Da ist er wieder: Bond, James Bond. Der
britische Geheimagent meldet sich nach dem überragenden Erfolg von
Skyfall, seinem 23. offiziellen Leinwandabenteuer,
zurück und hat daher mit entsprechenden Erwartungen zu kämpfen.
Doch wie Daniel Craigs Version des Spitzenagenten schon im Anschluss
an Casino Royale erfahren musste, und auch einige
seiner Vorgänger durchlitten haben: In der Spionagewelt des 007 ist
Qualität ein wankendes Gut. Dies bestätigt nun erneut der
gerüchteweise 300 Millionen Dollar teure SPECTRE.
Denn die neuste Mission des Agenten mit der Lizenz zum Töten ist
bemüht, zäh und arm an Überraschungen …
Dabei beginnt der von
Skyfall-Regisseur Sam Mendes inszenierte Film mit
einer der beeindruckendsten Prolog-Sequenzen im bisherigen 007-Kanon:
James Bond befindet sich in Mexiko-Stadt auf der Suche nach einem
gefährlichen Verbrecher. In der Metropole feiern gerade aber
Touristen und Einheimische ausgelassen den Tag der Toten, so dass es
nahezu unmöglich ist, Übersicht zu wahren. In einem einzelnen Take
schwebt die von Hoyte van Hoytema (Interstellar)
geführte Kamera durch die vor Staub und Hitze stehende Großstadt,
während sich Bond an Hunderten von feiernden Menschen vorbei
manövriert. Die gesamte Leinwand bebt vor Bewegung und Komponist
Thomas Newman begleitet dieses vitale Treiben mit einem festlichen,
treibenden Score, der von mexikanischen Rhythmen geprägt ist.
Irgendwann setzen Regisseur Sam Mendes und sein Cutter Lee Smith dann
zwar doch einen Schnitt, aber auch ohne das inszenatorische Gimmick
der Plansequenz fesselt das Intro: Bonds Eingreifen in das Treffen
einiger mysteriöser Männer zieht eine Schneise der Zerstörung
durch den Ort und als der MI6-Agent den Kampf gegen seine Widersacher
in einem Helikopter fortsetzt, führt dies zu spektakulären
Flugstunts, wie sie bislang nicht im 007-Franchise zu sehen waren.
Aber schon mit der Titelsequenz stellt
sich Ernüchterung ein: Sam Smiths Titelsong „Writing's on the
Wall“ ist zu zart und melancholisch, um den von Daniel Kleinman
entworfenen Bildern den letzten Schliff zu verleihen. Eher ist sogar
das Gegenteil der Fall: Die verrucht-düsteren und die Bond-Historie
feiernden Bilder des Vorspanns verlieren durch die bittersüße
Radiopop-Nummer an Stärke. Und der restliche Film kann das im Keim
erstickte Flair nicht wieder herstellen: Bond ergattert in Mexiko
einen Hinweis darauf, dass eine mysteriöse Organisation existiert,
die für einige der ärgsten terroristischen Anschläge der
vergangenen Jahre verantwortlich ist. Der Agent folgt seiner Spur
nach Rom, wo er Bekanntschaft mit Lucia (Monica Bellucci) macht, der
Witwe eines wichtigen Mitglieds dieser Organisation. Dank ihrer
Informationen schleust sich Bond in ein Treffen der sinistren
Vereinigung, woraufhin aber der durchtrainierte Schläger Hinx (Dave
Bautista) auf ihn angesetzt wird.
Unterdessen befindet sich der MI6 im
Umbruch: Nach den Ereignissen von Skyfall wird der
Geheimdienst mit dem Centre for National Security zusammengelegt,
dessen Leiter Max Denbigh (Andrew Scott) daran arbeitet,
Geheimagenten obsolet zu machen. Und so kommt es, dass Bond seine
Mission nahezu ohne Hilfe von M (Ralph Fiennes), Q (Ben Whishaw) und
Miss Moneypenny (Naomie Harris) absolviert. Glücklicherweise gerät
er aber an die taffe Ärztin Madeleine Swann (Léa Seydoux), die Bond
näher an den geheimnisumwitterten Franz Oberhauser (Christoph Waltz)
führen kann, der in der Geheimorganisation eine entscheidende Rolle
spielt …
Wie es sich für einen Bond-Film
gehört, führt die Spurensuche und Schurkenhatz den Geheimagenten
auch in SPECTRE rund um den Globus. Solch eine
Weltreise kann wahlweise großen Actionspaß bieten, wie etwa in den
Filmen mit Pierce Brosnan, oder alternativ einem dramatischen roten
Faden folgen. So zeigte etwa Casino Royale dass es
selbst mit Womanizer und Killermaschine Bond möglich ist, eine von
den Figuren getragenen Story inklusive gut funktionierenden
Plot-Motor zu erzählen. Das Autoren-Quartett John Logan, Neal
Purvis, Robert Wade und Jez Butterworth reiht in SPECTRE
jedoch ernst vermittelte, spröde Handlungspunkte aneinander, ohne je
die Charaktertiefe von Casino Royale oder die
metatextuelle und thematische Fülle eines Skyfall
zu erreichen. Somit folgt ein in zähen Dialogen abgestecktes
Puzzleteil auf das nächste, ohne dass die angeschnittenen Themen
„Totale technische Überwachung gegen Spionagearbeit“ und „Bonds
Vergangenheit gegen seine mögliche Zukunft“ je an Komplexität
gewinnen.
Das wäre etwas leichter zu
vernachlässigen, wären die zentralen Geheimnisse der
SPECTRE-Story nicht so ungeheuerlich vorhersehbar
und die Actionpassagen so schockierend uninspiriert. Trotz eines
Mordsbudgets und solcher Einfälle wie „Lassen wir Bond doch mit
einem klapprigen Flugzeug in den Bergen abstürzen!“ weiß die
Action – vom Prolog abgesehen – nie vollauf zu begeistern. Eine
Autoverfolgungsjagd durch das nächtliche Rom punktet mit
vereinzelten Gags, die auch aus der Moore-Ära stammen könnten und
mit gutem Timing vermittelt werden – die Raserei selbst aber lässt
Dynamik missen. Auch besagter Flugzeugabsturz und eine Schlägerei in
einem Zug kommen mit angezogener Handbremse daher: Die Stunt- und
Kampfchoreografie sind arm an Ideen, die Musik von Thomas Newman
verkommt in den Actionpassagen zu einem anonymen Wust aus Tönen und
die Kameraführung ist arg steril. Im Vergleich mit dem vor
packenden, einfallsreichen Actionsequenzen platzenden Mission:
Impossible – Rogue Nation sieht Bond plötzlich ganz alt
aus.
Womit SPECTRE aber
punktet, sind die – im besten Sinne – Nerven zerfetzenden
Foltersequenzen gegen Ende des Films. Auch Léa Seydoux ist mit ihrem
gleichermaßen kantigem wie süß-galanten Spiel eine Bereicherung.
Selbst wenn das Drehbuch die Motivation ihrer Rolle mehrmals vom Zaun
bricht, macht die französische Mimin aus ihrer Figur eine ideale
Wegbegleiterin für Craigs Bond. Seydoux schneidet daher von allen
Neuzugängen auch klar am besten ab. Bellucci dagegen hat kaum mehr
als einen Cameo, Bautista kommt so gut wie gar nicht zur Geltung,
Andrew Scott chargiert sich durch seine mager geskripteten Szenen und
Waltz darf ein paar Mal verschmitzt Grinsen und einige wenige
Monologe schwingen, die aber längst nicht die Brillanz von Javier
Bardems Skyfall-Auftritt mit sich bringen.
Die aus Skyfall
bekannte Riege an Bond-Nebendarstellern indes kann mit gelegentlichem
Dialogwitz punkten – aber in diesem Film, der hauptsächlich
dramatisch sein möchte und daran scheitert, sind ein paar gut
sitzende Gags einfach nicht genug. Daran ändern auch Newmans Score,
der nach dem Prolog wenigstens abseits der Action weiterhin mit
komplexen Motiven überzeugt, sowie die schwelgerischen
Landschaftspanoramen nichts. Und die Rückverweise auf frühere Bonds
sind genauso oft Treffer wie Rohrkrepierer. Sorry, Mr. Bond, aber
dieses Kinojahr hat deutlich stärkere Agenten zu bieten. Begeben Sie
sich zurück ins Trainingscamp, um sich wieder in Form zu bringen!
Fazit: Zähe
Dialogsequenzen, Actionsequenzen, die nicht zünden, und Geheimnisse,
die nicht erstaunen: SPECTRE ist trotz manch guter
Gags und eines starken Prologs einer der schwächeren Bond-Einsätze.
2 Kommentare:
Komplexität ist tatsächlich genau das, was der Film nicht so sehr geliefert hat, wie es der Trailer versprach. Das Spiel an Ernst und Komik hat hier und da die iene oder andere Schwachstelle. In der Szene mit dem Bohrer hätte ich am liebsten geshört, wie Bond sagt: "Wenn sie mit ihrem Überwachungsnetzwerk alles kontrollieren können, warum tragen sie dann einen unfertigen Anzug?" So als lakonische Bemerkung à la Moore.
Wo würdest du ihn auf deiner Bond-Rangliste einsortieren?
Grüße,
deranderenilo
Spontan würde ich ihn auf meine Nr. 20, also über "Stirb an einem anderen Tag" setzen. Der hat eine gute Fechtsequenz, den Spaß rund um Q und Rosamund Pike. "SPECTRE" hat den starken Prolog, eine bessere Kameraarbeit und Seydoux, die genau wie Pike, ihre Rolle viel besser spielt als das Drehbuch es erlaubt.
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