Seiten

Dienstag, 21. Juli 2015

Magic Mike


Wir befinden uns in den letzten Zügen von Steven Soderberghs Laufbahn als Kino-Regisseur. Während sich der geschäftige Filmemacher (Sex, Lügen und VideoOcean's Eleven, Der Informant!) mit immer größer werdender Regelmäßigkeit kritisch über die Branche äußert, entwickelt sich der frühere Stripper Channing Tatum langsamen Schrittes zu einem Star mit Wiedererkennungswert. Zu jener Zeit entwickelt Tatum gemeinsam seinem Produktionspartner Reid Carolin ein potentielles Filmprojekt, in dem Tatum die Hauptrolle und einen Produktionsposten übernehmen will: Magic Mike, eine fiktionale Geschichte, die sich jedoch aus den Erfahrungen nährt, die Tatum als Erotiktänzer gemacht hat. Reid verfasste ein Skript, das laut Tatum das Feeling jener Jahre einfängt, und das an Regisseur Nicolas Winding Refn herangetragen wird. Dieser lehnt ab, um Only God Forgives drehen zu können. Als Plan B zieht der athletische Mime Steven Soderbergh heran, für den er vor Haywire vor der Kamera stand. Soderbergh war von der Idee begeistert, schob seine Überlegungen, in Frührente zu gehen, noch einmal bei Seite und schwang sich nach einer Revision des Drehbuchs auf den Regiestuhl. Was entstand, war 2012 ein Überraschungserfolg an den Kinokassen (Budget: 7 Mio. Dollar, weltweite Einnahmen: 167,2 Mio. Dollar) und zudem ein von vielen Kritikern geachtetes Werk.

Aber nicht jeder ist dem in Babyöl getränktem Strippercharme erlegen. Meine Kollegin Antje Wessels verfasste anlässlich des Kinostarts einen brutalen Verriss, und verübeln kann ich es ihr wahrlich nicht. Denn für mich zählt Magic Mike nicht nur chronologisch zu den Schlusslichtern in Soderberghs Kinoschaffen, sondern auch qualitativ. Was zu einem nicht unerheblichen Teil am Zusammenspiel der Hauptdarsteller Tatum und Alex Pettyfer (versagte zuvor schon in Ich bin Nummer Vier) liegt. Denn die giftige Chemie, die sich zwischen den Mimen vor der von Soderbergh geführten Linse entfaltet, steht lange Zeit im absoluten Gegensatz zur Handlung. Auf dem Papier handelt Magic Mike von dem 19-jährigen College-Abbrecher Adam (Pettyfer), der bei der Suche nach einem Handwerkerjob auf Mike (Tatum) trifft. Dieser ist seit sechs Jahren Stripper im von Dallas (Matthew McConaughey) geleiteten Club Xquisite und verschafft Adam eine Stelle in der Tänzertruppe des Ladens. Während sich zwischen Adam und Mike eine freundschaftliche Mentor-Beziehung entwickelt, wirft der erfahrene Erotiktänzer ein Auge auf Adams Schwester Brooke (Cody Horn).

So weit, so katastrophal gescheitert, denn Ex-Model Pettyfer blickt, ganz gleich was geschieht, ausdruckslos in die Ferne. Oder schaut perplex-entnervt gen Tatum, während die Dialogzeilen dem Duo hoch emotionale Freundschaftsbekundungen abverlangen, die Soderbergh auch entsprechend wohlmeinend in Szene setzt. Nicht, dass Tatum (zu Magic Mike-Zeiten noch deutlich näher an G.I. Joe als an 22 Jump Street) wesentlich besser agieren würde. Anders als der durch die Szenerie schlafwandelnde Pettyfer, der seine unbedarfte Rolle ins sträflich naive abdriften lässt, hat der Frontmann und Produzent durchaus Ausstrahlung. Und gerade in den Tanzsequenzen zeigt der Step Up-Veteran, wo der Hammer hängt. Agil, muskulös und mit ehrlicher Freude an seinem Tun ist Tatum eine gewinnende Präsenz - wenn er sich nicht durch die vorhersehbar geskripteten "Mit Erotik Geld verdienen verdirbt den Charakter!"-Dramapassagen des Films manövrieren muss. Dann gerät Tatum ins Stocken, spielt hölzern, wirkt teils geradezu verloren und orientierungslos. Womit er die halbseidenen ernsten Momente von Magic Mike noch eine Spur schwächer werden lässt.

