Seit dem Filmstart im Jahr 1992 mauserte sich Noises
Off! allerdings zu einem von Kennern passioniert in Ehren gehaltenen
Geheimtipp. Ob Broadway Therapy ein ähnliches Ende beschert
ist, muss sich noch zeigen. Gewisse Parallelen zeichnen sich aber schon jetzt
ab: Die US-amerikanischen Kritiken waren bestenfalls lauwarm. Das
Einspielergebnis lässt sich durchaus als blamabel bezeichnen. Und erneut dreht
sich alles um eine Gruppe an Bühnendarstellern, die sich aufgrund ihrer
privaten und professionellen Verwicklungen in allerlei Tumult manövrieren. Zwar
kann sich Broadway Therapy nicht ganz mit Noises
Off! messen lassen, trotzdem lohnt es sich, diesem goldigen Filmspaß
eine Chance zu geben. Denn sollte diese raffinierte Verquickung aus herzlicher
Situationskomik, altmodischem New Yorker Charme und dem Reiz einer sich
lautstark ankündigenden Misere verdienterweise als Kleinod wiederentdeckt
werden … Dann kann jeder, der ihn frühzeitig entdeckt hat, eines Tages
romantisch verklärt sagen: Hach ja, ich war damals dabei …
Genau solch eine nostalgische Weltsicht, inklusive
Begeisterung für Filme vergangener Tage, vertritt auch unsere Protagonistin
Isabella (Imogen Poots): Die verklärte Schauspielerin gibt der Reporterin eines
Branchenblatts in einem ausführlichen Interview Einblicke in jene Tage, in
denen ihre Karriere allmählich in Gang kam. Dabei steht ein Gesprächsthema ganz
oben auf der Prioritätenliste: Wie der zynischen Journalistin zu Ohren kam, war
Isabella einst ein Call Girl. Die Mimin streitet dies zwar nicht ab, viel
lieber ist es ihr aber, wenn man sie als Muse bezeichnet, die verirrten,
uninspirierten Männern den nötigen Schubs gibt. Einer jener Kunden, die von Isabella
alias Glow einen kleinen 'Schubs' haben wollten, ist Bühnenregisseur Arnold
Albertson (Owen Wilson). Dieser bringt Isabella dazu, ihren Job bei einem
Escortservice an den Nagel zu hängen, um ihren Träumen nachzugehen.
Ironischerweise bewirbt sie sich direkt darauf unwissentlich für eine Rolle in
Arnolds nächstem Stück. Da Hauptdarsteller Seth Gilbert (Rhys Ifans) seinen
Regisseur dabei erwischte, wie er dessen Frau und Hauptdarstellerin Delta
Simmons (Kathryn Hahn) hintergangen hat, ist Chaos vorprogrammiert. Dass
obendrein Isabellas Therapeutin Jane Claremont (Jennifer Aniston) die Partnerin
des Bühnenautors Josh (Will Forte) ist und auf Anhieb ein Auge auf die viel
versprechende Aktrice geworfen hat, macht den drohenden Trubel perfekt …
Bogdanovich verschenkt keine Zeit, sondern macht direkt in
den ersten Augenblicken seiner knackig-kurzen Theater-Farce klar: Dieser von
den Indie-Regisseuren Wes Anderson (Moonrise Kingdom) sowie
Noah Baumbach (Frances Ha) mitfinanzierte Reigen an
Wortgefechten und mäßig gehüteten Geheimnissen ist nicht im Geringsten daran
interessiert, innovativ zu sein. Was nicht heißen soll, dass Broadway
Therapy vertrocknet ist: Mit nostalgisch-verträumter Attitüde, sowie
zügiger und leichtherziger Regieführung kreiert der Maestro des New Hollywood
ein selbstbewusstes Revival des archetypischen 30er-Screwball-Stils. Mit allem,
was dazugehört: Das gesamte Ensemble glüht vor Spielfreude und die zumeist
immens selbstverliebten Figuren sind dank des heiteren Tonfalls all ihren
Makeln zum Trotz außerordentlich vergnüglich. Und natürlich geht alles schief,
was schiefgehen kann.
Die Unvermeidlichkeit, dass sämtliche Figuren zielstrebig in
die souverän platzierten Fettnäpfchen steuern, könnte in schwächeren Händen
einen schwerwiegenden Nachteil von Broadway Therapy
darstellen. Bogdanovich allerdings ist sich dessen bewusst, dass sich das
Publikum mit den Genrestandards auskennt. Also lässt er die von Imogen Poots
mit Finesse, liebenswerten Kulleraugen und ausdrucksstarker Schnute gespielte
Protagonistin vorwegnehmen, dass ihre Erzählung in ein gewaltiges Tohuwabohu
mündet. Der alte Regiehase rückt somit den Weg zur Explosion aller sich
ansammelnden Komplikationen in den Mittelpunkt. Dass die Chaotenbande rund um
Isabella alle nur denkbaren Rückschläge erleiden wird, steht außer Frage – die
Frage ist aber, wie es dazu kommen wird, und wie die Figuren darauf reagieren.
Aus eben diesen Fragen schröpfen Bogdanovich und seine durch
die Bank weg perfektes komödiantisches Timing beweisenden Darsteller enormes
Humorpotential. Standardsituationen wie peinliche Begegnungen beim Abendessen
und Versteckspiele im Hotel wandeln sich bei diesen neurotisch überzeichneten
Figuren zu intensivem Lachmuskeltraining. Dabei punkten Wilson, Aniston und Co.
sowohl mit non-verbaler Komik als auch mit den geschliffenen Dialogen, die in
ihrer trocken überlieferten, inhaltlich aber wundervoll spritzigen
Doppelbödigkeit an den frühen Woody Allen erinnern.
Diesen jüdisch-intellektuellen New Yorker Witz würzt der
76-Jährige mit zahllosen Referenzen an Filmklassiker (vor allem an Werke von Ernst
Lubitsch), wodurch er Broadway Therapy ein gutes Stück aus
dem Heute entrückt: Obwohl die Geschichte in der Gegenwart spielt, flieht die
lebhafte Story, von gelegentlichem Handygebrauch abgesehen, fast schon davor,
sich der Aktualität schuldig zu machen. Da Bogdanovich die Idee zu diesem Film
seit Jahrzehnten vor sich herschiebt, verwundert das keinesfalls. Vor dem
Hintergrund von Isabellas Liebe zum alten Hollywood und dessen Werten, ist
dieser Aspekt aber sogar inhaltlich gerechtfertigt. Darüber hinaus verleiht der
Aufprall des Zeitlosen und des Gegenwärtigen Broadway Therapy
zusätzliches Charisma. Nicht, dass die Komödie diesen Extraschuss Sympathie
nötig hätte – wer es am Ende dem brillanten Cameoauftritt nicht gleichtun und nicht
mit der optimistischen, durchsetzungsfähigen und hellen Isabella durchbrennen
will, hat dringend eine Therapie nötig. Gerne auch am Broadway!
Fazit: Ein zeitlos-spaßiger
Broadway-Liebesreigen, ganz in der Tradition des güldenen Hollywood-Zeitalters:
Der Leinwand-Sonnenschein Imogen Poots darf endlich zeigen, was er drauf hat,
Jennifer Aniston motzt ihr Umfeld munter runter und Owen Wilsons
Schürzenjägerei ist einfach verboten köstlich!
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