Die Popkultur hat sie in den vergangenen Jahren für sich
entdeckt: Figuren, die Asperger oder ähnliche Konditionen haben. Der von
Benedict Cumberbatch einprägsam verkörperte BBC-Sherlock
befindet sich zweifelsfrei auf dem Spektrum und stellt ein besonders kühles
Exemplar dar. Er selbst bezeichnet sich gar als „hochfunktionaler Soziopath“.
Sitcom-Protagonist Sheldon Cooper hingegen beteuert, dass er als Kind getestet
und für normal befunden wurde. Große Teile der Fangemeinde von The Big
Bang Theory sind sich derweil sicher, dass der Wissenschaftler, Nerd
und WG-Bewohner Autist ist. Neben diesen beiden Serien-Hauptfiguren
bereicherten in jüngster Vergangenheit zahlreiche autistische Figuren die
Medienlandschaft. Regisseur und Autor Éric Besnard steuert mit Birnenkuchen
mit Lavendel nun auch eine französische Wohlfühlkomödie hinzu, die
sich um eine solche Figur dreht.
Pierre (Benjamin Lavernhe) ist, Asperger zum Trotz, in
vielerlei Hinsicht das Gegenteil zum strengen und harschen Sherlock Holmes, den
die britische Erfolgsserie seit drei Staffeln zeichnet. Der belesene
Gelegenheitshacker hat einen Putzfimmel und ist bei aller Verkopftheit durchaus
seinem menschlichen Umfeld gegenüber aufgeschlossen. Er ist zwar schüchtern,
als er der verwitweten Landwirtin Louise (Virginie Efira) aus Versehen vors
Auto rennt und so in ihr Leben stürzt, findet er aber sofort einen Draht zu
ihr. Daher kann er nicht anders, als sich ihrer Problemchen und Probleme
anzunehmen. Von der Unordnung in ihrem Haus, über die Ärgernisse mit ihren
Kindern Emma (Lucie Fagedet) und Felix (Léo Lorléac'h), bis hin zu den
finanziellen Problemen ihres Betriebs. Louise weiß den verschlossenen Mann mit
allerlei Macken nicht so recht einzuordnen, und hält ihn auf Abstand, selbst
wenn sie ihn durchaus sympathisch findet. Dass sich Pierre aufgrund seiner Art
so manchen zwischenmenschlichen Patzer leistet, sorgt für weitere
Komplikationen …
Besnard formt seinen unaufgeregt erzählten Film so, wie
viele Standard-Romantikkomödien gehalten sind: Es gibt das mehr oder minder
ungewöhnliche erste Treffen, daraufhin lernen sich die zentralen Figuren besser
kennen, was zu süßen gemeinsamen Momenten führt sowie zu Situationen, in denen
sie sich gegenseitig nerven. Der große Krach ist in so einer Erzählung vor dem
Einläuten der letzten Filmminuten ebenfalls unvermeidlich … Trotz dieses
standardmäßigen Aufbaus ist Birnenkuchen mit Lavendel
wohlgemerkt kein Supermarkt-Fertiggebäck, sondern ein liebevoll erstelltes
Kino-Küchlein. Der konventionellen Dramaturgie wirkt entgegen, dass in dieser
Geschichte über Zwischenmenschlichkeit die Gefühle nie hochgekocht werden –
passend zum jede Szene an sich reißenden Pierre. Zwists inszeniert Besnard
nicht mit lautklagender Theatralik, und wenn sich Pierre und Louise nähern
kommen, so skizziert er dies charmant und süß, verzichtet dabei jedoch auf
Kitsch und Pathos.
Umso stärker herrschen leise Situationskomik und ein durch mildes
Licht verstärktes Bilderbuch-Gefühl vor: Zwar ist die Geschichte, von Pierres
absurd guten Hackerkünsten abgesehen, durchweg plausibel, doch aufgrund des
zarten Tonfalls und der in Pastelltönen gehaltenen Optik versprüht Birnenkuchen
mit Lavendel eine bemerkenswerte Stimmung der Behaglichkeit. Die
rasanten Wortwechsel zwischen der von Efira warmherzig gespielten Louise und
dem eigenbrötlerischen Sensibelchen, das Lavernhe äußerst überzeugend
darbietet, geben diesem gemütlichen Film obendrein etwas Pfiff. Daher eignet
sich die Kinoproduktion auch für Zuschauer, die die Welle an französischen
Heile-Welt-Kuschel-Tragikomödien zuletzt ermüdet hat.
Bloß die ständigen Zwischenschnitte auf die malerische
Provinz und Louises rustikal-pittoreskes Landhaus, die wiederholt Szenenwechsel
in die Länge ziehen, hätte sich Besnard verkneifen können – denn unter dieser
mächtigen Verzierung drohen die Feinheiten dieses Geheimtipps verloren zu
gehen. Als inspirierende Geschichte über die Verständigung zwischen Herz- und
Kopfmenschen, die nie abfällig über Autisten spricht, hat Birnenkuchen mit
Lavendel aber so viele Sympathiepunkte zu bieten, dass sich diese kleinere
Schwäche verschmerzen lässt.
Fazit: Charmant, süß, unaufgeregt: Birnenkuchen
mit Lavendel ist ein echter Wohlfühlfilm mit malerischen Bildern und
reizenden Protagonisten.
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