Das Glücksspiel ist eine besonders filmtaugliche Beschäftigung. Paradebeispiel dafür, wie kurzweilig und fesselnd Zockerei auf der Kinoleinwand sein kann, sind Filme wie Rounders, Casino Royale, Der Croupier oder Der Clou. Rupert Wyatts Drama The Gambler beinhaltet einige der Elemente, die auch besagte Filme auszeichnen: Die Präsenz kaltblütiger Gestalten, fast schon halsbrecherische Risiken sowie stilvolle oder alternativ stylisch-verkommene Spielstätten. Woran es der Neuverfilmung des britischen Zockerstreifens Spieler ohne Skrupel indes mangelt, sind Flair, Spannung und nachvollziehbare Charaktermotivation.
Bereits die erste Sequenz erweist
diesem Trauerspiel über Obsession einen gewaltigen Bärendienst.
Literaturprofessor Jim Bennett (Mark Wahlberg) begibt sich in ein
Untergrund-Spielcasino und setzt mit stoischer Miene Unsummen von
Geld, die er auch dringend benötigt, um seine monströsen Schulden
abzubezahlen. Und selbst absolute Laien würden besser zocken als er.
Er hat keine Taktik und setzt kopflos seinen gesamten Gewinn immer
wieder aufs Spiel. Autor William Monahan und Regisseur Rupert Wyatt
verdeutlichen also früh, dass The Gambler keine
Erzählung über ein gewitztes Glücksspiel-Ass ist. Jedoch ist es
ebenso wenig ein Drama, das die Mechanik hinter Wettsucht und deren
Gefahren skizziert. In Jims Augen blitzt nie auch nur ein winziger
Funken der Manie auf, er zeigt keine Freude am Risiko, nicht einmal
ist ein Hauch der Verzweiflung oder alternativ der Sehnsucht nach Selbstzerstörung zu spüren.
Wahlberg
legt Jim als eiskalten, aalglatten Typen an, der nicht nur sein
Gegenüber im Unklaren lässt, was ihn bewegt, sondern auch die
Betrachter des Films. Sobald sich Jim vollkommen absehbar noch tiefer
ins Verderben manövriert hat, erhält er ein klares Ultimatum: In
sieben Tagen hat er seine Schulden abzubezahlen – oder es ist
endgültig Schluss mit lustig. Da kann ihm selbst seine
Lieblingsstudentin Amy (Brie Larson in einer undankbaren Rolle) nicht
helfen, die ihm kürzlich beim illegalen Glücksspiel über den Weg
lief …
The Gambler versteht
sich nicht als Kriminalfilm, in dem ein gewiefter Protagonist seinen
Hals aus der Schlinge zu ziehen hat. Der Großteil der Laufzeit
konzentriert sich auf Jims Alltag, zeigt ihn dabei, wie er
Vorlesungen hält, wie er seine Mutter (Jessica Lange, ebenfalls in
einer dürftigen Rolle) anmotzt oder wie er mit einem bekannten
Kredithai rumlungert. Letzterer wird von John Goodman gespielt,
dessen Part zwar fast schon strafbar klischeehaft geschrieben ist,
aber immerhin den einzigen denkwürdigen, pointierten Monolog des
Films hält. Wenn sich also der gesamte Film um Jim dreht, genauer
gesagt darum, wie er mit seinem Umfeld interagiert, so müsste The
Gambler eigentlich ein Charakterdrama sein, oder? Doch auch
mit dieser Überlegung verzockt sich der geneigte Filmfreund, denn
ein charakterzentrisches Drama benötigt vor allem eins: Charakter.
Der
vermeintliche „Held“ dieser Handlung ist aber nichts weiteres als
ein unnahbarer Granitblock – der halt zufälligerweise laufen,
reden und mehr schlecht als recht zocken kann (bevorzugt Black Jack).
Im Gegensatz zu gelungenen cineastischen Unsympathen wie etwa Travis
Bickle aus Taxi Driver, Alex in Uhrwerk
Orange, Daniel Plainview in There Will Be
Blood oder Jordan Belfort in The Wolf of Wall
Street fehlt Jim Bennett aber jegliche Anziehungskraft. Er
ist kein Widerling, der jemanden für sich einnehmenden kann,
geschweige denn, dass er etwas Andersartiges, Faszinierendes an sich
hat. Ihm fehlt die Grandeur, die Zielstrebigkeit, um den Blick auf
sich zu lenken. Er ist stattdessen einfach nur der unauffällige,
schroffe Kerl, der sich mit niemandem abgeben will. Und somit ist er
ein denkbar uninteressanter Mittelpunkt für einen fast zweistündigen
Film. Dass die gezeigten Literaturvorlesungen obendrein die vielleicht unglaubwürdigsten, unfreiwillig komischsten der US-Filmgeschichte sind, tut diesem Werk erst recht keinen Gefallen.
Zumal Wyatt die Glücksspiel-Sequenzen
größtenteils dröge abspult – weder ziehen sie mit Glamour-Faktor
in ihren Bann, noch nutzt der Regisseur die durchaus interessant
gestalteten, abgefrackten Schauplätze, um einen Sinn für Gefahr zu
erzeugen. Stilistisch auffällig ist allein der Einsatz von Musik.
Zunächst, da der Soundtrack einige trocken-spröde Nummer bietet,
die ansatzweise so etwas wie eine überhöht-verlorene Stimmung
erzeugen. Und darüber hinaus, weil Wyatt immer wieder mit der
Trennung zwischen diegetischem und non-diegetischem Ton spielt –
also mit der Grenze zwischen dem, was nur der Zuschauer hört und was
sich in der Welt der Filmfiguren abspielt. Da Wyatt seinen Trick 17
aber erschütternd oft wiederholt, ohne ihm je Neues abzugewinnen,
verliert auch diese Idee alsbald ihren Reiz.
Fazit: Ein einseitiger,
unausstehlicher Protagonist schleppt sich durch ein träg erzähltes,
uninspiriert inszeniertes Glücksspieldrama: Wer auf The
Gambler setzt, setzt auf die falsche Karte.
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