Es hätte ordentlich schief gehen können, Charlie Brown! 20th Century
Fox und die für die Ice Age-Filme verantwortlichen Blue Sky
Studios versetzen den von Misserfolg verfolgten Jungen und seine illustres
Umfeld mit Die Peanuts – Der Film erstmals in die Welt der
Computeranimation. Und wie schmerzlich solch eine Transformation enden kann,
zeigen unzählige Beispiele von gezeichneten Helden, die bereits den Sprung in
die Dreidimensionalität gewagt haben: Die Biene Maja hat als
computergeneriertes Geschöpf nicht einmal halb so viel Charme wie ihre handgezeichnete
Ausgabe. Der clevere Wikingerjunge Wickie guckt in der neuen Digitaltrickserie
bedauerlicherweise ziemlich dumm aus der Wäsche, und selbst der Trickfilmgigant
Disney kam beim Versuch, seine Ikonen optisch zu modernisieren, ins Stolpern:
In Micky Maus Wunderhaus sind Micky, Donald, Goofy, Pluto
und Co. weniger als nur Schatten ihrer selbst. Sie sind seelenlose, billig
wirkende Nachmachen ihrer liebenswürdigen, unverkennbaren
Zeichentrickversionen.
Der rund 100 Millionen Dollar teure Peanuts-Film
beweist derweil, dass es sehr wohl möglich ist, einen distinktiven Zeichenstil
in den kühlen, üblicherweise sehr akkuraten Computeranimationslook zu
übertragen: Nash Dunningan (der künstlerische Leiter des Films), die leitenden
Animatoren Nick Bruno und Scott Carrol sowie CG-Supervisor Rob Cavaleri und
Regisseur Steve Martino legten zu Beginn der Produktion unverrückbare
Grundprinzipien fest. Diese engten bewusst die Design-Entscheidungen sowie die
Animationsmöglichkeiten ein, um das fertige Produkt stilistisch an die
Zeitungscomics von Charles M. Schulz sowie die kultigen Peanuts-Fernsehspecials
anzulehnen.
Diese Grundregeln führen zu sehr charmanten Ergebnissen, die den Film
zeitlos-schlicht erscheinen lassen und ihren Retro-Zweck makellos erfüllen. So
sind die Wasserkopf-Kinder in lediglich sechs Posen zu sehen, und wenn sie
agieren, wird nahezu vollständig auf die in der Computeranimation übliche Bewegungsschärfe
verzichtet – stattdessen wiederholen sich, wie bei den kostengünstig animierten
Zeichentrickspecials, oftmals weite Teile des Bildes für zwei Frames. Dies
verleiht den Bewegungen der Figuren ein altmodisches Ruckeln – außerdem sind
bei hektischen Aktionen für kurze Zeit mehr als nur zwei Arme oder Beine
gleichzeitig zu erkennen, sind die Einzelbilder verwaschen oder mit
Bewegungslinien versehen.
Zudem entwickelte das Team des Horton hört ein Hu!-Animationshauses
eine neue Software, die es erlaubt, Elemente wie die Augen oder Münder der
Figuren wie eine krakelige Tintenlinie über die Gesichter der Figuren gleiten
zu lassen. Generell erwies sich in der Produktionsphase, dass es eine
ungeheuerliche Herausforderung ist, einen Film wie Die Peanuts – Der
Film auf einem ansprechenden Niveau dennoch so schlicht aussehen zu
lassen. Beispielsweise mussten aufgrund der stilistischen Einschränkungen für
jede Figur mehrere Computermodelle erstellt werden, die obendrein nur in
bestimmten Kameraeinstellungen Verwendung fanden – andernfalls hätten die
Charaktere entstellt ausgesehen.
Der technisch einwandfreie, mit spürbarer Liebe zur Vorlage
veranstaltete Aufwand wäre aber reiner Budenzauber, würde nicht auch das
Drehbuch von Cornelius Uliano sowie Bryan und Craig Schulz die Mentalität der
zeitlosen Peanuts-Geschichten erfolgreich einfangen. So ist
die Handlung der rund 90-minütigen Kinoproduktion denkbar schnell
zusammengefasst: Der ewige Verlierer Charlie Brown möchte seine hübsche, neue
Mitschülerin beeindrucken, und legt sich so richtig ins Zeug, um endlich einmal
als Gewinner dazustehen. Was sich natürlich als Herkulesaufgabe herausstellt …
Die Simplizität dieser Geschichte hat zweifelsfrei großen Charme,
insbesondere, weil die Autoren, zwei von ihnen immerhin Nachkommen von Charles
M. Schulz, sie mit viel, doch ruhiger Situationskomik erzählen. Diese basiert
auf den markanten, und sich auch Neulingen rasch erklärenden, Persönlichkeiten
der zahlreichen Kinder-Figuren. Gestreckt wird die Laufzeit des Films
allerdings auch durch mehrere Traumsequenzen, in denen die ersten
schriftstellerischen Gehversuche von Charlie Browns Hund Snoopy illustriert
werden – als ausgedehnte, getragene Action-Sequenzen, die ihn im Fliegerkampf
gegen den legendären Roten Baron zeigen. Snoopys Flugobsession ist ein
Standardelement der Peanuts und hat klar seine Fans. Für die
Belange speziell dieses Films sind besagte Szenen aber gerade gegen Schluss zu
lang geraten und rauben so Charlies Handlungsfaden das Momentum, das dem Jungen
mit dem gelben Shirt gebührt.
Abseits der verwegenen Snoopy-Fantasien finden die Filmemacher
wiederholt Zeitz, um Charlie Browns nachdenkliche, fast schon dauerdeprimierte
Seite darzustellen. An die melancholische Art der größten Peanuts-Klassiker
reicht diese computeranimierte Komödie trotzdem nicht heran: Dafür ist Martinos
Erzählweise dann doch zu optimistisch und freundlich – ohne Schulz' Weltsicht
damit zu betrügen. Bei aller Passion, die der Regisseur und sein Team an den
Tag legen, um dem Peanuts-Erbe gerecht zu werden, stoßen
viel mehr die Schnitzer in der Musikauswahl auf. In dieser zeitlosen, noch Telefone
mit Wählscheiben und Schreibmaschinen aufweisenden Kleinstadt-Welt, erklingt
wiederholt ein sehr beliebiger Song von Meghan Trainor, der obendrein zu den am
modernsten klingenden Nummern der Interpretin zählt. Und sogar Flo Rida ist mit
einer laschen Dance-Nummer zu hören – viel konsequenter wäre es gewesen,
durchweg auf die Archivmusik des Peanuts-Komponisten Vince
Guaraldi sowie auf die stilistisch ähnlich gelegten, neuen Melodien von
Christophe Beck zu setzen.
Fazit: Die Peanuts – Der Film ist
ein kleines, digitaltricktechnisches Wunder mit viel Charme und zeitlosen
Figuren. Wer nie etwas mit den großköpfigen Kindern anfangen konnte, wird ihre
spröde Art jedoch auch hier nicht lieben lernen. Und eine Frage sei erlaubt: So
beeindruckend die atypische Computeranimation auch ist, wieso ist man nicht den
einfacheren Weg gegangen? Als Zeichentrick wäre dieser Film gewiss noch
liebenswerter!
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