Für das am Genre desinteressierte
Publikum mag es zunächst schwer begreiflich sein. Doch die
unaufhörlich wachsende Gattung des US-amerikanischen Kriegsfilms
lässt sich mühelos weiter aufteilen – und erlaubt sogar
Rückschlüsse darauf, wie diverse Kriege in den Vereinigten Staaten
aufgefasst werden. Die in ihrer cineastischen Verarbeitung wohl am
weitesten voneinander entfernt stehenden Feldzüge sind dabei der
Zweite Weltkrieg und der Vietnamkrieg. Mit bezeichnenden Titeln wie
Apocalypse Now oder Die durch die Hölle
gehen wird selbst bei oberflächlicher Betrachtung klar,
dass der Vietnamkonflikt nahezu ausnahmslos als falsch und ungerecht,
gar als diabolisch gezeichnet wird. Anders der Zweite Weltkrieg: Die
Schlagzahl an patriotischen Eskapaden mag variieren, ebenso wie der
Gewaltgrad. Die Fronten sind indes klar: Die Alliierten sind Helden.
Zweifel an den verwendeten Mitteln, geschweige denn der Ehrbarkeit
der gegen die deutschen Heere kämpfenden Soldaten, sind in Filmen
über den Zweiten Weltkrieg rar gesät.
Der Drehbuchautor und Regisseur David
Ayer ist allerdings wenig an klaren Rollenverteilungen interessiert,
wie er bereits mit dem Skript zu Training Day oder
mit dem von ihm geschriebenen sowie inszenierten
Found-Footage-Actiondrama End of Watch vorführte.
Eben jener Linie bleibt Ayer auch in Herz aus Stahl treu. Es
lässt sich sogar das Argument machen, dass er sich nach dem
gemeinhin verrissenen Sabotage selber übertrifft: Trotz Superstar Brad Pitt in der Hauptrolle und endlos scheinenden
Passagen reiner Zerstörungswut ist diese Weltkriegs-Geschichte
desolater, intensiver und ambivalenter als Ayers bisheriges Schaffen.
Der
eindrucksvollste Abschnitt dieser desperaten Erzählung ist die Zäsur
zwischen den einleitenden und abschließenden Panzer-Actionpassagen.
Der erzählerische Wende- und Mittelpunkt von Herz aus Stahl führt die zwei zentralen Figuren, den erfahrenen Panzerführer Don
'Wardaddy' Collier (Brad Pitt), und seinen erst kürzlich
rekrutierten Schützling Norman Ellison (Logan Lerman), in die
Wohnung zweier deutscher Zivilistinnen. Es sind die letzten Tage des
Krieges, und genauso, wie Wardaddy bereits der Schmerz und die
emotionale Abstumpfung der vergangenen Monate ins Gesicht geschrieben
stehen, sind die jungen Frauen (Anamaria Marinca und Alicia von
Rittberg) sichtlich von Angst erfüllt. Angst vorm Regime, das kurz
zuvor Kriegsverweigerer in ihrem Heimatdorf exekutierte. Angst davor,
als Kollateralschaden zu enden. Und Angst vor der bislang unbekannten
Variabel, die die Alliierten darstellen. Was folgt, ist eine nach all
dem Kampfgetümmel und visuellen, garstigen Schrecken bewusst
entschleunigte Gesprächssequenz, die nach außen hin einen fragilen
Frieden ausspielt. Unter der Oberfläche brodelt es allerdings. Die
zwei Soldaten misstrauen den Deutschen, diese wiederum sind vom
Geschehen überfordert, beäugen jede Geste der zwei so verschieden
in den Raum tretenden Amerikaner.
Sobald Ayer, vermeintlich, der
Anspannung eine Möglichkeit gibt, sich zu entladen, konterkarieren die
trostlose Ausstattung, das Fehlen entsprechend positiver Filmmusik
und die distanziert-kühle Kameraarbeit Roman Vasyanovs diesen
Handlungsschritt. Norman und die jüngere der beiden Frauen bandeln
miteinander an. Aber die übliche Bild- und Klangästhetik, die im
US-Historienkino markiert, dass so eben ein Moment des Trosts in
tristen Zeiten eingefangen wird, bleibt aus. Ebenso das andere
Extrem. Keine sinistren Orchesterklänge. Keine grimmen Schatten, die
verbildlichen, wie sehr ein unschuldiger Bube zum Schurken verkommt,
der seine Machtposition gegenüber verängstigten Frauen ausnutzt.
