbeit sowie der menschelnden, facettenreichen Performances von Amy Adams (in einer ihrer besten Rollen!) und Jeremy Renner weiß auch die Umsetzung zu begeistern. Anders als bei vielen Arrival-Fans hat sich bei mir beim Rewatch leider ein minimaler Abnutzungseffekt eingeschlichen, trotzdem ist das minutiös konstruierte Storytelling dieses Dramas aus einer nahen Zukunft beeindruckend!

Platz 8: The Hateful Eight (Regie: Quentin Tarantino)

Zumindest in meinen Augen Quentin Tarantinos bislang nihilistischster Film, und dabei dank der berühmt-berüchtigten, markanten Feder des Oscar-Preisträgers dessen ungeachtet eine wahre Wonne: Dieser Kammerspiel-Rache-Schneewestern-Krimithriller in glorreichen 70mm mag zwar narrativ mehrmals auf der Stelle treten, doch Ennio Morricones brodelnder Score, der auftrumpfende Cast (insbesondere Samuel L. Jackson und Kurt Russell geben einprägsame Performances ab) und die harsch aufgeladenen Wortwechsel lassen darüber quasi hinwegsehen. The Hateful Eight ist Tarantino in Reinform: Das schlichte Grundkonzept seiner Anfänge, die ausladende Inszenierung seiner Spätzeit und die Dialoge sind eine Mixtur aus all seinen Schaffensperioden. Das ist zuweilen mehr Fingerübung als Geschichtenerzählen, aber einem Meister wie Tarantino schaut der geneigte Anhänger auch liebend gern bei Fingerübungen zu.

Platz 7: Demolition (Regie: Jean-Marc Vallée)

Ich bin mit dieser Position in einer verschwindend geringen Minderheit, aber das schüchtert mich nicht ein: Für mich ist der an den Kinokassen brutal aufgelaufene, von Kritikern weitestgehend missachtete Demolition der bis dato beste Film des Regisseurs Jean-Marc Vallée! Die skurril angehauchte Tragikomödie fühlt sich für mich so an, als hätte Gore Verbinski noch einmal einen Film im Stil von Weather Man drehen wollen und sich dieses Mal nach einem emotional angeknacksten Familienvater einen ratlos-apathischen Witwer als Hauptfigur ausgesucht. Jake Gyllenhaal gefällt mir außerordentlich als junger Mann, der den Unfalltod seiner Frau relativ gelassen hinnimmt - jedenfalls so lange, bis ihm sein Umfeld auf den Wecker geht, er müsse doch diese Tragödie irgendwie verarbeiten. Kaum lässt er sich davon anstecken, seziert er sein Leben, indem er die Aufforderung zur Analyse seiner Lage wortwörtlich und einfach alles auseinandernimmt. Was wiederum auch niemandem in seinem Sozialgefüge passt. Naomi Watts als Vielleicht-Geliebte-Vielleicht-platonische-Freundin spielt dem bittersüß-nachdenklich-staubtrocken-komischen Tonfall des Films angemessen verworren und der Flow von Demolition ist fantastisch. Vielleicht wird das irgendwann jemand anderes außer der werten Kollegin Antje und mir erkennen!

Platz 6: Hail, Caesar! (Regie: Ethan & Joel Coen)

Und wieder ein Fall, in dem ich zur Minderheit gehöre: Das True Grit-Remake hat mir zwar handwerklich gefallen, allerdings war es mir nicht besonders genug. Wenn ich einen Film von den Coen-Brüdern sehe, will ich etwas geboten bekommen, das so auch nur dieses Regiegespann verantworten kann. Mit Hail, Caesar! habe zumindest ich die Wiedergutmachung bekommen, die sonst kaum wer eingefordert hat: Mit Verve, Liebe zum Detail, einem augenzwinkernden, religiös aufgeladenen roten Faden, einer melancholisch-dramatischen Zwischennote und sehr spritzigem, albernen Humor verneigen sich die Coens vor dem Hollywoodkino zu Zeiten, als sich das klassische Studiosystem in seinen letzten Atemzügen befand. Mit genüsslich-bescheuerten Sketcheinlagen, einem launigen Starensemble und einem Feuerwerk an filmhistorischen Referenzen ist Hail, Caesar! zwar nicht der anspruchsvollste, wohl aber wenigstens für mich einer der erfrischendsten Coen-Filme.

Platz 5: Swiss Army Man (Regie: The Daniels)

Ein surrealer Traum. Eine erzählerische Glanzleistung, die derben Infantilhumor mit der detaillierten Skizzierung verletzlicher Gefühle vereint. Eine unter dem Mantel vulgärer Albernheit ins Kino geschmuggelte Philosophiestunde mit brillanten Dialogzeilen. Ein doppelbödiges Erzählexperiment, das dem Publikum vorführt, wie gerne es sich ködern lässt. Das alles. Und noch viel mehr. Mit einzigartiger Musikuntermalung und faszinierenderweise in mehreren Dutzend Grüntönen fotografiert ist Swiss Army Man ein außergewöhnlicher, komplexer, dennoch sehr zugänglicher, wundervoll bescheuerter, dämlich-smarter Ausnahmefilm. Einfach großartig!

