Sonntag, 28. Juni 2015

Inherent Vice – Natürliche Mängel


Schall und grüner Rauch: Joaquin Phoenix ist auf Droge und ermittelt während der 70er als Privatdetektiv in einem undurchschaubaren (und streng genommen unbedeutenden) Kriminalfall.

Thomas Pynchon ist im deutschen Sprachraum nicht der geläufigste Name, doch in den USA gilt der Schriftsteller als bedeutender Vertreter der literarischen Postmoderne. Seine weitestgehend von Paranoia handelnden Romane legen mehr Wert auf einen komplexen sprachlichen Stil und eine dichte Erzählweise als auf einen klar ersichtlichen Inhalt. Und dies mit Intention: Die 2009 veröffentlichte Detektivgeschichte Natürliche Mängel versetzt den Leser mit ihren Aus- und Abschweifungen, subtilen Skurrilitäten sowie wirren Wendungen in den Bewusstseinszustand eines dauerbekifften Möchtegernermittlers. Als komplexe, äußerst gemächliche und verkopfte Erzählung ist dieses Buch quasi unverfilmbar – oder alternativ geradezu wie geschaffen für eine Filmadaption durch den Regievirtuosen Paul Thomas Anderson. Oder, um eine dritte Option zu nennen, eine knifflige Aufgabe für stringent handelnde Regisseure und zugleich regelrechtes Gift für das Schaffen des Kaliforniers. Denn durch solch eine Vorlage angetrieben droht der minutiös schildernde, intellektuelle Filmschaffende erstmals übers Ziel hinauszuschießen.

Los Angeles. Es ist das Jahr 1970: Der ständig bekiffte (Möchtegern-)Privatdetektiv Larry 'Doc' Sportello (Joaquin Phoenix) lebt unbekümmert in den Tag hinein, lediglich von den gelegentlichen Überraschungsbesuchen des manischen Cops Christian 'Bigfoot' Bjornson (Josh Brolin) in seiner Ruhe gestört. Dann aber platzt seine Ex-Freundin Shasta Fay (Katherine Waterston) in seine heruntergekommene Strandwohnung und überhäuft ihn mit verwirrenden sowie beunruhigenden Informationen. Demnach soll ihr neuer Lover, der Immobilienhai Mickey Wolfmann (Eric Roberts), entführt und in eine Irrenanstalt eingewiesen werden. Doc bekommt den Auftrag, dies zu verhindern, aber im Laufe seiner Ermittlungen manövriert er sich bloß von einer Sackgasse zur nächsten. Alsbald ist auch Shasta wie vom Erdboden verschluckt. Doc weiß nicht wie ihm geschieht, er weiß nicht, ob er in Bigfoot einen Vertrauten oder einen Widersacher hat und eigentlich weiß eh niemand, was genau sich abspielt …

Kurz hat sich Paul Thomas Anderson selten gefasst. Vier seiner sechs vor Inherent Vice – Natürliche Mängel veröffentlichten Regiearbeiten weisen eine Laufzeit von mindestens 144 Minuten auf, und auch sein Rücksturz ins (späte) Hippie-Zeitalter macht keinerlei Anstalten, zügig voranzuschreiten. Zumindest lässt sich der Arthaus-Favorit nicht vorwerfen, die Langsamkeit zum Selbstzweck ernannt zu haben. Sein Ensembledrama Magnolia hat mehr als genug Plot für drei Stunden Spielzeit zu bieten, Boogie Nights widmet sich haarklein dem schillernden, geschäftigen und abgründigen Pornogeschäft und There Will Be Blood sowie The Master sind intensive, atmosphärische Porträts komplexer Persönlichkeiten. Kinogänger, die ausreichendes Interesse für Andersons Themen mitbringen, werden in diesen Werken daher mit einem außergewöhnlichen, geistreichen Seherlebnis belohnt.

Inherent Vice hat zwar mit den genannten cineastischen Errungenschaften gemeinsam, dass das gemäßigte narrative Tempo Methode hat, jedoch unterscheidet sich der Neo-noir-Kifferkrimi darin frappierend von Andersons vorherigen Filmen, welche Methode er genau verfolgt. Das Slacker-Tempo dient vornehmlich dazu, den Zuschauer in einen ähnlichen Geisteszustand zu versetzen wie die von Phoenix mit Behäbigkeit und kühlem Witz gespielte Hauptfigur. Um Doc herum geschehen wahnsinnig viele und teils auch im wortwörtlichen Sinne wahnsinnige Dinge, jedoch er reagiert darauf fast ausschließlich mit der Brisanz einer Schnecke, die sich durch Molasse kämpft. Einzelne Sequenzen spielen sich in aller Ausführlichkeit ab, zwischen ihnen kann der Plot aber zuweilen abrupte Richtungswechsel begehen, ohne dass es Doc (oder auch das Publikum) auf Anhieb registriert. Das ist zweifelsohne eine interessante Herangehensweise, zumal sie der Vorlage gerecht wird und im Setting verwurzelt ist. Dessen ungeachtet ist sie für eine noch enger gesteckte Zielgruppe geschaffen als Andersons übliches Œuvre.