Denn der Zerfall von Adams und Mikes Freundschaft ist derart unmotiviert und die Intrigen im Xquisite-Club sind dermaßen vorhersehbar, dass die Schicksale der Figuren kaum zu berühren wissen. Da sind die vereinzelten Versuche, Humor aus der Thematik zu kitzeln, schon effektiver. Zwar versanden einige Pointen, aber wenn McConaughey den selbstverliebten Moderator der Stripnächte gibt oder die Xquisite-Crew mit einem Augenzwinkern schlüpfrige Gags raushaut, dann sind durchaus einige Schmunzler drin. Selbst wenn die Tonartwechsel zwischen Komödie und Drama arg forciert rüberkommen. Aber das ist immerhin konsequent, ist doch auch die Optik ziemlich anstrengend. Außenszenen erstickt Soderbergh in einem aggressiven Pissgelb-Farbfilter, während die oftmals humorvoll gemeinten Stripclubszenen in einem ungalanten Blau-grau erscheinen und "Außeneinsätze" der Stripper in grün-braunem Matsch versinken. Wenigstens die Musikeinsätze sind prägnant und beweisen, dass Soderbergh Magic Mike nicht völlig lustlos hinter sich gebracht hat.

Dennoch ist das viel zu wenig, um dieser Tragikomödie ihre klaffenden Mängel zu verzeihen. Da war schon so mancher Striptease in einer Hafenspelunke solider. Und selbst wenn ein Strip genauso mies ist wie Magic Mike, so ist er im Normalfall deutlich rascher vorbei!

Fazit: Tatum-Fans und Soderbergh-Komplettisten dürfen reinschauen. Alle anderen sollten überlegen, ob sie dem Hype von 2012 wirklich Glauben schenken wollen. Die Höhepunkte (einige Tanzroutinen, manche Gags) sind zwar feucht-fröhlich, aber auch ernüchternd schnell vorbei. Ehe man es sich versieht, liegt man unter einem schnarchenden, schwitzigen Film, der bei längerer Betrachtung bei weitem nicht mehr so attraktiv ist wie auf dem ersten Blick.

2 Kommentare:

  1. Ha, ich weiß noch, dass ich damals beim Kinobesuch auch dachte, dass Tatum und Pettyfer sich wohl nicht sehr grün sein können... *g* Tatum ist klar am besten, wenn er lustig sein kann; großes Drama steht ihm nicht. Von daher war es sicher klug, im 2. Teil einfach auf Spaß zu setzen anstatt noch Drogendramen o. Ä. reinzuquetschen.

    Immerhin, ich hab mich damals ganz gut unterhalten gefühlt, vielleicht rettete die Synchro auch einiges. Den Originalitätsoscar erhält die Handlung natürlich nicht, aber dafür bin ich auch nicht in den Film gegangen. ;D

    AntwortenLöschen
  2. Originalität brauche ich bei der Art Film auch nicht unbedingt (im Grunde ist es ja einfach ein Tanzfilm, nur ohne die aufwändigen, die Körper bedeckenden Kleidungsstücke und ohne zweigeschlechtliche Paare, die den obligatorischen romantischen Tanz aufs Parkett legen). Und dass das Ziel meilenweit im Voraus telegrafiert wird, MUSS auch keinen Totalausfall bedeuten. Aber wenn ich jeden einzelnen Schritt kommen sehe, ist das in einer Tragikomödie, die sich in der Behandlung der Schattenseiten ihrer Figuren als extrem gewichtig verkauft, schon ganz schön doof. Und das alles wog bei mir so sehr, dass ich die gut choreographierten Tanzszenen zwar einzeln genießen konnte, mir aber wohl nie mehr die Idee kommen wird, den GANZEN Film nochmal zu schauen, um zu ihnen zu kommen.

    Erst recht, da es ja Teil zwei gibt. Aber was ich von dem halte, steht hier im Blog ja bald in einem eigenen Artikel. (Wobei ich bei Twitter ja eh schon eine Tendenz zu erkennen gegeben habe ... :-D )

    AntwortenLöschen