Ayer lässt das Geschehen stehen. Romantik fehlt, es wird jedoch auch
keine explizite Anklage erhoben. Nur zwischen den Zeilen wird das
diskutiert, was parallel dazu in den Köpfen wohl vieler Zuschauer
vorgeht. Ist es eine Vergewaltigung? Die etwas ältere Cousine blickt
gestreng in Richtung Schlafzimmer, Wardaddy entlockt seiner
steinernen Miene ein entschuldigendes Lächeln: „Sie sind jung“,
so als sei es zweifelsfrei auf Beidseitigkeit beruhender Leichtsinn.
Herz aus Stahl reißt somit auf exzellente Weise ein Thema an, das im
Kino bislang monoton behandelt wurde. Es gibt bereits eine kleine
Tradition an Tragikomödien, die romantisiert auf Beziehungen
deutscher Frauen mit alliierten Soldaten zurückblicken. Frau
Ella gehört beispielsweise dazu – und völlig daneben
liegen diese Filme nicht, sind langjährige Liebesaffären und auch
Ehen dieser Art sehr wohl verbucht. Filme über andere Kriege kennen derweil allein das
Bild animalischer Soldaten, die sich nehmen, was sie wollen – ein
ebenso reales wie abscheuliches Bild. Dass für spätere Generationen
viel Unklarheit herrscht, welche realen Vorfälle in welche Schublade
gehören, wurde dagegen bislang kaum adressiert. Ayer verherrlicht
die Tat keineswegs, da er sie allerdings in einem sehr dunklen Grau
zeichnet, fängt er besagte Debatte lang nachhallend ein. Und stärkt
so seinen Film. Er lässt in Mitten seines Films das Übel in der Vorstellung des Betrachters entstehen, nachdem er zuvor mit schonungslosen Bildern gearbeitet hat. Somit entsteht eine explosive, nachhallende Mischung.
Im Anschluss an diesen Vorfall dreht
Ayer die Schraube der Anspannung sogar noch fester zu. Während eines
improvisierten, kärglichen Mahls ruft er in Erinnerung, dass
Wardaddys Truppe noch aus weiteren Männern besteht. Wurden diese
zuvor nur flüchtig eingeführt, zeigen sie nun nicht etwa im Kampf,
sondern ausgerechnet in einem Moment der Stille ihre wahren
Gesichter. Jon Bernthal, Michael Peña und vor allem Shia LaBeouf
dürfen nun weitere Facetten ihrer Rollen zeigen, verstören, Mitleid
erregen, verwirren. Und dann endet dieser Film im Film, der mit
seinen starken Dialogen in ähnlicher Form problemlos auch ein Inglourious Basterds-Kapitel hätte darstellen können, mit einem Paukenschlag.
Betrachter wie auch die handelnden Figuren befinden sich erneut im
schwarz-matschbraunen, ohrenbetäubenden Kriegsalltag, der knapp zwei
Drittel von Herz aus Stahl ausfüllt.
Die Schlachten reichen zwar nicht an
die Komplexität, emotionale Zerrissenheit und resolute Regieführung
des Mittelteils heran. Trotzdem sind sie überaus intensiv und machen
durch gekonnt in Szene gesetztes Chaos und verstörende
Momentaufnahmen spürbar, wieso innerhalb weniger Tage aus dem
naiven, unverbrauchten Norman ein völlig ausgebrannter Recke werden
kann. Ayers Gewaltspitzen und Ekeleskapaden verkommen dadurch nie zum
Selbstzweck, sondern dienen stets der Erzählung und brennen sich
somit langfristig in Erinnerung. Die Panzerkämpfe zeigen zudem die
Wucht, mit der diese Gerätschaften durchs Land bretterten, ohne den
Film zäh zu gestalten. Die ersten Feldzüge sind daher sogar mitreißender
und visuell ungewöhnlicher als das sich auf einen Ort beschränkende
Finale. Dies liegt auch an einem weiteren Aspekt: Obwohl hier der aufkeimende Heroismus der Figuren als
selbsteingeredet unterstrichen wird, überreizt die letzte Schlacht
ihren Spannungsbogen minimal. Umso stärker präsentiert sich dafür
der Gänsehaut-Score aus der Feder des Gravity-Komponisten
Steven Price, durch den die aussichtslose Stimmung des Films auch in
den unsicherer gespielten Augenblicken aufrecht gehalten wird.
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