2010
lernte die Kinowelt einen Meisterdieb kennen: Glatzkopf Gru, Dreh- und
Angelpunkt des Überraschungshits Ich – Einfach unverbesserlich.
Und was für eine dicke Überraschung auf den Verleih Universal Pictures sowie
die Produktionsschmiede Illumination Entertainment hereinbrach! Bei Kosten von
geschätzt 69 Millionen Dollar nahm die Geschichte, wie der mit dickem Akzent
sprechende Ganove lernt, drei Waisenmädchen in sein Herz zu schließen, weltweit
über 540 Millionen Dollar ein. Doch Gru musste sich im Fahrwasser dieses
Erfolgs die öffentliche Zuneigung teilen. Nicht etwa nur mit den Waisen Edith,
Margo und Agnes. Sondern vor allem mit einer ganzen Bande von kleinen Rabauken,
die auf gewisse Weise noch größere Diebe sind als er. Die Minions, Grus
brabbelnde, gelbe Schar an Handlangern, erwiesen sich als echte 'Scene Stealer'
und rissen nicht nur jeden einzelnen Moment an sich, in dem sie vorkamen,
sondern auch ungezählte Herzen im Publikum.
Kein
Wunder, dass nicht nur eine Fortsetzung zu Ich – Einfach
unverbesserlich in Angriff genommen wurde, die mit mehr als 970
Millionen Dollar Einspielergebnis regelrecht einschlug. Nein, auch ein Ableger
sollte die Latzhose tragende goldene Kuh weiter melken. Dass Illumination
Entertainment mit seinen bisherigen, Minion-losen Werken ohnehin weitaus
weniger Erfolg feierte (Hop – Osterhase oder Superstar?: 184
Mio., Der Lorax: 348,8 Mio.) als mit den glubschäugigen
Chaoten, dürfte dem Unterfangen zusätzlich Priorität verliehen haben. Doch ganz
egal, wie sehr hinter den Kulissen nun kühl kalkuliert wurde oder nicht:
Millionen von jungen und junggebliebenen Filmfreunden werden der Trickschmiede
von Chris Meledandri für ihren Entschluss danken.
Denn
auch wenn die heutzutage nahezu unvermeidliche Flut an Trailern viel zu viele
gute Gags vorweggenommen hat – mit Minions ist ein
erfrischender, unbeschwerter und unbekümmerter Kinospaß für jedes Alter
gelungen. Wobei ganz klar festgehalten werden muss, dass die Regisseure Pierre
Coffin und Kyle Balda in diesem Spin-Off
nahezu ausschließlich auf Gags setzen. Die süße, warme Herzlichkeit von Ich
– Einfach unverbesserlich sucht man hier vergeblich, genauso wie
einen stringenten Plot. Stattdessen reiht das Skript von Brian Lynch (Der
gestiefelte Kater) unermüdlich drei, vielleicht vier Storys zusammen.
Zunächst
dreht sich alles um die Herkunft der Minions: Sie gehören zu den frühen
Außenseitern der Evolution und suchen seit der Zeit der Dinosaurier nach einem
abscheulichen Meister, dem sie dienen können. Durch ihre überschwängliche Art
und eine tüchtige Portion Missgeschick erweisen sich die wandelnden
Ü-Ei-Spielzeugkapseln aber eher als tödliche Stolpersteine für ihre jeweiligen
Chefs denn als nützliche rechte Hand. Als sie eines Tages im Namen eines
gewissen kleinwüchsigen Franzosen eine wichtige Schlacht vermasseln, fliehen
sie vor seinem stinkwütenden Heer ins Exil. Dort bauen sie sich ihre eigene
Zivilisation auf – und stehen einige Zeit später kurz davor, vor Langeweile zu
sterben. Also brechen die drei Minions Kevin (groß, hätte gern das Sagen),
Stuart (einäugig, sucht den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit) und Bob
(freundlich, ängstlich, dümmlich) auf, um den gemeinsten Bösewicht der Welt zu
suchen. Nach einem Abstecher ins New York des Jahres 1968 verschlägt es sie zu
einer Fieslingsveranstaltung, wo sie bei der Superschurkin Scarlet Overkill