Der Zugang zu Docs an abwechslungsreich abgehalfterten Schauplätzen stattfindende Odyssee wird wenigstens durch einen stimmigen Soundtrack erleichtert. Dieser setzt sich aus groovigen Songs und effektiven, aber nicht lang haften bleibenden Instrumentalstücken Johnny Greenwoods zusammen. Besondere Nennung haben sich jene berauschende Momente verdient, in denen minutenlang Lieder mit prägnanten Drums der von ihnen untermalten Szenen spürbar den Takt vorgeben. Auch Mark Bridges' ausdrucksstarkes, sich nie in den Vordergrund schiebendes Kostümdesign stärkt die Wirkung von Inherent Vice, während die diversen Gastauftritte großer Hollywood-Schauspieler oftmals die ihrige Verfehlen. Von den Randdarstellern hinterlässt allein ein (wie so oft) aufgedrehter Martin Short (Vater der Braut) einen nennenswerten Eindruck.

Generell ist Inherent Vice in seinen eigenwillig-humorigen oder staubtrocken-grotesken Phasen überzeugender, als in jenen, die sich hintersinnig mit dem Absterben der Hippie-Kultur und den zerstörerischen Zyklen der (US-)Gesellschaft befassen. Daher ist Josh Brolin der wertvollste Player dieser 20-Millionen-Dollar-Produktion, darf er doch am meisten chargieren und so nicht nur die vielfältigste Figur erschaffen, sondern auch als wandelnde Stütze der unberechenbaren Filmstimmung dienen.

Mit überhöhten Figuren und Dialogen, die mehr wie gedruckt, denn wie gesprochen sind, sowie einer ultrapessimistischen Weltsicht einerseits, Kifferlogik, einem Lahmarsch-Helden und exzentrischem Witz ist Inherent Vice letztlich eine ganz seltsame Mixtur: Ein Teil Ridley Scotts Hochglanz-Noir The Counselor, ein Teil Coen-Brüder-Kultkomödie The Big Lebowski, ein Teil Andersons sinnierendes Sektendrama The Master. Manchen wird beim Versprechen solch einer Hausmischung das Wasser im Munde zusammenlaufen. Andere dürften schon anhand dieser Beschreibung erahnen, dass sie lieber abstinent bleiben.

Fazit: Eine kryptische Story, die ins Nirvana verdampft, und eine unerklärliche Figurenbrigade treffen auf bewusstseinserweiternde (oder eher bewusstseinserweichende) Poesie sowie schrägen Humor. Einzigartig. Und wahrlich kein Filmstoff für jedermann!

Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)


Dies ist nicht gerade die Kritik, die Birdman verdient hat, aber die Kritik, die Birdman braucht. Oder so etwas in der Art.

Birdman ist einer dieser Filme, die mit der finalen Schwarzblende dafür sorgen, dass dem Betrachter Fragen auf der Zunge brennen. Wo endet die reine, eskapistische Narrative und wo beginnt die philosophische Analogie? Was ist verbitterte Abrechnung mit dem Showbusiness und was liebevoller Seitenhieb? Was ist real, was ist nur Einbildung der Figuren? Tja, eins kann ich festhalten, Leute: Birdman ist viel, viel realistischer, als es auf dem ersten Blick scheint …

Es ist Vormittag in der Bundesrepublik. Bereits Monate vor Kinostart läuft in einer deutschen Großstadt die rabenschwarze Showbusinesskomödie Birdman – exklusiv für die Presse. Nach einiger Zeit steht einer der anwesenden Kritiker auf und verschwindet kopfschüttelnd aus dem Saal. Nach etwas mehr als einer Viertelstunde betritt er erneut den Saal. In der Zwischenzeit gab es eine Szene zu sehen, die sich mir besonders einprägte: Die frühere Blockbuster-Ikone Riggan Thomson (Michael Keaton) begegnet einer einflussreichen Kritikerin (Lindsay Duncan), die ihn ohne jeden erkenntlichen Anlass anschnauzt. Sie habe genug von dieser Hollywood-Prominenz, die meint, nach Jahren im lächerlichen Superheldenkostüm plötzlich so tun zu müssen, als könne sie wirklich schauspielern. Diese Hampelmänner seien eh alle gleich. Daher müsse sie sich Riggans demnächst stattfindendes Stück gar nicht erst gucken, um zu wissen, dass es einen niederschmetternden Verriss verdient hat.

Ich dagegen muss wohl nicht anmerken, dass besagtem Kollegen Birdman nicht gefallen hat. Er sei wie erwartet nur der lahme Versuch, einen Superheldenfilm zu machen, der sich als Schauspielübung ausgibt. Aber ich komme nicht umher, mich immer, wenn ich an Birdman denke, zu fragen, wie mies der nette Herr wohl Alejandro González Iñárritus Geniestreich erst finden würde, wenn er sich alles angeschaut hätte. Wahrscheinlich würde er Gift und Galle speiend klagen, dass Birdman ein unverschämtes, falsches Bild von Kritikern zeichne.

