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Sonntag, 29. Januar 2017

Meine Lieblingsfilme 2016 (Teil I)

Jahr für Jahr wird an irgendeiner Stelle über den Stand der Filmkunst geschluchzt, gejammert, gewimmert und geklagt: Zu viele Blockbuster, seufzen die Einen. Zu wenig Kassenschlager, die dem Kino das Überleben sichern, meckern die Anderen. Kinofilme seien völlig ideenlos und hätten sich von Fernsehserien überholen lassen, mosert Seite A. So viele Kinofilme seien so findungsreich und kreativ, gingen jedoch an der Masse vorbei, krächzt Seite B.

An dieser Stelle sei einmal nicht geklagt, geschimpft oder gewimmert. Hier soll einfach gefeiert werden: 2016 mag hinsichtlich der großen Franchise-Produktionen öfter versagt als obsiegt haben, das lässt sich nicht bestreiten. Aber abseits der kreativen Flops mit Ansage sowie den auffälligen, jedoch schnell verschmerzten Enttäuschungen starteten 2016 zahlreiche sehenswerte, unterhaltsame, einfallsreiche, spannende, kluge oder schlichtweg bildhübsche Filme.

Und eine Auswahl davon will ich euch nun endlich vorstellen: 45 Filme, die 2016 in Deutschland ihre Kinopremiere feierten oder direkt unzeremoniell auf DVD und Blu-ray geparkt wurden, und die mein Filmliebhaberherz besonders hoch schlagen lassen! Ich erkläre es alle Jahre wieder, aber sicher ist sicher: Dies sind nicht die 45 Filme, die ich, wäre ich in einem Komitee zur Kuratierung kulturell imposanter Kinoproduktionen, meinen Vorgesetzten als schützenswert vorschlagen würde. Es sind auch nicht zwingend (aber vielleicht stellenweise) die 45 Filme, die ich aufgrund meines Verständnisses des cineastischen Kunsthandwerks am stärksten feiere. Es sind, so einfach kann es sein, die 45 Filme, die ich ganz persönlich, hochsubjektiv und frei aus meinem Herzen heraus am meisten verehre.

Klar soweit? Dann haltet euch fest, denn euch erwartet ein kunterbuntes, positiv-eklektisches Sammelsurium!

Platz 45: Radio Heimat (Regie: Matthias Kutschmann)

Das Marketing positionierte Radio Heimat als vergangenheitsverliebte Geschichte über Jugendpeinlichkeiten. Doch damit hat es dieser Coming-of-Age-Komödie Unrecht getan: Matthias Kutschmann adaptierte den gleichnamigen Roman in Form eines neckisch sowie tief in 80er-Zeitkolorit sowie Ruhrgebiet/Niederrhein-Lokalkolorit getauchten Kinospaßes, der sein Gewand liebevoll neckt. Menschen sind überall doof, es war schon immer alles nicht perfekt - und im NRW der 80er-Jahre halt auf diese Weise. Mit einer dysfunktionalen Chaostruppe aus Freunden im Mittelpunkt, die alle ihre ersten Gehversuche in ernsten Beziehungen machen, Jugendschabernack und raffinierter Situations- sowie Dialogkomik und glaubwürdigen ruhigeren Momenten ist Radio Heimat trotz mancher dramaturgischer Ecken und Kanten ein feiner Film geworden, der nicht nur Nostalgikern und NRWlern ein munteres Grinsen abringen dürfte.

Platz 44: Die Winzlinge – Operation Zuckerdose (Regie: Thomas Szabo)

Ein Film, der mein Trickfilmliebhaberherz vor Freude jubeln lässt: Stilisierte, verflixt süße Krabbeltiere agieren vor einem realen Hintergrund - und dies komplett ohne Text. Allein die Charakteranimation und originelles Sounddesign bringen diese Geschichte über einen Marienkäfer, der sich mit einer Ameisentruppe anfreundet, zum Leben. Zuckersüß, ein Paradebeispiel dafür, wie gut Trickfilme ohne Dialoge funktionieren können und obendrein ein sehr amüsant-knuffiges Abenteuer, das einem zwangsweise ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Platz 43: Der Nachtmahr (Regie: Akiz)

Ein Film, wie eine zum Rave mutierte, gothische Bösenachtmär: Eine Jugendliche wird nach einer zügellosen Partynacht von Albträumen geplagt und fühlt sich stets verfolgt. Regisseur Akiz, der hiermit eine thematische Trilogie eröffnet, beginnt Der Nachtmahr intensiv, manisch, laut. Nimmt dann das Tempo raus, um durch farbintensive Bilder und schleichende Spannung eine auf die Psyche gehende Suspense zu erzeugen, ehe er eine modernisierte, doch im Kern altmodische Variante des "Protagonist(in) und ihr seltsames Wesen" erzählt, die jeder ganz frei interpretieren darf. Ehe es wieder verwirrend wird und wir den Film mit aufgeregten Fragen verlassen. So kann Indie-Kinodeutschland also sein!

Platz 42: Elliot, der Drache (Regie: David Lowery)

Ein Film, der den Disney-Zauber atmet, und der dennoch so anders wirkt: David Lowery inszeniert diese in einem Country-Bilderbuch-80er-Jahre-Setting spielenden Film auf bezaubernde, mit großen Augen staunende Weise. Und trotzdem ist diese "Ein Waisenjunge und sein Drache"-Story unaufgeregt, beiläufig, schlicht. Unpathetische, schlichte Dialoge, eine malerische, aber geerdete Optik: Elliot, der Drache ist eine gelungene Ehe aus Sundance-Material und Disney-Stoff.

