Montag, 28. März 2016

American Ultra


Alles sieht danach aus, dass Mike (Jesse Eisenberg) ein Dasein wie in einer stinknormalen Indie-Kiffertragikomödie führt: Er lebt irgendwo in der verschlafenen amerikanischen Provinz und lässt sich im THC-haltigen Dunst durch den Tag treiben. Wenn er keine langweiligen Kleinstadtjobs verrichtet, hängt er mit seiner Freunin Phoebe (Kristen Stewart) herum, die trotz Drogenkonsum nicht ganz so verpeilt und träge ist wie Mike. Daher ist Phoebe nicht nur seine große Liebe, sondern auch ein Vorbild – und daher auch seine größte Sorge: Hält er sie etwa davon ab, sich frei zu entfalten? Ehe sich Mike aber ernsthafte Gedanken über diese Frage machen kann, wird sein statisches Leben mit Gewalt umgekrempelt: Eine geheimnisvolle, einfühlsame Frau vom CIA (Connie Britton) überrascht ihn während der Arbeit und versucht, seine gelöschten Erinnerungen wieder zu aktivieren. Denn Mike war einst Teil eines Geheimprogramms, um Superagenten heranzuzüchten. Bis sich das unterdrückte Training wieder bemerkbar macht, dauert es allerdings ein wenig. Dadurch gerät der Slacker in große Gefahr, denn der karrieregeile Agent Adrian Yates (Topher Grace) hat blutrünstige Kämpfer auf Mike angesetzt, um ihn, diesen einstigen Fehler der Agency, vom Angesicht der Erde zu radieren ...

Was Drehbuchautor Max Landis (Chronicle) aus dieser Ausgangslage macht, ist ein „Kifferkomödie trifft knallige Action“-Genremix, wie ihn beispielsweise auch der Geheimtipp Ananas Express mit Seth Rogen und James Franco bietet. Bloß, dass American Ultra mit dem ersten Teil der Bourne-Reihe sogar ein grobes Vorbild hat. Zwar hat Landis keine Kiffer-Parodie des Actionthrillers geschrieben, trotzdem schielen vereinzelte Konstellationen und Dialoge auf Damons erste Leinwandmission als Agent ohne Erinnerung. Jedoch verlaufen diese Parallelen ins Nichts, womit ein schwerwiegendes Problem der 28-Millionen-Dollar-Produktion offensichtlich wird: Landis und Regisseur Nima Nourizadeh (Project X) haben einige fesche Einfälle, die sich aber im Laufe der 96 Minuten Laufzeit nur in geringem Maße entfalten. Da die Story zudem wiederholt völlig ausgebremst wird, ohne dabei den benebelten Charme eines Ananas Express zu entwickeln, ist das Ganze im Fall von American Ultra deutlich weniger als die Summe der einzelnen Teile.


So kokettiert American Ultra in der ersten Konfrontation zwischen Mike und den Schergen Yates' damit, eine größtmögliche Diskrepanz zwischen dem lahmen, unfähigen Kiffer-Ich des Helden und seines Agenten-Ich zu zeichnen. Also macht er prompt mehrere Gegner auf brutale, beeindruckende Weise platt. Die durchgeknallte Kreativität dieser kleinen Kampfsequenz wird daraufhin aber aufgegeben, um Mike durch das Gros der weiteren Actionsequenzen stoisch durchmarschieren zu lassen, ohne dass verrückte Dinge passieren. Auch auf Seite der Schurken gibt es nur wenige markige Persönlichkeiten. Und wenn sie mal aufkreuzen, wie Walton Goggins als lachender Irrer oder nun einmal in Form des schmierigen Strippenziehers den Topher Grace gibt, dann marschieren sie oft bloß durch Standardsituationen.

Um die Wandlung zu einem grimmen Thriller durchzumachen, ist jedoch die Story zu salopp erzählt. Während die Action- und Thrillerpassagen den Balanceakt zwischen harter Brutalität und Irrsinn daher sehr ungelenk absolvieren, bestechen die zentralen Stars des Films: Eisenberg ist als lethargischer, von Zweifeln zerfressener Kiffer extrem glaubwürdig und könnte mit seiner Figur aus einer tragischen Charakterstudie entflohen sein. Die abrupten Wechsel hin zu schriller Comedy oder kerniger Action absolviert Eisenberg zudem darstellerisch mit einer Leichtigkeit und Glaubwürdigkeit, von der das Drehbuch und die Regiearbeit nur träumen können. Eine hier besonders engagierte Stewart agiert genauso gut, bekommt aber obendrein durch das Skript die besseren Oneliner zugeschoben, wodurch sie sich zum wahren Star des Films aufschwingt. Stewart und Eisenberg, die wie schon in Adventureland eine tolle Chemie miteinander haben, reichen aber nicht aus, um dieser trägen Ausführung einer kessen Grundidee das nötige Feuer zu verleihen – und so dürfte der Film auch ohne CIA-Gedächtnislöschung schon bald vergessen sein.

Fazit: Das tolle Duo Eisenberg/Stewart und eine interessante Idee gehen hier in einer lahmen Dramaturgie und ideenarmen Inszenierung unter. Ein Heimkino-Double-Feature aus Ananas Express und Die Bourne Identität bietet da eine bessere Mischung aus ulkiger Kiffer-Action und Agententhriller-Dramatik!

Sonntag, 27. März 2016

Pan




Es gibt Geschichten, die einfach nicht alt werden. Geschichten, die immer und immer wieder erzählt werden wollen. Und dabei gerne auch ihre Gestalt ändern dürfen. Die Erzählung von den drei Musketieren ist solch eine. Auch die edlen Raubzüge von Robin Hood werden stets neu interpretiert. Und J. M. Barries Schöpfung namens Peter Pan darf sich selbstredend ebenfalls in diese Riege einreihen. Der Junge, der niemals erwachsen werden wollte, beflügelt seit mehr als hundert Jahren die Fantasie von Kindern und Erwachsenen. Seit Barrie den bevorzugt grün gekleideten, fliegenden Flegel erdacht hat, kam er in unzähligen Bühnenaufführungen vor, diversen offiziellen Kinderbüchern und ebenso in inoffiziellen Spin-Offs. Die Theatervorlage wurde möglichst originalgetreu auf Zelluloid gebannt, 1953 von Walt Disney und dessen Zeichentrickkünstlern neu gedeutet und 50 Jahre später als verspieltes Fantasyabenteuer für ein modernes Publikum verpackt.



Darüber hinaus brachte Steven Spielberg mit Hook eine Fortsetzung in die Kinos, in der Peter Pan letztlich doch erwachsen wurde, aber dann als gereifter Mann ins Nimmerland zurückkehren muss. Jetzt geht der auf filmische Augenweiden spezialisierte Regisseur Joe Wright (u.a. bekannt durch die Stolz und Vorurteil-Adaption mit Keira Knightley) den umgekehrten Weg: In Pan skizziert er die Vorgeschichte eines neuen Peter Pan. Eines Peter Pan, der als Waise in London aufgewachsen ist und während eines Fliegerangriffs auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs ins Nimmerland, respektive Neverland, entführt wurde. Dieser Peter Pan wird von der bösartigen Piratencrew des diabolischen Kapitäns Blackbeard versklavt und muss als Minenarbeiter nach kristallisiertem Feenstaub graben.



Während dieser harten Arbeit lernt der von Drehbuchautor Jason Fuchs (Ice Age 4 – Voll verschoben) erdachte Peter-Pan-Neuentwurf den sarkastischen James Hook kennen, der ebenfalls ein Gefangener ist und sich nur eins wünscht: Endlich wieder heimzukehren … Als Peter in Neverland nach und nach erfährt, wer er wirklich ist, und wozu er alles imstande ist, sieht Hook seine Chance gekommen und schließt einen Pakt mit dem 12-Jährigen. Aber Blackbeard lässt niemanden einfach so davonziehen. Es beginnt ein Abenteuer, das für Peter schockierende Erkenntnisse bereit hält, ihn Bekanntschaft mit einem kunterbunten Stamm Eingeborener schließen lässt und Hook vor schwere Entscheidungen stellt …



Wright war Ideenvielfalt nie ein Fremdwort, und das zeigt er in Pan mehr denn je. Allerdings ist die 150 Millionen Dollar teure Produktion, im Gegensatz zu Wrights vorhergegangener Regiearbeit Anna Karenina, bloß vollgestopft mit Ideen. Die ordnende Hand indes, die aus der Vielfalt an Einfällen der Tolstoi-Adaption ein faszinierendes sowie in sich kohärentes Ganzes gemacht hat, bleibt dieses Mal aus. So kommt es, dass der unter anderem von Greg Berlanti (Arrow) mitgetragene Neverland-Ausflug zwar stets eigensinnig ist und szenenweise mitreißt, als Gesamtwerk aber auf sehr wackligen Beinen steht. Zu den ganz großen Highlights zählt die theatrale Einführung Blackbeards, die von einem rhythmischen Schnitt profitiert sowie von Superstar Hugh Jackman, dessen Spaß an dieser übertriebenen Rolle ansteckt. In dieser Sequenz sprühen zudem deshalb die Funken, weil Wright in feinster Moulin Rouge-Manier den Nirvana-Klassiker „Smells Like Teen Spirit“ rezitiert. Dieser Anachronismus wird mit derartiger Chuzpe umgesetzt, dass sich die Szene möglichen Logikfragen gar nicht erst stellen muss. Sie will „Style over Substance“ sein, und hat einen derart fetzenden Style, dass sie funktioniert.




