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Donnerstag, 18. Februar 2016

Becks letzter Sommer


Es ist eine Figur, die Christian Ulmen förmlich auf den Leib geschrieben wurde: Als Benedict Wells den Protagonisten seines Debütromans schuf, soll er eigenen Aussagen nach Ulmen vor Augen gehabt haben. Und nun schlüpft der Entertainer tatsächlich in die Rolle des genervten Musiklehrers Robert Beck, dessen Eskapaden sich in Buchformat hervorragend verkauft haben. Nun wandert der lustlose Pauker durch die Welt des Films. Dort nimmt die Adaption von Wells' tragikomischem Werk zwar längst keine makellose Gestalt an, allerdings weiß Ulmen die ihm gewidmete Figur formidabel zum Leben zu erwecken. Oder eben zum Unleben. Denn eingangs schlendert sich der Titelheld apathisch durch eine Sinnkrise.

Der Unterricht ist Beck schon lange egal. So egal, dass er seit Jahren die gleichen Klarsichtfolien benutzt, und sie einfach umdatiert. Wobei Beck mittlerweile selbst dieses Täuschungsmanöver schleifen lässt. Nur ab und zu wird der fast schon mit offenen Augen durch die Schule schlafwandelnde Ex-Rockmusiker hellwach: Wenn es darum geht, auf Problemschüler aufzupassen. Etwa auf Rauli (Nahuel Pérez Biscayart), der von seinen Mitschülern beleidigt wird und generell keinen lebensfrohen Eindruck erweckt. Was Rauli dafür zeigt, ist Talent: Talent an der E-Gitarre und als Sänger. Und während sich Becks Freundin (Friederike Becht) mit dem Gedanken anfreundet, ins Ausland zu ziehen, versteift sich Beck darauf, Rauli unter seine Fittiche zu nehmen und ihm eine Karriere im Musikbusiness zu verschaffen. Aber aufgrund alter Animositäten ist dies leichter gesagt als getan. Zudem ist da ja noch Becks einstiger Band-Kollege und nunmehr psychisch kaputter bester Freund Charlie (Eugene Boateng), der den fragilen Frieden im Leben des Lehrers ungewollt bedroht …

Wie schon die Romanvorlage, lässt sich Frieder Wittichs gemütlich-warmherziger, aber kitschbefreiter Kinofilm in zwei Teile splitten. Zunächst lässt der Regisseur sein Publikum in Becks trägen, aber kauzigen Alltag versacken. Und selbst wenn sich der Plot in diesem Part sehr, sehr viel Zeit lässt, so ist der Anfang klar der bessere, da authentische und lustigere Teil des Films. Dieser stützt sich hauptsächlich auf Ulmen sowie seine gemächlich-facettenreiche Interaktion mit seinen Co-Stars. Der frühere MTV-Star knurrt, jammert und seufzt sich durch ein unmotiviertes Lehrerdasein, was dank der markanten Art Ulmens sehr amüsant ist, ohne dabei die leise Melancholie der Story zu unterwandern. Wenn sich Beck mit seinem besten Freund kabbelt oder die Macken Raulis trocken kommentiert, mangelt es diesem ruhigen, humorvollen Porträt eines enttäuschten Träumers praktisch an nichts. Zumindest an nichts, was eine Musiklehrer-Entspannungstragikomödie so braucht. Erst recht, da Boateng die Verschrobenheit seiner Rolle ebenso lustig wie besorgniserregend anzulegen weiß, Biscayart eine faszinierend-kantige Figur abgibt und Becht eine gute Chemie mit Ulmen hat.

Dann aber wird die an Nick Hornby (High Fidelity) erinnernde Gangart aufgegeben. Die stationäre Geschichte über Musik, Egoismus und Selbstlosigkeit gerät in Bewegung, ein Roadtrip soll die Probleme des ungleichen Trios lösen. Aber selbst wenn Kameramann Christian Rein die Stationen der filmischen Reise in stimmungsvolle Bilder zwängt und unterwegs einige der besten Dialogwitze warten: Der Fokus der Geschichte verschiebt sich zu stark von den Charakteren zu deren Erlebnissen, als dass deren zuvor punktendes Innenleben weiter von Belang wäre. Der zudem recht eilig erzählte Roadtrip-Part macht Becks letzter Sommer zwar nicht kaputt, dennoch dämmt er mit seiner geringeren Prägnanz dessen Nachhall. Das ist zwar bedauerlich, aber allein schon für den ersten Teil und die gelegentlichen Highlights des Roadtrips sollten Ulmen-Fans und Liebhaber der Buchvorlage trotzdem zuschlagen.

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