Dass Fortsetzungen mit minderwertiger Filmware gleichzusetzen
sind, dürfte ein allmählich aussterbender Irrglaube sein. Dessen ungeachtet ist
es nahezu unvorstellbar, dass eine Filmreihe mit ihrem vierten Teil ihre bis
dahin glänzendste Leistung vollbringt. Exakt dieses Kunststück ist aber dem Mission:
Impossible-Franchise gelungen, als Ende 2011 Brad Birds Realfilmdebüt
auf die Leinwand stürmte. Nach einem guten ersten und dritten Film sowie einem
grottigen zweiten Teil kletterte Mission: Impossible mit Phantom
Protokoll in völlig andere Sphären. Zudem zeigte sich der Film des Die
Unglaublichen- und Ratatouille-Regisseurs von
einer deutlich leichtgängigeren, humorvolleren Seite als seine Vorgänger – was
der mit coolen Gadgets aufwartenden Reihe sehr gut stand.
Die hohe Qualität von Mission: Impossible – Phantom
Protokoll machte sich auch auf finanzieller Seite bezahlt: Mit einem
Einspielergebnis von 694,7 Millionen Dollar wurde der Agentenspaß zum bis dahin
erfolgreichsten Film in Tom Cruises Kinokarriere. Dass daher mit einer
Fortsetzung zu rechnen war, überraschte wohl nahezu niemanden. Was vorab
dagegen wohl nur wenige erwartet hätten: Mission: Impossible – Rogue
Nation ist nicht einfach irgendein Sequel. Sondern eine wuchtige
Kinomission, die sich auf Augenhöhe mit Brad Birds Überraschungshit von 2011
befindet!
Die Impossible Mission Force (IMF) muss sich verantworten:
CIA-Direktor Alan Hunley (Alec Baldwin) stellt aufgrund der halsbrecherischen
Eskapaden der Spezialeinheit den Antrag, dass diese aufgelöst wird. Hunley kann
seinen Willen durchdrücken und erhält die Möglichkeit, die Ressourcen der IMF
seiner Agency einzuverleiben. Nur Ethan Hunt (Tom Cruise) verweigert sich und
taucht unter, um auf eigene Faust gegen einen Ring gefährlicher, tot geglaubter
Spitzenagenten zu ermitteln. Monate später ordert Ethan sein Teammitglied Benji
Dunn (Simon Pegg) nach Wien, um ihn dort bei einem Einsatz gegen ein
mysteriöses Mastermind (Sean Harris) zu unterstützen. Natürlich dauert es nicht
lange, bis sich auch die früheren IMF-Mitglieder William Brandt (Jeremy Renner)
und Luther Stickell (Ving Rhames) der Jagd nach dem geheimnisvollen Strippenzieher
machen. Aufgemischt wird die Mission durch die unberechenbare Ilsa Faust
(Rebecca Ferguson), die eine ganz eigene Agenda zu verfolgen scheint …
Eines der Alleinstellungsmerkmale der Mission:
Impossible-Reihe ist, dass jeder Teil von einem anderen Regisseur
gedreht wird, der seine ganz eigene Handschrift mitbringen darf. Nach Brian De
Palmas stilvollem Erstling, dem theatralischen zweiten Film von John Woo
und J.J. Abrams explosivem dritten Part,
der wie eine auf zwei Stunden kondensierte Alias-Staffel
anmutet, begeisterte Brad Birds Mission: Impossible – Phantom
Protokoll mit einer erfrischenden Verspieltheit. Dass Christopher
McQuarrie nun der erste Mission: Impossible-Regisseur ist,
dem selbst große Filmfans vorab wohl kaum einen eigenen Stil zugeschrieben
hätten, stört überraschenderweise kaum. Denn McQuarrie kopiert nicht einfach
die Attitüde des äußerst erfolgreichen Vorgängers, sondern übernimmt
klugerweise vereinzelte Zutaten, um zugleich genügend Aspekte anders anzupacken.
So ist auch Mission: Impossible – Rogue Nation ein
selbstständiger Film mit eigener Identität.