Umso bedauerlicher, dass dieses Stilmittel alsbald aufgegeben wird. Der „Blitzkrieg Bop“ der Ramones darf noch geschmettert werden, das war es dann mit moderner Musik im fiebrigen Neverland-Gewand. Ähnlich berückend wie die Anachronismen sind die visuellen Stilwechsel, in denen der Regisseur Rückblenden beziehungsweise Nacherzählungen präsentiert, jedoch wird deren Stilistik ebenfalls irgendwann begraben. Es ist fast so, als mangle es diesem Leinwand-Neverland an Durchhaltevermögen: Ob surreale oder anachronistische Elemente, ob gesellschaftliche Zwischentöne oder cool-grimmer Steampunk-Chic – alles wird ein-, zweimal ausprobiert und dann aufgegeben. Allein die für den Film geschriebene Instrumentalmusik von John Powell (Drachenzähmen leicht gemacht) bleibt sich durchweg treu und gibt dem teils fahrigen Geschehen mit magisch-folkloristischen Kompositionen angemessenen Drive.



Dessen ungeachtet verliert Pan in seinem Verlauf enorm an Potential, da sich bei seiner „Alles auf die Leinwand schmeißen und mal abwarten, was zusammen kleben bleibt“-Herangehensweise kein einprägsamer Gesamteindruck einstellt. Wenigstens wird Pan selbst in seinen verwunderlichen Momenten nicht langweilig. Denn dank Jackmans Engagement und einer magnetisierenden Performance des Newcomers Levi Miller in der Titelrolle gelingt es diesem möglichen Franchise-Eröffnungsfilm, die Story mit genügend Anreizen zu versehen, um nicht zu kollabieren. Jedenfalls, wenn man vom hektisch choreografierten Finale absieht, dessen schmale Dramaturgie die ausgedehnte Laufzeit nicht tragen kann.



Hinzu kommt, dass dieses Abenteuer, typisch für eine Wright-Regiearbeit, mit farbenprächtigem und ideenreichem Produktionsdesign aufwartet. Konsequenterweise sind auch die von Jacqueline Durran erdachten Kostüme eine Wucht – allen voran die Kluft des Barock-Punks Blackbeard und die kunterbunte Tracht der Stammesprinzessin Tiger Lily. Jene wird von einer unterforderten, aber Schwung mitbringenden Rooney Mara verkörpert, die im Mittelpunkt der besten Kampfsequenz von Pan steht: Ein Angriff auf sie und ihre Stammesmitglieder entwickelt sich – wortwörtlich – zu einer Explosion von Pastelltönen, während die Kamera frei herumwirbelt. Generell leisten die Kameraleute John Mathieson und Seamus McGarvey hervorragende Arbeit, indem sie durch versierte Lichtsetzung Neverland zu einem sich ständig bewegenden Gemälde erheben und so die Zeitlosigkeit der Vorlage ehren. Gleichzeitig erlauben es die losgelösten Kamerafahrten dem Film – vor allem in 3D – seinem Anspruch gerecht werden, Blockbuster-Pomp darzustellen.



Der Prunk dieses rund zweistündigen Spektakels, das sich auf den überreizten Plotmotor einer Prophezeiung verlässt, weist jedoch Risse auf: Während die Flugsequenzen überzeugen und an wichtigen Schauplätzen wie Blackbeards Mine die Übergänge zwischen real und digital nahtlos sind, zerren grelle Geschöpfe wie der inhaltlich unbedeutende Neverland-Vogel oder ein Krokodil in Walgröße den Betrachter aus der Illusion heraus. Eine vergleichbare Wirkung erzielen die zahlreichen Versuche, den kühnen Mix aus träumerischem Kinderabenteuer und harscher Megalomanie mit kecken Dialogwechseln aufzupeppen: Fuchs' Skript landet mit seinen Wortgefechten weitaus seltener einen Treffer als Wright und die Kampfchoreografen mit den nonverbalen Scharmützeln. Darunter hat am meisten Tron: Legacy-Beau Garrett Hedlund zu leiden, dessen Interpretation des zukünftigen Käpt'n Hook zwar schroffen Charme aufweist, in Sachen Wortwitz jedoch so manchen Rohrkrepierer von sich zu geben hat.



Fazit: Hugh Jackman als Barock-Punk-Pirat, viele bunte Farben und einige gute Ideen, aber eine unausgereifte Dramaturgie: Pan ist interessant, aber nicht durchweg mitreißend.

Freitag, 25. März 2016

Meine Lieblingsfilme 2015 (Teil II)

Bereits die Filme in Teil eins meiner Hitliste haben mir sehr gefallen, doch die in diesem Part meiner Jahreshitliste folgenden Produktionen haben mir ob ihrer Reize ein noch größeres Lächeln entlockt. Bevor ich euch aber endlich Rang 35 bis 26 meiner favorisierten Filme 2015 vorstelle, möchte ich kurz ein paar ehrenwerte Nennungen loswerden. Also Projekte, die mir ebenfalls zugesagt haben, denen aber angesichts der gebotenen Konkurrenz nicht der Sprung in diesen Countdown vergönnt war. Dazu zählt etwa Robert Zemeckis' verträumter, spaßiger 3D-Film The Walk mit einem toll aufgelegten Joseph Gordon-Levitt, starken 3D-Aufnahmen und einem disneyhaften "Only the sky's the Limit!"-Tonfall. Dann wäre da die französische Komödie Mama gegen Papa, die mit schonungslosem, irren Humor einen herrlich albernen Scheidungskrieg zeigt. Sowie das Disney-Sportdrama City of McFarland, das starke Musik und eindrucksvolle Bilder zu bieten hat, aber weder seine Dramatik voll ausreizt, noch so eine inspirierende Ausstrahlung aufweist wie manch andere Genrevertreter.

Weitere Ehrennennungen folgen in den nächsten Teilen. Doch nun erst einmal ein paar Filme, die es letztlich in meine Jahres-Bestenliste geschafft haben!

Platz 35: Diary of a Teenage Girl (Regie: Marielle Heller)

Die Coming-of-Age-Geschichte einer Jugendlichen in den 70er-Jahren, die einen popkulturellen Underground-Geschmack hat und zwar bei ihren Altersgenossen nicht unbedingt als Topmodel aufgefasst wird, sehr wohl aber ihrem Stiefvater das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt: Die Romanadaption von Regisseurin Marielle Heller kommt nicht etwa wie ein Problemfilm über Geschlechtsverkehr mit Minderjährigen daher, sondern als vergnüglicher, seine Themen dennoch ernstnehmender Blick auf eine vergangene Ära, in der sexuelle Selbstentdeckung noch anders ablief als heutzutage. Was die von Bel Powley mit Witz, Empfindsamkeit und Derbheit verkörperte Protagonistin durchmacht, ist ein Sonderfall, ihre Gefühle aber nachvollziehbar. Mit einem verwaschenen, ausgebleichten 70s-Look und keinerlei verlogenem Schamgefühl ist Diary of a Teenage Girl glaubwürdig, mutig und charmant. Daher fällt die rasch einsetzende, etwas überzogene Eskalation im dritten Akt auch nicht zu arg ins Gewicht.

Platz 34: Shaun das Schaf - Der Film (Regie: Mark Burton & Richard Goleszowski)

Ein Film, so liebevoll und charmant, dass ich praktisch durchweg mit breitem, glückseligen Grinsen vor der Leinwand gesessen habe: Shaun das Schaf - Der Film erinnert daran, welche Wirkung dialogfreies Erzählen haben kann und besticht mit einer Vielzahl an ulkigen, kleinen Details. Diese freche, knuffige Schafsbande erlebt kein superspannendes oder erstaunliches Abenteuer, aber die gebotene Mischung aus sehenswerter Handwerkskunst und trockenem, familientauglichen Witz macht Shaun das Schaf - Der Film dennoch zu einem der Animationsfilm-Highlights 2015!


Platz 33: Slow West (Regie: John Maclean)

Ein Film, der zu einem Drittel wie eine Regiearbeit von Gore Verbinski wirkt, sich zu einem Drittel nach Wes Anderson anfühlt und zu einem Drittel an die Werke der Coen-Brüder erinnert, der hat bei mir automatisch einen Stein im Brett: Verspielt-böser Humor, eine einfallsreiche Bildsprache, ein kerniger Michael Fassbender und ein sympathischer Kodi Smit-McPhee machen Slow West zu einem feschen, obgleich gemütlich erzählten Western mit einem Finale wie aus einem Bilderbuch. Okay ... Wie aus einem zynischen Bilderbuch!

Platz 32: Broadway Therapy (Regie: Peter Bogdanovich)

Komödienspaß, wie aus der Zeit gefallen: Peter Bogdanovich orchestriert mit seinem Showbiz-Chaos ein Lustspiel über übersteigerte Egos, Fleischeslust und die verblendete Theaterwelt. Imogen Poots ist unfassbar charmant als Ex-Callgirl, das den Sprung auf die Bretter, die die Welt bedeuten, schaffen will. Owen Wilson ist als untreuer Regisseur lässig, Jennifer Aniston gibt mit großer Spielfreude eine unfähige, selbstverliebte Therapeutin, und das Skript ist voll mit ulkigen, unvermeidlichen Eskalationen. Erfrischend, leichtfüßig und sympathisch altmodisch!

Platz 31: Dating Queen (Regie: Judd Apatow)

Judd Apatow ist nach zwei Jahren Pause zurück auf dem Regiestuhl, übergibt aber erstmals die Pflichten des Drehbuchautoren in fremde Hände: Der Dramödie Dating Queen ist dies allerdings nur stellenweise anzumerken. Hauptdarstellerin und Autorin Amy Schumer setzt auf dieselbe Mischung aus pointierten Alltagsbeobachtungen, sympathischen, doch fehlerhaften Hauptfiguren und dezent überzeichneten Nebenfiguren wie ihr Regisseur. Und es ist eine sehr unterhaltsame Geschichte, die Apatow und Schumer hier erzählen: Die von Schwierigkeiten durchzogene Beziehung zweier gänzlich gegensätzlicher Menschen ist zwar, ganz abstrakt gedacht, nur typisches RomCom-Material. Aber mit knalligem Wortwitz, wahnwitzigen Situationen und unkitschiger Herzlichkeit ist Dating Queen dennoch ein Ausnahmefilm in dieser Filmgattung.

