Samstag, 25. Februar 2017

Meine Lieblingsfilme 2016 (Teil III)

Die Academy Awards rücken unaufhaltsam näher – und somit das Event, dass das vergangene Filmjahr endgültig abschließt. Bevor dem so weit ist, möchte ich euch ein weiteres Mal einladen, euch über meine ganz eigenen Favoriten zu freuen, zu ärgern und zu wundern (den vorherigen Teil könnt ihr hier nachholen). Und natürlich auch über meine Ehrennennungen, zu denen etwa Störche – Abenteuer im Anflug gehört, der einfach irrsinnig viel Spaß macht – das Finale ist einen kleinen Hauch zu lang gezogen, weshalb es ganz, ganz knapp nicht für meine Hitliste reichte. Aber ich freue mich schon jetzt auf den Rewatch! Ein weiterer saukomischer Animationsfilm, der hier genannt werden sollte: Sausage Party, der eine alberne, feucht-fröhliche Sause ist, die auch etwas in ihrem zugedröhnten Kopf hat. Hier ist es der mittlere Part, der sich leider etwas verläuft.

Im Realfilmsektor muss ich einfach meinen Hut vor der charmanten Dramödie Florence Foster Jenkins ziehen, die gewitzt ist, und dennoch ihre schrille Hauptfigur respektiert. American Honey wiederum ist ein großartig gefilmtes Porträt einer verlorenen Jugend im mittleren Teil der USA mit starken Performances und Gänsehautschluss – erneut ein Film, bei dem es eine verflixt knappe Angelegenheit war, ob ich den in die Hauptliste aufnehme.

Einen Stein bei mir im Brett hat außerdem Maggies Plan, den besten Woody-Allen-Film der letzten Jahre, den Woody Allen gar nicht gedreht hat. Aus der Sparte "Absolut durchgeknallt und dumm, aber so vergnüglich und zwischendurch in seiner Situationskomik so gut beobachtet, dass ich schlicht aus dem Grinsen nicht rauskam" haben wir die italienische Beamten- und Kulturschockkomödie Der Vollposten, die leider nur an ihrer Rahmenhandlung krankt, als sensible, dramatische und dennoch sehr witzige Geschichte über kulturelle Umgewöhnung wäre wiederum die Flüchtlingsgeschichte Nur wir drei gemeinsam zu nennen. Irgendwo dazwischen: Die Fake-Doku 90 Minuten – Bei Abpfiff Frieden über das Fußballspiel, das den Nahostkonflikt beenden soll.

So viel also erstmal zu den Ehrennennungen. Nun wird es aber Zeit für die Plätze 25 bis 12!

Platz 25: Spotlight (Regie: Thomas McCarthy)

Verdient mit dem Academy Award für den besten Film prämiert und obendrein eine Produktion, die mein Cineastenherz höher schlagen lässt - wenngleich nicht ganz so hoch wie das der Oscar-Abstimmungsberechtigten: McCarthy nimmt einen wahren Fall über hervorragenden Investigativjournalismus, durch den aufgedeckt wurde, wie abgebrüht die Katholische Kirche ihre schützende Hand über die Kinderschänder in ihrer Mitte hält, und erzählt diesen in nüchterner, bodenständiger Form nach. Der gesamte Cast spielt sehr toll auf und aufgrund der zwar gezielten, jedoch nicht streng fokussierten Erzählweise ist Spotlight ein Drama über Schandtaten, eine spannende Anekdote über vertuschte Angelegenheiten und ein seriöses Vorzeigen dessen, weshalb am Journalismus nicht gespart werden sollte - sowie eine filmische Zeitkapsel, wie der US-Printjournalismus kurz vor/nach dem 11. September 2001 war.

Platz 24: Mikro & Sprit (Regie: Michel Gondry)

Im selben Jahr, in dem Fatih Akin mit Tschick die ungewöhnliche, humorig-verträumte Geschichte zweier Jugendlicher verfilmt hat, die mit einer geklauten Schrottkarre durch die Bundesrepublik fahren, kam mit Mikro & Sprit auch Michel Gondrys skurrile, humorig-verträumt-melancholisch-verspielte Geschichte zweier Jungs auf der Grenze zwischen Kindheit und Jugend, die ein fahrbares Minihaus bauen, um damit durch Frankreich zu kurven. Und, hach, was für ein liebenswerter, selbstironischer, einfallsreicher, ruhiger, überraschender, goldiger Film Mikro & Sprit geworden ist. Mit diesen Buben würde ich gern noch längere Trips unternehmen.

Platz 23: Raum (Regie: Lenny Abrahamson)

Eine begnadete Darstellung von Brie Larson, eine nicht minder beeindruckende von Jacob Tremblay und eine effektiv-gegenintuitive Kameraarbeit: Obwohl sich das Psychodrama Raum auf einem stark beengten Schauplatz abspielt, arbeitet Kameramann Danny Cohen mit ganz breitem Bild - erzeugt aber gerade so, indem er aufzeigt, wie schnell bereits der gesamte Lebensraum der Hauptfiguren überblickt ist, ein beengendes Gefühl. Später vergrößern sich die inhaltliche und visuelle Bandbreite, das Gefühl der Enge bleibt aber bestehen: Raum ist unerwartet humorvoll, aufreibend, düster und dennoch erschreckend aufmunternd.

Platz 22: Doctor Strange (Regie: Scott Derrickson)

Das Grundgerüst des jüngsten Marvel-Superheldenfilms erinnert frappierend an Iron Man und andere Ursprungsgeschichten aus der Welt der Comicheroen. Doch Scott Derrickson verwandelt mit mühelos erscheinender Inszenierung, einer leicht verquarzten Grundstimmung und psychedelischen Effekten Doctor Strange zu einer unterhaltsamen Abwechslung vom Marvel-Alltag. Cumberbatch ist perfekt gecastet, Tilda Swinton hat eine würdevolle Ausstrahlung und dennoch sichtbaren Spaß in der Rolle als mystische Mentorin, Mads Mikkelsen holt viel aus seiner Schurkenrolle heraus und Rachel McAdams transformiert eine nichtige weibliche Nebenrolle zu einer ursympathischen Figur, die eine ganz originelle Dynamik mit dem Titelhelden hat. Leichte Pacingprobleme in der Mitte stören da nur minimal.

Platz 21: Kubo – Der tapfere Samurai (Regie: Travis Knight)

Nachdem ich Die Boxtrolls entgegen des Kritikerkonsens eher grausig fand, haben sich die Laika Studios mit ihrem Samuraiabenteuer wieder nach oben gearbeitet: Die Stop-Motion-Trickstube, die zuvor schon Coraline sowie ParaNorman verantwortete, präsentiert mit Kubo eine wunderschön animierte, atemberaubend gestaltete und tonal bezaubernd vielschichtige Geschichte eines Jungen mit besonderen Kräften, der loszieht, um großes Unrecht gerade zu biegen. Nach dem sinnierenden Anfang und einer humorig-abenteuerlich-düsteren Mitte gerät dieser tolle Film für mich im Finale leider ins Schwanken - durch ein paar deplatzierte Gags und ein Finale, das in meinen Augen dem moralischen Grundtenor des restlichen Films widerspricht. Trotzdem ein sehenswertes, äußerst gelungenes Stück Trickkino. Nur für die Top 20 hat es daher leider, leider ganz knapp nicht gereicht.

Platz 20: Bibi & Tina – Mädchen gegen Jungs (Regie: Detlev Buck)

Ja, ihr habt richtig gelesen! Dies ist kein Irrtum! Detlev Bucks dritter Teil der Bibi & Tina-Reihe hat sich in meiner Jahresbestenliste tatsächlich bis in die Top 20 gekämpft! Das hat sich das überaus gut gelaunte, kunterbunte Musical einfach verdient! Nicht zuletzt, weil Buck (unabsichtlich?) mit diesen Realfilmen ein inoffizielles Remake der High School Musical-Filme abgeliefert hat: Teil eins ist ein recht normaler Genrevertreter, der eine viel betretene Filmstory erzählt, sie aber durch leicht schräge Ideen aufpeppt. Der zweite Teil ist verrückter und hat daher höhere Höhen als der Vorgänger, hat aber durch bemühte Lovestorydramatik, die nicht ganz aufgehen will, auch deutlichere Tiefen. Und der dritte Part? Ein campiges, gesund-bescheuertes Vergnügen mit jeder Menge Erwachsenenbonus, Ohrwurmhits, Selbstironie, Metaeinfällen sowie hohem Tempo - und Mädchen gegen Jungs endet auch noch genauso wie Senior Year, nachdem ja schon der Anfang ähnlich war! Durchgeknallte Spitzenlaune garantiert!

Platz 19: Eddie the Eagle (Regie: Dexter Fletcher)

Und noch ein inoffizielles Disney-Remake: Eddie the Eagle ist quasi "Cool Runnings, nur mit einem britischen Skispringer, statt jamaikanischen Bobfahrern". Das von Matthew Vaughn produzierte Sportkomödien-Biopic atmet das Feeling von Disney-Realfilmen der 90er-Jahre und feiert die titelgebende Sportkultfigur als glühendes Beispiel für eisernen Willen und Personifikation des olympischen Geistes. Das inspiriert, macht gewaltigen Spaß und hat in diesem Fall zudem eine launige 80er-Klangästhetik. Taron Egerton und Hugh Jackman sind zudem ein sehr vergnügliches Duo, das Eddie the Eagle stattlichen Rewatchfaktor verleiht.