Diese Feststellung kratzt allerdings nur an der Oberfläche. Die Resonanz zwischen unserer Wirklichkeit und der Fiktion von Birdman umfasst weit mehr als die Macken mancher Kritiker. Als soghafter Ausflug in die Gedanken- und Arbeitswelt der Schauspielerzunft sagt Birdman selbstredend viel mehr über Mimen aus als über jene, die sich über sie die Mäuler zerreißen. Und zahllose eben dieser Kommentare erfolgen auf der Meta-Ebene.

Beispiel: Edward Norton, der eine beachtliche Fanbase hat und zudem für nahezu all seine Performances mit Kritikerlob überschüttet wird, glänzt als Kritikerliebling und Kassenmagnet Mike Shiner. Dieser gerät mit seinem Kollegen und Regisseur Riggan regelmäßig in verbale sowie schlagkräftige Auseinandersetzungen über das Skript seines Broadway-Stücks. Was freilich keinerlei Erinnerungen an die Filme The Score, Frida und Der unglaubliche Hulk weckt, an deren Drehbuch der ursprünglich bloß als Akteur gecastete Norton mitwirkte. Oder an American History X, jenen in der Filmbranche legendär gewordenen Fall, in dem sich Regisseur Tony Kaye eine mediale Schlammschlacht mit dem Studio leistete, weil es Nortons eigenmächtig erstellte Schnittfassung des Dramas bevorzugte.

Und welche Worte könnte ich an dieser Stelle noch über Michael Keatons Leistung verlieren, die nicht bereits tausendfach gewählt wurden? Der Hauptdarsteller aus Tim Burtons Batman-Filmen ist es, der Birdman überhaupt erst Flügel verleiht. Sein Spiel ist nuanciert, ein Triumph des mimischen Naturalismus – und gerade dadurch schwingt sich Iñárritus Blick hinter die Kulissen des Schauspielfachs auf ein so hohes Niveau. Keatons Darbietung ist heldenhaft unmittelbar, selbst in durchgebrannten Momenten wirkt alles, was er den gefallenen Stern Riggan Thompson tun lässt, als sei es die ungeschönte Wahrheit.

]Allerdings möchte ich mich nicht völlig in diesen Aspekt des doppelbödigen, kunstvollen Filmspaßes verrennen. Denn es ist ja bei weitem nicht alles aus dem wahren Leben gegriffen, was Iñárritu mit seinem kleinen Heer von Ko-Autoren zusammengestellt hat. Die sich im Kritikerdasein verkriechende Giftnudel, mit der Riggan es zu tun bekommt, steht nicht stellvertretend für ihre Zunft. Ja, es lassen sich solche Exemplare finden, und alle, die Filme weiterhin verehren, verdammen jene raren Begegnungen mit diesem Kritikertypus. Und, ja: In einem großen Ensemble kann es vorkommen, dass sich so gänzlich unterschiedliche Typen von Schauspielern begegnen, wie in Riggans Theateradaption von What We Talk About When We Talk About Love. Menschen, die den Wert ihres Berufs völlig anders definieren als ihr Gegenüber – und somit auch ihre Aufgaben als Künstler. Äh, als Entertainer. Äh, als Geschichtenerzähler. Äh, als Vermittler der Wahrheit. Äh, als Selbstverwirklicher. Doch Birdman hat nicht nur originell dargebotene Anekdoten aus dem Showbusiness aufzuweisen. Dieser flotte Dreier aus amüsantem Arthaus-Experiment, nachdenklicher Comicfranchise-Dekonstruktion und satirischer Theaterfarce hat auch einen gewaltigen Vogel.

Richtig gelesen. Ich finde Birdman nicht nur wahnsinnig, Birdman ist Wahnsinn! Die Kamera verfolgt das Geschehen in und um das von Riggan gebuchte New Yorker Theater über weite, weite Strecken ohne erkennbaren Schnitt. Kamera-Maestro Emmanuel Lubezki und die Cutter Douglas Crise & Stephen Mirrione vollführen einen komplexen, visuellen Tanz, der dem Zuschauer das Zeitgefühl raubt, seine Orientierung einschränkt, ihn geradezu aufsaugt. Ihn als stilles, alles heimlich beobachtendes Mäuschen ins Geschehen versetzt. Wenn er nicht gerade einen von Riggans psychischen Höhen- oder Stürzflügen vor Augen geführt bekommt – dann ist der Betrachter auf einmal mitten im Oberstübchen eines einstigen Superhelden-Darstellers. Doch so oder so ist die visuelle Komponente von Birdman berauschend – und erschwert es gekonnt, die eh verschwimmenden Ebenen des Drehbuchs zu trennen. Ist Riggan wahnsinnig, sind manche (alle?!) seiner vermeintlichen Halluzinationen real? Oder visualisiert Iñárritu bloß die Gedankenwelt des unter immensem Druck stehenden, zwischen künstlerischem Begehren, Geltungsdrang und Verleugnung der eigenen Karriere hin und her gerissenen Mimen? Würde letzteres bedeuten, dass Riggan in „Wirklichkeit“ völlig normal ist (so weit man normal sein kann, wenn man schauspielert) und er einfach nur verworrene Gedankegänge hat? Ist Birdman sein gutes oder sein schlechtes Alter Ego?