Platz 30: Camp X-Ray (Regie: Peter Sattler)

Kristen Stewart kann schauspielern! Wirklich! Alle Hater sollten einfach nur einmal über den Tellerrand von Twilight und Snow White & the Huntsman blicken. Ob als Slacker-Girl in Adventureland, als persönliche Assistentin einer alternden Schauspiellegende im meiner Ansicht nach gemeinhin überschätzten, wenngleich gut gespielten Clouds of Sils Maria, als auftauende Tochter einer Demenzpatientin in Still Alice oder nun einmal in diesem mit packenden sowie ergreifenden Dialogen aufwartenden Drama: Camp X-Ray erzählt nahezu klischeefrei und mit glaubwürdig konstruierten Dialogszenen von der unerwarteten Freundschaft zwischen einer Wärterin in Guantanamo Bay und einem belesenen Insassen. Peter Sattler schafft mit diesem von Pathos befreiten Film eine intensive Erzählung, die ohne moralischen Zeigefinger für menschlichere Behandlung von Gefangenen, mehr Verständigung und das Einreißen kultureller Mauern steht.

Platz 29: Das brandneue Testament (Regie: Jaco Van Dormael)

Wohl seit Kevin Smiths Dogma gab es keine Religionssatire mehr, die so albern war und ihr Thema so komplex behandelte wie Das brandneue Testament. Der belgische Golden-Globe-Anwärter tauscht allerdings den kultigen, in Popkultur badenden Dialog von Dogma gegen verspielte, naive Poesie: Gottes Tochter flieht vor dem gehässigen, herrischen Schöpfer der Welt und zieht in die Welt hinaus, um ein neues Testament zu verfassen, das aus exemplarischen, inspirierenden Menschenschicksalen berichtet. All das, nachdem sie der Weltöffentlichkeit sämtliche noch ausstehenden Todesdaten mitgeteilt hat. Verschrobene Komik trifft auf nachdenkliche, wunderschöne Montagesequenzen: Ein Film, den man gesehen haben muss, um an ihn zu glauben.

Platz 28: Victoria (Regie: Sebastian Schipper)

Eine Berliner Nacht, die man nicht vergessen kann: Gemeinsam mit Laia Costas gutherziger, neugieriger und immens abenteuerlustiger Titelheldin wandern wir in einem einzigen, anhaltenden Take durch die Poser- und Bundeshauptstadt Berlin, lernen eine trunkene Gruppe Kerle kennen, freunden uns mit Frederick Laus gutmütigem Kakaoliebhaber an und werden dann von einem seiner lauten Kumpels in ein aufreibendes Erlebnis gestürzt ... Kameratechnisch ein wahres Meisterstück, mit zwei sehenswerten Hauptdarstellern, mir etwas zu anstrengenden Nebenfiguren, und einer graduellen, farbästhetischen und tonalen Wandlung, wie es sie im deutschen Kino nur alle Jubeljahre zu bestaunen gilt. Wenn überhaupt.

Platz 27: Manolo und das Buch des Lebens (Regie: Jorge Gutiérrez)

The Nightmare before Christmas trifft Drei Caballeros trifft die Sage von Orpheus und Eurydike ... Im Stil eines überbordenden Spielzeug-Festivals: Manolo und das Buch des Lebens ist ein kunterbunter, extrem spaßiger und musikalisch spritziger Trip nach Mexiko, wo wir auf einen Torero treffen, der lieber Musiker wäre, und ins Reich der Toten stapft, um seine große Liebe zu retten. Optisch ungeheuerlich einfallsreich, mit großem Humor und voller kleiner Schnörkel, die diesen Kinospaß lebendig werden lassen. Eine bessere, leicht morbide Hommage an einen Feiertag hat es seit Tim Burtons und Henry Selicks Touchstone/Disney-Kultklassiker nicht mehr gegeben!

Platz 26: Joy - Alles außer gewöhnlich (Regie: David O. Russell)

David O. Russell kann es also doch noch: Einen Film drehen, den ich in mein Herz zu schließen weiß. Nach dem mich frustrierenden Silver Linings und dem von mir verabscheuten American Hustle kam Ende 2015 Joy daher. Die verschrobene, zwischenzeitlich dramatische Komödie wurde, im Gegensatz zu den bisherigen Zusammenarbeiten von Bradley Cooper, Jennifer Lawrence und David O. Russell, von den US-Kritikern nur mäßig aufgenommen. Tja, deren Verlust. Denn Russells exzentrische Nacherzählung der Geschichte einer kämpferischen und erfinderischen Frau nach ganz oben in der Welt des Teleshoppings hat mich mit ebenso sprödem wie spritzigem Humor, einer facettenreichen Lawrence und musikalischen wie inszenatorischen Kniffen schon in Minute eins abgeholt. Und dann rund zwei Stunden später triumphierend aus dem Kino entlassen.

Im nächsten Teil wird es langsam ernst, denn dann geht es auf in die Top 25!

Donnerstag, 24. März 2016

The Program – Um jeden Preis




Stephen Frears zählt zu den ganz Großen unter den britischen Regisseuren. Der zweifache Oscar-Anwärter bereicherte die Filmwelt mit solchen Kleinoden wie Mein wunderbarer Waschsalon und auch mit Kultfilmen wie High Fidelity. Und auch mit Dramen basierend auf wahren Begebenheiten kennt sich der Regieveteran aus. Man denke nur an die Nacherzählung einer Woche voll adliger Darstellungsprobleme namens Die Queen. Auch in The Program betätigt sich Frears als dramatisierender Chronist eines Stücks Zeitgeschichte: Basierend auf dem Enthüllungsbuch „Seven Deadly Sins“ des Sportjournalisten David Walsh erzählt diese britisch-französische Koproduktion von der Radsportkarriere Lance Armstrongs. Und somit zwangsweise von dessen massivem Missbrauch leistungssteigernder Mittel:


Die Erzählung setzt 1993 ein, als Sportreporter David Walsh (sympathisch, aber zu wenig zu sehen: Chris O‘Dowd) für die Londoner Sunday Times einmal mehr über die von ihm geliebte Tour de France berichtet. In diesem Jahr lernt er einen 21-jährigen Ehrgeizling aus den USA kennen: Lance Armstrong (Ben Foster), der trotz seines unvorteilhaften Körperbaus ganz groß rauskommen möchte. Walsh traut ihm zwar keinen Gesamtsieg zu, rechnet aber damit, dass er auf bestimmten Etappen bestechen könnte. Und tatsächlich: Armstrong wird schon im selben Jahr Straßenweltmeister. Der allmähliche Aufstieg Armstrongs im Radsport nimmt 1996  aber aufgrund einer Schockdiagnose ein vorzeitiges Ende: Der Amerikaner hat Hodenkrebs im fortgeschrittenen Stadium. Dies stoppt ihn jedoch nicht: Mit eisernem Willen und aggressiver Chemotherapie besiegt er die lebensbedrohliche Erkrankung – bald danach schwingt er sich wieder auf den Drahtesel. 1999 gewinnt der Texaner seine erste Tour de France, Jahr für Jahr wiederholt er seinen Triumph.


Während ihn die Weltpresse aufgrund seiner unfassbaren Comebackstory feiert, hat Walsh Zweifel an dieser wundersamen Leistungssteigerung. Und so beginnt er, gegen Armstrong zu recherchieren. Womit er auf der richtigen Fährte ist, denn Armstrong und sein Team US Postal machen sich in abartigem Ausmaße des Dopings schuldig. Armstrongs strenggläubiger Teamkollege Floyd Landis (als einziger im Cast ansatzweise vielschichtig: Jesse Plemons) hat daher Gewissensbisse …

Armstrongs ausuferndes Doping bei der Tour de France zählt längst zum Allgemeinwissen und die Details dieser in ihren Ausmaßen wohl beispiellosen Betrugsstory sind mittlerweile sehr gut dokumentiert. Daher ist es nicht notwendig, das Geschehen in Form einer nachgestellten Dokumentation auf die Leinwand zu bringen. Entweder weiß der Kinogänger bereits, was wann passiert ist, oder er kann seinen Informationsdurst mit rein faktenorientierten Sachbüchern, Artikeln und Dokumentationen stillen. Ein auf gemeinhin bekannten, wahren Begebenheiten basierendes Drama hat viel mehr die Aufgabe, das zu bieten, was eine nüchterne Chronik nicht leisten kann. Sie kann das Vergangene in einen größeren Kontext setzen, auf eine brennende Frage herunterbrechen oder den Fokus auf die Emotionen der handelnden Personen legen. 


Frears leistete dies einst mit Die Queen: Dass Lady Di, „die Prinzessin der Herzen“, 1997 verstorben ist und sich das Königshaus eingangs mit Trauerbekundungen schwer getan hat, wurde damals in den Medien breit getreten. Ein einfaches Eckdatenabklappern hätte daher in einen wenig reizvollen Spielfilm resultiert. Frears aber lenkte die Aufmerksamkeit des Publikums auf den inneren Konflikt der Queen und schuf so ein ergiebiges, durchaus auch berührendes Drama.

So sehr Die Queen ein Positivbeispiel für diese Form der Kinounterhaltung darstellt, dient The Program – Um jeden Preis jedoch als Negativbeispiel. Das Drehbuch von John Hodge (Trance) konzentriert sich darauf, die wichtigsten Punkte der Karriere Lance Armstrongs in einer Laufzeit von weniger als zwei Stunden abzuklappern. Und selbst wenn Hauptdarsteller Ben Foster alles gibt, um sich in seine Rolle hineinzuversetzen, gelingt es ihm aufgrund der einseitig geschriebenen Skriptvorlage nicht, den Sportler zu einer bemerkenswerten Leinwandpersönlichkeit zu erheben. Foster, der während des Drehs zu Recherchezwecken leistungssteigernde Mittel zu sich genommen hat, spielt effektiv und wirklichkeitsgetreu die Note „egozentrischer Prahler“, mit nur verschwindend geringen Akzenten von Einfühlsamkeit. Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt Armstrongs bleiben indes aus.