Platz 18: Rogue One: A Star Wars Story (Regie: Gareth Edwards)

Der erste fürs Kino konzipierte Star Wars-Realfilm, der die Skywalker-Saga bei Seite legt und sich stattdessen voll und ganz darauf konzentriert, die komplexe Natur des Konflikts Imperium gegen Rebellen darzustellen. Godzilla-Regisseur Gareth Edwards behält seinen markanten, distanzierten Stil bei, was angesichts des fragmentierten Anfangs zunächst etwas zäh ist. Aber sobald Rogue One erst seinen Rhythmus gefunden hat, stürmt dieses Weltall-Kriegsabenteuer so richtig los - mit einem atmosphärischen Mittelteil und einem absoluten Gänsehautfinale. Zudem leistet Michael Giacchino große Leistung als (in fast schon letzter Minute angeheuerter) Komponist - und K-2SO ergänzt die lange Riege an unvergesslichen Star Wars-Droiden auf exzellente Weise. Aber vor allem: Wow, dieses Finale!

Platz 17: Findet Dorie (Regie: Andrew Stanton)

Nach dem ungerechtfertigten Scheitern von John Carter an den Kinokassen ist Andrew Stanton zurück in seinem Heimatmedium - und setzt dort seinen bislang größten Hit Findet Nemo fort. Klingt nach Geldscheffelei, ist aber ein gut erzähltes und konsequentes neues Kapitel in der Geschichte unserer fischigen Freunde. Dories Suche nach ihren Eltern ist (auf sehr gezielt-witzige Weise) haarsträubender und schriller als das Original und zugleich als Skizze dessen, wie es ist, mit einer psychischen Sonderkondition aufzuwachsen beziehungsweise mit so jemandem befreundet zu sein, emotionaler und ernster als Findet Nemo. Nach einem sehr süßen Anfang braucht es etwas, bis sich Findet Dorie von den Parallelen zum Original freischwimmt, ab dann ist es aber ein sehr interessanter Film mit flinken Tonfallwechseln und vielen tollen Figuren!

Platz 16: A War (Regie: Tobias Lindholm)

Dieses dänische Drama ist zur Hälfte unmittelbares, intelligentes Kriegsdrama und zur Hälfte nachdenkliches, komplexes Justizdrama: Tobias Lindholm erzählt von einer militärischen Entscheidung, die einige Menschenleben rettet, ebenso jedoch auch einige kostet. Daraus entfaltet sich eine fesselnde moralisch verworrene Frage sowie ein eindringliches Porträt, wie sich dies auf die Familie des Angeklagten auswirkt. Superb gespielt, distanziert, jedoch detailreich beobachtend inszeniert und so clever geschrieben, dass man A War zwecks Suche nach Antworten sofort noch einmal sehen möchte.

Platz 15: Son of Saul (Regie: László Nemes)

Ich finde, dass das Thema Holocaust im Kino bereits rauf, runter, nochmal rauf, wieder runter behandelt wurde, und das so sehr, dass sich genau die Wirkung einstellen könnte, die es zu vermeiden gilt: Übersättigung und somit Abstumpfung. Nemes' nahezu durchweg in Over-the-Shoulder-Shots gefilmtes, mehrsprachiges Drama Son of Saul allerdings vermag es, die Schrecken der NS-Tötungsmaschinerie auf neue, den Magen verdrehende, direkte Art und Weise zu vermitteln - ohne sich dabei selbstgefällig in realem Elend zu suhlen. In komplex arrangierten Kamerafahrten und mit erschütternder Direktheit führt Son of Saul durch ein Konzentrationslager, während der Protagonist verzweifelt versucht, seinem Sohn die letzte Ehre zu erweisen. Menschlich, schonungslos und zudem eine Glanzleistung im filmischen Erzählen.

Platz 14: Bad Neighbors 2 (Regie: Nicholas Stoller)

"Sidney ... das ... das kannst du nicht machen!"
-"Was?"
"Na, Bad Neighbors 2 über Son of Saul stellen!"
-"Wieso nicht?!"
"Wie soll dich da noch jemand ernst nehmen, wenn du eine Vulgärkomödie über so einen wichtigen, seriösen, erschütternden Film wie Son of Saul packst?"
-"Deiner Logik nach kann ich doch gar keinen Film über Son of Saul stellen, oder? Alle Filme sind im direkten Vergleich zu ihm lapidar, nichtig, trivial. Naja, nicht alle, andere besonders niederschmetternde Holocaustdramen und manche Problemdokumentationen sind neben ihm vielleicht noch zu dulden ..."
"Ja, aber, das hier ist ein besonders krasser Bruch!"
-"Na und? Soll ich Bad Neighbors 2 gegenüber nun unfair sein und ihn schlechter dastehen lassen, nur aufgrund seiner Nachbarschaft in dieser Liste? Wieso ist Humor weniger wert als das Erinnern daran, dass industriell abgefertigter Massenmord zu verurteilen ist?"
"Weil ... das erklärt sich von selbst!"
-"Also darf ich auf Platz 15 meiner eigenen Favoritenliste über das Jahr 2016 keine energiereiche, vor Wortwitz und spaßig glühender Performances Komödie stehen haben, die im Gewand einer Vulgärkomödie nicht nur ihr eigenes Genre demontiert, sondern zudem dem Publikum feministische Positionen erläutert? Ein subversives Spiel mit Konventionen, Publikumserwartungen und Genrepolitik hat sich gefälligst weiter unten wiederzufinden, weil ... das gehört sich so?! Wie faschistisch von dir!"
"Ach, Alter, is' deine Liste ..."

Platz 13: Die Mitte der Welt (Regie: Jakob M. Erwa)

Jakob M. Erwa zauberte mit dieser Romanadaption einen ultraschönen, intensiven Film über die Liebe daher - über jede Liebe, denn jeder, der sich in den frühen Phasen der Liebe befindet, glaubt, er sei anders, überfordert, speziell, dem Untergang geweiht ... oder vielleicht doch dem ewigen Glück nah. Mit geradezu von der Leinwand hüpfenden, glaubwürdigen Schauspielleistungen, einer stylischen Bild- und Klangästhetik sowie einer pubertären Neigung zu Gefühlsschwankungen ist Die Mitte der Welt ein Film, der einen mitten in eine Teenieromanze versetzt und der nebenher noch einen reizvollen Subkosmos erschafft. Atemberaubend.

Fortsetzung folgt, mit dem finalen Dutzend!

Freitag, 24. Februar 2017

Freitag der Karibik #31

Wie Gore sind die Pirates of the Caribbean?


Alle, die diesen Blog schon etwas länger verfolgen, werden es bereits wissen: In meinen Augen ist Gore Verbinski sowohl einer der besten als auch einer der unterschätzesten Regisseure unserer Zeit. Der frühere Punkrocker und Filmwissenschaftler hat eine markante, dennoch flexible Handschrift und kann daher in einer Vielzahl von Genre(-Mixturen) arbeiten und trotzdem jedem seiner Filme deutlich seinen Stil mitgeben.

Kein Wunder, dass ausgerechnet so jemand, der zudem stolz darauf ist, wenn er Studiobosse nervös macht, das Disney-Label über seinen Schatten springen ließ und unter der vermeintlich ach-so-sicheren Flagge eine der verrücktesten Mainstream-Filmreihen der Hollywood-Geschichte startete. So zumindest meine Meinung.

Als ich kürzlich anlässlich der A Cure for Wellness-Interviews in Berlin mit einigen deutschen Filmjournalistenkollegen sprach, meinten manche, dass sie Gore Verbinskis kleinere Filme bevorzugen würden, weil sie eher den Freigeist Verbinski spürbach machen würden. Also habe ich mich gefragt: Okay, wie können wir das untersuchen?

Eine streng wissenschaftliche Methode gibt es dafür wohl kaum, allerdings halte ich folgende Herangehensweise zumindest für einen guten Diskussionsmotor: Ich gehe sämtliche von Verbinskis Regiearbeiten durch, und klopfe sie danach ab, ob sie wiederkehrende Aspekte seiner Arbeit beinhalten.

Für mich definiert sich Gore Verbinskis Arbeit, abgesehen von der detailreichen, oft im Weitwinkel eingefangenen, atemberaubenden Kameraarbeit abgesehen, dadurch, dass er bevorzugt Genres vermengt und seine Filme oft nach einer Traumlogik operieren. Durch viele seiner Regiearbeiten zieht sich je ein markanter Soundeffekt, er kritisiert wiederholt Kapitalismus respektive Materialismus und er sinniert über den Preis, für seine Aufgabe seine Familie hinter sich lassen zu müssen. Mehrfach spielen sich wichtige Szenen im oder auf dem Wasser ab, respektive nutzt er Wasser für einprägsame, symbolisch aufgeladene Bilder - was auf Verbinskis Chinatown-Obsession zurückführen ließe.

Wo ein Gore Verbinski ist, ist Hans Zimmer nicht weit, und wie Ted Elliott und Terry Rossio einst erläuterten, liebt der Regisseur es, Szenerien durch ein ausschöpfendes Maß an Details zu vitalisieren - und sei es, dass Tiere herangeschafft werden müssen. Ziegen vor allem. Und Gore scheint zudem ein barock/gotisches Verständnis von Romantik für besonders filmisch zu halten, genauso, wie er mehrmals zu Protokoll gab, dass sein Hintergrund als Musiker seine Art, Geschichten zu erzählen, beeinflusst habe.

Ganz davon zu schweigen, dass Gore es bevorzugt, wenn Mythologien oder Hintergrundgeschichten fragmentartig und durch teils uninformierte Figuren sogar mitunter widersprüchlich aufbereitet werden - statt durch eine allwissende Expositionsfigur. Und eine graue Moral sei laut Gore stets spannender als eine klare Abgrenzung Gut gegen Böse - was erklären könnte, weshalb seine Filme oft härter sind als vergleichbare Produktionen. Dessen ungeachtet zeigen viele seiner (oft recht langen) Filme, wie die vermeintliche Unschuld lernt, mal so richtig auszuteilen. Klar soweit?