Fragen überschlagen sich in meinem Kopf, vorangetrieben von den jazzigen, hämmernden, dynamischen, gelegentlich dissonanten Schlagzeug-Klängen des Musikers Antonio Sánchez. Gags rauschen an mir vorbei, sei es in Form feister Seitenhiebe auf die Geldmaschinerie Hollywoods und auf das hochnäsige Theatergehabe oder im Kleide kerniger Situationskomik. Die Figuren handeln von Minute zu Minute ikonischer, obschon ihre Darsteller nie die Bodenhaftung verlieren. Die Akteure sagen symbolbehaftete Monologe auf, gleichwohl bleiben die Beziehungen zwischen ihren Rollen glaubwürdig. Wie virtuos dieser Spagat doch ist, wie packend Emma Stones weitäugige, innerlich zerrissene, hingebungsvolle Leistung als Riggans manische, nein, erschütternd hellsichtige, nee, innerlich kaputte Tochter!

Stone verausgabt sich, die Kamera irrt im Theater umher, Riggan verliert sich immer tiefer im Kampf mit sich und seinem Stück und ich ringe mit mir. Bin ich weiterhin Filmkritiker, oder bloß noch staunender Betrachter?! Mein hyperkritischer, distanzierter „Kollege“ würde mir wohl etwas geigen, würde ich dies hier als Kritik bezeichnen. Jedoch: „A thing is a thing, not what is said of that thing!“. So steht es auf dem Spiegel in Riggans Garderobe gekritzelt. Und das hier ist eine Auseinandersetzung mit den Leistungen von Birdman. Eine Wiedergabe, wie in diesem cineastischen Glanzstück Wahrheit und Wahn zusammenspielen, Kunst und Kappes, Hommage und kritische Betrachtung. Und das habe ich nunmehr geleistet, oder?! Oder habe ich vielleicht mehr getan? In dem Fall habe ich es nicht mitbekommen.

Aber ist nicht gerade das die Macht der Ahnunglosigkeit?! Kra-Krah!


Donnerstag, 25. Juni 2015

Ted 2


Der Unterschied zwischen "einen Film mögen" und "einen Film gut finden" ist schwer zu erläutern. Sofern er denn existiert, denn so einige Filmfreunde bezweifeln arg, dass solch eine Differenzierung möglich ist. Ich aber erhebe vehement Einspruch gegen diese These. Mir scheint es durchaus möglich, Film A mehr zu respektieren und Film B mehr Zuneigung zukommen zu lassen. Dass ausgerechnet die Rüpelkomödien rund um den kiffenden, schimpfenden, vulgären Stoffbären Ted mir eine Steilvorlage liefern, um diesen Unterschied zu skizzieren, kann ich selbst kaum fassen. Aber so sehr meine Perspektive auf Ted und Ted 2 auch von geringer Begeisterung geprägt ist: Das bisschen positive Attitüde, die ich für Seth MacFarlanes Komödienreihe aufbringen kann, variiert bei Teil eins und Teil zwei radikal!

Die Faszination hinter dem Original will sich mir nämlich so überhaupt nicht erschließen. Ich kann kaum über die Erlebnisse von John (Mark Wahlberg) und seinem besten Kumpel, Kuschelbär Ted, lachen. Der altbekannte Plot des nicht erwachsen werden wollenden Mannes, der sich für die Liebe seines Lebens (Mila Kunis) mit dem in ihm schlummernden Potential auseinandersetzen muss, entwickelt kaum neue, eigenständige Ideen und zieht eh regelmäßig den Kürzeren, um Teds Vulgärhumor Platz zu verschaffen. Der Reiz eines derben Teddybären geht mir aber rasch verloren. Dennoch ist mir das Einspielergebnis von annähernd 550 Millionen Dollar weltweit kein Dorn im Auge. Ich muss mir Ted so rasch wahrlich nicht noch einmal anschauen, und großen Spaß hatte ich bei meiner einzigen Sichtung auch nicht. Aber ich habe mich auch nicht gelangweilt (dafür ist Ted dann im Gegensatz zu A Million Ways to Die in the West zu flüssig erzählt) und ich kann respektieren, dass viele Kinogänger Freude am locker-flockigen Zusammenspiel des knuffigen Wahlbergs mit seinem CG-Kollegen haben. Die altbekannten Storypunkte trifft Ted wenigstens mit einer grundlegenden Ehrlichkeit und die Cameos sind gut eingesetzt. Kurzum: Ich mag all das nicht, habe aber ein ausreichendes Maß an Achtung vor Ted.

Drei Sommer nach dem überraschenden Siegeszug von Ted kommt der unerzogene Flauschkumpel zurück auf die Leinwand. Und muss eine kleine Schlappe hinnehmen. Anders als etwa Hangover 2, der an den Kassen den Erstling weit hinter sich ließ, schreibt Ted 2 deutlich kleinere Zahlen als sein Vorgänger. Die positiven Kritikerstimmen sind ebenfalls rarer gesät, und ich kann sehr gut erkennen, womit sich Ted 2 seine durchwachsenere Rezeption verdient hat.