Platz 41: Collide (Regie: Eran Creevy)

Ein dummer, lauter Actionfilm, der weiß, was er ist, was sein Publikum will und was er liefern kann: Eran Creevys Collide verzichtet auf all das, was so viele moderne Hollywood-Actionfilme aus der zweiten Reihe falsch machen. Wo etwa ein Mechanic: Resurrection viel zu viel Zeit für seine hohle Lovestory aufwendet, beginnt Collide mit einem hochkonzentrierten, videoclipartig gefilmten und geschnittenen, musikalisch wuchtig untermalten Abriss seiner Alibistory. Dann wirft er noch etwas Selbstironie und einen wahnwitzig agierenden Ben Kingsley dazu, schon düst Nicholas Hoult durch Deutschland, um Felicity Jones zu retten. Saucoole Stunts, eine gute Dosis Humor, ein turbulentes Erzähltempo. Kein weiteres Trara. Ein Film wie ein Energy Shot: Sicher nichts, wovon man lange zehren kann, aber meine Fresse, rüttelt der wach!

Platz 40: Don't Breathe (Regie: Fede Álvarez)

Fede Álvarez ist nun offiziell einer der Regisseure, bei denen ich prompt hellhörig werde: Nach dem furios-splatterigen, daher schonungslos unterhaltsamen Evil Dead-Remake bringt Álvarez einen sorgsam konstruierten, atmosphärischen Thriller mit Horrorelementen raus, der seine High-Concept-Prämisse strengstens und konsequent verfolgt. Eine Gruppe Jugendlicher bricht bei einem alten, blinden Kriegsveteran ein, nicht wissend, dass dieser nicht nur wehrhaft, sondern unerbitterlich ist. Mit nervenaufreibenden Setpieces, einer packenden Kameraarbeit und einer wundervoll-fiesen Klangkulisse ist Don't Breathe ein dringender Tipp für alle Fans des Spannungskinos.

Platz 39: Popstar: Never Stop Never Stopping (Regie: Akiva Schaffer und Jorma Taccone)

Die Comedy-Musikkombo The Lonely Island haut mit ihrem eigenen Film ein voller Ohrwürmer steckendes Lachfest heraus: Die Fake-Dokumentation über einen überheblichen Popstar, der seine früheren Bandmitglieder im Stich ließ, gigantischen Soloerfolg feierte und nun verzweifelt versucht, auf diesem Hoch zu bleiben, ist eine herrlich bescheuerte Showbiz-Persiflage. Eine dramaturgische Fallhöhe gibt es zwar nicht, dafür einige Songs, die mir seit Monaten nicht mehr aus dem Kopf gehen. Klasse!
Platz 38: The Big Short (Regie: Adam McKay)

Ein satirisch angehauchtes, mit Galgenhumor bereichertes, fassungsloses Wirtschaftsdrama über jene, die den Wirtschaftscrash der späten 00er-Jahre vorhergesehen haben und für bescheuert erklärt wurden: Anchorman-Regisseur Adam McKay seziert und erklärt, wie die Blase geplatzt ist, was es über das Wirtschaftssystem aussagt, dass es dazu kommen konnte, und wie schockierend es ist, dass keine größeren Konsequenzen gezogen wurden. Mit feschen Metaspielereien versehen und vom Spitzencast so ansehnlich gespielt, wie es die eher funktionale Figurenzeichnung zulässt, ist The Big Short ebenso aufreibend wie spritzig.

Platz 37: How to Be a Single (Regie: Christian Ditter)

Eine Wonne von einem Film: Christian Ditter verneigt sich vor dem (romantisierten) New York City und erzählt vier verknüpfte, höchst unterschiedliche Geschichten von Singlefrauen. Da wäre die jahrelang glücklich vergebene, sich nun als Single neu entdecken wollende Alice (Dakota Johnson), die übertrieben anhängliche Lucy (Alison Brie), das Partygirl Robin (Rebel Wilson) und die Singlefrau Meg, die Mutter werden will (Leslie Mann). Der Cast ist gut aufgelegt, die Gags sitzen und die Romanzen entwickeln sich anders, als ich erwartet hätte. Mit einer gesunden Dosis Selbstironie und einer weit überdurchschnittlichen, farbenfrohen Optik ist How to be a Single eine der rarer werdenden Ausnahme-RomComs.

Platz 36: Brooklyn (Regie: John Crowley)

Aus der Kategorie "Filme, die Miramax in seinen Glanzzeiten gemacht hätte" bringt uns John Crowley die nachdenkliche, einfühlsam erzählte Geschichte einer jungen Frau, die in die USA auswandert, um ein neues Leben zu beginnen. Im New York der frühen 50er-Jahre arbeitet sie hart, um genug Geld zu verdienen, so dass sie ihrer Familie in ihrer alten Heimat finanzielle Unterstützung leisten kann. Hin und hergerissen zwischen Tatendrang, sich in die neue Kultur einzugewöhnen, und den Versuchen, ihre Wurzeln nicht zu vergessen, verliebt sie sich obendrein in einen leidenschaftlichen jungen Mann - doch diese Beziehung droht, durch einen Besuch in ihrer alten Heimat zu zerbrechen. Wundervoll gespielt, bildhübsch fotografiert und ein brennender, unterschwelliger Kommentar auf unser Heute.

Fortsetzung folgt!

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