Für die zahllosen Apple-Fans weltweit ist es eine
Selbstverständlichkeit. Und auch sämtliche Apple-Verweigerer müssen es sich
wohl zähneknirschend eingestehen: Steve Jobs war ein Genie. Der Unternehmer
trieb die Entwicklung von Heimcomputern voran und machte nach der
Jahrtausendwende mit iTunes und dem iPod legale Musikdownloads sowie MP3-Player
zu gigantischen Marktzweigen. In Jobs' späteren Jahren folgten schlussendlich
seine womöglich größten Erfolge: Die iPhones, dank derer das Smartphone für
weit mehr als eine Milliarde Menschen zu einem unverzichtbaren
Alltagsgegenstand wurde.
Obwohl dank zahlreicher Zeitungsartikel sowie Biografien das Wesen des
Mannes hinter diesen Erfolgen wohl publiziert ist, haben unzählige Apple-Jünger
ein ganz eigenes Bild von Steve Jobs. Während ein Gros von Jobs' Angestellten
und Weggefährten den Rollkragenpulloverträger als Egomanen zeichnet (und
sogar eine Webseite mit entsprechenden Anekdoten existiert), schwärmen Millionen von treuen Nutzern in hohen Tönen von
Jobs. Schließlich kennen sie ihn primär durch seine Auftritte bei
Apple-Produktpräsentationen, beziehungsweise von den
Keynotes,
wie sie letztlich getauft wurden. Und da präsentierte sich Jobs dank
Showmanship und Selbstvermarktungstalent so, wie er sich selber sah: Als
Maestro der Digitaltechnologie und des Designs. Wenn nicht gar als
personifizierter Wegweiser der Menschheit in eine neue Zeitrechnung.
Deswegen ist es Geniestreich und äußerst kniffliges Unterfangen
zugleich, dass Steve Jobs all diese bedeutenden Eckpunkte
rund um seine 2011 verstorbene Titelperson konsequent vereint: Der langjährige
Apple-CEO wird von Drehbuchautor Aaron Sorkin (The West Wing,
The Social Network) und Regisseur Danny Boyle (Slumdog
Millionär, 127 Hours) als Despot und Held
dargestellt, darf sich als Vordenker feiern und Dickschädel beschimpfen lassen.
Und all dies in drei stilistisch strikt getrennten Akten, die allesamt die
letzten Minuten vor einer aufwändig gestalteten Produkteinführung
repräsentieren. Mit dieser Vorgehensweise erfasst die in den USA gefloppte
30-Millionen-Dollar-Produktion die Essenz seiner hier porträtierten Hauptfigur.
Es geht nicht um historische Genauigkeit – es werden unternehmerische und
charakterliche Entwicklungen zusammengerafft, Aussagen zugespitzt und Running
Gags erschaffen. Aber durch die narrative wie inszenatorische Stilisierung
erweckt Steve Jobs, anders als viele andere Biopics, auch
gar nicht erst den Anschein, schlicht eine Faktensammlung zu sein.
Sorkin und Boyle streben nach einer packenden, geistreichen und
kurzweiligen Interpretation Jobs'. Ein so ambitioniertes Ziel könnte anhand
diverser Kleinigkeiten scheitern – sei es ein zu sklavisches Orientieren an
Jobs' echten Gestus, wodurch der Hauptdarsteller in seiner Performance
behindert wird. Oder ein zu theatrales Herunterbrechen der realen Eckdaten und
Manierismen auf die Bedürfnisse des Films, so dass die Figuren nicht mehr
glaubwürdig wirken. Oder alternativ ein Übermaß an Informationshalden, die den
Plot ausbremsen, um selbstgefällig den Kinobesuchern vorzuführen, wie viel
Recherche die Filmemacher betrieben haben.
All diese Stolpersteine vermeidet dieses Ausnahme-Biopic jedoch mit
konsequenter Leichtfüßigkeit. Überhaupt erstaunt es, wie behände und mit welch
mitreißendem Tempo Boyle das vielschichtige, eloquente Skript auf die Leinwand
bringt. Der Oscar-Preisträger nutzt sein Händchen für entfesselte,
kinematografische Energie, indem er Informationen und Stimmungen audiovisuell
so unterbringt respektive kreiert, dass sie dem von Wortwitz, Metaphern und
tiefgehenden Monologen gespickten Drehbuch nicht im Weg stehen.
Der erste Akt, der 1984 kurz vor der Präsentation des Macintosh spielt,
ist etwa in grobkörniger 16mm-Qualität gefilmt. Mit dem harschen Kontrast und
dem altmodisch-grieseligen Look dieses Akts wird nicht nur markiert, in welcher
Zeit er spielt – diese Ästhetik verleiht den ersten Steve Jobs-Minuten
auch einen jugendlichen Leichtsinn. Die Optik steht stellvertretend für die
Mischung aus Unerfahrenheit und großem Willen, der an den technischen
Möglichkeiten scheitert, die Jobs in diesem Akt ausmacht.