Allein schon der Umstand, dass Mila Kunis' Figur nach allem (versucht) romantischen Hokuspokus aus Teil eins rausgeschrieben wurde, ist kein netter Zug den Fans gegenüber. Gewiss, dass Kunis zur Drehzeit schwanger war, drängte MacFarlane in eine Ecke, dennoch wird der Plot des Originals in Ted 2 durch ihre Abwesenheit und die begleitende Erklärung mit Füßen getreten. Und auch die zentrale Story von Ted 2 ist nicht die stringenteste. Wird das Original relativ zielstrebig erzählt, plagt Ted 2 das unkonzentrierte Chaos, das schon MacFarlanes Comedywestern qualitativ runter gezogen hat. Nach einem Prolog, der Ted und seine Freundin Tami-Lynn bei einer innigen Hochzeit zeigt, suhlt sich MacFarlane erst in zwei ellenlangen Szenen, die das Paar gegeneinander aufbringen. Es ist zu überzogen, um Sorge um die zerstörte Liebe zwischen ihnen zu erzeugen, aber zu angestrengt und eintönig-aggressiv, als dass es lustig wäre. Daraufhin kommt die Idee eines gemeinsamen Kindes auf, ab dann wird die Krise zwischen Ted und Tami-Lynn nie wieder angerissen. Und auch die Hoffnung, ein Kind zu bekommen, tritt in den Hintergrund, sobald Teds Status als Person angezweifelt wird. Der eigentliche Plot startet: Ted kämpft vor Gericht um seine Rechte - unterbrochen von sketchartigen Einlagen die mal treffen, mal völlig versacken. Und zudem unterbrochen von einem selten zündenden Subplot mit Giovanni Ribisi, der wieder den verpeilten Donny spielt, der Ted ganz für sich haben will. Dieses Mal mit Hilfe von Hasbro - was lästiges Product Placement provoziert, aber auch mutig vom Spielwarenkonzern ist, denn wann wollen große Firmen schon in einem Film als Schurken dargestellt werden?

Aus handwerklicher Sicht sehr ernüchternd ist zudem, dass viele Gags aus Ted 2 bereits in Family Guy zu sehen waren, teils sogar 1:1 in der nun im Kino gezeigten Form. Von einem Soul singenden Ted, einer Improcomedy-Sabotagenummer hin zu einer John-Hughes-Hommage: Resteverwertung ist MacFarlane hier wahrlich nicht fremd. Diese Faulheit äußert sich sogar im Sounddesign: Nach dem Prolog über Teds Hochzeitsfeier erfolgt eine Vorspannszene in bester Busby-Berkeley-Manier mit Showbühne, Glitzer, Zylindern, Fracks und Steppeinlagen. MacFarlane, der lautstarker Liebhaber des alten Hollywoods ist, verkneift sich hier jegliche ironische Überhöhung und vulgären Ausrutscher, was vielleicht am Zielpublikum vorbeigedacht ist, aber per se charmant. Doof nur, dass diese Szene auf akustischer Ebene nur aus einem Instrumentalstück besteht - und völlig ohne sonstige Klangeffekte. Ted wirbelt durch die Gegend, haut mit einem Stock über die spiegelglatte Fläche, jedoch ist nichts zu hören, wodurch die Tanzeinlage leer und nichtig wirkt. Der Moment geht zwar vorbei, steht aber stellvertretend für eine gewisse Nachlässigkeit in der Umsetzung dieses Films. Erschwerend kommt letztlich hinzu, dass Ted 2 zwar mehrere Minuten länger ist als der Erstling, aber spürbar kürzer als der Vorgänger hätte sein sollen, ist das Sequel klar schwächer gemacht. Gewissermaßen ein Film, der weniger Achtung verdient.


Dennoch: So sehr ich die handwerklichen und erzählerischen Schwächen von Ted 2 sehe, die ihn abschwächend vom grundsolide erstellten Ted abgrenzen, so habe ich das Sequel beim Anschauen mehr genossen. Ich würde es auch eher wieder anschauen als den Erstling. Zum einen, weil es zwar faul von MacFarlane ist, viele Gags aus Family Guy zu recyceln, ich die Tricksitcom aber schon seit langer Zeit nicht mehr schaue und über die "geklauten" Witze im Kontext dieses Films gut lachen konnte. Insbesondere die Impro-Comedy-Club-Einlage wird wunderbar trocken rüber gebracht. Darüber hinaus scheint sich Amanda Seyfried in ihrer Rolle deutlich mehr zu genießen als Mila Kunis in ihrem Ted-Part, was für mich eine ansteckende Wirkung hat. Die großäugige Blondine bringt eine Herzlichkeit mit in den Film und ein Engagement, das selbst einige ihrer lahmeren Sprüche wenigstens in Schmunzler verwandelt. Dass ich ihr zudem die Rolle der unerfahrenen, jedoch überzeugten Junganwältin abkaufe und sie darüber hinaus in den Gerichtsszenen mit Material hantiert, das für eine Justiz-Kiffer-Vulgärkomödie überraschend handfest-ehrlich geschrieben ist, macht aus Seyfrieds Präsenz endgültig einen saftigen Pluspunkt.