Dies wäre vernachlässigbar, würde die Koproduktion der Häuser Anton Capital Entertainment, StudioCanal und Working Title andere Aspekte in den Vordergrund rücken. Etwa den durchaus spannenden Rechtsstreit zwischen Armstrong und seinem einstigen Befürworter Walsh, der im Zentrum sehr weniger Szenen steht. Oder den Adrenalinrausch des Radsports – die Faszination der Tour de Force wird aufgrund der handwerklich soliden, doch den nötigen Reiz an Geschwindigkeit missenden Inszenierung aber nicht nachvollziehbar. Kurzum: Alles, was etwa Ron Howards Formel-eins-Drama Rush – Alles für den Sieg ausgemacht hat, fehlt hier. Also atemberaubende Rennsequenzen, komplexe Charakterzeichnungen und packendes Kräftemessen. Was bleibt, ist ein verbissen agierender, den Skriptschwächen zum Trotz respektable Arbeit leistender Forster und eine adäquate Schnitt- und Kameraarbeit, die diesen nachgespielten XL-Nachrichtenbeitrag gerade so davon abhalten, jeglichen Anspruch auf eine Kinoauswertung zu verlieren.


Fazit: Dieser Film guckt sich wie ein Wikipedia-Artikel: Ein guter Cast und ein fähiger Regisseur verschwenden ihre Zeit, um Häkchen hinter die Stationen in Lance Armstrongs Schaffen zu setzen!

Sonntag, 20. März 2016

Meine Lieblingsfilme 2015 (Teil I)

Die 88. Academy Awards liegen hinter uns, nun denkt endgültig niemand mehr über das Filmjahr 2015 nach. Schließlich hat das Filmjahr 2016 schon begonnen, ist allmählich warm gelaufen und steht kurz vor seinem ersten Schub an Blockbustern.

Was war das? Niemand denkt mehr über das Filmjahr 2015 nach? Nein! Fast niemand denkt über das Filmjahr 2015 nach. Ein Filmblogger aber steckt mit seinen Gedanken noch immer in den Kinomonaten 2015 fest. Denn seine Hitliste steht noch immer aus. Einerseits, weil er seine Favoriten noch hat sacken lassen wollen. Und andererseits, weil ihn allerlei Pflichten außerhalb seines Blogs eingeholt haben. Doch nun gibt es kein Hin und kein Her mehr, keine Widerrede und kein Vertrösten: Endlich blickt besagter Blogger zurück und nennt seine Lieblingsfilme des Jahres 2015. Und, welch Überraschung: Dieser Blogger, von dem die Rede ist, bin ich!

Ja, ich habe meine Tops 2015 lange vor mich hergeschoben, teils gewollt, teils, weil dauernd was dazwischen gekommen ist. Aber nun geht es los! Und wie immer gilt: Die Filme, um die es sich hier dreht, sind nicht zwangsweise die kulturell bedeutungsvollsten, die handwerklich makellosesten oder die außergewöhnlichsten Produktionen des Jahres. Die Frage, die darüber entscheidet, wo sich ein 2015 in Deutschland regulär auf den Markt gekommener Film platziert, lautet ganz schlicht: Wie stark lässt dieser Kino- oder Direct-to-DVD-Start mein Herzen höher schlagen?

Klar soweit?! Na ... dann ... loooos!

Platz 45: Cinderella (Regie: Kenneth Branagh)

Aller guten Dinge sind drei: Tim Burtons Alice im Wunderland, der Anfang der aktuellen Welle an Disney-Realneuverfilmungen bereits im Meisterwerke-Kanon abgehandelter Geschichten, war enttäuschend. Maleficent - Die dunkle Fee war eine absolute Katastrophe. Und Cinderella? Kenneth Branagh verwirklichte mit diesem auf Ironie und aufgesetzter Düsternis verzichtenden Kostümfilm eine visuell opulente Neuumsetzung des Märchenklassikers: Es ist die Geschichte einer jungen Frau, die in einer Zeit aufwächst, in der Frauen kaum Möglichkeiten haben, gesellschaftlich aufzusteigen. Während die Titelheldin es mit Freundlichkeit und Durchhaltevermögen versucht, setzt die von Cate Blanchett genussvoll selbstverliebt gespielte Stiefmutter auf Manipulation und Gehässigkeit. Der Einstieg in diese Geschichte ist etwas zäh, doch sobald der Prolog hinter einem liegt, entfaltet Cinderella einen altmodischen Charme, obwohl er zugleich etwas vom geschlechterpolitischen Staub der altbekannten Geschichte wegpustet.

Platz 44: True Story (Regie: Rupert Goold)

Der deutsche Untertitel Spiel um Macht ist grober Unfug. Wenn True Story schon einen Untertitel bekommen muss, so wäre Die Suche nach Wahrheit oder meinetwegen auch Kampf mit Fakten viel zutreffender: In Rupert Goolds Justiz-/Journalismus-Kammerspielthrillerdrama dreht sich alles um einen in Ungnade gefallenen Journalisten und einen Mann, der des mehrfachen Mordes angeklagt ist. Für den von Jonah Hill versiert gespielten Journalisten steht sein Ruf auf dem Spiel: Er will mit einem Bericht über den vermeintlichen Mörder beweisen, dass er noch immer faktenorientiert arbeitet, nachdem er in einem Artikel über Kinderarbeit in Afrika zwei Personen zu einer einzelnen zusammengefasst hat. James Francos ebenso oft charismatisch wie eiskalt auftretender Angeklagter wiederum muss auf Emotionalität pochen, um vor Gericht eine Chance zu haben. Die Suche nach Antworten im verfahrenen Mordfall, sowie der knifflige Umgang mit der Frage, was als "Wahrheit" durchgeht, werden in diesem extrem verdichteten Skript eloquent und facettenreich ausgearbeitet. Kein Thriller für nebenher, sondern ein Fall, wo sich die Suspense aus Nachdenklichkeit generiert!

Platz 43: Crimson Peak (Regie: Guillermo del Toro)

Hätte del Toro doch nur von den verflixten Digitaltricks die Finger gelassen! Crimson Peak ist eine wunderschöne Gothic-Romanze voller bitterer Ironie, einem melancholischen Verständnis des Übernatürlichen und einer vergnüglich übertriebenen Schurkenrolle, die der kühlen, zierlichen Protagonistin gegenübersteht. Mia Wasikowska besticht in dieser Hauptrolle, Jessica Chastain und Tom Hiddleston gefallen mir sehr als okkult wirkendes Geschwisterpaar und das Produktionsdesign dieses bittersüßen Films ist umwerfend! Es ist eine Produktion, die völlig aus der Zeit gefallen ist und so genauso gut in den 30ern hätte anlaufen können. Bis auf die CG-Geister, die auch genau danach aussehen und somit die Retro-Atmosphäre wiederholt attackieren. Wäre Stop-Motion so schwer gewesen?
 
Platz 42: Es ist kompliziert! (Regie: Ben Palmer)

Simon Pegg und Lake Bell in einer britischen Bilderbuch-Romantikkomödie: Gepfefferter Dialogwitz, leicht exzentrische, aber glaubwürdige Hauptfiguren, schrille Nebenrollen und nahtlos in die Geschichte eingewobene, treffende Beobachtungen über den Wahnsinn, den wir Partnersuche nennen. Oder "Über die letzte Trennung hinwegkommen". Oder "Kennenlernen". Ben Palmers unverdient im Kino untergegangener Wohlfühlfilm wird hoffentlich noch zum kultigen Geheimtipp, denn Es ist kompliziert! ist idealer Stoff für verregnete Tage. Oder Phasen, in denen man sich wie im Regen stehen gelassen fühlt.

Platz 41: Man lernt nie aus (Regie: Nancy Meyers)

Einer von Quentin Tarantinos Lieblingsfilmen des Jahres 2015. Und obendrein ein Vertreter der filmischen Gattung, die ich gerne nenne: "Filme, die heute andere Studios machen müssen, weil Touchstone Pictures ja leider nur noch ein Schatten seiner selbst ist". Denn Nancy Meyers' unaufgeregte Komödie über einen Rentner, der nicht vor Langeweile umkommen möchte, und sich daher bei einem Internet-Modeversandhaus als Praktikant bewirbt, strahlt solch ein Feeling aus wie die Touchstone-Komödien Vater der Braut, Noch drei Männer, noch ein Baby oder Green Card. Die Figuren sind mir im Laufe der 121 unaufgeregten Minuten sehr ans Herz gewachsen, und auch wenn die Produktion nicht vor Innovation platzt, so vermeidet sie auch die größten Klischees: Robert De Niro und Anne Hathaway spielen hier zwei Archetypen, die dank kleiner Gesten überraschend echt wirken, und wann immer eine pathetische Lektion oder eine überdramatische Wende folgen könnte, geht dieser "Slice of Life"-Streifen rasch einen anderen Weg. Einfach charmant!

Platz 40: Die Melodie des Meeres (Regie: Tomm Moore)

Der zweite Langfilm von Tomm Moore, dem Regisseur des bezaubernden Animationsfilm-Juwels Das Geheimnis von Kells ist ein ebenso berückend schön gezeichnetes Märchen wie die grüne, irische Sage, die damals im Oscar-Rennen mitmischte. Die ebenfalls Oscar-nominierte Melodie des Meeres ist nicht ganz so unvergleichlich wie ihr Vorgänger, und zwischenzeitlich sind mir die Kabbeleien des zentralen Geschwisterpaares zu anstrengend. Doch mit bezirzender Musik, bildhübschen Zeichnungen und einer reizvollen Mythologie ist dies trotzdem ein Muss für jeden Animationsfan!