Mäusejagd (1997)

Genremix: Slapstickkomödie / Schwarze Komödie / Realfilmcartoon
Tiere treiben sich wo rum, wo sie nicht hingehören: Ja, das ist die Story des Ganzen!
Ziegen: Keine
Kapitalismuskritik / Materialismuskritik: Nur, wenn man in vollem "Überinterpretationsmodus" ist ...
Der hohe Preis des Jobs / der Berufung: Kein Thema.
Schwarzromantik: Kommt nicht vor.
Traumlogik: Nein, aber der Film ist verflixt anachronistisch in seinem Setting.
Hans Zimmer: Nein, Alan Silvestri.
Musikalische Narrative: Nein.
Graue Moral: Ja. Auf wessen Seite sollen wir hier bitte sein? AUF WESSEN SEITE!?!
Derbheitsgrad: Für eine vermeintliche Familienkomödie recht hoch.
Fragmentierte Erklärungen: Nein.
Die Unschuld lernt, auszuteilen: Aber sowas von!
Laufzeit über 120 Minuten: Nein, 99 Minuten.
Wasser: Nicht in dem Maße, dass ich es als Markenzeichen bezeichnen würde

Mexican (2001)

Genremix: Romantikkomödie, Gangster-Roadtrip, Neo-Western
Tiere treiben sich wo rum, wo sie nicht hingehören: Ja.
Ziegen: Ja.
Kapitalismuskritik / Materialismuskritik: Rudimentär
Der hohe Preis des Jobs / der Berufung: Nein.
Schwarzromantik: Ja.
Traumlogik: Ja, aber subtil.
Hans Zimmer: Nein, Alan Silvestri.
Musikalische Narrative: Nein.
Graue Moral: Ja.
Derbheitsgrad: Für eine Romantikkomödie hoch, für einen Gangsterfilm hingegen recht zahm.
Fragmentierte Erklärungen: Ja.
Die Unschuld lernt, auszuteilen: Ja.
Laufzeit über 120 Minuten: Ja, 123 Minuten.
Wasser: spielt keine besondere Rolle.

Ring (2002)

Genremix: Horrorfilm, Journalismuskrimi
Tiere treiben sich wo rum, wo sie nicht hingehören: Ein durchgedrehtes Pferd auf einer Fähre!
Ziegen: Keine.
Kapitalismuskritik / Materialismuskritik: Keine.
Der hohe Preis des Jobs / der Berufung: Ja, Naomi Watts' Figur hat ein schlechtes Gewissen, weil sie ihren Sohn vernachlässigt hat
Schwarzromantik: Eher nicht.
Traumlogik: Ja.
Hans Zimmer: Ja.
Musikalische Narrative: Eher nicht, auch wenn Zimmers Musik den Film stark beeinflusst.
Graue Moral: Ja, vor allem gen Ende.
Derbheitsgrad: Der Film ist in den USA PG-13, und, verflixt, so wirkt er nicht!
Fragmentierte Erklärungen: Ohja!
Die Unschuld lernt, auszuteilen: Ja.
Laufzeit über 120 Minuten: Nein, 115 Minuten
Wasser: Ohja!

Fluch der Karibik (2003)

Genremix: Fantasy-Piratenabenteuer-Actionkomödie
Tiere treiben sich wo rum, wo sie nicht hingehören: Mehrfach!
Ziegen: Viele, unter anderem in winzig kleinen Booten mitten im Hafen von Port Royal!
Kapitalismuskritik / Materialismuskritik: Nein, wollen wir mal nicht übertreiben.
Der hohe Preis des Jobs / der Berufung: Nein.
Schwarzromantik: Nein.
Traumlogik: Nein.
Hans Zimmer: Ja, er schrieb die meisten der Leitthemen und gab Ratschläge bezüglich weiterer Stücke, den Credit für die Schwerstarbeit erhielt aber Klaus Badelt.
Musikalische Narrative: Durchaus: Es sind Bruckheimer-Actionfilm-Rockpiraten, und diese Attitüde wird durch die Musik eingeführt, zudem besteht eine Korrespondenz zwischen Innenleben der Figuren und dem Score. Laut Verbinski ist die Musik das, was sich Käpt'n Jack Sparrow von sich vorstellt.
Graue Moral: Die Navy macht einfach ihren Job, doch wir wollen das nicht, Käpt'n Jack Sparrow ist ein netter Pirat, der von der Sehnsucht nach Blutrache getrieben wird, Barbossa und seine Crew sind widerliche, ruchlose Piraten, die aber Spaß machen und deren Hauptmotivation die Aufhebung eines sie betreffenden Fluchs ist. Ja. Ja, das ist eine komplexe Moral, wenn man genauer drüber nachdenkt.
Derbheitsgrad: Der Film brachte den Disney-Konzern dazu, sein firmeninternes Markenstatement für den Namen Disney abzuändern. Na, hallo!
Fragmentierte Erklärungen: Ja.
Die Unschuld lernt, auszuteilen: Ja.
Laufzeit über 120 Minuten: Ja, 143 Minuten.
Wasser: Zwangsweise, da es ein Piratenfilm ist, aber Gore macht nicht mehr daraus.

Weather Man (2005)

Genremix: Dramödie, was eher konventionell ist und daher nicht so recht zählt.
Tiere treiben sich wo rum, wo sie nicht hingehören: Nein, von einem Kamelfuß-Insert abgesehen
Ziegen: Nein.
Kapitalismuskritik / Materialismuskritik: Nein.
Der hohe Preis des Jobs / der Berufung: Ja, zweifelsohne.
Schwarzromantik: Nein.
Traumlogik: Eher nicht.
Hans Zimmer: Ja.
Musikalische Narrative: Nein.
Graue Moral: Ja.
Derbheitsgrad: Hat für eine mittelgroße bis kleine Dramödie schon ein paar herbe Spitzen.
Fragmentierte Erklärungen: Nein.
Die Unschuld lernt, auszuteilen: Ja.
Laufzeit über 120 Minuten: Nein, 102 Minuten.
Wasser: Nein, aber Milkshakes.

Die Truhe des Todes (2006)

Genremix: Fortsetzungen dekonstruierendes Piratenactionabenteuerfantasykomödienepos mit Westerneinflüssen
Tiere treiben sich wo rum, wo sie nicht hingehören: Ja, schon wieder diese ganzen Ziegen!
Ziegen: Wie gesagt: Ja!
Kapitalismuskritik / Materialismuskritik: In schlichter Form, aber: Ja.
Der hohe Preis des Jobs / der Berufung: Ein wenig, in Form des Fährenmanns zwischen dem Reich der Lebenden und der Toten sowie des aufgrund seines hohen Arbeitsethos gefallenen Norrington
Schwarzromantik: Ja, als Backstory.
Traumlogik: Eher impressionistisch, aber wenn man großzügig ist ...
Hans Zimmer: Ja.
Musikalische Narrative: Es ist eine ausgewachsene Piraten-Rockoper!
Graue Moral: So, so viel mehr als im ersten Teil!
Derbheitsgrad: Ausgerechnet dieser harte Film diente als Debüt des modernen Disney-Logos. Wie herrlich subversiv.
Fragmentierte Erklärungen: Ohja.
Die Unschuld lernt, auszuteilen: Ohja!
Laufzeit über 120 Minuten: Ja, 150 Minuten.
Wasser: Ja, mehr als in einem Piratenfilm nötig. Wasser dient hier mehrmals als Stimmungsbarometer der Beziehung zwischen Will und Elizabeth.

Am Ende der Welt (2007)

Genremix: Humoriges Piratenactionabenteuer-Spaghettiwestern-Fantasyepos
Tiere treiben sich wo rum, wo sie nicht hingehören: Ja.
Ziegen: Ja.
Kapitalismuskritik / Materialismuskritik: Ja.
Der hohe Preis des Jobs / der Berufung: Ja, frag mal Will.
Schwarzromantik: Ja.
Traumlogik: Ja.
Hans Zimmer: Ja.
Musikalische Narrative: Es ist eine angerockte, opernhafte Piraten-Ballade.
Graue Moral: Ja.
Derbheitsgrad:
Fragmentierte Erklärungen: Ja.
Die Unschuld lernt, auszuteilen: Ja.
Laufzeit über 120 Minuten: Ja, 168 Minuten.
Wasser: Ja.

Rango (2011)

Genremix: Neo-Western-Actionkomödie
Tiere treiben sich wo rum, wo sie nicht hingehören: Ja.
Ziegen: Wundersamerweise: Nein.
Kapitalismuskritik / Materialismuskritik: Ja.
Der hohe Preis des Jobs / der Berufung: Nein.
Schwarzromantik: Nein.
Traumlogik: Ja.
Hans Zimmer: Ja.
Musikalische Narrative: Die Erzähler sind eine Eulen-Mariachiband!
Graue Moral: Abgesehen vom bewusst unsympathischen Protagonisten eher nicht.
Derbheitsgrad: Hoch!
Fragmentierte Erklärungen: Ja.
Die Unschuld lernt, auszuteilen: Ja.
Laufzeit über 120 Minuten: Nein, 107 Minuten.
Wasser: Storyrelevant!