(Sandra Bullock im Original, Carolin Kebekus in der dt. Synchro) anheuern …
Ähnlich
wie schon Die Pinguine aus Madagascar will Minions
ein wilder, urkomischer Ritt sein – und lässt zwecks höherer Gagdichte solche
Fragen wie effizientes Storytelling hinten anstehen. Und so lange die visuellen
Einfälle sowie die Situationskomik in rasanter Frequenz auf einen niederprasseln
(und das ist für den Großteil des Films der Fall!), stört es nur in geringem
Maße, dass die einzelnen Abstecher der Minions nur lose miteinander verbunden
sind. Spannung kommt so zwar nicht im Geringsten auf und anders als bei den Ich
– Einfach unverbesserlich-Filmen wird es durch diese abgehackte
Erzählweise schwer, so richtig in diese bunte, weichgezeichnete Welt
abzutauchen. Jedoch ist der Optimismus der Minions zu ansteckend und die
Diskrepanz zwischen ihrem Sein (unbedarft, tollpatschig) und ihrem Wollen (gemein
und gefährlich) zu wonnig, um nicht dennoch mehrmals bis über beide Ohren zu
grinsen – sofern man keine Allergie auf diese Brabbelbuben entwickelt.
Wenigstens
waren die Filmemacher so vorausschauend, die überschaubare Wandlungsfähigkeit
der Hauptfiguren durch eine breite Palette an Humor auszugleichen. So lange es
familienfreundlich und frei von Zynismus bleibt, lässt sich praktisch alles in Minions
vorfinden: Einfallsreiche Popkulturreferenzen (Disney-Kenner werden einen
Heidenspaß an der Darstellung Orlandos in den 60ern haben), dynamischer
Schwachsinn, temporeiche Cartoon-Slapstickgewalt, visuelle Verrücktheiten und
tatsächlich auch Wortwitz – was gerade bei dem Kauderwelsch der
Banenenliebhaber nicht unbedingt zu erwarten stand.
Technisch
ist Minions klar über seinen Vorgängern anzusiedeln. Jünger
der anderen Hollywood-Computeranimationsstudios dürfen zwar wie bei den
Vorgängern über das milchige Licht debattieren (oder sie lassen es bleiben, da
es zum Design und Feeling der Illumination-Filme passt), aber die detailreichen
Hintergründe und ausdrucksstarken Figuren sprechen für sich. Hinzu kommt, dass Minions
das womöglich beste 3D seit Gravity aufweist: Regelmäßige
Pop-Up-Effekte und eine weit in die Leinwand reichende Tiefe machen den ulkigen
Tricktumult der laffen Geschichte zum Trotz zu einem Erlebnis – 3D-Interesse natürlich
vorausgesetzt. Der Jukebox-Soundtrack ist ebenfalls eine Klasse für sich – was
in den 60ern Rang und Namen hatte, lässt sich hier antreffen und wird zumeist
auch pointiert genutzt. Darüber, dass Scarlet Overkill nach ihren fetzigen
ersten Szenen an Klasse und Einprägsamkeit verliert und auch der finale
Wettkampf nicht vor Originalität platzt, kann die Musik dennoch nicht
hinwegtrösten. Jedoch: Wenn sich Kevin, Stuart und Bob kabbeln, Scarlets Gatte
Herb (Jon Hamm / Sascha Rotermund) in gebotener Beatnik-Lässigkeit über die
Leinwand wippt oder wieder einmal die „Bananaaaaa!!!“ gefeiert wird – mit der
nötigen Einstellung, sich berieseln zulassen, ist das Gebotene ein netter
Filmspaß!
Fazit:
Die Minions überschatteten alles in den Ich – Einfach unverbesserlich-Filmen,
doch die Ich – Einfach unverbesserlich-Filme lassen sich
nicht so einfach von Minions überschatten. Dafür ist die
Story einfach zu beliebig. Den narrativen Mängeln und einer enttäuschenden
Schurkin zum Trotz ist Illumination Entertainment jedoch ein flotter, verrückter,
freundlicher Haufen an lose verbundenen Sketchen gelungen – in brillantem 3D!
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