Platz 39: The Gift (Regie: Joel Edgerton)

Joel Edgerton hat sich mit diesem Low-Budget-Thriller für mich von einem Hollywood-Irgendwer zu einer Persönlichkeit gewandelt, die es dringend zu beobachten gilt! Der australische Produzent, Drehbuchautor und Schauspieler lieferte mit seinem Regiedebüt The Gift eine höchst atmosphärische Geschichte ab, der ich zweifelsohne Hitchcock-Qualitäten zuschreiben möchte. Rebecca Hall und Jason Bateman spielen in der Produktion aus der Filmschmiede Blumhouse ein Ehepaar, das nach kleineren Schwierigkeiten nach einem Umzug neu anfangen möchte. Als aber ein alter Schulbekannter (gespielt von Joel Edgerton) auf die Beiden trifft und sich als wahre Klette erweist, wird aus dem erhofften Neubeginn ein Nervenbelastungstest. Was anfangs so simpel klingt, wird nach und nach zu einem gewaltigen moralischen Dilemma mit hoher Spannung, klug geschriebenen Figuren und einer kleinen Prise Zynismus. Edgerton, weiter so!

Platz 38: Der Babadook (Regie: Jennifer Kent)

Die intelligente, unprätentiöse Version von Ich seh, Ich seh: Jennifer Kent erzählt mit diesem unter die Haut gehenden Film zugleich ein Erziehungsdrama über Verlust und Schuldgefühle, einen Psychothriller über eine Mutter, die von ihrem quengelnden Sohn in den Wahnsinn getrieben wird, ein düsteres Stück Suspensekino über einen Jungen, dem seine Mutter die kalte Schulter zeigt, und einen übernatürlichen Horrorfilm. Ganz gleich, aus welchem Blickwinkel Der Babadook nun bestaunt wird: Eine beklemmende Inszenierung, erschütterndes Schauspiel und das mehrdimensionale Skript machen diesen Film zu einer sehr, sehr effektiven Schauermär. Selbst wenn mir die Parabel zwischendurch etwas zu lautstark transportiert wird: Die psychologisch wirkenden Schockeffekte machen das zumeist wieder wett!

Platz 37: Am grünen Rand der Welt (Regie: Thomas Vinterberg)

Der beste Miramax-Film, den Miramax nicht gemacht hat, seit vielen, vielen Jahren: Thomas Vinterbergs Romanadaption hätte in den 90er-Jahren mit Sicherheit knapp ein Dutzend Oscar-Nominierungen eingeheimst. Und wäre halt von den Weinsteins produziert worden. Die Dreiecksgeschichte im Historienfilmgewand ist bitter, romantisch und schwelgerisch, mit atemberaubenden Landschaftsaufnahmen, wunderschönen Kostümen und Gänsehaut erzeugender Musik. Carey Mulligan, Michael Schoenarts und Michael Sheen spielen allesamt sehr gut auf und gemeinhin ist Am grünen Rand der Welt schlicht ein Film, bei dem man richtig schön die Seele bauen lassen kann - wobei unter der Wolldecken-Einkuschel-Stimmung auch ausgefeilte Figurenzeichnungen warten sowie eine ansehnliche Aussage darüber, wie weit unser Frauenbild mittlerweile gekommen ist.

Platz 36: Spy – Susan Cooper Undercover (Regie: Paul Feig)

Es tut mir so, so, so leid, dass Paul Feigs Agentenkomödie der Einzug in die Top 35 verwehrt bleibt. Stundenlang habe ich darüber nachgedacht, gegen welche der noch folgenden Produktionen ich Spy - Susan Cooper Undercover austauschen könnte, aber letztlich habe ich mich nicht durchringen können. Die Gagqualitäten dieser verrückten, wilden, temporeichen Genrepersiflage soll das jedoch nicht schmälern: Melissa McCarthy darf hier endlich wieder eine runde Figur, statt eine Karikatur spielen. Jude Law ist urkomisch als semi-fähiger Bond-Verschnitt, Jason Statham ist als Selbstparodie unfassbar lustig und Rose Byrne hat den Spaß ihres Lebens in einer garstigen Schurkenrolle. Guter Slapstick, hervorragender Dialogwitz und ein zügiges Erzähltempo: So darf auch Feigs Ghostbusters werden. Nur gern mit besseren CG-Effekten.

Das war der erste Streich. Der Rest meiner Hitliste folgt (nahezu) sogleich!

Samstag, 19. März 2016

Sicario




Nacht. Tiefschwarze Nacht. Nur zwei Autoscheinwerfer sorgen für Licht. Wenig, unfassbar wenig Licht. In diesem Licht stehen sich zwei Männer gegenüber – einer vor Nervosität zitternd. Der andere ist üblicherweise gemeingefährlich, aber nun, im Schatten der Nacht von einer unerwarteten Situation überrumpelt, steht ihm ein undechiffrierbarer Ausdruck ins Gesicht geschrieben. Einige Minuten zuvor versank eine Sondereinsatztruppe während eines den Horizont purpur färbenden Sonnenuntergangs ins satte Schwarz einer einsamen Wüstengegend nahe Mexiko. Diese zwei Szenen stehen stellvertretend für die Bildsprache der neusten Regiearbeit des kanadischen Filmemachers Denis Villeneuve: Wenn sich Sicario in Dunkelheit verliert, so ist es keine Film-Dunkelheit. Hier erstrahlen Gesichter nicht in einem schmucken Ultramarineblau. Die Dunkelheit ist hier stockfinster.



Nicht, dass der Tag einladender wäre: Gleißendes Weiß, das jedes noch so kleine Staubkorn offenbart, das sich im Wind wiegt. Giftiges Gelb-Braun, das sich in die Augen brennt und den Betrachter an Krankheit, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit denken lässt. Meister-Kameramann Roger Deakins (No Country For Old Men, Skyfall) versteht es, die Schauplätze dieses Drogenthrillers so einzufangen, dass sie abstoßen. Dass sie schon auf dem ersten Blick einen Fluchtimpuls oder zumindest ein tief sitzendes Unbehagen auslösen. Paradoxerweise, und das macht eine Legende wie Deakins erst zur Legende, überträgt sich dieses Unwohlsein, mit dem die Szenerie behaftet ist, nicht auf den eigentlichen Film. Die Kameraarbeit geht in Sicario mit zu präzisem Auge und zu kunstvoller Hand vonstatten, als dass sie den Kenner nicht erstaunen lassen würde. Und selbst wenn der großartige, mehrfache Oscar-Anwärter die beste Leistung unter den Sicario-Verantwortlichen verantwortet, so lässt sich dieses Urteil auf praktisch alle relevanten Aspekte dieses Thrillers anwenden …



Im Mittelpunkt der zu gleichen Teilen bedrückenden wie fesselnden Story steht Emily Blunt als Kate Macer. Blunt spielt die erfahrene und verbissene FBI-Agentin mit stiller Intensität. Mit wenigen Worten, aber subtiler Mimik und einer zurückhaltenden, aber vielsagenden Gestik verleiht die Mimin ihrer Rolle einen gestrengen Charakter. Kate befolgt stur die Regeln und will mit dieser Haltung sowie mit Zähheit für Recht sorgen. Als sie aber in eine Spezialeinheit eingeladen wird, die sich an die Fersen eines Kartellbosses macht, landet die taffe Agentin in einer Welt, die auf beiden Seiten der Rechtsprechung viel härter ist als alles, was sie zuvor erlebt hat. So schleicht sich auch ein leises Gefühl der Überforderung in Kates Gestus, vermengt mit einer sie treibenden Neugier: Wozu bin ich eigentlich in diesem Team?



Denn Geheimdienstler Matt Graver (Josh Brolin) hat abseits eines unentwegt zwischen einladend und selbstgefällig schwankendem Grinsen nicht viel, das er Kate bietet. Von sich aus gibt er kaum Informationen über die gemeinsame Mission, und wenn Kate nachbohrt, bleibt er zumeist sehr kryptisch. Kaum besser ist da der undurchsichtige Alejandro (Benicio Del Toro), der offenbar als Berater fungiert und eine tragische Vergangenheit hat – sowie ein dunkles Glimmern in seinen Augen. Dass Kates fähiger, aber wenig erfahrener Kollege Reggie (Daniel Kaluuya) aufgrund seiner Jurakenntnisse nicht in die Sondereinheit darf, gibt zusätzliche Rätsel auf ….

Obwohl Sicario angesichts der vielen offenen Fragen, die lange Zeit im Raum schweben, eingangs eine andere Vermutung nahe liegt, ist Drehbuchautor Taylor Sheridan nicht daran interessiert, einen wendungsreichen Verschwörungsthriller zu erzählen. Stattdessen zieht er Sicario als geradlinige Geschichte über den Kampf der US-Behörden gegen ein Kartell auf – bloß, dass Sheridan das Publikum über weite Strecken auf dem Informationsstand des Neulings Kate belässt. Die Gründe, weshalb sich niemand darum bemüht, Kate – und somit die Zuschauer – ausführlich zu informieren, sind wiederum mit dem eigentlichen Thema des Films verquickt. Denn während Sicario nach außen hin sehr gut als betrüblicher, aufgrund seiner dichten Atmosphäre brodelnder Thriller mit wenig, dafür schneidender Action funktioniert, referiert der Film zwischen den Zeilen über Grau-Graue-Moralität. Und darüber, dass es in der Drogenbekämpfung keine einfachen Antworten gibt.



Zwar bietet Sheridan trotz der von ihm betriebenen, weit reichenden Recherchearbeit nur wenig neue Erkenntnisse. Jedoch verpackt er diese in einen in sich schlüssigen, mitreißenden Thriller, der sich nie wie ein Lehrstück schaut. Sondern stets wie ein sich langsam steigernder, grimmer Actionthriller für ein Publikum, das auch mal zwei Stunden auf Hoffnungsschimmer und rasantes Spektakel verzichten kann. Zwischendurch dürfte Kate angesichts der Geschehnisse zwar gern etwas aktiver, auflehnender handeln, dafür punktet der Film aber mit einem persönlichen, antiklimatischen Schluss. Effekthascherei braucht Sicario nicht. Mit präzisem Schnitt, beißenden Soundeffekten und einem tiefen, bedrohlichen Bass, der die kraftvolle Hintergrundmusik von Jóhann Jóhannsson dominiert, bringt Sicario auch so das Adrenalin zum Kochen. Und der Prisoners-Regisseur Denis Villeneuve fundamentiert seine Stellung als Schöpfer eindrucksvoller, ruhiger, unter die Haut gehender Stoffe.