Lone Ranger (2013)

Genremix: Sämtliche Formen des Westernkinos, die es gibt!
Tiere treiben sich wo rum, wo sie nicht hingehören: Als Randgag und als metaphorischer roter Faden. Und als modisches Statement.
Ziegen: Eine Ziege in einem Bordell ...
Kapitalismuskritik / Materialismuskritik: Ja.
Der hohe Preis des Jobs / der Berufung: Nein.
Schwarzromantik: Nein.
Traumlogik: Ja. Respektive: Die Logik eines traumatisierten, eventuell gar dementen Erzählers.
Hans Zimmer: Ja.
Musikalische Narrative: Nicht so recht, aber der Schlussakt ist perfekt auf Rossellini abgestimmt.
Graue Moral: Wie gesetzesgetreu ist Gerechtigkeit?
Derbheitsgrad: Erneut ein Film, der die Grenzen des Disney-Namens auslotet!
Fragmentierte Erklärungen: Ja.
Die Unschuld lernt, auszuteilen: Ja.
Laufzeit über 120 Minuten: Ja, 149 Minuten.
Wasser: Nicht in einem "Das lässt eine Handschrift durchklingen"-Ausmaße

A Cure For Wellness (2017)

Genremix: 70er-Jahre-artiger Psychothriller mit Kubrick-Tempo und Hammer-Studios-Mumm sowie den dunkelromantischen Anklängen des Horrorkinos der 20er bis frühen 40er.
Tiere treiben sich wo rum, wo sie nicht hingehören: Verflucht noch eins, ja!
Ziegen: Ich glaube, in einem Büro sieht man im Hintergrund einen Ziegenkopf als Jagdtrophäe, aber ich bin mir nicht sicher. Im Kino kann man schlecht auf "Pause" drücken.
Kapitalismuskritik / Materialismuskritik: Ja.
Der hohe Preis des Jobs / der Berufung: Der Film bezeichnet beruflichen Ehrgeiz als die Krankheit unserer Zeit, also: Ja!
Schwarzromantik: Und wie!
Traumlogik: Und wie!
Hans Zimmer: Ein Zimmer-Musikstück, der Rest ist von seinem Schüler Benjamin Wallfisch
Musikalische Narrative: Der Film entfaltet sich wie eine gotische, bittersüße Sinfonie
Graue Moral: Ja.
Derbheitsgrad: Moderne Studio-Horrorfilme gehen ungern die Wege, die Gore hier beschreitet.
Fragmentierte Erklärungen: Japp!
Die Unschuld lernt, auszuteilen: Ja, wenngleich nur am Rande.
Laufzeit über 120 Minuten: Ja, 146 Minuten.
Wasser: Aber hallo!

Kurzum: Die Pirates-Filme sind schon sehr verbinskihaft. Wobei diese Checkliste nicht zwingend repräsentativ sein muss. Ich finde, dass sich Weather Man enorm wie ein waschechter Gore-Verbinski-Film anfühlt, deutlich mehr als Mexican, der für mich eher "Verbinski light" ist. Das machen diese Kategorien nicht so recht spürbar. Aber als Diskussonsgrundlage und grobe Orientierungshilfe finde ich sie ganz fesch. Und ihr?

Montag, 20. Februar 2017

Bizaardvark


Internetstars sind überwiegend was? Genau: Jung. Und jeder, der sich intensiver mit der Branche Webvideos befasst, weiß was? Einige der erfolgreichsten Videoproduzenten sind in einem Netzwerk und produzieren ihre Videos allem "Schaut her, habe ich selbst gemacht"-Style zum Trotz, in einem Studio. Eben dieser Subkosmos dient der neuen Disney-Channel-Sitcom als Setting für zügig erzählte Späße.

Das in den USA erst vergangenen Format gestartete Format namens Bizaardvark handelt von Frankie Wong (Madison Hu) und Paige Olvera (Olivia Rodrigo), zwei eng befreundeten Schülerinnen, die mit ihrem Comedyaccount bei der Videoplattform Vuugle die magische Grenze von 10.000 Abonnenten durchbrochen haben. Daher laden die Vuugle-Studios das Duo zu sich ein, um ab sofort als Teil der Vuugle-Videoproduzentenelite seine Videos an einer festen Produktionsstätte zu verwirklichen und mit anderen Topleuten der Vuugle-Szene zu netzwerken.

Die von Kyle Stegina und Josh Lehrman erdachte Sitcom nimmt die typische Tonalität der aktuellen Produktionen aus dem Hause it's a laugh!, setzt also auf schrille Figuren, hohes Tempo und schlichtes Storytelling, verquickt diese aber mit gekonnt überzeichneten Beobachtungen über den Subkosmos Webvideos. Die eingestreuten Clips des fiktiven Bizaardvark-Webchannels könnten auch echte und gelungene YouTube-Videos sein, die viral gehen. So rappen Frankie und Paige in einer Folge darüber, wie wenig schlagfertig sie sind und präsentieren sich dank des gekonnten Irrsinns ihrer Prahlerei als eine Art jugendfreundliches The Lonely Island.

Auch die vielen anderen Figuren aus den Vuugle-Studios fußen auf YouTuber-Archetypen, Episodenplots nähren sich einerseits aus typischen Familiensitcomproblemen wie "Hilfe, wir werden von den anderen Kids wohl nicht gemocht", andererseits aus solch spezifischen Webvideoproblemen wie "Wir müssen eine virale Reihe fortsetzen, haben aber keine Ideen". Die grelle, schnelle Webvideowelt kommt dem typischen Stil der meisten modernen Disney-Sitcoms sehr zugute: Ähnlich wie Crash & Bernstein als Serie mit einer muppetartigen Chaospuppe durch den dazu passenden Wahn die grundlegend gekünstelte Stimmung dieser Serien gezielt kanalisiert, so hilft dieses Setting ebenfalls, die aufgekratzten Serienfiguren in ein Setting zu bringen, wo alles andere eh enttäuschend wäre. Das Klischee über Webvideo-Promis ist, dass sie hyperaktiv sind - da muss eine Sitcom über sie ähnlich sein.

Dank der sehr launigen parodistischen Note ist Bizaardvark ein fescher Spaß, auch für Leute, die außerhalb der Kernzielgruppe der üblichen Disney-Channel-Sitcoms sind, da die ganzen liebevollen Seitenhiebe auf YouTube-Klischees der Serie einen zusätzlichen Reiz verleihen.

Bizaardvark ist ab sofort werktags ab ca. 14.15 Uhr im Disney Channel zu sehen.

Freitag, 17. Februar 2017

Freitag der Karibik #30


Bei Reddit stellte sich Gore Verbinski den Fragen der Fans, und natürlich sprach er auch über seine Pirates of the Caribbean-Filme:

Well, it was really fun to do the three movies and certainly the first movie, there was a real sense of the unknown as we approached the narrative and Johnny's performance and the tone of the film. I certainly think one of the scariest moments in my career was filming the second and third Pirates movie back to back and at some point realizing that we were no longer making the studio nervous and I think when that happens you start to get nervous yourself because you're quite used to telling stories that maybe are operating on that boundary of the unknown and I think that sense of this thing could go off the rails at any moment is such a beautiful place to be and when people start becoming familiar with how things work or what an audience likes or the sense that your movie needs to make 300 million dollars at the box office to be considered successful, suddenly you find yourself wearing a lot more baggage than you intended. I felt like it was a tremendous opportunity and one of the greatest joys of my life to direct the first three films.

Ich liebe Gores Einstellung: "So lange das Studio nervös ist, mache ich meinen Job richtig." Genau dies dürfte erklären, weshalb Teil zwei und drei so viel wagemutiger und verrückter sind: Gore hebelt somit den komfortablen Faktor "Sie führen einen Erfolgsfilm fort" aus und macht sie sich so wieder zu eigen.

Sonntag, 12. Februar 2017

Meine Lieblingsfilme 2016 (Teil II)

Nachdem unter anderem ein wortloser Animationsfilm, ein rasanter Actionfilm, ein ruhiges Disney-Abenteuer und ein satirisches Wirtschaftsdrama ihre Zeit im Rampenlicht dieser Hitliste hatten, geht es nun in Runde zwei meiner favorisierten Filme aus dem Jahr 2016. Und um euch noch ein bisschen mehr auf die Folter zu spannen, möchte ich zunächst noch einige Ehrennennungen abhaken – denn 2016 habe ich neben sehr viel Mittelmaß und einigen ärgerlichen Filmen auch einige Produktionen gesehen, die ich genossen habe – aber nicht so sehr liebe, dass ich ihnen einen Rang in dieser Liste geben möchte.

Dazu zähle ich die Komödie Keanu mit den Comedy-Central-Kultkomikern Key & Peele: Diese Story zweier Normalos, die ins Gangsterdasein rutschen, um das wohl knuffigste Kätzchen der Weltgeschichte zurückzuerlangen, fühlt sich an wie ein moderner Nachfolger solcher Touchstone-Komödien wie Nix zu verlieren oder Verbrechen verführt. Das weckt bei mir einfach nostalgische Gefühle. Auch Antoine Fuquas Die glorreichen Sieben hat mir als actionzentrischer, haptischer Western auf eine "Schön, dass sowas noch gemacht wird"-Art gefallen, ähnlich wie der zwar etwas zäh startende, dann aber zu einem angenehm-kernigen, geradlinigen Actioner werdende Kino-Tatort mit dem Titel Tschiller: Off Duty.

Außerdem lieferte Todd Phillips mit War Dogs eine staubtrocken-ironische Dramödie über groß tönende Emporkömmlinge ab, die das Militär mit Ausrüstung beliefern. Als Mischung aus Pain & Gain und Lord of War ist dieses Jonah-Hill-und-Miles-Teller-Vehikel eine überraschend doppelbödige Demontage des üblichen Phillips-Stils – hat diesen Ansatz aber leider nicht genügend Kritikern und Kinogängern klar genug verkauft.

