Die Zukunft. Was bringt sie uns? Wofür
steht sie? Wie sieht sie aus? Vor 50 Jahren gab es nicht viel über
diese Fragen nachzudenken. Die Antwort war nahezu einhellig: There's
a Great Big Beautiful Tomorrow …! Solch eine optimistische
Zukunftsperspektive spiegelte sich in Liedern, Filmen und Büchern
wider. Zugegebenermaßen: Natürlich fanden sich schon immer
vereinzelte dystopische Werke, gemeinhin war der Blick gen Morgen
aber ein freudiger, einer voller Erwartungen. Wie sich auch in den
Anfangsjahren des Disneylands zeigte, wo der Sci-Fi-Themenbereich
namens Tomorrowland noch in hellen, freundlichen Farben gehalten war
und die Attraktionen allesamt erheitern wollten, statt sich mit
Thrills zu brüsten.
Der Gipfel der Zukunftsfreude war
jedoch möglicherweise die Weltausstellung 1964 in New York. Von der
Weltsicht, die dort propagiert wurde, haben wir uns längst
abgekehrt, um stattdessen im Alltag und in unseren Medien förmlich
sämtliche möglichen Zukunftssorgen aufzusaugen. Brad Bird sorgt nun
allerdings für Gegenprogramm. So, wie vor vielen Jahrzehnten der
Pessimismus in der Sci-Fi-Popkultur eine Minderheit darstellte,
entlässt der Regisseur hinter Ratatouille und
Mission: Impossible -Phantom Protokoll mit A
World Beyond nun einen raren Schimmer des Zuversicht in die
Lichtspielhäuser. Erzählt wird das mysteriöse Sci-Fi-Abenteuer von
einem Duo, das trotz seiner Liebe zur Wissenschaft charakterlich
nicht unterschiedlicher sein könnte. Zunächst wäre da Frank Walker
(George Clooney), ein brillanter Erfinder, der auf der
Weltausstellung 1964 Unglaubliches entdeckt hat und viele Jahre
seines Lebens damit verbrachte, der Welt eine traumhafte Zukunft zu
ermöglichen. Doch Frank erging es schlussendlich ähnlich wie der
Allgemeinheit, wenn nicht sogar noch schlimmer: Er hörte auf, an
seine Utopie zu glauben und gab sich resigniert dem Zynismus hin.
Die abenteuerlustige und neugierige
Teenagerin Casey Newton (Britt Robertson) dagegen ist völlig gegen
den heutigen Zeitgeist gebürstet: Beispielsweise ist sie noch immer
von der Arbeit der NASA begeistert und stellt in der Schule
enthusiastisch Fragen darüber, wie wir dafür sorgen können, dass
wir als Gesellschaft wieder den richtigen Kurs einnehmen. Als Casey
eines Tages einen rätselhaften Pin überreicht bekommt, der ihr
Visionen einer utopischen, friedfertigen Welt offenbart, geht sie der
Spur dieser außergewöhnlichen Anstecknadel nach – und stolpert
somit in ein Erlebnis, das sie sich nie zu erträumen gewagt hätte …
In
gewisser Weise ist Regisseur Brad Bird und den ebenfalls für die
Story verantwortlichen Autoren Damon Lindelof und Jeff Jensen mit
A World Beyond der quintessentielle Disney-Film
gelungen: Firmengründer Walt Disney wurde von seinen Zeitgenossen zu
gleichen Teilen als großer Nostalgiker aufgefasst sowie als
hoffnungsvoller Zukunftsfreund. A World Beyond
vereint den Blick zurück und den Blick nach vorn auf eine Weise, die
eine absolute Rarität darstellt: Bird drückt mit dieser
hochvergnüglichen Geschichte aus, wie sehr er sich fürs Heute eine
Zukunftsperspektive herbeisehnt, wie sie im Gestern üblich war. Das
Tomorrowland, wie es Casey beim Berühren ihres wundersamen Pins zu
sehen bekommt, ist vom Design her stark daran orientiert, wie sich
US-amerikanische Künstler in den 50er- und 60er-Jahren die ferne
Zukunft vorstellten – nur opulenter und ethnisch vielfältiger. Und
auch der Tonfall von A World Beyond ist wie aus
der Zeit gefallen.