Capital C



Schwarmintelligenz trifft auf Vorschusszahlungen: Egal ob man es persönlich unterstützt oder nicht; Crowdfunding ist ein spannendes Konzept. Eine Dokumentation zum Thema Crowdfunding via Crowdfunding zu finanzieren, ist unterdessen ein kniffliger Gedanke. Es ist durchaus vorstellbar, über diesem Wege eine informative, ungewöhnliche Doku zu verwirklichen. Etwa, wenn durch die Fanfinanzierung abgesichert wird, dass der Film unkonventionell vorgehen darf und somit ganz anders wird als jeder übliche Dokumentarfilm. Morgan Spurlock hat vor einigen Jahren vorgemacht, wie eine Dokumentation über besondere Finanzierungswege aussehen kann, die selbst diese Wege beschritten hat: In The Greatest Movie Ever Sold thematisierte er Produktplatzierungen und Film-Werbedeals, indem er die Finanzierung eben jener Dokumentation mit der Kamera einfing. Das Ergebnis war so erhellend wie unterhaltsam.

Von der The Greatest Movie Ever Sold innewohnenden Cleverness und dem von dieser Doku ausgestrahlten Schalk ist Capital C aber weit entfernt. Stattdessen wurde mit Crowdfunding ein Film über Crowdfunding finanziert, der sich primär an Begeisterte des Crowdfunding-Gedanken richtet, die sich nicht in die Suppe spucken lassen wollen. Zwar hat die Doku ihre hellen Momente, unterm Strich ist sie jedoch sehr einseitig und voreingenommen geraten.

Die Stützpfeiler der Doku sind drei Kickstarter-Erfolgsgeschichten: Der Videospiele-Pionier Brian Fargo, der mit immensem Erfolg bei Kickstarter Geld für die Neuauflage von Wasteland sammelt. Der Grafiker Jackson Robinson, der sich seinen Traum erfüllen möchte, Spielkarten zu gestalten. Und der Hipster Zach Crain, der gestrickte Flaschenwärmer herstellt. Fargo dient dabei mit seinen millionenschweren Kickstarter-Aktionen als leuchtendes Vorbild für erfolgreiches Crowdfunding. Zugleich repräsentiert er den Aspekt dieses Finanzierungsmodells, den auch der Veronica Mars-Film oder Zach Braffs Wish I Was Here abdecken: Von Fans herbeigesehnte Unternehmungen, die trotzdem nie zustande gekommen sind.

Robinson und Crain dagegen stehen stellvertretend für die kleinen, verrückten Ideen, die sich bei Kickstarter und Co. finden und bringen auch eine persönlichere Note in den Film. Das bunte „Wir haben uns alle lieb“-Treiben in Crains Firma steht dabei im satten Kontrast zur verbissenen Selfmade-Unternehmer-Story von Robinson, der im Laufe der 87 Filmminuten mehrmals von himmelhochjauchzend zu deprimiert schwankt. Aber Robinsons flatternden Nerven und seiner zwischendurch davon schwindenden Zeit mit seiner Familie zum Trotz: Die Regisseure Jørg Kundinger und Timon Birkhofer lenken immer wieder das Hauptaugenmerk ihrer von 586 Kickstarter-User unterstützten Dokumentation darauf, dass mit Crowdfunding am Ende ja alles gut wird. Diesen Eindruck unterstreichen auch die gelegentlichen, kurzen Interview-Statements von Wirtschaftsexperten oder Netz-Kennern wie Sascha Lobo.

Kritische Nachfragen werden in Capital C verschwindend klein geschrieben, genauso wie Konkurrenzplattformen zu Kickstarter kaum Beachtung finden. Dass über Kickstarter finanzierte Ideen mitunter nie vollendet werden, hakt der Film im Vorbeigehen ab, genauso wie sie von gezieltem Crowdfunding-Missbrauch nichts wissen möchte. Selbst die große Community an eingeschworenen Kickstartern wird zu einer Fußnote degradiert: Ein besonders geschäftiger 'Backer' kommt kurz zu Wort, meint, dass ja nicht alle von ihm unterstützten Projekte vollendet wurden, und ward nie wieder gesehen.

Dabei hätte eine größere Varianz Capital C sehr gut zu Gesicht gestanden: Was steckt hinter Plattformen wie 'Patreon', was können Backer machen, die unzufrieden sind, und gibt es Leute, die es bereuen, bei der Verwirklichung ihrer Ideen auf Crowdfunding zurückgegriffen zu haben? Antworten auf diese Fragen wären zweifelsfrei reizvoller gewesen, als die diversen Wiederholungen, auf die Capital C zurückgreift. Sei es die Beweihräucherung des attraktiven, aber nicht makellosen Modells Crowdfunding, oder Zach Crains insgesamt drei Erklärungen, wie die ABC-Show Shark Tank abläuft: Nach und nach verliert sich die Dokumentation in die Redundanz. Alle Crowdfunding-Gegner können sich daher an dieser Stelle einen passenden, schnippischen Kommentar denken. Alle anderen dürfen ihr Bedauern anmelden. Einen Imagefilm hätte es nämlich nicht gebraucht – man kann an Crowdfunding glauben und sich dennoch mit den Makeln des Modells auseinandersetzen. Vielleicht schafft es ja die nächste Doku zum Thema. Denn auch das lehrt Capital C: Nachahmer gibt es überall ...

Everest



Glaubt man den Worten von Reinhard Mey, so muss über den Wolken die Freiheit wohl grenzenlos sein. Das Volkslied des deutschen Barden kommt in Everest  zwar, wenig überraschend, nicht vor, trotzdem lässt sich ein Bezug zwischen beiden Werken herstellen. Denn zumindest einige der handelnden Figuren in diesem Abenteuer-Thrillerdrama streben danach, für die Dauer einiger weniger Sekunden besagte Freiheit zu erlangen. Und dies allein auf dem Fußweg! Sie besteigen im Mai 1996 den Mount Everest, der mit seinen gewaltigen 8.848 Metern bis in die übliche Flughöhe einer Boeing 747 emporragt. Wer die Trailer zum Film kennt, im Frühjahr '96 die Nachrichten verfolgt hat oder sich mit den tragischsten Ereignissen in der Bergsteigerhistorie auskennt, weiß, dass dieser Wunsch nach ein paar kurzen Augenblicken Freiheit fatale Folgen hat. Immerhin sind die luftigen Höhen, die der Berliner Liedermacher so poetisch besingt, vielleicht für Flugzeuge, nicht aber für den einfachen Menschen gemacht:


Wenige Minuten ohne Schnee- respektive Sonnenbrille können zu Schneeblindheit führen. Das Atmen ohne künstlichen Sauerstoff ist nur sehr kurzfristig möglich, jeder einzelne Schritt ist ungeheuerlich schwer und bei einem zu langen Aufenthalt droht der Höhenkoller. Von der eisigen Kälte ganz zu schweigen! Aber für den einmaligen Ausblick, die Sehnsucht nach einem unbeschreiblichen Freiheitsgefühl oder schlicht für den Nervenkitzel machen sich dennoch immer wieder Menschen auf den beschwerlichen Weg. Und wieder andere machen es für Geld. Darunter der versierte Bergsteiger Rob Hall (Jason Clarke), seines Zeichens Kopf des kommerziellen Betriebes 'Adventure Consultants', eine der führenden Firmen während der Blütezeit in Sachen Everest-Tourismus. Für eine satte vierstellige Summe verspricht Hall jedem Hobby-Abenteurer eine sichere Besteigung des Mount Everest. In seinem nunmehr fünften Jahr nimmt er unter anderem den geschiedenen Postboten Doug Hansen (John Hawkes), den texanischen Pathologen Beck Weathers (Josh Brolin), die japanische Kletterversessene Yasuko Namba (Naoko Mori) und den Reisejournalisten Jon Krakauer (Michael Kelly) unter seine Fittiche.

Da Everest auf einer tragischen, wahren Geschichte basiert, die monatelang in den Nachrichten thematisiert wurde und haufenweise Problem- und Sachbücher inspirierte, steht außer Frage, dass nicht alle Protagonisten diesen Trip überleben werden. Zu viel sei an dieser Stelle jedoch nicht verraten, da die im Film weitestgehend nüchtern geschilderten Ereignisse nicht zur Allgemeinbildung gehören. Dem sind sich auch die Drehbuchautoren William Nicholson und Simon Beaufoy bewusst, die ihre Geschichte so erzählen, dass Ahnungslose und Wissende gleichermaßen bedient werden. Zwar verdeutlichen die Autoren sehr früh, dass ein Damoklesschwert über der bunt zusammengewürfelten Gruppe hängt, gleichwohl gehen sie in ihrer Erzählung strikt chronologisch vor und verzichten auf klare Vorausdeutungen. Somit darf das unwissende Publikum mitfiebern und mitknobeln, wer denn überleben wird, während die Zuschauer mit Vorwissen nach all den kleinen Fehlentscheidungen Ausschau halten können, die im weiteren Verlauf grausame Auswirkungen haben werden.

Generell funktioniert die neue Regiearbeit von Baltasar Kormákur (2 Guns) am besten, wenn sie sich voll auf den Überlebenskampf der Bergsteigergruppe konzentriert, der sie in der zweiten Filmhälfte erwartet. Der Kampf Mensch gegen Natur und Wille gegen Können wird von Kormákur ohne Voyeurismus, aber eindringlich in Szene gesetzt. Hier macht sich seine Erfahrung durch das ebenfalls wahre, frostige Drama The Deep bezahlt, in dem er schon einmal eisige Landschaftsaufnahmen und bibberndes Schauspiel kraftvoll vermengte. Bedauerlich ist indes, dass sich Everest nicht stärker auf das fröstelnde Leid seiner zentralen Akteure verlässt. Denn so überzeugend vor allem Brolin, Clarke und Gyllenhaal als Scott Fischer, der Rock 'n' Roller der Berge, gegen die Widrigkeiten des Everest ankämpfen, so mau ist zwischenzeitlich das Dialogbuch.