Green Room ist ein, zu Beginn nicht recht aus dem Quark kommender, starker Slasher mit smarten, vorausschauend handelnden Figuren und einschneidenden Gewaltspitzen. Star Trek Beyond ist quasi "Die Star Trek-Figuren stolpern in einen zügigen Sci-F-Actionfilm", Conjuring 2 ein ausschweifender, handwerklich sehr überzeugender Horrorfilm mit kleineren Durchhängern und Money Monster ein sehr unterhaltsamer Echtzeitthriller mit aufgelegtem Cast, der vielleicht zu oft den belehrenden Zeigefinger rausholt, mir dennoch eine sehr gute Zeit im Kinosaal verschafft hat.

Nun aber genug des Hinhaltens. Hier sind die Plätze 35 bis 26!

Platz 35: The Revenant – Der Rückkehrer (Regie: Alejandro González Iñárritu)

Der Film, der Leonardo DiCaprio endlich seinen verdienten Oscar eingebracht hat: Iñárritu erzählt in diesem Rache-/Survival-Schneewestern von einem Mann, der nach einer nahezu tödlichen Begegnung mit einem Bär eine erschöpfende Reise auf sich nimmt, um es dem Kerl heimzuzahlen, der ihn sterbend zurückgelassen und seinen Sohn auf dem Gewissen hat. Diese geradlinige breitet Iñárritu in aufreibender Ausführlichkeit aus, lässt einen bis ins Detail am Überlebenskampf des Protagonisten teilhaben und kreiert dank Emmanuel Lubezkis Kameraarbeit daraus ein ebenso raues wie atemberaubend schönes Abenteuer mit poetischer Beinote.

Platz 34: 10 Cloverfield Lane (Regie: Dan Trachtenberg)

Mit seinem Langfilmdebüt liefert Regisseur Dan Trachtenberg ein unerwartet humorvolles, zugleich beengendes und hochspannendes Kammerspiel ab: Mary Elizabeth Winstead findet sich in einem Schutzbunker wieder, bekommt von dessen Besitzer (ein magnetischer John Goodman) erzählt, dass draußen grauenvolle Dinge geschehen würden. Hat er Recht oder lügt er, um zu vertuschen, dass er sie entführt hat? Eine rätselhafte Achterbahnfahrt mit starken Performances und geschliffener Dramaturgie.

Platz 33: Ein ganzes halbes Jahr (Regie: Thea Sharrock)

Thea Sharrocks Bestselleradaption ist zugleich eine Romantikkomödie und eine Tragödie über das Verdrängen: Emilia Clarke spielt eine junge Frau, die vor der Verwirklichung ihrer Träume wegläuft, und sich bei Ausführung ihres neuen Jobs verliebt - nämlich in den gelähmten jungen Reichen, den sie pflegen soll. Dank Emilia Clarkes aufgewecktem, animiertem Spiel und der rabenschwarzen Humor aufweisenden Performance ihres Gegenübers Sam Claflin ist der Kassenschlager seinem erstaunlich lustig, doch umso tiefer trifft sein eigentliches Thema: Sharrock führt listig vor, wie leicht wir uns etwas einreden können und gibt dieser zwischendurch so fluffigen Produktion ein bleibendes Echo mit ...

Platz 32: SMS für Dich (Regie: Karoline Herfurth)

Mit ihrem Langfilm-Regiedebüt beweist Karoline Herfurth, dass die deutsche Romantikkomödie doch nicht tot ist: SMS für Dich ist zwar, ganz nüchtern betrachtet, kaum mehr als eine schlichte, konventionelle RomCom-Geschichte. Doch Herfurth formt die "Die Liebe aufgegeben habende Frau verliebt sich neu, hat aber Hürden zu nehmen"-Erzählung dank stilvoller Optik, charmant-gewitzten Dialogen, durch die Bank weg liebenswerter Figuren, die mittels engagierter Schauspielleistungen zum Leben erweckt werden sowie grazilem Tänzeln zwischen romantischer Dramatik und schwärmendem Humor zu einem wunderbaren Genrevertreter.

Platz 31: Unsere Zeit ist jetzt (Regie: Martin Schreier)

Poprapper Cro macht so gar nicht meine Musik. Aber, welch Überraschung: Er macht Kino, das genau nach meinem Geschmack ist. Der Mann mit der Pandamaske produzierte mit Unsere Zeit ist jetzt eine experimentierfreudige Mischung aus Konzertfilm, überdramatisierendem und mehr Fragen aufwerfendem als beantwortendem Origin-Story-Zeichentrickfilm, zuckersüß-graziöser Romantikkomödie und feucht-fröhlicher Meta-Gaga-Komödie in feinster Muppet-Manier. Peri Baumeister gibt in diesem unverdient gefloppten Film die goldigste Darbietung des Kinojahres, Til Schweiger hat göttlichen Spaß daran, sich selber auf den Arm zu nehmen und Regisseur Martin Schreier zaubert wiederholt richtig schöne, stimmige Bilder. Richtig gut und für eine deutsche Mainstreamproduktion erfreulich daneben.

Platz 30: Die Wildente (Regie: Simon Stone)

Simon Stones Neuinterpretation des Theaterstücks Die Wildente gehört für mich zu der Art Film, die mit der Zeit reifen: Zunächst fand ich die nach Australien verlagerte Geschichte einer Familie, die durch die Heimkehr eines frustrierten, mit Geheimnissen bewaffneten Freundes von der Zerschlagung bedroht wird, "nur" recht gut. Ein gut gespieltes, etwas behäbiges Drama. Doch Stone schafft es, diese Geschichte nachhallen zu lassen und dank der komplexen Figurenzeichnung Lust auf Neusichtungen zu wecken. Odessa Young begeistert als komplizierte, eigensinnige Jugendliche, Geoffrey Rush als betrübter Industriemagnat, der kurz vor einer erneuten Eheschließung steht und Paul Schneider als gefrusteter Mann, der ein Familienidyll zu zerstören droht, einfach nur, weil er sich nicht länger mit seinem Leid allein fühlen will. Mit lebensnahen, fein beobachteten Dialogen und raffiniert eingesetzter Symbolik ist Die Wildente ein schlichter, kleiner Film, von dem ein bemerkenswerter Zauber ausgeht. Außerdem: Jeder Film, in dem die Satzfolge fällt: "Die Ente ist jetzt unsere Herrscherin. Sie steht über uns allen!", ist automatisch einer der Guten.

Platz 29: Mit besten Absichten (Regie: Lorene Scafaria)

Aus der unregelmäßig aufploppenden Kategorie "Filme, die früher Touchstone Pictures veröffentlicht hätte" brachte uns das Jahr 2016 die unaufgeregte Feel-Good-Dramödie Mit besten Absichten der Auf der Suche nach einem Freund für das Ende der Welt-Regisseurin Lorene Scafaria. Die wundervolle Rose Byrne und die nicht minder gut aufspielende Susan Sarandon sind hier als Mutter-Tochter-Gespann zu sehen, das sich zwar mag, bei dem es jedoch derzeit hapert: Seit dem Tod ihres Mannes hängt Marnie an ihrer Tochter Lori wie eine Klette. Lori ist davon genervt, Marnie ist davon verletzt, dass Lori genervt ist. Scafaria folgt beiden Figuren durch ihren Alltag, zeigt schleichende Veränderungen und Momente unaufdringlicher Situationskomik. 100 Minuten geballter Charme und ausdifferenzierte Figuren, die sich durch einen süß-herben Tonfall manövrieren. Ein Film, den ich einfach lieb haben muss.

Platz 28: The Lobster (Regie: Giorgos Lanthimos)

Dogtooth-Regisseur Giorgos Lanthimos erschafft mit seinem ersten englischsprachigen Film eine Satire, wie es sie schon lange nicht mehr zu sehen gab: Bitterböse, auf eine kurios-genüssliche Weise staubtrocken, in ihrer Ausführung todernst. Lanthimos arbeitet nicht mit grellem Humor, um sich über das Ziel seiner Satire lustig zu machen, sondern baut ein betrübliches Paralleluniversum auf, in dem das Singledasein verboten ist und die Gesellschaft schockierende Wege geht, um Paare zu formen. Dennoch ist The Lobster keine alltägliche Dystopie, sondern eine, die (vor allem im ersten Akt) durch ihre betont spröde Art einen galligen, rabenschwarzen Sinn für Humor entwickelt. Dieser dient jedoch keinem Selbstzweck, sondern um das Fundament für die in The Lobster erschaffene Welt zu legen. Profund, schräg, dramatisch und ungewöhnlich gespielt: The Lobster ist die Abrechnung mit unserer Gesellschaft, die sie nicht hat kommen sehen, die sie aber dringend braucht.

Platz 27: Hardcore (Regie: Ilya Naishuller)

Crank trifft Egoshooter: Regisseur Ilya Naishuller versetzt sein Publikum in die Ich-Perspektive eines durchtrainierten, taffen Typen, der durch modernste Technologie zum kybernetisch gestärkten Kämpfer aufgewertet wird. Kurz, bevor er endlich seine Stimme zurückbekommen soll, wird seine Freundin, die an dieser Cyborg-Forschung mitwirkt, von einem über telekinetische Fähigkeiten verfügenden Schurken entführt. Nun rennt, springt, schießt und prügelt sich unser Protagonist durch Moskau, um seine Geliebte zu retten. Brutal, einfallsreich, pervers-lustig und (vom etwas zähen Anfang und einem etwas laschen Bordellbesuch abgesehen) wahnsinnig turbulent: Ein schwitziger, dreckiger Adrenalinritt, wie ihn das Actionkino nur selten zu sehen bekommt.