Der zweite Akt ist im traditionellen 35mm-Format gedreht, und kommt
entsprechend graziös und cineastisch daher – gepaart mit dem Filminhalt (Jobs
stellt 1989 die Demo seines Soloprojekts NeXT vor, das er nach seinem Apple-Rausschmiss
anpackte) und den stilvoll-aggressiven Rottönen des Schauplatzes wird die
Stimmung einer überlebensgroßen Rachestory geschaffen. Der letzte Akt ist
dagegen mit einer Alexa-Digitalkamera gedreht, hievt Steve Jobs
also ins Heute. Klare, gedämpfte Farben und facettenreiche Weiß-, Grau- sowie
Blautöne unterstreichen, dass die Welt, wie Jobs sie sich vorgestellt hat,
hereinbricht – und weil der heutige Kinogänger bestens an die Digitalästhetik
gewöhnt ist, wird er auch nicht weiter unterschwellig vom Leinwandgeschehen
distanziert. Da sich Jobs, dargeboten von einem atemberaubenden, mannigfaltigen
Michael Fassbender, allmählich seiner Medienpersona annähert, wirkt der Wegfall
dieser subtilen Hürde zwischen stilisierter Filmwelt und dem Publikum sogar
doppelt intensiv.
Nicht nur Fassbender brilliert vor der ausdrucksstarken Kamera Alwin H.
Küchlers: Das gesamte Ensemble ist perfekt besetzt und darf seine Stärken
ausspielen, ohne dabei in gewohnte Schemata zu verfallen. Comedy-Star Seth
Rogen begeistert als Computeringenieur Steve Wozniak, den eine Hassliebe zu
Jobs verbindet und der in jedem Akt ein freundschaftlich gemeintes, doch stets
ausartendes Streitgespräch mit dem Apple-Mitgründer sucht. Kate Winslet darf
als Jobs' rechte Hand Joanna Hoffman würdevoll ihren trockenen Humor ausleben,
Jeff Daniels und Michael Stuhlbarg geraten unterdessen auf gänzlich
unterschiedliche Weise in schweißtreibende Machtkämpfe mit Jobs. Und Katherine
Waterston als Chrisann Brennan meistert die schwere Aufgabe, eine von Sorkin
geschriebene, instabile Ex-Frau zu spielen, ohne dabei ein Abziehbild
abzugeben. Auch das Trio an Darstellerinnen der lang verleugneten Jobs-Tochter
Lisa (Makenzie Moss, Ripley Sobo, Perla Haney-Jardine) manövriert sich löblich
durch die gestochen scharfen Wortgefechte.
Untermalt wird all dies von einem wandlungsfähigen, ins Ohr gehenden
Score von Daniel Pemberton (The Counselor), der stets genau
den Tonfall der jeweiligen Szenen trifft, dezent überhöht, aber nie ins
lachhaft Übertriebene zieht. Von simplen, kühlen Retro-Elektronikklängen zu
energischen Opernarien hin zu kraftvollen, elektronisch unterstützen
Symphoniesounds wie sie aus 80er-Filmen bekannt sind: Pemberton treibt dieses
eh schon zügig erzählte Biopic mächtig an.
Erst in den finalen Minuten geraten Sorkins Drehbuch und Boyles
Regieführung doch noch ins Stolpern. Einerseits, da der emotionale rote Faden
in Form der komplizierten Beziehung zwischen Jobs und seiner Tochter auf den
letzten Metern zum alles überschattenden Thema wird. Die Wandlung vom beiläufig
behandelten Konflikts hin zum explizit verbalisierten Vater-Tochter-Anbandeln
wirkt in der gebotenen Offensichtlichkeit zu konstruiert und obendrein zu platt für diesen flinkzüngigen
Film. Die emotional aufgeladene Inszenierung unterstreicht diesen Bruch leider
zusätzlich. Da zudem die Zielgerade von Steve Jobs mit
erzwungenen Vordeutungen um sich schmeißt, welche Produkte Jobs nach dem iMac
noch präsentieren wird, verliert das Finale – gemessen am zuvor gebotenen,
immensen Niveau – an Brillanz und
Eleganz.
Denn Jobs' Werdegang zum Erfolgsunternehmer ist in diesem Akt
abgeschlossen, nach der Filmhandlung geht es nur noch bergauf, und auch seine
vertrackte private Seite ist – zumindest auf der Leinwand – bereits
stabilisiert. Der Mann wird im Film also schon zur (streitbaren) Legende – die
Anspielungen auf den iPod, das iPhone und das iPad sind vor diesem Hintergrund
nur banale, überoffensichtliche Anbiederungen ans Publikum, statt inhaltliche
Bereicherungen. So, als wolle Sorkin dem Zuschauer in die Seite boxen: Na,
na, du weißt, worum es nun geht, richtig? Toll, oder?!
Diese künstlerischen Patzer sind jedoch gerade einmal Schönheitsfehler
in einem sonst rundum beeindruckenden Film. Denn Steve Jobs
ist herausragend konstruiert und faszinierend gestaltet – also genau das, was
auch der echte Steve Jobs von seinen Produkten verlangt hat. Womit Sorkin und
Boyle dem Mann, den sie in ihrer rund zweistündigen Kinoarbeit in solch einem
unvorteilhaften Licht darstellen, letztlich doch einen ehrfürchtigen Tribut
zollen.
Fazit: Mit gewitzten und geistreichen Dialogen und
einer starken audiovisuellen Präsentation sowie preisverdächtigen Performances
ist Steve Jobs energiereich, smart und obendrein beseelter
als jedes Apple-Produkt.
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