Insbesondere die erste Hälfte zieht sich daher: Die zahlreichen Kennenlernszenen, in denen die Figuren grob umrissen werden, führen das Personal aufgrund der flachen Wortwechsel bloß als ein- bis zweidimensionale Abziehfiguren ein. Zudem verlieren sich sämtliche potentiell kritische Untertöne am Everest-Massentourismus in den fahlen Gesprächssequenzen, womit die dramatische Komponente an Gehalt verliert. Bevor es auf dem Achttausender wirklich brenzlig wirkt, überzeugt daher House of Cards-Nebendarsteller Michael Kelly am meisten: Seine Figur des Journalisten Jon Krakauer ist in den frühen Momenten die facettenreichste und hält somit den schwachen Einstieg des Films zusammen. Fans von Keira Knightley und Robin Wright sollten indes nicht zu viel von Everest erwarten, denn als besorgte Ehefrauen haben sie in diesem Abenteuer recht wenig zu tun.

Auch wenn aus der 3D-Technologie weitaus weniger raus geholt wird, als möglich gewesen wäre, kann sich Everest allen Makeln zum Trotz als visuelles Erlebnis sehen lassen. Die leinwandfüllenden Aufnahmen der eisigen Gebirgslandschaften – Island und Südtirol dienten weitestgehend als Double, einige wenige Aufnahmen entstanden aber tatsächlich in Nepal – sind majestätisch und ehrfurchtgebietend. Und in den Momenten, in denen nicht die Gefährlichkeit und Tragik der hier geschilderten Bergbesteigung anno 1996 deutlich wird, sondern schlicht der Ausblick bestaunt werden darf … Während dieser kurzen Passagen kann man als Zuschauer kurz aufhören, über das halsbrecherische Verhalten der Figuren den Kopf zu schütteln. Die Landschaftsaufnahmen springen sozusagen für das Dialogbuch in die Bresche und erlauben es, neidlos anzuerkennen: So hoch über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein! Und egal, wie gefährlich eine Everest-Besteigung sein mag, völlig unverständlich sind die Ziele der Figuren dann doch nicht. Ob Everest solche Gedanken beflügeln sollte, ist derweil Stoff für eine ganz andere Debatte.

Fazit: Die Dialoge in Everest sind teilweise so flach, wie der titelgebende Berg hoch ist. Daher enttäuscht die dramatische, menschliche Komponente dieses 3D-Films enorm. Wann immer sich Everest darauf beschränkt, ein nervenaufreibender Abenteuer-Thriller mit namhafter Besetzung und atemberaubenden Bildern zu sein, funktioniert er aber sehr gut.

Ich und Kaminski



Den Romanen von Daniel Kehlmann schreibt der Feuilleton gemeinhin zu, genau für ihr Medium geschaffen – und somit schwer verfilmbar – zu sein. Und diesem Urteil lässt sich nur schwer ein gewisses Fundament absprechen. Schließlich neigt der Schriftsteller dazu, mit den Formalitäten des Mediums zu spielen, so dass der lakonische Humor von Kehlmanns Büchern nur als Text volle Wirkung zeigt. Dessen ungeachtet stellen Kehlmanns Romane kein Tabu für Filmemacher dar. Nachdem Die Vermessung der Welt bereits 2012 als 3D-Abenteuerdrama den Weg in die Kinos fand und in Filmform solide abschnitt, kommt nun auch der zwei Jahre ältere Roman Ich und Kaminski in die Lichtspielhäuser.


Im Zentrum steht der gleichermaßen ehrgeizige wie selbstverliebte Kunsthistoriker und Journalist Sebastian Zöllner (Daniel Brühl). Um endlich den großen Durchbruch zu schaffen, nimmt er sich vor, eine Biografie über den blinden Maler Manuel Kaminski (Jesper Christensen) zu verfassen. Immerhin wird ihm nachgesagt, zur Blütezeit seines Schaffens den gesamten Kunstbetrieb beeinflusst zu haben und stellt somit ein faszinierendes Subjekt dar. Darüber hinaus rechnet Zöllner dem sagenumwobenen Künstler nur noch eine kurze Lebenszeit aus – und sollte die Biografie kurz vor seinem Ableben erscheinen, könnte sie sich zu einem echten Bestseller entwickeln. Und so lädt sich Zöllner kurzerhand selbst ins abgelegene Chalet des Malers ein, um ihn auszufragen und Geheimnisse aufzudecken. Aber nach einigen Startschwierigkeiten entwickeln Zöllner und Kaminski eine komplexe, verwirrende Beziehung zueinander …


Regie bei dieser Kinoadaption führte Wolfgang Becker, der 2003 mit der tragikomischen Ostalgie-Geschichte Good Bye, Lenin! der Karriere von Daniel Brühl einen gewaltigen Schub gegeben hat. Seither war Brühl nicht nur in internationalen Erfolgen wie Inglourious Basterds oder Rush zu sehen, sondern hielt auch weiterhin kleineren Stoffen die Treue. Eines dieser Projekte, Die Augen des Engels, stellte dieses Frühjahr gewissermaßen die schwächere Vorhut zu Ich und Kaminski dar. In beiden Filmen übernimmt Brühl die Hauptrolle eines Autoren, der sich während der Arbeit an seinem aktuellen Thema in einem Labyrinth aus Selbstreflexion, für ihn atypischem Verhalten, Wunschdenken, Fakt und Fiktion verliert. Ähnlich, wie diese Passagen die besten Momenten des insgesamt eher mageren Psychodramas Die Augen des Engels darstellen, gehören solche Sequenzen auch zu den Höhepunkten von Ich und Kaminski.

Anders als das Verwirrspiel, das sich vom Fall Amanda Knox inspirieren ließ, geht Ich und Kaminski aber eine weniger düster-verzweifelte Route. Stattdessen schwankt die Romanadaption zwischen grellen und melancholischen Gemütslagen, wobei die spaßigen Momente wiederum in surrealistisch-verspielt und frivol-albern aufgeteilt werden können. Die slapstickartigen Elemente dominieren vor allem zu Beginn – und bremsen den Film nach dem spritzigen, einfallsreichen Prolog enorm aus. Daniel Brühl besitzt zwar gutes Timing in Sachen Wortwitz, er ist aber nicht die Art Schauspieler, die einen Lachmuskelangriff lostritt, wenn seine Rolle nachts durch eine vollgekackte Kuhweide stolpert. Sobald aber diese und ähnliche physische Albernheiten überstanden sind, findet Regisseur Becker einen Tonfall, der seinem Hauptdarsteller steht und zudem den vom Roman und Skript angerissenen Themen gerecht wird.


Der große Einschnitt erfolgt dadurch, dass Brühls spitzbübisches Ekel, das dank seiner kessen Qualitäten ebenso beneidenswert wie es für seine Arroganz abscheulich ist, endlich ganz nah an den einsiedlerischen Kaminski gelangt. Nicht nur liefern sich Brühl und Jesper Christensen einen wunderbaren, staubtrockenen Schlagabtausch, der einige gut sitzende Seitenhiebe auf den Kunstbetrieb und den Kunstjournalismus beinhaltet. Vor allem verleiht die Dynamik zwischen den Figuren, die sich irgendwie sympathisch sind, aber zudem gehörig auf die Nerven gehen, der Story eine vergnüglich vermittelte, aber tief gehende Nachdenklichkeit: Zöllner sieht in Kaminski nicht nur seine berufliche, sondern auch seine potentielle private Zukunft. Und dieser Blick auf ein mögliches zukünftiges Ich löst bei Zöllner Angst, Bedauern, aber ebenso auch hoffnungsvolle Regungen aus. Brühl geht bei dieser Ambiguität auf, und sobald sich Kaminskis spontaner Trip zu einer verflossenen Liebe dem Ende nähert, lässt auch die Regieführung den widersprüchlichen, somit reizvollen Gefühlen freien Lauf.


Wenn Geraldine Chaplin, Tochter der Leinwandlegende Charlie Chaplin, die Leinwand erfüllt und als freundliches altes Mütterchen Kaminski und Zöllner verwirrt, stellt Becker sogar ganz unaufdringlich und extrem effektiv die Frage: „Was ist besser – ein unbedeutendes, fröhliches Leben oder eine beeindruckende Vita, die jedoch ein leeres Leben bedingt?“ Der Weg hin zu diesem Höhepunkt ist jedoch steinig: Wiederholt gerät Ich und Kaminski aufgrund der atonalen Slapstickpassagen ins Stolpern, und zuweilen stellen sich die Figuren zu Gunsten eines schnellen Gags viel dümmer an als sie sonst charakterisiert werden. Nach dem beeindruckenden Höhepunkt plätschert der Film dann etwas zu langsam aus, um das Optimum aus seinen Stärken rauszuholen. Für die Adaption eines weiteren Romans des schwer verfilmbaren Daniel Kehlmann ist Ich und Kaminski trotzdem ganz in Ordnung – auch dank ihrer skurrileren Tendenzen.


Fazit: Ich und Kaminski ist eine ambitionierte, sich zwischendurch zu sehr in misslungenem Slapstick versuchende Geschichte über Kunst, Menschlichkeit und Bedauern. Bedauerlicherweise ist diese kunstvolle Mischung streckenweise zäh, der menschliche Kern aber überzeugt. Ein Film für Kehlmann- und Brühl-Fans!

Mittwoch, 16. März 2016

Let's Swing into Spring!