Auch Wahlberg gefällt mir in Ted 2 mehr als in Teil eins. Seine Figur ist nun zwar überzeichneter und verpeilter, allerdings mag ich Wahlberg als großen, kindischen Dummkopf. Seine Missgeschicke in der Samenspender-Klinik oder während des Trips quer durchs Land haben mir daher mehr Kurzweil beschert als die eher standardmäßigen, wenngleich charakterlich konsistenteren Eskapaden im Original. Überhaupt sind es zumeist die haarsträubenderen Momente von Ted 2, die mir zusagen. Wobei hier auch die Plage anzutreffen ist, die verhindert, dass ich diese Komödie auch nur im Ansatz zu meinen Lieblingsfilmen des Jahres zu zählen: Ja, ich kann über die Jurassic Park-Parodie, Seyfrieds Gesangseinlage (und die Reaktion der Fauna darauf), und diverse bescheuerte Running Gags lachen. Aber MacFarlane treibt all diese Späße nach dem Lacher weiter und weiter, so dass es in Ted 2 zu einigem Leerlauf kommt, den ein guter Cutter mit genügend Freiraum hätte tilgen können. Einzig ein gewisser Cameo eines Actionhelden läuft genau so lang, wie er sollte!

Deshalb bleibt Ted 2 ein mir sympathischer, makelbehafteter Film, den ich mir in einigen Monaten nochmal anschauen werde. Bei dem ich aber sehr gut verstehen kann, wieso er unter den finanziellen Erwartungen läuft, und bei dem ich kaum sagen kann "der arme Film, das hat er nicht verdient!"

Dienstag, 16. Juni 2015

Coopers Kaffee: House of Cards


Die Tücken der Technik haben mich anfangs mundtot gemacht, aber nach einigen Minuten konnte ich dann doch mitmischen: Antje, Julian und Jan haben bei Coopers Kaffee über House of Cards diskutiert. Wieso die so oft gefeierte Polit-Dramaserie zurecht gefeiert wird, erfahrt ihr ... naja, praktisch überall. Aber auch in

Sonntag, 14. Juni 2015

Der große Trip – Wild


„Ich bin dann mal weg!“ Das sagte sich nicht nur Hape Kerkeling, der im Jahr 2001 eine Pilgerreise auf dem Jakobsweg antrat, um Abstand von seinem stressigen Berufsleben zu gewinnen und nach zwei gesundheitlichen Rückschlägen einen klaren Kopf zu erhalten. Viele Menschen brechen, oftmals ohne größere Vorankündigung, aus ihrem Lebensgefüge aus und unternehmen eine lange Wanderschaft, die neue Perspektiven eröffnen soll. Zu dieser Gattung von Wanderern zählt die damals 26-jährige Cheryl Strayed, die sich 1995 auf dem Pacific Crest Trail von Südkalifornien bis zur Grenze zwischen Oregon und Washington durchschlug. Anders als der Jakobsweg ist der Pacific Crest Trail keine Pilgerroute, sondern ein bundesbehördlich bestimmter Fernwanderweg, dessen Wegführung es ermöglichen soll, vielfältige Landschaften von hervorstechender Schönheit zu besichtigen. So profan die Hintergründe dieser Strecke auch sein mögen, auf Cheryl Strayed hatte diese Süd-Nord-Reise durch die USA erheblichen Einfluss. Die Wanderung brachte Schweiß, Blut und Tränen mit sich – und ließ sie durch all das Elend zu sich selbst zurückfinden und ein neues Leben beginnen.

Strayed wartete 17 Jahre, bis sie ihre Erfahrungen von diesem eminenten Trip in Form von Memoiren niederschrieb. Das Buch wurde 2012 innerhalb weniger Monate zu einem weltweiten Bestseller. Reese Witherspoon erwarb sogar noch vor dem regulären Verkaufsstart die Filmrechte an dem Werk, um als Produzentin und Hauptdarstellerin Strayeds innere wie äußere Reise auf die Leinwand zu bringen. Im Sommer 2013 wurde dann Schriftsteller Nick Hornby (High Fidelity) als Autor gewonnen, alsbald stieß Jean-Marc Vallée (Dallas Buyers Club) als Regisseur zum Projekt hinzu.

