Die Drehbuch-Kategorien beim Oscar sorgen immer wieder für Spannung, sind sie doch ein Mix aus den großen Favoriten auf den Hauptpreis und einigen originellen, verqueren Autorenstücken. Zudem lassen sie sich nicht ganz so einfach vorhersagen, wie es wohl vielen von uns Oscar-Nerds lieb wäre. Denn der wichtigste Indikatorpreis, der Award der Autorengewerkschaft, verfolgt andere Regeln. So können nur Werke von Gewerkschaftsmitgliedern nominiert werden, was einige Topskripts ausländischer Drehbuchautoren aus der Gleichung nimmt. Außerdem sind Trickfilm-Drehbücher nicht mit den Leitlinien der Writer's Guild Awards vereinbar. Und schlussendlich haben die WGA und die Academy mitunter ganz eigene Vorstellungen davon, was adaptiert ist und was ein Original ausmacht.
Bevor ich versuche, die Academy-Nominierungen in den Drehbuchkategorien vorherzusagen, möchte ich zur Orientierung die jeweils fünf Nominierten in den Sparten für das beste Original-Drehbuch und das beste adaptierte Drehbuch auflisten und kurz darauf eingehen.
Bestes Original-Drehbuch (WGA)
- Hell or High Water, Taylor Sheridan
- La La Land, Damien Chazelle
- Loving, Jeff Nichols
- Manchester By The Sea, Kenneth Lonergan
- Moonlight, Barry Jenkins
Damien Chazelles wunderschönes, nostalgisches Musical La La Land kündigt allerspätestens durch diese Nominierung seinen Oscar-Lauf an. Denn das von Kritikern gefeierte Werk des Whiplash-Regisseurs hatte bei kritischeren Branchenbeobachtern bislang eine Achillesferse: Das Drehbuch. Ein letzter Schliff würde fehlen, finden manche, die sich nicht von diesem Film haben verzaubern lassen. Dass nun die Autoren ihren Rückhalt für La La Land signalisieren, könnte großes bedeuten.
Erwähnenswert ist zudem, dass Loving, den ich selber noch nicht gesehen habe, auch in den Augen vieler Liebhaber dieses Dramas mehr von der Inszenierung und den Darstellern lebt, und weniger von Story, Struktur oder Dialogen. Also eine streitbare Nominierung ...
Bestes adaptiertes Drehbuch (WGA)
- Arrival, Eric Heisserer; basierend auf Story of Your Life von Ted Chiang
- Deadpool, Rhett Reese & Paul Wernick; basierend auf der Deadpool-Comics
- Fences, August Wilson; baserend auf seinem Theaterstück
- Hidden Figures, Allison Schroeder und Theodore Melfi; basierend auf dem Sachbuch von Margot Lee Shetterly
- Nocturnal Animals, Tom Ford; basierend auf dem Roman Tony and Susan von Austin Wright
Ui, sogleich zwei Filme unter den Nominierungen, die ich böse überschätzt finde: Deadpool, der nur halb so cool, subversiv und das Genre feierlich umkrempelnd ist wie die längst nicht so umjubelten Kick-Ass-Filme. Und Nocturnal Animals, die mit dem Vorschlaghammer als anspruchsvoll verkaufte, filmische Version dessen, was das kleine Einmaleins der Binnenfiktion anbelangt.
Nicht für den WGA Award qualifiziert, wohl aber für den Oscar, sind die bei anderen Preisen berücksichtigten Skripts zu Findet Dorie, The Lobster, Miss Sloane, Zoomania und Florence Foster Jenkins. Außerdem wichtig: Moonlight sowie Loving gelten bei den Oscars als adaptierte Skripts. Angesehen und WGA-qualifiziert, aber nicht nominiert, sind übrigens unter anderem die Skripts zu Sully, Silence, Love & Friendship, 20th Century Women und Jackie.
Aus diesem Pool gilt es nun, die Oscar-Nominierungen zu erraten. Ich beginne mit den adaptierten Skripts, weil sich hier durch die Regularien der Academy mehr heiße Anwärter tummeln:
Bestes adaptiertes Drehbuch (Oscar-Prognose)
- Arrival, Eric Heisserer; basierend auf Story of Your Life von Ted Chiang (Smart, berührend, groß gefeiert)
- Fences, August Wilson; baserend auf seinem Theaterstück (Großer Achtungserfolg)
- Hidden Figures, Allison Schroeder und Theodore Melfi; basierend auf dem Sachbuch von Margot Lee Shetterly (Publikumsliebling, emotional und inspirierend - echter Academystoff)
- Lion, Luke Davies; basierend auf Saroo Brierleys Autobiografie (geachteter Film, der aber kein Awards-Momentum gewinnt, Drehbuchnominierung als Weg, wenigstens die Story zu würdigen)
- Moonlight, Barry Jenkins; basierend auf dem Theaterstück In Moolinght Black Boys Look Blue von Tarell Alvin McCraney (Aufwühlende Geschichte mit großem Oscar-Buzz)
In der Sparte für das beste Original-Drehbuch gilt es, die Moonlight und Loving-Lücken zu schließen - und abzuwägen, ob die verbliebenen Skripts der restlichen Konkurrenz standhalten können. Ich würde mutmaßen: Ja. Auch wenn mir Hell or High Water gefallen hat, kann ich nicht ganz nachvollziehen, weshalb sein Skript solchen Buzz genießt, aber nach diversen Awards-Nominierungen ist das neue Werk des Sicario-Autoren Taylor Sheridan eines der großen Branchengespräche. La La Land macht seine etwaigen Paching-Probleme durch "Bester Film"-Buzz und zahlreiche, clevere, die Geschichte bereichernde Verweise wett und Manchester by the Sea hat sogar bereits einige Drehbuchpreise in der Tasche.
Stellt sich also bloß die Frage, welche Skripts die zwei vakanten Slots ausfüllen. Ich denke, The Lobster ist sicher mit dabei - die hier Abstimmungsberechtigten Academy-Mitglieder, die auf solche Autoren wie Wes Anderson stehen, werden sich hinter diese ungewöhnliche Liebesgeschichte stellen. Slot fünf lässt mich ratlos zurück: Der die Zeichen der Zeit lesende und kommentierende Zoomania, das intensive Psychogramm Jackie oder die beliebte Dramödie 20th Century Women? Vielleicht doch Indie-Darling Captain Fantastic? Mein Bauch tippt auf:
Bestes Original-Drehbuch (Oscar-Prognose)
- Hell or High Water, Taylor Sheridan
- Jackie, Noah Oppenheim
- La La Land, Damien Chazelle
- The Lobster, Efthymis Filippou & Yorgos Lanthimos
- Manchester By The Sea, Kenneth Lonergan
Und was sind eure Prognosen?
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