Wie in Teil vier wird großer Wert auf die Team-Dynamik und
auf Rückschläge der (Ex-)IMF gelegt, was Ethan Hunt ein Stück weit entlastet –
und Tom Cruise klar zugutekommt. Der Oscar-nominierte Schauspieler musste in
den ersten drei Teilen noch weite Strecken alleine tragen, was gerade im
zweiten Teil dazu führte, dass seine Rolle unsympathische Züge annahm: Ethan
Hunt schien wie ein grinsender Übermensch, der zu cool und zu fähig ist, um
sich mit anderen abzugeben. In Teil fünf gelingen ihm, wie schon in Teil vier,
zwar ebenfalls die wahnsinnigsten Aufgaben, doch dabei braucht er zuweilen
Hilfe und zwischendurch geht sehr wohl etwas schief. Das steigert die Spannung,
gibt Ethan Hunt mehr Menschlichkeit und Cruise wiederum die Möglichkeit, häufig
mit den weiteren Cast-Mitgliedern zu interagieren. Und eben diese Interaktionen
zwischen Cruise und Baldwin, Renner und Rhames, vor allem aber mit Pegg und
Ferguson können sich sehen lassen: Der Dialogwitz sprüht und die gegenseitige
Faszination zwischen Ethan Hunt und Ilsa Faust, die eben nicht auf
Körperlichkeit oder eine seichte Actionblockbuster-Liebelei basiert, geben der
Narrative zusätzlichen Zunder.
Überhaupt drückt McQuarrie, der auch das Drehbuch
mitverantwortete, ordentlich aufs Gaspedal: Zwar bietet Mission:
Impossible – Rogue Nation zahlreiche lustige Sprüche und einige
humorvolle Situationen, allerdings gibt sich McQuarrie genüsslich damit
zufrieden, nur den zweitlustigsten Teil des Franchises abzuliefern. Dafür dreht
er für den Großteil der mehr als 130 Minuten Laufzeit merklich an der
Spannungsschraube: Mit nur sehr beschaulichen Atempausen lässt der Jack
Reacher-Regisseur eine ausgefeilte Actionsequenz auf die nächste
folgen, während derer sich der Antagonist mehr und mehr als weit
vorausschauender Schachmeister beweist. Obwohl der Plot von Mission:
Impossible – Rogue Nation wahrlich nicht neu ist, hat sich diese
Produktion großen Respekt dafür verdient, wie fesselnd sie dieses altbekannte,
von Actionpassage zu Actionpassage leitende Katz-und-Maus-Spiel umsetzt.
Dass der Schwerpunkt auf Action liegt, geht natürlich vor
allem aus folgendem Grund so hervorragend auf: Die Actionsequenzen sind
schlicht überwältigend. Zwar fehlt der schräge Findungsreichtum Brad Birds,
dafür ist McQuarries Inszenierung kerniger, verleiht den Verfolgungsjagden und
Kämpfen mehr 'Wumms!'. Gewiss: Die diversen Einsätze sind allesamt Abwandlungen
von Standardsituationen des Genres. Aber dank komplexer Stuntchoreographien,
makelloser Kameraarbeit von Robert Elswit (Nightcrawler)
sowie eines Schnitts, der stets genau auf den Punkt ist (Eddie Hamilton, Kingsman:
The Secret Service), bleibt einem dennoch mehrmals die Spucke weg.
Die Tatsache, dass der aus den Trailern und TV- sowie Online-Spots bestens
bekannte Flugzeugstunt den Film eröffnet, spricht dafür, welch großes und
berechtigtes Vertrauen die Filmemacher in ihre Actionmomente haben. Schon die
leise eskalierende, pointierte Mission hinter den Kulissen der Oper Turandot
(mit gekonnten Referenzen an Der Mann, der zuviel wusste) im
ersten Drittel des Films wäre für jeden anderen Blockbuster ein würdiges
Finale. Und wenn die Leinwand von einer rasanten, eindrucksvollen
Motorrad-Verfolgungsjagd erfüllt wird, die gute Chancen darauf hat, die beste
ihrer Art zu sein, ist endgültig klar: Diese Filmreihe hat einen sechsten Teil
verdient.
Weshalb Mission: Impossible – Rogue Nation
trotz so genialer Actionszenen, kreativer Gadgets und der Powerfrau-Performance
Fergusons seinem Vorläufer nicht meilenweit davon düst? Dies hat mehrere kleine
Gründe: Im letzten Viertel geht ein wenig vom erzählerischen Schwung und der
mitreißenden Dynamik verloren. Zudem hatte Michael Giacchinos Score einen Hauch
mehr Pepp als der vom hier komponierenden Joe Kraemer, der mit seinen
Klassikreferenzen aber auch einen guten Job macht. Das bisschen Sand im
Getriebe weiß den Gesamteindruck von zwar nur minimal zu trüben, da sich der
vierte und fünfte Mission: Impossible-Film aber beide auf
schwindelerregend hohem Niveau bewegen, macht sich sowas nun einmal bemerkbar.
Doch auf demselben Niveau zu liegen wie Brad Birds Spitzenfilm ist bekanntlich
keine Schande.
Fazit: Agentenaction par excellence!
Starke Stunts, eine tolle Team-Dynamik und eine Bildgewalt, die man einfach auf
der großen Leinwand bestaunen muss. Wer Actionkino mag, wird diesen Film
lieben.
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