Mit Witherspoon, Hornby und Vallée fand sich ein äußerst geeignetes Trio, um Der große Trip – Wild zu verwirklichen. Hornby gibt dem Drehbuch das für ihn so typische Flair mit, das Selbstvorwürfe, Bedauern und Wut in ruhigen, authentischen Handlungs- oder Gesprächssequenzen zum Vorschein kommen lässt. Hornbys gezügelter Sinn für Humor bereitet das Geschehen diesen schweren Emotionen zum Trotz leicht verdaulich auf und erlaubt zudem einen leichteren Zugang zur so komplizierten, unangepassten Hauptfigur. Ganz egal, wie verschlossen, dreist oder haltlos selbstzerstörerisch sich Cheryl verhält (etwa gegenüber ihrer reizenden Filmmutter Laura Dern): Dank der pointierten Darstellung ihrer anfänglichen Naivität in Wanderfragen und anderen knappen Anflügen von Leichtigkeit wird Cheryls harsche Auseinandersetzung mit ihrer Vergangenheit sowie den Widrigkeiten der Natur zu einer Reise, der man sich als Zuschauer gerne anschließt.

Dies ist selbstredend auch Witherspoons Verdienst. Die Oscar-Preisträgerin agiert in Der große Trip – Wild so gut, wie seit Walk the Line nicht mehr und geht völlig frei von Affektiertheit an ihre Rolle heran. Durch ihre zierliche Erscheinung unterstreicht sie, welche Strapazen mit dieser überwältigenden Wanderung einhergehen, was Regisseur Jean-Marc Vallée und Kameramann Yves Bélanger auch wiederholt verstärken, indem sie Witherspoon in den großen Landschaftsbildern nahezu verschwinden lassen. Diese Fragilität nutzt Witherspoon aber nie, um Mitleid für Cheryl zu erheucheln, wenn in Rückblicken deutlich wird, wie sehr sie vor ihrem Trip mit Drogen- und Sex-Exzessen ihr Leben zugrunde richtete. Auch wenn diese stellenweise wie im Fieberwahn beleuchteten, zügig geschnittenen Sequenzen einfühlsam erzählt sind, lässt die Schauspielerin in ihnen auch besonders stark die destruktive, launenhafte Seite ihrer Figur durchblicken.

Jean-Marc Vallée setzt, passend zum tragenden Mienenspiel Witherspoons, primär auf bildsprachliche Aspekte, um Der große Trip – Wild zusammenzuhalten. Dialoge sind meist kurz gehalten, oft sind sie auf entscheidende Worte reduziert, während die Komposition der Szene, ihre Farbsättigung sowie die schauspielerische Darbietung den Rest erzählen. Somit ermöglicht Vallée zumindest einen kleinen Einblick darin, wie ein einsamer Trip durch die Wildnis der USA (und durch den Wust an Erinnerungen vergangener Fehler) auf den Reisenden wirkt. Das Zusammenspiel zwischen den Rückblicken, die wie aus einem anderen Leben gerissen scheinen, und den beinahe naturdokumentarisch gehaltenen Außenaufnahmen der Wanderroute, gerät im letzten Viertel jedoch etwas aus dem Takt. War der Betrachter zuvor immer nah dran, wie Cheryl während ihrer Wanderung emotionale Fortschritte macht, beschleunigt sich ihre Entwicklung kurz vor Schluss schlagartig, so dass einen das Finale leicht überrumpeln kann.


Fazit: Für einen zeitlosen Klassiker zum Thema Selbstfindung ist Der große Trip – Wild womöglich zu gefasst. Aber dank beeindruckenden Bildern, einer einsichtsvollen, niemals pathetischen Erzählweise und Witherspoons starkem Schauspiel kann sich Jean-Marc Vallées neuste Regiearbeit trotzdem mit dem gefeierten AIDS-Drama Dallas Buyers Club messen lassen.

Samstag, 13. Juni 2015

The Gambler


Das Glücksspiel ist eine besonders filmtaugliche Beschäftigung. Paradebeispiel dafür, wie kurzweilig und fesselnd Zockerei auf der Kinoleinwand sein kann, sind Filme wie Rounders, Casino Royale, Der Croupier oder Der Clou. Rupert Wyatts Drama The Gambler beinhaltet einige der Elemente, die auch besagte Filme auszeichnen: Die Präsenz kaltblütiger Gestalten, fast schon halsbrecherische Risiken sowie stilvolle oder alternativ stylisch-verkommene Spielstätten. Woran es der Neuverfilmung des britischen Zockerstreifens Spieler ohne Skrupel indes mangelt, sind Flair, Spannung und nachvollziehbare Charaktermotivation.

Bereits die erste Sequenz erweist diesem Trauerspiel über Obsession einen gewaltigen Bärendienst. Literaturprofessor Jim Bennett (Mark Wahlberg) begibt sich in ein Untergrund-Spielcasino und setzt mit stoischer Miene Unsummen von Geld, die er auch dringend benötigt, um seine monströsen Schulden abzubezahlen. Und selbst absolute Laien würden besser zocken als er. Er hat keine Taktik und setzt kopflos seinen gesamten Gewinn immer wieder aufs Spiel. Autor William Monahan und Regisseur Rupert Wyatt verdeutlichen also früh, dass The Gambler keine Erzählung über ein gewitztes Glücksspiel-Ass ist. Jedoch ist es ebenso wenig ein Drama, das die Mechanik hinter Wettsucht und deren Gefahren skizziert. In Jims Augen blitzt nie auch nur ein winziger Funken der Manie auf, er zeigt keine Freude am Risiko, nicht einmal ist ein Hauch der Verzweiflung oder alternativ der Sehnsucht nach Selbstzerstörung zu spüren.

