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Donnerstag, 16. März 2017

Jason Bourne


Der Mann, der James Bond dazu gedrängt hat, sich komplett neu zu erfinden, ist zurück. Und er hat sich kaum gewandelt. Die Bildsprache seiner Einsätze ist noch immer sehr rau. Ex-Agent Jason Bourne ist nun noch wortkarger als in seiner von 2002 bis 2007 ins Kino entlassenen, ursprünglichen Trilogie. Ein Stück weit anspruchsloser ist er geworden, die Actionszenen, die er lostritt, sind etwas brachialer als früher, dafür nicht mehr so akrobatisch. Der Plot wiederum, in dem sich der von Matt Damon verkörperte Kämpfer-auf-der-Flucht wiederfindet, orientiert sich streng an den Vorläufern. Ein neues Feuer der Leidenschaft für das Bourne-Franchise lässt sich damit nur schwer entfachen – ein Schlag ins Gesicht des Bourne-Vermächtnisses stellt diese Produktion allerdings genauso wenig dar. Zumindest meiner Ansicht nach – doch hier spricht jemand, der die Bourne-Reihe eher nur leidlich interessiert verfolgte. Die meisten innigen Bourne-Fans sind mit der jüngsten Mission bekanntlich unzufrieden. Lasst mich erklären, weshalb dies aus meinem Blickwinkel anders aussieht ...

Seit rund einem Jahrzehnt lebt Jason Bourne (Matt Damon) verborgen im Untergrund, wo er sein Geld als äußerst fähiger Faustkämpfer verdient. Seine frühere Gelegenheitsverbündete Nicky Parsons (Julia Stiles) dagegen ist als Hacker-Aktivistin tätig und gerät ins Visier der CIA, als sie an wichtige Dokumente über verborgene Operationen des Geheimdienstes gelangt. Diese beinhalten auch erschreckende Informationen darüber, wie Bourne für die CIA rekrutiert wurde. Um ihn in Kenntnis zu setzen, reist Parsons zu ihrem einstigen Wegbegleiter, doch sie nimmt den Weg nicht allein auf sich: Der ruchlose Spezialagent Asset (Vincent Cassel) wurde von der CIA-Cyber-Spezialistin Heather Lee (Alicia Vikander) und ihrem Vorgesetzten Robert Dewey (Tommy Lee Jones) auf Parsons und Bourne angesetzt. Es beginnt ein hochgefährliches Katz-und-Maus-Spiel bei dem nicht immer klar ist, wer weshalb auf wessen Seite steht …

Gestützt wird Jason Bourne, der erste Teil der Filmreihe, auf den Drehbuchautor Tony Gilroy keinerlei Einfluss hatte, von den großen Actionpassagen. Besonders stechen zwei Verfolgungsjagden hervor – eine, die sich im ersten Akt während eines Aufruhrs in Athen ereignet, und dann wiederum das große Finale in Las Vegas. Beiden Sequenzen ist die frenetische Kameraarbeit Barry Ackroyds gemeinsam, der mit Regisseur Paul Greengrass bereits in Green Zone und Captain Phillips zusammengearbeitet hat. Wie von Greengrass (und dieser Filmreihe) gewohnt, ist der visuelle Stil sehr vom Gedanken „Mittendrin, statt nur dabei“ geprägt, was eine hastige Bildführung und auch einige rasche Zooms mit sich bringt.

Dabei sind die besagten Actionszenen in Griechenland und Vegas übersichtlicher als die meisten der Handgemenge, die sich in der ursprünglichen Bourne-Trilogie ereigneten: Das Hin und Her während der Griechenlandrevolte gewinnt durch gelegentliche Einblendungen einer CIA-Überwachungskarte, die den Standort aller Beteiligten anzeigt, und vereinzelte Luftaufnahmen an Struktur. Die Schneise der Verwüstung, die Bourne und seine Verfolger durch das US-amerikanische Glücksspielmekka ziehen, wird deutlich näher am Geschehen verfolgt, ist aber über weite Teile sehr geradlinig: Zwei Autos fahren stur vorwärts, ohne jegliche Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer. Geht es in der ersten großen Actionszene um Taktik und die Wahl der Fluchtwege, ist das Finale ein mächtiges Crashspektakel.
Die Strecke zwischen diesen beiden Sequenzen überbrücken Greengrass und sein Cutter Christopher Rouse, die dieses Mal auch als Drehbuchautoren fungieren, mit diversen kleineren Scharmützeln, die Bourne routiniert um den Globus trotten lassen. Die dramaturgische Motivation dieser Weltreise ist recht mager, böse Zungen würden unken, dass ein Geheimnis aufgeflogen ist, wodurch ein geheimer Hinweis auf ein Geheimnis offengelegt wurde. Im Grunde genommen will Bourne in Erfahrung bringen, was einst mit seinem Vater geschehen ist, was wiederum in einen Racheplot mündet, während innerhalb der CIA Machtspielchen abgehalten werden. Narrativ legitimierte Spannung kommt aber kaum auf, da die Figurenmotivation eilig in Sätzen vermittelt wird, die sich irgendwo zwischen technologischer Exposition und bürokratischem Blabla verstecken – gepaart damit, dass Matt Damon in der Titelrolle nur noch grimm dreinblicken darf, bleiben Emotionen konsequenterweise auf der Strecke.

Die vom gebotenen Stoff unterforderte, im Gegensatz zu Tommy Lee Jones aber wenigstens nicht auf darstellerischen Autopilot runterschaltende, Alicia Vikander (Ex_Machina) dient vor diesem Hintergrund als frische Brise auf zwei Beinen. In einem Film voller steinerner Männermienen zeigt Vikander dem einengenden Material zum Trotz schauspielerische Dynamik, wodurch das Hickhack innerhalb der CIA selbst angesichts manch überstrapazierter, vorhersehbarer Twists ganz ansehnlich gerät. Das lässt sich von der Action im mittleren Part des Films kaum behaupten, gehen wichtige Details von Bournes Vorgehen im Schnittgewitter doch mehrmals verloren.

Dass Greengrass das gegenwärtige politische und technologische Geschehen (von CIA-Datenleaks hin zur kriselnden Wirtschaft) nur als thematische Kulisse nutzt, dürfte jene Fans der Reihe enttäuschen, die Bourne bislang vor allem aufgrund des Politsubtexts feierten. Als reine Staffage bringen diese Referenzen auf reale Situationen aber weitestgehend eine kernig-schroffe Atmosphäre mit sich – ausgenommen sei der von Riz Ahmed gespielte Pseudo-Steve-Jobs, der angesichts seiner Vorschlaghammer-Textzeilen eher einer Persiflage gleicht. Dessen ungeachtet ist Jason Bourne zügig erzählt und als einer der raren Action-Blockbuster, der sowohl auf flotte Sprüche als auch auf opernartig große Gesten verzichtet, eine selbstbewusste Abwechslung von der Genrekonkurrenz. Vielleicht zu selbstbewusst, denn abgesehen von der moderneren Kulisse tut sich inhaltlich in diesem Filmuniversum innerhalb der rund zwei Stunden kaum etwas. Dass dies die starke Geschichte sein soll, die Greengrass und Damon vom Comeback-Gedanken überzeugt hat, will man kaum glauben.

Bourne ist nicht weiter der Mann, der alteingesessene Franchises in Selbstzweifel stürzen kann. Nun ist er es, der sich selbst so lange treu geblieben ist, dass er nachlässig wird. Ein nettes Wiedersehen mit dem Titelhelden bleibt Jason Bourne allemal.

Fazit: Jason Bourne ist ein inhaltlich überflüssiges, mit mehr Muskeln und weniger Köpfchen daherkommendes Wiedersehen mit der populären Wackelkamera-Actionthriller-Reihe.

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