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Sonntag, 3. April 2016

Picknick mit Bären – A Walk in the Woods


Es gibt gute, mittelmäßige und schlechte Filme. Das dürfte als Selbstverständlichkeit gelten. Und dies ist der Maßstab, an dem sie üblicherweise gemessen werden. Wie gut ist das Drehbuch strukturiert, geben die Schauspieler solide Leistungen ab, wie schwach ist die Regiearbeit? Aber es gibt auch Filme, die sich nur problematisch auf dieser Skala einordnen lassen. Glücklicherweise gibt es kein Kino-Gesetzbuch, das uns dazu verpflichtet, für die Besprechung und Bewertung von Filmen eben diese Skala zu Rate zu ziehen. Picknick mit Bären ist eine dieser Produktionen, denen man mit der Frage „Gut oder schlecht?“ nicht gerecht wird. Denn dieser rüstigen Komödie mit Robert Redford und Nick Nolte ist weniger daran gelegen, handwerkliche und narrative Stärke auszuspielen. Stattdessen möchte die Adaption des gleichnamigen Buchs von Bill Bryson vor allem mit einer Sache punkten: Charme!

Im Mittelpunkt der unaufdringlichen Wanderkomödie steht Robert Redford. Der Leinwandveteran, der hier auch als Produzent tätig ist, spielt den unter anderem für seine Reiseliteratur bekannten Schriftsteller Bill Bryson. Dieser ist nach zwei Jahrzehnten, während derer er in Großbritannien gelebt hat, in seine alte Heimat New Hampshire zurückgekehrt. Eigentlich will er sich zur Ruhe setzen, aber ein katastrophal laufendes Fernsehinterview juckt den Autoren mehr, als er sich einzugestehen gewillt ist. Da er sich zudem in einem Alter befindet, in dem Beerdigungen von Bekannten und langen Weggefährten unvermeidlich geworden sind, wird Bill nachdenklich – und kommt letztlich zum Entschluss, sich noch etwas beweisen zu müssen: Er nimmt sich vor, den berühmten Appalachian Trail entlang zu wandern.

Bills Frau (köstlich in ihren wenigen Szenen: Emma Thompson) hält ihn aufgrund dieser Idee für irre, kann sie ihm aber nicht ausreden. Also stellt sie eine Bedingung auf: Bill darf diese Reise unternehmen – wenn er dabei von einem Freund begleitet wird. Bills Freunde lehnen jedoch allesamt dankend ab. Dann aber lädt sich Stephen Katz (Nick Nolte) selber zu diesem Abenteuer ein. Von dem hat sich Bill längst distanziert, und mit seinem starken Übergewicht, seiner lachhaften Kondition, seinen enormen Schulden, Gesetzeskonflikten und einstigen Alkoholeskapaden könnte er nicht ungeeigneter sein für diesen Trip. Doch Bill hat keine andere Wahl. Also raufen sich die beiden alten Eisen zusammen und begeben sich auf eine lange, harte Wanderung, die ihnen so manche ulkige Begegnung beschert …

Handwerklich ist Picknick mit Bären ein solider, unauffälliger Film: Kameramann John Bailey (Und täglich grüßt das Murmeltier) zaubert einige wunderschöne Landschaftsaufnahmen. Und er versteht es, das markante, charaktervoll-zerfurchte Gesicht Redfords ins rechte Licht zu rücken. Gleichwohl erinnert der von Bailey und Regisseur Ken Kwapis gewählte, statische Aufbau mancher Dialogszenen an typische „Wir gehen mal vor die Tür“-Episoden einiger 90er-Sitcoms. Dafür beweist der Regisseur ein achtbares Gespür für die Stärken seiner zentralen Darsteller. Die Musikbegleitung, sowohl in Form von Songs als auch in Form der Instrumentalkompositionen von Nathan Larson, erfüllt wiederum durchweg ihren Zweck: Ob Bill Bryson gerade nachdenklich, amüsiert oder von Wanderlust erfüllt ist – akustisch folgt stets eine passende Untermalung, doch nur selten ist diese so brillant, dass sie die betroffene Szene um ein Vielfaches verbessert.

Dramaturgisch gerät dieser gelassene Wohlfühlfilm in einige kleine Stolperfallen: Figuren und Konflikte werden eingeführt und verschwinden daraufhin aus dem Blick. Und wenn gegen Ende sentimentale Klänge angestimmt werden, deeskaliert die Situation urplötzlich. Teils sind diese „unfilmischen“ erzählerischen Eskapaden in der Vorlage begründet, die als Reisebericht leichter damit davonkommt, Beobachtungen aneinanderzureihen und beim ständigen Weiterziehen auch mal diverse Personen und Situationen hinter sich zu lassen. Zudem ist Bryson als süffisant humorvoller Autor bekannt, dessen Prosa dennoch gedankenversunken ist – dies hat auf dem Papier in Reiseberichten durchaus Vorrang vor einer konstruierten Dramaturgie. Auf der Leinwand führt es dagegen, streng genommen, zu losen Handlungsfäden und abrupten Verschiebungen des inhaltlichen Fokus.

Wie eingangs erwähnt, ist Picknick mit Bären aber kein Film, bei dem es ergiebig ist, so an ihn heranzutreten. Dass Nick Nolte nicht so wirkt, als würde er schauspielern, sondern vor der Kamera einfach er selbst sein und nur rein zufällig die handlungsrelevanten Stichwörter treffen, tut dem Sehgenuss keinen Abbruch. Im Gegenteil: Als exzentrischer, unartikulierter, körperlich von der Reise überforderter Stephen Katz ist Nolte eine immens unterhaltsame – etwas wirre – Naturgewalt. Und er hat eine großartige Chemie mit Robert Redford, der diesem Mix aus Situationskomik, körperlichem Witz und dezent sarkastischem „Zwei alte Haudegen suchen noch einmal das Abenteuer“-Humor Rückgrat und Würde verleiht, ohne dabei verknöchert zu wirken.

Allein das schon hat immensen Charme, und wenn Redford bei Begegnungen mit Verkäufern, anderen Wanderern und beleidigten Ehemännern gleichzeitig stoisch und verdattert dreinblickt, multipliziert sich die sympathische Ausstrahlung von Picknick mit Bären um ein Vielfaches. Dass die eindimensionalen, aber denkwürdigen Nebenrollen mit solchen Comedytalenten wie Kristen Schaal und Nick Offerman besetzt sind, ist da naturgemäß ein großer Pluspunkt. Und gerade angesichts der leichtgängigen Art dieses Galgenhumor-Wandertrips fällt es auch kaum ins Gewicht, wenn Redfords Interpretation von Bill Bryson in ihrer Nachdenklichkeit wiederholt jäh unterbrochen wird.

Um sich groß daran stören zu können, ist Picknick mit Bären einfach zu sympathisch. Was vielleicht daran liegt, dass Redford schon seit 1998 versucht, dieses Projekt in die Wege zu leiten und mit entsprechend viel Herzblut bei der Sache ist. Dass Robert Redford und Nick Nolte bereits in ihren 70ern sind, während das reale Wanderduo bei seiner Reise einst 44 Jahre alt war, mag eine schwerwiegende inhaltliche Änderung sein. Doch das Charisma, das der Film dadurch gewinnt, war es wert, solch einen „Besetzungsfehler“ zu tätigen.

Fazit: Die Wanderkomödie Picknick mit Bären hat wenig Gehalt, ist handwerklich bloß solide und ein nennenswertes Ziel hat diese Reise auch nicht. Aber: Junge, junge, diese Wanderung mit Redford und Nolte ist echt charmant geraten!

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