Boxen. Der Sport, der wie fürs Kino geschaffen ist. Er ist
rau, schnell und brutal, erlaubt aber auch Taktik und somit Köpfchen – und die
Sportler sind praktisch ungeschützt, was eine hohe Emotionalität im Schauspiel
erlaubt. Zudem spielt sich die dynamische Action in genau dem Bereich ab, der
für einen charaktergestützten Film so entscheidend ist: Während etwa im Fußball
das Wichtige am Boden geschieht, fern vom Gesicht, kann beim Boxen die Kamera
genau dorthin halten. Und dabei sowohl fliegende Fäuste einfangen als auch
Bände sprechende Gesichtsausdrücke. Kein Wunder, dass der Boxsport eine
Vielzahl an sehenswerten Leinwandgeschichten inspirierte. Von Martin Scorseses
losgelöstem Wie ein wilder Stier und dem ikonischen
Sozialdrama Rocky (sowie seinen tonal extrem ungleichen
Fortsetzungen) bis hin zu Clint Eastwoods Oscar-Abräumer Million
Dollar Baby.
Entsprechend schwer fällt es, in diesem von Schwergewichten
besetzten Feld weiterhin Treffer zu
landen, die der Zuschauer noch lange spürt. Training Day-
und The Equalizer-Regisseur Antoine Fuqua steuert mit Southpaw
einen neuen Genrevertreter, der große Ambitionen verfolgt. Allerdings prügelt
Fuqua die melodramatischen Bestrebungen seines Films dermaßen penetrant auf
sein Publikum ein, dass Southpaw das wirklich Elementare aus
den Augen verliert. Somit hat die 25-Millionen-Dollar-Produktion immerhin
einiges mit ihrem Protagonisten gemeinsam:
Der vierfache Box-Weltmeister Billy Hope (Jake Gyllenhaal)
glaubt sich am Höhepunkt seiner Karriere angelangt: Er hat sich (im wahrsten
Sinne des Wortes) aus ärmlichen Verhältnissen in die Ränge der Superreichen
gekämpft, und ermöglicht mit seinem schweißtreibenden Schaffen seiner Frau
(Rachel McAdams) sowie seiner Tochter (Oona Laurence) ein behütetes Leben in
einer riesigen Villa. Als der cholerische Boxer bei einer
Wohltätigkeitsveranstaltung von einem vorlauten Kollegen beschimpft wird, teilt
Billy aus – und verursacht so Hals über Kopf eine schreckliche Tragödie, die
sein ganzes Leben aus der Bahn wirft. Am Boden zerrüttet, wendet sich der
Linkshänder Alkohol und schmerzbetäubenden Medikamenten zu; eine Kombination,
die ihn zum reinsten Wrack verkommen lässt und das Jugendamt auf den Plan ruft.
Alles, was sich Billy aufgebaut hat, zerrinnt in seinen Händen. Er sieht nur
einen Silberstreif am Horizont: Sein Ex-Manager (Curtis '50 Cent' Jackson)
bietet ihm die Gelegenheit zu einem Comeback, sobald Billy wieder kämpfen darf.
Da sich seine finanziellen Rücklagen wie im Nu verflüchtigen, willigt Billy
ein. Um im Ring bestehen zu können, muss er aber dringend einige
Trainingsstunden nachholen …
Ganz gleich, wie sehr Southpaw in
mancherlei Hinsicht daneben haut: Die Performance von Jake Gyllenhaal ist ein
wuchtvoller Uppercut, der sich gewaschen hat. Gyllenhaals Leistung beschränkt
sich dabei nicht nur auf die physische Transformation. Der Nightcrawler-Hauptdarsteller
verwandelte sich zwar in einen riesigen Muskelberg, entscheidender ist aber die
brodelnde Intensität, die er zu Tage legt. In den Boxszenen scheint er kurz
davor sein, zu explodieren, und auch in den stillen Momenten trumpft er mit
unter der Oberfläche kochenden Emotionen auf. Solch eine Hingabe überrascht bei
diesem Mimen zwar eigentlich nicht mehr, da er seit Jahren eine Spitzendarstellung
an die nächste reiht. Angesichts des flachbrüstigen Skripts erstaunt es
letztlich aber sehr wohl, dass Gyllenhaal es vermag, einen glaubwürdigen
Protagonisten mit einem nachvollziehbaren sowie mitreißenden Gefühlsleben zu
erschaffen.