Platz 4: Anomalisa (Regie: Charlie Kaufman)

Ein waschechter Charlie Kaufman: Eine surreale Geschichte, die einem streng durchdachten, absurden Konzept folgt, dient als Sprungbrett für eine höchstmenschliche, rührende Bestandsaufnahme für komplizierte Gefühlssituationen. Dieser Stop-Motion-Trickfilm, der auf einen winzig kleinen Sprechercast zurückgreift, erzählt von einem Kundendienst-Motivationsredner, der in einem Hotel mit dem schlechten Gewissen ob vergangener Entscheidungen und der klaffenden Leere in seinem Herzen konfrontiert wird - sowie mit dem zärtlichen Hoffnungsschimmer, den eine Zufallsbekanntschaft in ihm aufflackern lässt. Pointierte Situationskomik, gekonnt überspitzte Alltagsbeobachtungen und kunstvoll-poetisch-berührende, schräg-eigensinnige Ideen: Anomalisa ist ein einprägsamer, nachhallender Film, der Intellekt und Herz im Einklang räsonieren lässt.

Platz 3: Vaiana (Regie: Ron Clements & John Musker)

Selten hat bei einem Disney-Film die deutsche Synchronfassung solch eine Qualitätsschere provoziert: In der hiesigen Sprachversion hätte es Vaiana nicht in meine Topliste geschafft. Ich habe wirklich nichts gegen Andreas Bourani (in Baymax gefällt er mir sehr) und Lina Larissa-Strahl (wie sonst findet der dritte Bibi & Tina-Teil den Weg auf Rang 20 dieser Hitliste?), aber auf den Hauptfiguren dieses Disney-Musicalabenteuers sind sie einfach fehlbesetzt. Hinzu stößt eine für Disney-Maßstäbe wacklige Dialog- und Songtextübersetzung, wodurch der so wichtige Flair sowie allerhand charakterliche Nuancen dieses ersten Computeranimationsfilms der Aladdin-Regisseure völlig verweht werden. Im englischsprachigen Original indes segelt Ron Clements' und John Muskers' spaßige, gefühlvolle und so wunderbar schwungvolle Abenteuergeschichte locker am medial mehr beachteten Zoomania vorbei. Zumindest für mich. Eine der facettenreichsten Disney-Heldinnen, ein saukomischer Dummkopf von einem Gockel, ein cooler, leicht zwielichtiger Halbgott als Sidekick und berauschende Hintergründe vermengen sich hier zu einer Produktion, die teils Disney-typisch ist, teils die Formel auf den Kopf stellt, aber nur selten den Fokus darauf lenkt. Außerdem: Kokosnusspiraten!

Platz 2: The First Avenger: Civil War (Regie: Anthony & Joe Russo)

So mag ich meine Superheldenkonfliktfilme: Beide Seiten sind sympathisch und plausibel gezeichnet, mit tief sitzenden Überzeugungen, so dass es zwar leicht fällt, Partei zu ergreifen, dessen ungeachtet eben keine klassische Schwarz-Weiß-Dynamik entsteht (sonst könnte man ja auch einen normalen Superheldenfilm drehen), sondern eben doch ein komplexes Für und Wider entsteht. Das großartige Händchen Marvels bei der Besetzung seiner Helden macht sich hier doppelt und dreifach bezahlt, der Civil War-Cast ist einfach umwerfend, und das Zusammen- sowie Gegeneinanderspiel der Heroen macht nicht nur großen Spaß, sondern ist ebenso ideologisch wie auch persönlich motiviert, wodurch es mitreißend gerät. Die Action ist abwechslungsreich eingefangen und top choreografiert, die Dialogwechsel raffiniert und die Musik reicht zwar nicht an Henry Jackmans brillanten Winter Soldier-Sound heran, trotzdem ist sie besser als der Marvel-Alltag. #TeamCap!

Platz 1: Ghostbusters (Regie: Paul Feig)

Sollen die Hater nun doch an ihrer Galle verschlucken: Ghostbusters löste bei mir 2016 die positivste Reaktion des ganzen Filmjahres aus - und bestätigte dies bei zahlreichen Rewatches. Diese fantastische Geister-Gutelaunekomödie hat spaßige Figuren, Schnellfeuerdialoge und eine dreist-fröhlich grinsende Zwischenebene, die wonnig gelaunt über den Status des Films als Remake, schon in der Vorproduktion lauthals angefeindete Produktion mit Frauenensemble sowie Konventionen des Genres referiert. Theodore Shapiros Score fetzt, Kate McKinnon hat Holtzmann flott in meinen Olymp der Filmfiguren tanzen lassen und Chris Hemsworths Kevin ist der kurzweiligste Volltrottel der jüngeren Kinovergangenheit. Der Look der Geister ist top, das Sounddesign ist knackig und vom minimal stockenden Übergang zwischen Akt zwei und drei abgesehen hat Ghostbusters mächtig Schwung. Mir doch egal, was andere denken, ich schau mir diesen Film liebend gern noch viele, viele, viele Male an. Am liebsten im überragenden 3D!

3 Kommentare:

  1. Was Platz 6 angeht: Angesichts der Resonanz in unserem Studentenkino ist diese Minderheit nicht soooo klein. :D

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  2. Seit deiner Musikliste, weiß ich, dass du fürden ersten Platz gerne ganz ausgefallene Dige wählst, ich habe schon beinahe mit Ghostbsters gerechnet, als er bis zu den top 13 noch nicht genannt wurde. :p

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  3. @deranderenilo: Das freut mich sehr für den Film. Welches Studentenkinopublikum hat ihn denn gefeiert?

    @Anonym: Wenn's für mich halt die Nummer eins ist, sehe ich halt nicht ein, mich zwecks Massenkompatibilität zu verstellen. :D

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