Donnerstag, 2. Februar 2017
Wiener-Dog
Indie-Regisseur Todd Solondz mag zwar unter anderem einen Film namens Happiness inszeniert haben, doch dieser Titel ist bei ihm alles andere als Programm. Der aus New Jersey stammende Filmkünstler hat sich auf ultratrockene, pechschwarze Komödien spezialisiert, die sich auf der Idealismusskala irgendwo zwischen Pessimismus und Misanthropie befinden. Wiener-Dog, seine neunte Regiearbeit, ist zwar Solondz‘ bislang wohl zugänglichste – dank einer Verschnaufpausen erlaubenden, episodenhaften Erzählweise, einem vergnügt-albernen Pausensong (und das bei weniger als 90 Minuten Laufzeit!) und einer die Herzen der Tierfreunde höher schlagen lassenden Titelfigur. Dennoch ist und bleibt Solondz ein alter, verbitterter, räudiger Köter von einem Regisseur. Und ein echter Hundefreund scheint er auch nicht zu sein, was den Tierfreunde-Knuddelbonus letztlich wieder zerstört.
Erzählt werden, unterbrochen von einer musikalischen Einlage, vier Geschichten, die sich im Leben der Besitzer einer Dackeldame ereignen. Zunächst wird dieser Wiener-Dog von einer Familie der gehobenen Mittelschicht adoptiert, doch da die Titelheldin noch nicht stubenrein ist, wird sie vom zornigen Familienvater alsbald aus dem geliebten, klinisch sauberen Heim verbannt. Tierarzthelferin Dawn Wiener (Greta Gerwig) übernimmt die kleine Vierbeinerin, kümmert sich kurz darauf aber mehr darum, ihrer Jugendliebe (Kieran Culkin) zu gefallen. Anschließend findet die Hündin erst bei einem grantigen Filmemacher (Danny DeVito) und letztlich bei einer übellaunigen Rentnerin (Ellen Burstyn) ein Zuhause.
Solondz macht es denjenigen im Publikum, die noch nie mit ihm in Berührung gekommen sind, ausnahmsweise einfach: Er stellt die freundlichste Episode voran und gibt so Unerfahrenen eine faire Chance, sich mit der dargebotenen Weltsicht anzufreunden. Die von Julie Delpy mit großartigem Gespür für spröde Komik gespielte Mutter (man achte auf ihr wiederkehrendes „Habe ich das meinem Sohn gerade wirklich so gesagt?“-Gesicht) zeigt sich sowohl ihrem erst kürzlich von Krebs geheiltem Kind (Keaton Nigel Cooke) gegenüber fürsorglich, als auch im Umgang mit der Dackeldame. Auch die entnervten Reaktionen des Patriarchen Danny (Tracy Letts) auf die noch zu erziehende Hündin könnten aus zahllosen Familienkomödien stammen – abgesehen von der harschen Wortwahl.
Doch was der Autorenfilmer aus dem Konzept „Vater kauft Hund, Mutter hinterfragt das, Junge liebt Hund, die Eltern tauschen ihre Position gegenüber dem neuen Familienmitglied“ macht, ist dann eben doch Solondz pur: Zentrales Element dieser Einstiegsepisode sind die ausführlichen Gespräche zwischen Mutter und Sohn über ethische und erzieherische Fragen, die sich durch die Anschaffung des Hundes plötzlich aufdringen. Wieso können, ja, sollen, wir den Willen eines Hundes brechen, um ihn stubenrein zu machen? Dürfen wir einfach entscheiden, ein Wesen sterilisieren zu lassen? Und ist der Tod eigentlich angenehm? Die Wortwechsel, die Solondz seinen Figuren dabei in den Mund legt, haben allesamt einen philosophischen Kern, sind vor allem aber von boshaftem Humor geprägt – schließlich erzählt Delpys Figur mit seligem Lächeln ihrem kleinen Jungen von Vergewaltigung und schürt durch mies gewählte Beispiele zudem noch Fremdenangst.
Sobald die Titelhündin erstmals den Besitzer wechselt, ist es aber selbst mit der vermeintlichen Idylle vorbei. Die weiteren Menschen, die der Wiener-Dog kennenlernt, interessieren sich wenig für sie und ihr Umgang mit ihrem zweibeinigen Umfeld ist zumeist noch nachlässiger. Greta Gerwig, die die pseudo-erwachsene Version einer Willkommen im Tollhaus-Figur spielt, rennt treudoof jemandem hinterher, der zu Schulzeiten grausam war und den sie damals trotzdem heiß fand. Ihr (etwas schleppender) gemeinsamer Road-Trip ist denkbar unromantisch, nicht zuletzt dank Kieran Culkins herrlichem, dauer-angewidertem Gesichtsausdruck, und dreht sich letztlich mehr um eine bittersüße Familiengeschichte. DeVitos Episode dagegen ist ein jegliche Subtilität aufgebender Kommentar auf Solondz‘ Stand im Filmgeschäft, was wegen der zahlreichen Hollywood-Referenzen viele Filmfans begeistern sollte, selbst wenn die Episode eigentlich nahezu durchweg auf der Stelle tritt.
Burstyns Geschichte ist schlussendlich ein Crescendo an Trübsinn, zeichnet Solondz doch ein freudloses Familienbild, behelligt den Zuschauer feixend mit einer rassistischen Karikatur und zieht einer Traumsequenz, die eine bittere Katharsis verspricht, durch einen konsequent-gemeinen Schlussgag den Boden unter den sprichwörtlichen Füßen weg. All dies setzt der Regisseur auf inszenatorisch wackligem Niveau um: Solondz beweist durchaus ein Händchen für einprägsame Bilder, jede Episode hat Einstellungen, die Bände sprechen. Sei es der kleine Junge, der seiner geliebten, in den Käfig gespielten Hündin etwas auf der Flöte vorspielt, oder etwa ein Polizist, der sich in einer Gefahrensituation vorsichtig dem kleinen Titeltier nähert. Allerdings leidet Wiener-Dog (insbesondere in Autofahr-Szenen) wiederholt an unfassbar miesen Bildkompositionen und der sonst so meisterhafte Arbeit abliefernde Kameramann Edward Lachman (Carol) hat es hier mit dem Gelb-Grün-Stich etwas zu gut gemeint, zudem wirken einige Szenen arg überbelichtet.
Dessen ungeachtet hat Wiener-Dog in seiner kurzen, und dennoch manchen Leerlauf beinhaltenden, Laufzeit genügend Schmankerl für Freunde des bitteren Humors zu bieten, das diese einen Blick wagen sollten. Freundlicher wird ihnen Solondz‘ wohl nie erklären, dass die USA wie ein dicker Elefant sind, der in einem Meer der Verzweiflung ertrinkt.
Fazit: Eine gewollt freudlose Ensemblekomödie über unfähige, egozentrische und kantige Menschen.
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