Das Drehbuch von Kurt Sutter, der die Geschichte
ursprünglich Eminem auf den Leib geschrieben hat, stellt nämlich eine haltlose
Klischeeparade ab. Trotz der respektablen 124 Minuten Laufzeit hechelt
Southpaw durch eine ebenso unvermeidliche wie vorhersehbare
Kombination aus Schicksalsschlägen. Das Unglück prügelt auf den unsubtil
benannten Billy Hope ein, und im gleichen Maße wird der Betrachter von Sutter
sowie Antoine Fuqua tormentiert: Jeder Wendepunkt wird ausgeschlachtet, Billys
Leid in theatralen Bildern eingefangen und von wehmütigen, doch schalen
Dialogen begleitet. Für die Momente dazwischen, für bittersüße Klänge und die
Story ausarbeitende Passagen, lässt sich Southpaw dagegen
keine Zeit. Erschwerend kommt hinzu, dass Fuqua und Kameramann Mauro Fiore
außerhalb des Boxrings die immer gleiche, niederschmetternde Bildsprache wählen
und ihrer (atmosphärisch grundsoliden) Milieuskizze niemals neue Winkel
abringen. Sollte die Fülle an überhöht dargebotenen emotionalen Tiefschlägen
der Versuch sein, das Gefühl eines selbst ausgetragenen Boxkampfs auf das
Filmerlebnis zu übertragen, so haben die Southpaw-Macher die
Lektion ihres eigenen Films ignoriert. Hope muss im Laufe der Handlung lernen,
das Boxen mehr ist als so lange Einzustecken, bis man endlich einen mit
geballter Kraft ausgeteilten Lucky Punch landet.
Doch während Hope an die technischen Feinheiten erinnert
wird, die den Boxsport ausmachen, schlägt Southpaw von Anfang
bis Ende nur mit großen Gesten um sich, ohne sie je taktisch klug einzusetzen.
Die wunderbare Rachel McAdams ist in ihrer hauchdünn skizzierten Rolle völlig
verschenkt, so dass ihr Schicksal keine Blessuren beim Zuschauer hinterlässt.
Wenn im Mittelteil weitere Nebenfiguren eingeführt und alsbald wieder aus der
Story raus geschrieben werden, wird die Theatralik dieses Boxerfilms
zwischenzeitlich sogar unfreiwillig komisch. Dass die von Skyfall-Aktrice
Naomie Harris gespielte Sozialarbeiterin ihre Position gegenüber Hope wie ein
Fähnchen im Wind ändert, fällt angesichts des laschen Drehbuchs letztlich kaum
noch ins Gewicht.
Was Southpaw abseits von Gyllenhaals
Leistung davor abhält, in die völlige Belanglosigkeit abzudriften, ist nicht
etwa die solide, wenngleich konturarme Darbietung von Forest Whitaker in der
obligatorischen Rolle des alten, weisen Trainers. Sondern die Art und Weise,
wie Fuqua in der ersten Hälfte die Brutalität und das halsbrecherische Tempo
des Boxsports einfängt. Schweiß, Blut und Spucke fliegen gen Kamera – mal in
verwackelten, rasant geschnittenen Bildabfolgen. Mal in Ultrazeitlupe, so, als
würde das angestaute Adrenalin die Welt anhalten. Das große Finale setzt leider
nur noch partiell auf diesen rohen, energiegeladenen Inszenierungsstil,
verwässert ihn durch längere Strecken, die auch einer hochwertig produzierten,
aber anonymen Fernsehübertragung entliehen sein könnten. So geht
Southpaw in den letzten Minuten selbst in seiner kraftvollen
Boxkampf-Schilderung die Puste aus, weshalb sich Fuquas keinerlei Subtilität
oder Innovation kennende Regiearbeit nur für Gyllenhaal-Fans und
Boxfilm-Komplettisten lohnt.
Fazit: Antoine Fuqua sucht mit
Southpaw selbstbewusst den Kampf mit den Meisterwerken des
Boxfilms. Doch obwohl Hauptdarsteller Jake Gyllenhaal wieder einmal eine
schlagkräftige Darbietung zum Besten gibt, würde dieses einseitige Melodram im
Duell mit wahren Genregrößen spätestens in Runde drei k.o. gehen.
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen