Die cineastische Schublade des
Found-Footage-Films wird vornehmlich von Horrorfilmen dominiert. Vom
Kannibalenthriller Nackt und zerfleischt über den
subtilen Schrecken Blair Witch Project bis hin zum
Geisterbeobachtungsschocker Paranormal Activity
und all seinen Trittbrettfahrern haben zahlreiche
Horror-Untergattungen bereits eigene Found-Footage-Vertreter
erhalten. Gelegentlich nutzen Filmemacher die Spielerei, fiktive
Storys in ein dokumentarische Formalien zu kleiden, jedoch für
Projekte außerhalb der Horror-Ecke – und einige dieser Ausnahmen
von der Regel zählen auch prompt zu den findigeren
Found-Footage-Werken. So erntete im Herbst 2012 das spannende
Polizei-Drama End of Watch mit Jake Gyllenhaal in
der Hauptrolle großes Kritikerlob, ebenso wie der wenige Monate
zuvor gestartete Chronicle – Wozu bist du fähig?.
Die geistreiche Verquickung aus
Außenseiter-Drama und pessimistischer Superheldenstory machte
Regisseur Josh Trank kurzfristig zu einer immens gefragten Person in
Hollywood – seither wurden ihm das Fantastic
Four-Reboot sowie ein Star Wars-Ablegerprojekt
zugetragen. Letzteres hat sich mittlerweile zwar erledigt, trotzdem
fällt es schwer, nicht zu mutmaßen, dass es die überaus positive
Resonanz auf Tranks Debüt war, die den Weg für Project
Almanac ebnete. Denn auch in der Ende 2012 in Auftrag
gegebenen Produktion hält eine Gruppe pubertierender Schüler auf
Video fest, wie sie eine futuristisch anmutende Entdeckung macht,
dadurch enger zusammenwächst und schlussendlich in Trubel gerät.
Denn selbstredend treibt irgendwann einer von ihnen mit seinen neuen
Fähigkeiten Schindluder.
Im unter anderem von Michel Bay
produzierten Project Almanac geht es aber nicht
erneut um solche Superkräfte wie Telekinese oder die Fähigkeit, zu
fliegen. Das 17-jährige Physikass David (Jonny Weston), sucht zu
Beginn des Films verzweifelt nach einem Experiment, das ihm ein
Stipendium beim MIT verschaffen könnte. Da David aber mit seinem
Latein am Ende ist, durchstöbert er den Kram seines vor Jahren
verstorbenen Vaters, der als Erfinder tätig war. Als ihm und seiner
Schwester Christina (Virginia Gardner) eine alte Videokamera in die
Hände fällt, traut er seinen Augen nicht: Auf einer Aufnahme seiner
siebten Geburtstagsfeier ist im Hintergrund sein heutiges Ich zu
sehen. David versichert sich bei seinen Freunden Adam Le (Allen
Evangelista) und Quinn Goldberg (Sam Lerner), ob sie dasselbe sehen
wie er. Und tatsächlich: Auch sie meinen, den 17-jährigen David im
Video auszumachen – was die Theorie aufkommen lässt, dass sich
unter den Hinterlassenschaften seines Vaters eine Zeitmaschine
befindet. David und Co. stellen das Haus auf den Kopf, woraufhin sie
ein unfertiges, hochkompliziertes Projekt vorfinden. Sie glauben,
dass es sich dabei um die unvollendete Zeitmaschine handelt. Mit der
mehr oder minder unwillentlichen Hilfe ihrer populären Mitschülerin
Jessie Pierce (Sofia Black D'Elia) machen sie sich drauf und dran,
das Gerät zum Laufen zu bringen …
Eine ungeschriebene Faustregel des
Found-Footage-Films besagt: „Wenn der Zuschauer sich Gedanken über
Sinn und Unsinn des Bildmaterials macht, ist gehörig etwas schief
gelaufen!“ Es sagt daher viel über Project Almanac
aus, wenn sich immer wieder solche Fragen aufdrängen wie: „Wieso
filmt jemand freiwillig, dass er eine Straftat begeht?“ oder „Wieso
filmen die Jungs, dass gerade überhaupt nichts passiert?“ Dass
sich das Publikum solche Fragen in aller Seelenruhe stellen kann,
liegt vor allem in der Struktur dieses Sci-Fi-Streifens begründet.
Einen großen Teil der Laufzeit widmen
die Autoren Jason Harry Pagan und Andrew Deutschman dem Alltag von
David und seinen Freunden vor Entdeckung der Zeitmaschine sowie den
Fehlversuchen, das Gerät zu perfektionieren. Weil die Figuren jedoch
allesamt keinerlei Dimension aufweisen, sondern nur flache
Stereotypen sind (wenngleich halbwegs sympathisch dargestellte
Stereotypen), ist dieser lange Einstieg nur bedingt unterhaltsam. So
mancher verbaler Schlagabtausch zwischen den Figuren sorgt für ein
leichtes Schmunzeln, dies genügt aber nicht, um diesen ersten Akt
aufrecht zu erhalten. Erst sobald die Zeitmaschine funktioniert, wird
Project Almanac richtig lebendig. Dass sich die
Freunde erstmal nur in allerlei Albereien versuchen, ist sogar noch
genrekonform – im Mittelteil ist Dean Israelites Regiearbeit im
Grunde genommen eine Teenie-Sci-Fi-Komödie im Found-Footage-Look.
Und was Found-Footage-Jugendeskapaden angeht, sind die Eskapaden in
Project Almanac um ein Vielfaches erträglicher
als die im unsäglichen Project X.
Da sich der Einfallsreichtum von David
und Konsorten (respektive der Filmemacher) aber in Grenzen hält,
werden auch die zu erwarten stehenden Zeitreise-Späße irgendwann
alt. Die Chemie zwischen den Darstellern ist ansehnlich genug, um
Project Almanac davor zu bewahren, ein lästiges
Seherlebnis zu werden, trotzdem mangelt es lange an einem treibenden
Konflikt. Wenn dieser dann endlich eintritt, weil einer der Freunde
die Zeitmaschine aus eigenen Motiven benutzt, ist es allerdings zu
spät: Was im Sinne eines mitreißenden Spannungsbogens spätestens
nach dem ersten Drittel hätte geschehen sollen, wird stattdessen
eiligst herunter gerattert. Fesseln kann das Finale durch die
hastigen Entwicklungen ganz und gar nicht, so dass schlussendlich dem
geneigten Genrefreund bestenfalls die teils pfiffigen, teils
aufdringlichen Referenzen auf andere Zeitreise-Filme besonders in
Erinnerung bleiben. Und die atmosphärischen Partyszenen werden
sicher auch ihre Freunde finden. Als Gesamtwerk ist Project
Almanac jedoch zu unentschlossen, nicht zielstrebig genug
und zu arm an Alleinstellungsmerkmalen, als dass er sich auch nur
ansatzweise mit besseren Found-Footage-Produktionen messen lassen
könnte.
Fazit: Überproduzent
Michael Bay bringt mit Project Almanac einen
Found-Footage-Zeitreisefilm in die Kinos, der zu wenig gute Elemente
aufweist, um seine unausgegorenen Passagen vergessen zu machen.
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