In
Hollywood wird seit Jahren ein Jugendroman nach dem anderen adaptiert. Das
deutsche Kino tut sich dahingehend zwar etwas schwerer, dessen ungeachtet wäre
es falsch, zu behaupten, dieses Genre werde von den Produzenten hierzulande
völlig ignoriert. In jüngster Vergangenheit fanden etwa die ersten zwei Bücher
aus Kerstin Giers Edelstein-Trilogie den Weg auf die Leinwand, sowie Mara
und die Feuerbringer. Während die nach edlen Klunkern benannten
Zeitreise-Geschichten gut genug liefen, um auch die Verwirklichung eines
dritten Films zu rechtfertigen, ging letztgenannte Produktion an den Kinokassen
katastrophal baden. Auch Boy 7 macht leider kaum Werbung
dafür, mehr Genrestoff aus deutschen Landen zu verwirklichen. Denn die Adaption
der niederländischen Dystopie aus der Feder von Mirjam Mous stellt qualitativ
nicht gerade einen Ausreißer darstellt.
Ein junger Mann (David Kross) erwacht in einem der U-Bahn-Tunnel Hamburgs. Weder erinnert er sich an seinen Namen, noch daran, wie er dorthin gelangt ist. Eines wird ihm aber schnell klar: Jemand ist hinter ihm her! Die Polizei ist ebenfalls nicht gewillt, ihm zu helfen. Also gibt es für ihn nur eine Option: Fliehen! Als er sich halbwegs in Sicherheit wiegt, entdeckt er ein Tagebuch, das alle Antworten zu enthalten scheint. Eine geheimnisvolle junge Frau (Emilia Schüle) spielt offensichtlich eine große Rolle, und die ganze Misere muss wohl im Resozialisierungszentrum der Kooperation X ihren Anfang genommen haben. Aber während der Namenlose die Vergangenheit nacharbeitet, nähern sich seine Verfolger – und bedrohen so seine Zukunft …
Nach dem Gangsterfilm Chiko und der Gangsterrap-Musikkomödie geht Regisseur Özgür Yıldırım mit Boy 7 neue Wege. Ein wenig hat es sich der Regisseur, der zudem den Wotan-Wilke-Möhring-Krimi Tatort: Feuerteufel inszenierte, aber heimisch gemacht: Der gebürtige Hamburger verlegte die Handlung in die Hansestadt, die er hier von einer subtil-futuristischen, sowie kühlen und dreckigen Seite zeigt. Diese Entscheidung erweist sich aus vielerlei Hinsicht als cleverer Schachzug. Eine relativ günstige deutsche Genreproduktion etwa in den USA spielen zu lassen, sorgte in der Vergangenheit schon wiederholt für unfreiwillige Komik. Auf der anderen Seite haben Hamburg (und auch andere deutsche Städte) eine starke Ausstrahlung, die viel zu selten im Kino ausgenutzt wird. Somit ist das Setting von Boy 7 im großen Ganzen der dystopischen Filmlandschaft ein erfrischender Anblick, den Yıldırım sowie Kameramann Matthias Bolliger zwar nicht auf Hollywood-Niveau, wohl aber leinwandtauglich einfangen. Die schmuddeligen, giftigen Farben sorgen für eine angespannte Atmosphäre, ohne aus dem Schauplatz einen anonymen Sci-Fi-Ort nach Schema F zu kreieren.
Obwohl die Masse an schrägen Blickwinkeln und verwackelten Kamerafahrten gen Ende der Laufzeit ermüdend wird, ist der visuelle Aspekt der deutlichste Pluspunkt an Boy 7. Hinsichtlich der handelnden Figuren hat dieser Mix aus Thriller, Liebesgeschichte und Sci-Fi-Drama nämlich so seine Makel. Die talentierten Jungdarsteller Emilia Schüle und David Kross, die schon mehrmals bewiesen haben, was sie drauf haben, schlagen sich zwar mit kessen Charme durch ihre gemeinsamen Dialogpassagen, können angesichts des Skripts aber keine denkwürdigen Figuren erschaffen. Ihre Rollen sind durch das Drehbuch zu mühselig darauf hingebogen, einfach alles abzudecken und möglichst vielen Teenagern als Identifikationsfiguren zu dienen: Rebellisch, aber nicht zu rebellisch. Witzig, aber auch ernst. Romantisch, aber dann auch doch wieder nicht.
Die Weigerung, eine klare Linie zu fahren, schadet auch dem eigentlichen Plot: Die Frage, was im Resozialisierungszentrum vor sich geht, verliert rasch ihren gesellschaftskritischen Beiklang, um Raum für eine sich mit Katz-und-Maus-Spiel kreuzende Lovestory zu machen. Die Debatte, wie viel Individualität eine sicherheitsorientierte Gesellschaft erlauben kann, spielt im großen Ganzen dieses Films nur eine minimale Rolle. Hinzu kommt, dass Regie und Skript so viele überdeutliche Vorausdeutungen machen, dass die eh schon archetypische Geschichte arg durchschaubar wird. Das letzte Drittel wird daher nahezu im Alleingang von Jens Harzer getragen, dessen sadistische Figur von Minute zu Minute immer mehr wie ein Bernd Stromberg wird, der sich als schleimiger Sci-Fi-Erzieher versucht. Klingt so niedergeschrieben vielleicht peinlich, ist dank der engagierten Performance aber ein herrlicher Lichtblick in einem konstant an positiv auffallenden Merkmalen verlierenden Stück Genrekino.
Fazit: Boy 7 ist als deutsche Jugend-Dystopie zwar prinzipiell lobenswert, allerdings fehlt es den Figuren an Kontur und der Story an Biss, weshalb der Sci-Fi-Film selbst große Genrefans enttäuschen dürfte.
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