Platz 26: Mustang (Regie: Deniz Gamze Ergüven)

Die türkisch-deutsch-französische Gemeinschaftsproduktion skizziert die gesellschaftlichen Verhältnisse in ländlichen Regionen der Türkei nach - und lässt diese für sich selbst sprechen, statt noch unnötig alles drei Mal zu unterstreichen und mit wohligeren Strukturen zu vergleichen: Eine Gruppe von fünf Schwestern gönnt sich an einem Sommertag einen Moment des Herumblödelns am Strand. Daraufhin wird im Dorf über sie getuschelt - und aus dem Vorwurf, sie seien unzüchtige Luder wird eine Teufelsspirale aus drakonischen Strafen und vehementer Rebellion ausgelöst. Ein Film, der gewollt an den Nerven zerrt, mit einprägsamen Performances und Sequenzen, die lange nachhallen.

Fortsetzung folgt ...

Freitag, 10. Februar 2017

Freitag der Karibik #29

Ein kleiner Blick auf die CG-Effekte in Fremde Gezeiten:


Donnerstag, 9. Februar 2017

Der zweite Hieb tut nicht mehr weh: "Fifty Shades of Grey - Gefährliche Liebe"


Vergeben kann schwer sein. Das trifft auf Beziehungen ebenso zu wie auf Filmreihen. Manchmal wäre es angebracht, zu verzeihen, aber die Wunden sind schlicht noch nicht in ausreichendem Maße verheilt. Andere Male vergibt man, obwohl es sich überdeutlich abzeichnet, dass man dies noch bereuen wird. Und wieder andere Male stellt sich die Frage: Hat das Gegenüber in seiner jetzigen Form es wirklich verdient, für sein früheres Ich verurteilt zu werden? Oder war das Damals tatsächlich so schlimm, dass weder jetzt noch jemals ein Demnächst gestattet werden darf?

Es ist nahezu müßig, erneut festzuhalten, weshalb die Fifty Shades of Grey-Filmreihe jegliches Vertrauen verspielt und somit denkbar schlechte Aussichten auf eine zweite Chance hat. Um es nur in Schlagworten auszudrücken: Zwischen den Hauptdarstellern hat es auf der Leinwand nicht im Geringsten gefunkt. Jamie Dornan wirkte vor der Kamera mehrmals so, als würde alles in ihm dagegen rebellieren, diese Rolle zu spielen. Die Dialoge hatten, von erschreckend wenigen Momenten abgesehen, überhaupt keinen Schwung, weshalb der Film leblos dahintrieb. Der BDSM-Kink wurde unsagbar schlecht repräsentiert. Und in den verkorksten Sequenzen wurde Christian Grey sogar eher wie ein Stalker mit Fähigkeit zu häuslicher Gewalt dargestellt, aber durch Skript und Inszenierung als verruchter Alpha-Gentleman mit pikanten Leidenschaften romantisiert. Ganz davon abgesehen, dass der Spannungsbogen einer horizontalen Linie ähnelte.

Kurzum: In den besten Momenten sah Fifty Shades of Grey gut aus und war währenddessen sterbenslangweilig. In den schlechtesten war er ein fehlgeleiteter Antiservice an einem Fetisch, der eine toxische Beziehungsdynamik in Vollmilchschokolade hüllte und dem nach romantischer Führung geiferndem Publikum als Praline kredenzte.

Kann eine Fortsetzung diesen Karren wieder aus dem Dreck ziehen? Soll, ja, darf die geneigte Zuschauerschaft dem Franchise und somit auch dem eingangs so aussichtslos dastehenden Paar Anastasia Steele & Christian Grey einen Neuanfang gönnen?

Um die moralische Komponente sogleich abzuhaken: Jein. Wer den ersten Teil nicht wie offensichtlich intendiert auffasste, sondern angesichts der missratenen Umsetzung den Film mit einer dem Film Passengers würdigen moralischen Angewidertheit abgelehnt hat, muss bereit sein, Tabula rasa zu machen. Mit Fifty Shades of Grey als Gospel im Hinterkopf handelt der zweite Film schlussendlich noch immer davon, dass eine Frau, die einer ungesundenen Beziehung mit einem gefährlichen Mann entflohen ist, nun zu ihm zurückkehrt. Da lässt es sich konsequenterweise schwer mit den Hauptfiguren mitfiebern, wenn sie das Feuer zwischen ihnen neu entfachen.

Mit etwas Gutwillen präsentiert sich Fifty Shades of Grey - Gefährliche Liebe allerdings als gänzlich anderer Film. Löschen wir das, was Sam Taylor-Johnsons Kassenschlager aus dem Jahr 2015 ist, aus unserem Gedächtnis und konzentrieren uns darauf, was er sein wollte und hätte sein können, geht bereits der bittere Nachgeschmack des Erstlings verloren. Zu Beginn des nun von House of Cards-Regieveteran James Foley inszenierten Sequels begegnen wir dann den Absichten der Filmschaffenden auf Augenhöhe. Und die beabsichtigen, die Geschichte eines in zwischenmenschlichen Angelegenheiten ungelenken, abartig reichen Mannes mit verruchten Vorlieben weiterzuerzählen, der sich in eine sexuell unerfahrene Frau verliebte, sie dann jedoch mit dem unglücklichen Mix aus einem Kindheitstrauma, situativ-panischer Überreaktion sowie einem BDSM-Fetisch verjagt hat. Das ist eine recht konstruierte Erzählung, die nicht zwingend eine ganze Roman- respektive Film-Trilogie verlangt, aber bei einem aufgeschlossenen Geist wenigstens nicht den brennenden Gedanken wachruft, das Gesehene scharf zu verurteilen.


Wer also gewillt ist, Universal Pictures und Produzent Michael De Luca die Qualität des ersten Film zu verzeihen, begegnet den Ex-Liebenden Anastasia und Christian beim Auftakt der Fortsetzung von einer gänzlich anderen, dem Filmgenuss deutlich stärker zugutekommenden Position ausgehend. Wenn es ethisch nicht weiter fragwürdig wäre, diesen Beiden eine erneute Chance zu geben, dann steht diese Erotikromanze nämlich nicht weiter von Anfang an auf verlorenem Posten.

Der erste Schritt zur Aussöhnung mit der Fifty Shades of Grey-Kinosaga wäre damit getan. Die nächsten Schritte müssen indes James Foley, sein Ensemble und seine Crew leisten. Eben diese Schritte tätigen sie allerdings nicht ohne diverse Male zu stolpern. Mal brutal, andere Male erholt sich die 55-Millionen-Dollar-Produktion wieder rasch. So gibt es in dem Film einen derben erzählerischen Sprung, der die Immersion der Handlung zum Bersten bringt und die Vermutung, dass eine Szene fehlt, fast schon auf die Leinwand wirft: Anastasia und Christian stehen vor der Frage, ob sie einem Arbeitswochenende in New York einwilligen sollte. Das Paar wird sich einig, in der nächsten Szene wird diese Einigung verworfen und Anastasia präsentiert das Gegenteil als Lösung - ohne dass Foley oder Hauptdarstellerin Dakota Johnson dies als Sinneswandel erscheinen lassen. Die Folge dessen: Die vorhergegangenen Szenen sind plötzlich sinnlos, der Storyfaden zerfranst.

Gegen Schluss leisten sich die Verantwortlichen zudem einen unfassbaren Fremdschammoment, wenn sie eine kurze, bemüht herbeigeschriebene Spannungsspitze über das Schicksal des von Jamie Dornan verkörperten Millionärs mit einer eher an Filmparodien erinnernden Leichtigkeit auflöst - inklusive spitzenmäßigem Auftreten des Hauptdarstellers, der so aussieht, als hätte er sich schlimmstenfalls beim Joggen ein paar Runden zu viel zugemutet und dann an einem niedrigen Türrahmen kurz den Kopf gestoßen.

Es spricht jedoch Bände, dass diese zwei "Ist das gerade wirklich passiert?"-Momente tatsächlich die zwei eklatantesten Mängel an Fifty Shades of Grey - Gefährliche Liebe sind. So sorgt ausgerechnet Niall Leonard, der Ehemann der eine grauenhafte Prosa aufs Papier bringenden E.L. James, dafür, aus James' grobschlächtig verfassten Vorlage ein Skript zu formen, das sich meilenweit vom Schnarchfetzen entfernt, den der Erstling darstellt. Leonard legt den sich in stotterndem Tempo wieder annähernden Liebenden Dialoge in den Mund, die an dieser Stelle das neu erschaffene Etikett "Glamour Akwardness" verpasst bekommen sollen: Anastasia und Christian bezirzen einander, bremsen sich plötzlich wieder aus und spornen sich dann plötzlich gegenseitig zu neuer Leidenschaft an - all dies in glatt polierten, aber sympathischen Hollywood-Dialogen. Jedenfalls dann, wenn sie mit ihrer Wortwahl nicht in ein Fettnäpfchen trampeln.

Ganz gleich, ob Anastasia, die von Christian überrumpelt und zum Essen eingeladen wird, verlegen vor sich hinstammelt "Okay, wir gehen essen, aber nur weil ... ich hab Hunger" oder einer von Beiden den anderen mit einem überromantischen oder verwegenen Spruch beeindrucken will, der allerdings die beabsichtigte Wirkung brutal verfehlt: Immer wieder sind die Dialoge in unangebrachten Momenten durch Fremdschamwirkung ziemlich komisch. Doch die pointierte Weise, mit der Leonard zu diesen ungewollt lustigen Passagen hinleitet, die verschmitzt-verspielte Darbietung von Johnson und Dornan sowie Foleys Raum für Schmunzler lassende Regieführung macht deutlich: Diese Szenen sollen lustig sein. Sie ahmen, durch ein Hollywood-Hochglanz-Prisma gefiltert, diese kleinen, amüsant-peinlichen Wortwechsel nach, die Verliebte im Alltag nun einmal durchmachen. Und ist nicht genau so etwas die Aufgabe eines Romantikfilms?