Das Feeling dieses an die ganze Familie
gerichteten Kinospaßes kettet sich dabei nicht ganz so sklavisch an
die 50er und 60er wie er es hinsichtlich seiner Zukunftsvorstellungen
und dem Design seiner futuristischen Elemente macht. Die wenigen,
dafür umso abwechslungsreicheren Actioneinlagen in A World
Beyond wecken eher Erinnerungen an altersübergreifende
Leinwandabenteuer wie sie unter anderem Steven Spielberg einst
inszenierte: Die Lage für unsere Helden wird delikat genug, um junge
Zuschauer zu fesseln, sie aber nie einzuschüchtern. Und das ältere
Publikum darf derweil über die Effektarbeit und findigen Ideen
staunen, sowie zusammen mit den Jüngeren über perfekt sitzenden
Gags lachen oder sich einfach von dem gebotenen, fantasiereichen Spaß
verzaubern lassen. E.T. - Der Außerirdische lässt
ebenso grüßen wie leichtgängige, dennoch ereignisreiche
Disney-Produktionen im Stile von Liebling, ich habe die
Kinder geschrumpft und Konsorten.
Die
von Anfang bis Ende nahezu makellose Retro-Mixtur aus Abenteuer,
Action, Humor und einem Hauch „Was wartet hinter der nächsten
Kurve?“-Mystery dient aber einem höheren Ziel: Bird möchte die
Zuschauer zu Denkern und Träumern erziehen, die wie Casey ticken.
Die Karten dafür, dass der Die Unglaublichen-Regisser
seine Mission mit Erfolg abschließt, stehen nicht schlecht. Allein
schon das extrem unterhaltsame, in sich schlüssige Drehbuch würde
dafür genügen. Hinzu kommt aber, dass die Hauptrolle mit Britt
Robertson besetzt ist, eines der vielversprechendsten
Newcomer-Talente der letzten Jahre und einer formidablen
Identifikationsfigur. Die Mimin ist nicht nur dank ihrer gewinnenden
Persönlichkeit eine der tragenden Säulen des Films, sondern auch
dank ihrer wunderbaren Interaktion mit einem sichtbar engagierten
George Clooney sowie der nicht minder bestechenden Raffey Cassidy.
Letztere ist als geheimnisvolles junges Mädchen namens Athena
zuständig für einige der besten Gags und spektakulärsten Momente
von A World Beyond verantwortlich. Da lässt es
sich leicht verkraften, dass Hugh Lauries Figur derweil etwas zu kurz
kommt – ein cleverer Monolog rettet seine grimmig dreinguckende
Rolle namens David Nix zwar davor, einen garvierenden Minuspunkt
darzustellen, mehr hätte dennoch drin sein dürfen.
Audiovisuell gibt es derweil kaum etwas
zu klagen – zwischen die insgesamt sehr überzeugenden
Computereffekte mischen sich zwar gelegentlich schwache
Greenscreen-Aufnahmen, Claudio Mirandas Kameraarbeit verzückt dafür
mit satten, frohen Farben. Die harmonische, vergnügliche Filmmusik
aus der Feder von Michael Giacchino letztendlich beweist einmal mehr,
dass der Lost-Komponist zu den einfallsreichsten
Mitgliedern seiner Zunft gehört.
Fazit: A
World Beyond ist großes, unterhaltsames Kino für die
ganze Familie, voll mit geschickt eingesetzten Disney- und
Sci-Fi-Referenzen, erstaunlichen Einfällen und fast makelloser Bild-
und Klangästhetik. Ein Retro-Trip in ein besseres Morgen!
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