Seit meinem letzten Besuch im Disneyland Paris sind leider drei laaaange Jahre vergangen, aber dieses Frühjahr war es endlich wieder so weit: Ich bin ins französische Zauberreich gefahren, das von einer quietschfidelen Maus regiert wird. Obwohl wir alle wissen, dass eine gewisse cholerische Ente die beste Figur ist, die je das Licht der Disney-Welt erblickt hat. Aber lassen wir diese jahrzehntealte Debatte ruhen, um uns meinem nunmehr 23. Trip ins Disneyland Paris zu widmen. Dieser Besuch bot für mich tatsächlich einige Neuheiten - sowas kommt nun einmal vor, wenn man nicht oft genug vorbeischaut.

So kam ich erstmals in den Genuss der noch vergleichsweise frischen Frühlingssaison im Disneyland Paris. Obwohl das Swing into Spring-Fetival erst 2014 eingeführt wurde, stellt es mittlerweile für nicht wenige Mitglieder in der DLP-Fancommunity die Lieblingssaison dar. Und ich kann sehr gut nachvollziehen, weswegen: Der Disneyland-Frühling hat zwar weder die Coolness von Halloween, noch den Prunk von Weihnachten, jedoch ist diese Saison eine besonders muntere: Durch die warme, freundliche Gestaltung der Frühlingsdeko wird das Disneyland Paris von einer charmanten, süßlichen Atmosphäre erfüllt. Mehr als eh sch. Von den zahlreichen über den Park verteilten Osterei-Versionen ikonischer Disney-Figuren, über die zahlreichen Blumendekorationen in der Main Street, U.S.A., bis hin zu kunstvollen Gestecken: Der Frühling im Disneyland Paris hat geradezu eine Wohlfühlgarantie.

Und für alle Disney-Park-Geeks hat er den besonderen Bonus, dass er das im viktorianischen Stil gehaltene Fünftel des Parks zum Leben erweckt, wie sonst keine Saison: Die Disney-Figuren treffen ihre Fans in Outfits im galanten Dapper-Stil und sobald die Swing into Spring-Saison richtig in Gang geht, gibt es zudem Musik und Streetmosphere, die perfekt zum Look der Main Street passt. Herrlich! Und ideal, wann immer man im Laufe eines ereignisreichen Urlaubstages in der so atmosphärisch dichten, bildhübschen Main Street kurz durchschnaufen möchte.


Bis Mai besteht das frühlingsafte Entertainment-Programm im Disneyland Paris zudem aus der sehr schönen Show The Forest of Enchantment, die Teil jedes Besuchs in den kommenden Monaten sein sollte! Meine Gedanken zu dem liebenswerten, kleinen Bühnenmusical könnt ihr hier nachlesen.

Wie bei jedem Disneyland-Paris-Besuch habe ich mich auch dieses Mal auf die Bäckereien und Süßwaren-Snackstände gestürzt, um mir wiederholt die umwerfendste Köstlichkeit zu gönnen, die man in Marne-la-Vallée erwerben kann: Die superschokoladigen Brownies! Von diesen verboten guten Zuckerbomben gestärkt, ging es auf all meine Lieblingsattraktionen im Disneyland Park - und da es im Frühjahr vergleichsweise ruhig ist, wurden die meisten von ihnen sogleich drei Mal oder öfter besucht! Kaum etwas bringt mich so sehr auf Trab wie eine Kreuzfahrt mit den Pirates of the Caribbean, und ich würde lügen, müsste ich sagen, dass ich nicht süchtig danach bin, meine eigenen Highscores beim interaktiven Darkride Buzz Lightyear Laser Blast zu brechen. Das schaurig-düsterromantische Pariser Original Phantom Manor wollte natürlich ebenfalls bestaunt werden, und it's a small world ist und bleibt ein kitschig-fröhlicher Superspaß. Auf Big Thunder Mountain und Peter Pan's Flight musste wegen Renovierungsarbeiten verzichtet werden, dafür habe ich mich, nachdem ich die Bahn beim letzten Besuch ausgelassen habe, von Space Mountain bis zum Mond und darüber hinaus schießen lassen.

Viel gespannter als auf das Wiedersehen mit diesen und weiteren Bahnen im klassischen Park war ich aber auf das, was der Walt Disney Studios Park für mich zu bieten hatte. Okay, Forest of Enchantment als neue Show und meine ewige Lieblingsbahn Pirates of the Caribbean waren ganz oben auf meiner "To do"-Liste. Sowie das obligatorische Treffen mit Donald Duck, denn ein Disneyland-Besuch ohne Donald ist für mich nur ein halber Besuch. Trotzdem: Der zweite meiner drei Urlaubstage sollte der große, gespannt erwartete Studio-Tag werden!


Der Walt Disney Studios Park ist für manche Disney-Park-Nerds so etwas wie das schwarze Schaf in der Familie. Und mit seinem sehr geringen Themening in den ersten Jahren sowie der künftige Erweiterungen des Parks erschwerenden Platzierung einiger Rides sehe ich auch, wo diese Meinung herkommt. Trotzdem habe ich eine gewisse Schwäche für den Disney-Park, der wohl die höchste Thrill-pro-Quadratmeter-Dichte aufweist und zudem mit Cinemagique und bis vor kurzem auch mit der Schwarlicht-Bühnenshow Animagique zwei tolle Originale zur Eröffnung herbeizauberte. Donalds wunderliche Reise durch das Disney-Archiv ging nach rund 15 Jahren endgültig in Rente, aber seit Sommer 2014 gibt es in unmittelbarer Nähe des wirbelnden, wilden Crush's Coaster (einem weiteren Pariser Original) immerhin die weltweit exklusive Ratatouille-Bahn! Hinter dem zungenbrecherischen französischen Namen Ratatouille: L’Aventure Totalement Toquée de Rémy verbirgt sich eine technisch ausgefeilte Attraktion, in der man sich als Besucher auf Rattengröße geschrumpft fühlt und auf einer schienenlosen Strecke durch das noble Restaurant Gusteau's düst.

Selbst wenn mich die hochmoderne Technologie, die auf eine Kombination aus ultrahochauflösenden 3D-Projektionen und klassischen Requisiten setzt, nicht in die Story versetzt hat, sondern über die Umsetzung der Bahn grübeln ließ, kann ich jedem Disney-Urlauber diese Fahrt nur ans Herz legen. Es ist ein rasantes, spaßiges Abenteuer, das zwar familienfreundlich ist, mit Tempo und Illusionen aber auch Pepp hat. Ich bin zwei Mal hintereinander mit Remy durch Gusteau's gedüst, danach wurde es in der pittoresk gestalteten, französischen Ecke der Studios einfach zu voll! Diese Bahn hat echt viele Fans, und das völlig verdient!

Das Warten auf meine erste Ratatouille-Fahrt, die direkt nach der offiziellen Parkeröffnung erfolgte, war übrigens sehr kurzweilig! Als so gegen 9 Uhr die Pforten des Parks geöffnet wurden und alle Anwesenden eilig zu den Topattraktionen gedüst sind, um sich einen der ersten Plätze zu sichern, schlenderte ich zur Single-Rider-Line bei Remy. Und als sich diese Warteschlange und auch die anderen Schlangen vor der Bahn immer mehr füllten, kamen mehr und mehr Cast Member heraus, die allesamt sehr ulkig drauf waren. Einige "Besen gegen Lichtschwert"-Kämpfe und andere Albereien mit anstehenden Kindern später habe ich gar nicht gemerkt, wie lange ich eigentlich gestanden habe. So lässt sich auch die unvermeidliche Schattenseite eines Themenparkbesuchs verschönern.

Ein weiteres Muss im Studio Park war der Rock'n'Roller Coaster, eine für Disney-Verhältnisse sehr temporeiche, turbulente Achterbahn, die einen gewissermaßen mitten in einen Aerosmith-Song versetzt. Von allen Looping-Bahnen im Resort ganz klar mein Favorit, da Soundtrack und Strecke so gut verschmelzen und die Lightshow während der Fahrt großartig ist. Und da es Gerüchte gibt, dass die Achterbahn über kurz oder lang umgestaltet wird, führte für mich kein Weg an ihr vorbei!


Und auch abends war für Wohlfühlmomente gesorgt: Dank eines unschlagbaren Angebots konnte ich mir einen Abstecher ins Newport Bay Club gönnen, eines der höherklassigen Hotels im Resort. Das im Neuengland-Stil gehaltene, maritime Hotel befindet sich aktuell in den allerletzten Zügen seiner Renovierung und erstrahlt in einem nobleren Glanz denn je: Die Inneneinrichtung erlaubt es mit dunklem Holz und angenehmen, gedeckten Blautönen, abends langsam abzuschalten und sich wie auf dem Luxusdeck eines Edeldampfers zu fühlen. Im neuen Compass Club, einer höheren Zimmerkategorie innerhalb des Hotels, geht der Luxus noch weiter: Gratis Gepäckservice, eine eigene Rezeption für schnelleres Einchecken, eine eigene Etage nur für Compass Club-Gäste sowie eine eigene Lounge sind Teil dieses Angebots. Und vor allem für die sehr schmucke Lounge macht sich die Compass Club-Wahl bezahlt: Nachmittags warten dort gratis Kuchen und andere Snacks, abends kann man bei Trockenobst und Nüsschen entspannen. Alkoholfreie Getränke sind inklusive. Und morgens gibt es ein großes Frühstücksbuffet, das zum üblichen kontinentalen Frühstück noch allerlei Süßgebäck und warme Speisen hinzufügt. Und da der Compass Club nur relativ wenige Zimmer zur Verfügung hat, ist das Frühstück in der Lounge drängelfrei und superleise. Was für ein köstlich-gemütlicher Start in den Tag!

Ich könnte noch ewig weitermachen. Die drei Tage im Disneyland Paris waren einfach traumhaft. Und weil es da ja so schön zauberhaft ist, habe ich mich auch endlich wieder richtig entspannen können - obwohl ich den ganzen Urlaub über total viel getan habe! Das ist die Magie eines Disney-Urlaubs: Pickepackevolles Programm, und dennoch kann die Seele wieder durchatmen. Ich kann mein nächstes Mal kaum erwarten! Auf dass es nicht wieder drei Jahre dauert, bis ich ins Disneyland Paris zurückkehre!