Ein Unterschied wie Tag und Nacht ist zwischen diesem Film und seinem Vorgänger dennoch nicht auszumachen. Eher einer wie Tag und Spätabend, denn partiell verleiten die Dialoge auch in Augenblicken zur Fremdscham, in denen sie deplatziert ist. Überdeutlich ausformulierte Exposition, ungelenke Wortwiederholungen innerhalb weniger Augenblicke, Figuren, die laut aussprechen, was sie denken oder tun: Egal, ob der Drehbuchautor zwischendurch schluderte oder E.L. James mit dem ihr zugesicherten Mitspracherecht verhinderte, dass der Rotstift noch häufiger angesetzt wird - Fifty Shades of Grey - Gefährliche Liebe ist zwar deutlich besser geschrieben als der Vorgänger, etwas mehr Feinschliff hätte er dennoch verdient gehabt.

Das trifft nicht nur auf das Dialogbuch zu, sondern auch auf die Geschichte. Denn die von Kameramann John Schwartzman (Saving Mr. Banks) in angenehmer Weichzeichneroptik eingefangene Story setzt auf drei Minischurken, die sich alle als kleinere Problemchen entpuppen, aber mühevoll aufgebaut werden. Eine flüssige Dramaturgie kann so nicht entstehen. Vor allem Kim Basinger als beste Freundin von Christian Greys Mutter sowie dessen passiv-aggressive Erotikmentorin erweist sich eher als wandelnde, überflüssige Betonung der Figurenentwicklung, die ohne sie effizienter ablaufen würde.

Bella Heathcote als Christians zum Stalker mutierte Ex-Sub und Eric Johnson als Anastasias dubioser neuer Boss sind derweil solides, schmückendes Beiwerk: Für sich stehend nicht wirklich einschüchternd, aber sie bringen die Handlung in passabler Form voran. Entscheidender ist eh, dass James Foley die Essenz von Fifty Shades of Grey - Gefährliche Liebe deutlich versierter umsetzt als zuvor Taylor-Johnson. Gewiss, im Vergleich zu Arthouse-Sexdramen ist diese Filmreihe noch immer prüde, aber für eine an ein Massenpublikum gerichtete US-Bestselleradaption mit Budget jenseits der 50-Millionen-Dollar-Marke ist der Film sehr wohl sinnlich und wagt sich ohne Scheu in Gefilde vor, die das Mainstreamkino wenn überhaupt nur mittels schockiert-pikiertem Tonfall in Vulgärkomödien anpackt. Dass Foley die Songauswahl prägnanter unter die Filmsequenzen legt als seine Vorgängerin, obwohl diese mit markanteren Liedern arbeitete, und zwischen Johnson und dem wie ausgewechselt agierenden Dornan nun auch ein glaubwürdiges Feuer lodert, kommt den Sexszenen ebenfalls zugute.

Auch hier wäre dann und wann weniger Dialog mehr gewesen, da (anders als im Erstling) die sich ändernde Beziehungsdynamik bereits überzeugend nonverbal durch die leicht bekleidete bis unbekleidete Interaktion zwischen Anastasia und Christian vermittelt wird. Dass Foley, wie schon Taylor-Johnson, deutlich häufiger Dakota Johnsons nackten Körper in Szene setzt und den an Christian Grey interessierten Teilen des Publikums deutlich weniger Fanservice bietet, ist dahingehend natürlich etwas unglücklich. Dennoch: Nach dem faden, lahmen Original ist dieses ansehnliche Sequel eine kräftige Überraschung. Und eine wertvolle Lektion in Sachen Hollywood-Franchises. Gelegentlich rappeln sich die verkorksten Freaks unter ihnen ganz unerwartet wieder auf.

Alle Interessenten, die Fifty Shades of Grey nicht gesehen haben, sollten daher einfach mit Teil zwei anfangen. Jene, die 2015 neugierig waren, sich in den Roten Raum wagten und danach von der schalen Bestselleradaption abgeschreckt wurden, sollten einen zweiten Blick riskieren. Und wer eine gute, smarte, risikofreude Erotikromanze sehen möchte ... Ja, gut, diejenigen sollten weitersuchen. Denn selbst mit dieser beeindrucken Lernkurve zwischen Part eins und zwei ist Fifty Shades of Grey noch immer unausgereiftes Liebeskino mit verruchter Beinote. Ich aber komme von der nach Vergebung suchenden Warte aus: Ein Flop-Franchise rappelt sich ins durchwachsene Niveau auf. Darauf möchte ich lieber erstaunten Blickes ein Gläschen Sekt erheben, statt die Peitsche zu schwingen. Was sicher nicht zwingend im Sinne der Kernzielgruppe ist, aber ihr wisst doch, was ich meine ...

Montag, 6. Februar 2017

Da ist das Ding: Der Extended-SuperBowl-Spot zu "Pirates of the Caribbean: Salazars Rache"



Pirates of the Caribbean: Salazars Rache (Originaltitel: Pirates of the Caribbean: Dead Men Tell No Tales) startet am 25. Mai in den deutschen Kinos. In 2D und 3D.

Positiv: Ich mag, worauf wir uns angesichts dieser Aussicht in Sachen Seefahrtsaction einstellen dürfen. Barbossa hat sich sichtlich verändert, was nach fünf Filmen und unzähligen Seejahren auch gerne passieren darf. Geistervogel! Das stark modifizierte Disney-Logo. Oh, Will hat sich doch etwas verwandelt, ich bin gespannt, was es damit auf sich hat, hätte gedacht, er bleibt menschlich!

Negativ: Ich finde den Song unpassend gewählt, da hat irgendwer im Marketingteam versucht, den Hype um den Logan-Trailer zu imitieren. Leute, gebt uns doch lieber einen Vorgeschmack auf Geoff Zanellis Score, denn das, was auf Instagram angeteasert wurde, war doch schon klasse! 

Samstag, 4. Februar 2017

StreetDance: New York


Fortsetzung leicht gemacht: Man nehme einen Film, betitle ihn nach dem Schema eines bereits existierenden Franchises. Fertig! Genau diese Masche verfolgt der Verleih Universum Film mit der US-Produktion High Strung, die hierzulande als neuer Teil der britischen Tanzfilmreihe StreetDance vermarktet wird. Doch ganz gleich, ob die jüngste Regiearbeit Michael Damians (In der Hitze von L.A.) nun High Strung oder StreetDance: New York heißt: Das in ihr gezeigte Aufeinandertreffen von klassischer Geigenmusik und elektronischen Beats, von Breakdance und Ballett mag stellenweise dumm und klischeehaft sein. Aber gute Güte, ist diese Big-Apple-Tanzstory charmant! Und die Musik- respektive Tanzsequenzen müssen sich wahrlich nicht vor beeindruckenden Genrevertretern wie Step Up: Miami Heat verstecken!

Im Mittelpunkt steht die klassische Balletttänzerin Ruby (Keenan Kampa), die aus ihrer Leidenschaft ihre berufliche Zukunft machen will und sich daher an der renommiertesten Musikschule New Yorks zum Studium einschreibt. Dort muss sie sich aber auch in ihrer bisherigen Schwachstelle behaupten: Dem kontemporären Tanz. Als Ruby zufällig den britischen Violinisten Johnnie (Nicholas Galitzine) kennenlernt, der sich als Straßenmusiker sein Kleingeld verdient, öffnet sich für sie aber Tür und Tor zum modernen Tanz. Denn der zurückgezogene, aber ehrgeizige und dickköpfige Johnnie lässt in seine klassische Musik zeitgenössische Einflüsse einfließen. Gemeinsam mit Johnnies Nachbarn, einer Gang von StreetDancern, arbeiten sie an einer Performance, die Rubys schnöseligen Studienkollegen zeigt, was in ihr und dem Außenseiter aus dem Vereinigten Königreich steckt. Doch das Schicksal stellt Ruby und Konsorten Steine in den Weg …

Eines lässt sich leider nicht vertuschen: Das von Janeen & Michael Damian verfasste Dialogbuch tut dann und wann weh! Die Figuren unterhalten sich in großen, pappsüßen Plattitüden, und wenn Ballettlehrer Kramrovsky (Paul Freeman) aus heiterem Himmel eine tragische, die Story nicht weiterbringende KZ-Hintergrundgeschichte verpasst bekommt, dann heißt’s „Zähne zusammenbeißen!“ In der Synchronfassung werden zwar die ärgsten, hohlsten Tautologien weggebügelt, trotzdem sind die Dialogsequenzen die überdehnte Achillessehne dieses Films. Abseits der leeren, nichtssagenden Worthülsen bringt das magere Skript auch Plotfäden mit sich, die nirgends hinführen – wie etwa die frühen Andeutungen, Johnnie hätte ein dunkles, dunkles Familiengeheimnis.

Dadurch, dass die Dialoge nicht mehr sind als austauschbarer Fluff, fällt es schwer, ein Gefühl für die Protagonisten zu entwickeln und mit ihnen mitzufiebern. Genreklassiker wie Flashdance und Dirty Dancing tänzeln da auf einem wesentlich besseren Parkett. Allerdings befinden sich in diesem Berg verbaler Zuckerwatte letztlich sehr wohl genug Spurenelemente von Aromen, um die Strecken zwischen den Tanzpassagen trotzdem passabel zu gestalten. Etwa, wenn Ruby vor sich hinmurmelt, ob sie an einem Süßwarenautomaten nun etwas Kalorienarmes, etwas Zuckerfreies oder doch einen Erdnussbutter-Schokoriegel ziehen soll. Große Drehbuchkunst sieht anders aus, aber Spaß macht’s durchaus.

Wo StreetDance: New York durch die Bank weg punktet, sind derweil die Szenen, die auch das Grundgerüst eines solchen Films darstellen: Die Tanzeinlagen. Manche sind kurz, beschwingt und dank fähigem Schnitt trotz alltäglicher Choreografie schlicht hübsch anzusehen – wie etwa ein kleiner Ausflug in einen Irish Pub, wo (Überraschung!) eine Stepptanznummer vom Stapel gelassen wird. Die ausführlicheren Sequenzen sind derweil gewitzt und einfallsreich. Choreograf Dave Scott lässt ein Violinenduell in eine artistische Fechtsequenz ausarten und verschmilzt im Finale diverse Einflüsse zu einem bombastischen, neuen Ganzen. Verquickt mit der bemerkenswerten Kameraarbeit des bislang wenig beachteten Kameramanns Viorel Sergovici (Dracula - Prince of Darkness) machen diese Szenen StreetDance: New York zu einem kleinen Augenschmaus: Die prächtige Lichtsetzung und akzentuiert eingesetzte Kamerabewegungen verleihen diesem Film Glanz und eine dynamische Bildsprache, die ihn deutlich über viele Genrekollegen hinfort hebt.

Der gebotene, musikalische Facettenreichtum rundet diesen zwischendurch einen winzigen Takt zu schnell geschnittenen Leinwandspaß ab: StreetDance: New York ist des Öfteren unsinnig bis dämlich. Und vielen der Darstellern ist es anzumerken, dass sie eigentlich Tänzer, aber keineswegs Schauspieler sind. Trotzdem sind sie sichtbar engagiert bei der Sache. Hinzu kommt eine tonal ausgewogene Regieführung, und schon geschieht es: Mit Vorzeigelook, gutem Sound und augenzwinkernden Einfällen in den rundum spaßigen, passionierten Tanzsequenzen stellt Michael Damians New-York-Ausflug ein schwer widerstehliches Guilty Pleasure dar.

Fazit: Doof, aber munter: StreetDance: New York ist kompetent inszeniert, hat starke Tanzeinlagen zu bieten, sieht spitze aus und klingt gut. Da lacht man doch gern die dummen Dialoge und die flachen Figuren hinfort. Herrliches Gute-Laune-Kino ohne Sinn und Verstand!

Freitag, 3. Februar 2017

Freitag der Karibik #28

Während wir weiter auf den Trailer zum fünften Teil warten und hoffen, dass er in Sachen starker Trailermusik wieder mehr an die Vorschauen zu Teil zwei und drei erinnert und weniger an den musikalisch nur mäßig spannenden Ausblick auf den vierten Film, lohnt es sich, den Sound dieses alten Trailers in Erinnerung zu rufen:



Yeah. Das Marketing zu Die Truhe des Todes und Am Ende der Welt hatte es einfach raus!

Donnerstag, 2. Februar 2017

Wiener-Dog


Indie-Regisseur Todd Solondz mag zwar unter anderem einen Film namens Happiness inszeniert haben, doch dieser Titel ist bei ihm alles andere als Programm. Der aus New Jersey stammende Filmkünstler hat sich auf ultratrockene, pechschwarze Komödien spezialisiert, die sich auf der Idealismusskala irgendwo zwischen Pessimismus und Misanthropie befinden. Wiener-Dog, seine neunte Regiearbeit, ist zwar Solondz‘ bislang wohl zugänglichste – dank einer Verschnaufpausen erlaubenden, episodenhaften Erzählweise, einem vergnügt-albernen Pausensong (und das bei weniger als 90 Minuten Laufzeit!) und einer die Herzen der Tierfreunde höher schlagen lassenden Titelfigur. Dennoch ist und bleibt Solondz ein alter, verbitterter, räudiger Köter von einem Regisseur. Und ein echter Hundefreund scheint er auch nicht zu sein, was den Tierfreunde-Knuddelbonus letztlich wieder zerstört.

Erzählt werden, unterbrochen von einer musikalischen Einlage, vier Geschichten, die sich im Leben der Besitzer einer Dackeldame ereignen. Zunächst wird dieser Wiener-Dog von einer Familie der gehobenen Mittelschicht adoptiert, doch da die Titelheldin noch nicht stubenrein ist, wird sie vom zornigen Familienvater alsbald aus dem geliebten, klinisch sauberen Heim verbannt. Tierarzthelferin Dawn Wiener (Greta Gerwig) übernimmt die kleine Vierbeinerin, kümmert sich kurz darauf aber mehr darum, ihrer Jugendliebe (Kieran Culkin) zu gefallen. Anschließend findet die Hündin erst bei einem grantigen Filmemacher (Danny DeVito) und letztlich bei einer übellaunigen Rentnerin (Ellen Burstyn) ein Zuhause.

Solondz macht es denjenigen im Publikum, die noch nie mit ihm in Berührung gekommen sind, ausnahmsweise einfach: Er stellt die freundlichste Episode voran und gibt so Unerfahrenen eine faire Chance, sich mit der dargebotenen Weltsicht anzufreunden. Die von Julie Delpy mit großartigem Gespür für spröde Komik gespielte Mutter (man achte auf ihr wiederkehrendes „Habe ich das meinem Sohn gerade wirklich so gesagt?“-Gesicht) zeigt sich sowohl ihrem erst kürzlich von Krebs geheiltem Kind (Keaton Nigel Cooke) gegenüber fürsorglich, als auch im Umgang mit der Dackeldame. Auch die entnervten Reaktionen des Patriarchen Danny (Tracy Letts) auf die noch zu erziehende Hündin könnten aus zahllosen Familienkomödien stammen – abgesehen von der harschen Wortwahl.

Doch was der Autorenfilmer aus dem Konzept „Vater kauft Hund, Mutter hinterfragt das, Junge liebt Hund, die Eltern tauschen ihre Position gegenüber dem neuen Familienmitglied“ macht, ist dann eben doch Solondz pur: Zentrales Element dieser Einstiegsepisode sind die ausführlichen Gespräche zwischen Mutter und Sohn über ethische und erzieherische Fragen, die sich durch die Anschaffung des Hundes plötzlich aufdringen. Wieso können, ja, sollen, wir den Willen eines Hundes brechen, um ihn stubenrein zu machen? Dürfen wir einfach entscheiden, ein Wesen sterilisieren zu lassen? Und ist der Tod eigentlich angenehm? Die Wortwechsel, die Solondz seinen Figuren dabei in den Mund legt, haben allesamt einen philosophischen Kern, sind vor allem aber von boshaftem Humor geprägt – schließlich erzählt Delpys Figur mit seligem Lächeln ihrem kleinen Jungen von Vergewaltigung und schürt durch mies gewählte Beispiele zudem noch Fremdenangst.

Sobald die Titelhündin erstmals den Besitzer wechselt, ist es aber selbst mit der vermeintlichen Idylle vorbei. Die weiteren Menschen, die der Wiener-Dog kennenlernt, interessieren sich wenig für sie und ihr Umgang mit ihrem zweibeinigen Umfeld ist zumeist noch nachlässiger. Greta Gerwig, die die pseudo-erwachsene Version einer Willkommen im Tollhaus-Figur spielt, rennt treudoof jemandem hinterher, der zu Schulzeiten grausam war und den sie damals trotzdem heiß fand. Ihr (etwas schleppender) gemeinsamer Road-Trip ist denkbar unromantisch, nicht zuletzt dank Kieran Culkins herrlichem, dauer-angewidertem Gesichtsausdruck, und dreht sich letztlich mehr um eine bittersüße Familiengeschichte. DeVitos Episode dagegen ist ein jegliche Subtilität aufgebender Kommentar auf Solondz‘ Stand im Filmgeschäft, was wegen der zahlreichen Hollywood-Referenzen viele Filmfans begeistern sollte, selbst wenn die Episode eigentlich nahezu durchweg auf der Stelle tritt.

Burstyns Geschichte ist schlussendlich ein Crescendo an Trübsinn, zeichnet Solondz doch ein freudloses Familienbild, behelligt den Zuschauer feixend mit einer rassistischen Karikatur und zieht einer Traumsequenz, die eine bittere Katharsis verspricht, durch einen konsequent-gemeinen Schlussgag den Boden unter den sprichwörtlichen Füßen weg. All dies setzt der Regisseur auf inszenatorisch wackligem Niveau um: Solondz beweist durchaus ein Händchen für einprägsame Bilder, jede Episode hat Einstellungen, die Bände sprechen. Sei es der kleine Junge, der seiner geliebten, in den Käfig gespielten Hündin etwas auf der Flöte vorspielt, oder etwa ein Polizist, der sich in einer Gefahrensituation vorsichtig dem kleinen Titeltier nähert. Allerdings leidet Wiener-Dog (insbesondere in Autofahr-Szenen) wiederholt an unfassbar miesen Bildkompositionen und der sonst so meisterhafte Arbeit abliefernde Kameramann Edward Lachman (Carol) hat es hier mit dem Gelb-Grün-Stich etwas zu gut gemeint, zudem wirken einige Szenen arg überbelichtet.

Dessen ungeachtet hat Wiener-Dog in seiner kurzen, und dennoch manchen Leerlauf beinhaltenden, Laufzeit genügend Schmankerl für Freunde des bitteren Humors zu bieten, das diese einen Blick wagen sollten. Freundlicher wird ihnen Solondz‘ wohl nie erklären, dass die USA wie ein dicker Elefant sind, der in einem Meer der Verzweiflung ertrinkt.

Fazit: Eine gewollt freudlose Ensemblekomödie über unfähige, egozentrische und kantige Menschen.