Wahlberg legt Jim als eiskalten, aalglatten Typen an, der nicht nur sein Gegenüber im Unklaren lässt, was ihn bewegt, sondern auch die Betrachter des Films. Sobald sich Jim vollkommen absehbar noch tiefer ins Verderben manövriert hat, erhält er ein klares Ultimatum: In sieben Tagen hat er seine Schulden abzubezahlen – oder es ist endgültig Schluss mit lustig. Da kann ihm selbst seine Lieblingsstudentin Amy (Brie Larson in einer undankbaren Rolle) nicht helfen, die ihm kürzlich beim illegalen Glücksspiel über den Weg lief …

The Gambler versteht sich nicht als Kriminalfilm, in dem ein gewiefter Protagonist seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen hat. Der Großteil der Laufzeit konzentriert sich auf Jims Alltag, zeigt ihn dabei, wie er Vorlesungen hält, wie er seine Mutter (Jessica Lange, ebenfalls in einer dürftigen Rolle) anmotzt oder wie er mit einem bekannten Kredithai rumlungert. Letzterer wird von John Goodman gespielt, dessen Part zwar fast schon strafbar klischeehaft geschrieben ist, aber immerhin den einzigen denkwürdigen, pointierten Monolog des Films hält. Wenn sich also der gesamte Film um Jim dreht, genauer gesagt darum, wie er mit seinem Umfeld interagiert, so müsste The Gambler eigentlich ein Charakterdrama sein, oder? Doch auch mit dieser Überlegung verzockt sich der geneigte Filmfreund, denn ein charakterzentrisches Drama benötigt vor allem eins: Charakter.

Der vermeintliche „Held“ dieser Handlung ist aber nichts weiteres als ein unnahbarer Granitblock – der halt zufälligerweise laufen, reden und mehr schlecht als recht zocken kann (bevorzugt Black Jack). Im Gegensatz zu gelungenen cineastischen Unsympathen wie etwa Travis Bickle aus Taxi Driver, Alex in Uhrwerk Orange, Daniel Plainview in There Will Be Blood oder Jordan Belfort in The Wolf of Wall Street fehlt Jim Bennett aber jegliche Anziehungskraft. Er ist kein Widerling, der jemanden für sich einnehmenden kann, geschweige denn, dass er etwas Andersartiges, Faszinierendes an sich hat. Ihm fehlt die Grandeur, die Zielstrebigkeit, um den Blick auf sich zu lenken. Er ist stattdessen einfach nur der unauffällige, schroffe Kerl, der sich mit niemandem abgeben will. Und somit ist er ein denkbar uninteressanter Mittelpunkt für einen fast zweistündigen Film. Dass die gezeigten Literaturvorlesungen obendrein die vielleicht unglaubwürdigsten, unfreiwillig komischsten der US-Filmgeschichte sind, tut diesem Werk erst recht keinen Gefallen.

Zumal Wyatt die Glücksspiel-Sequenzen größtenteils dröge abspult – weder ziehen sie mit Glamour-Faktor in ihren Bann, noch nutzt der Regisseur die durchaus interessant gestalteten, abgefrackten Schauplätze, um einen Sinn für Gefahr zu erzeugen. Stilistisch auffällig ist allein der Einsatz von Musik. Zunächst, da der Soundtrack einige trocken-spröde Nummer bietet, die ansatzweise so etwas wie eine überhöht-verlorene Stimmung erzeugen. Und darüber hinaus, weil Wyatt immer wieder mit der Trennung zwischen diegetischem und non-diegetischem Ton spielt – also mit der Grenze zwischen dem, was nur der Zuschauer hört und was sich in der Welt der Filmfiguren abspielt. Da Wyatt seinen Trick 17 aber erschütternd oft wiederholt, ohne ihm je Neues abzugewinnen, verliert auch diese Idee alsbald ihren Reiz.

Fazit: Ein einseitiger, unausstehlicher Protagonist schleppt sich durch ein träg erzähltes, uninspiriert inszeniertes Glücksspieldrama: Wer auf The Gambler setzt, setzt auf die falsche Karte.

Herz aus Stahl


Für das am Genre desinteressierte Publikum mag es zunächst schwer begreiflich sein. Doch die unaufhörlich wachsende Gattung des US-amerikanischen Kriegsfilms lässt sich mühelos weiter aufteilen – und erlaubt sogar Rückschlüsse darauf, wie diverse Kriege in den Vereinigten Staaten aufgefasst werden. Die in ihrer cineastischen Verarbeitung wohl am weitesten voneinander entfernt stehenden Feldzüge sind dabei der Zweite Weltkrieg und der Vietnamkrieg. Mit bezeichnenden Titeln wie Apocalypse Now oder Die durch die Hölle gehen wird selbst bei oberflächlicher Betrachtung klar, dass der Vietnamkonflikt nahezu ausnahmslos als falsch und ungerecht, gar als diabolisch gezeichnet wird. Anders der Zweite Weltkrieg: Die Schlagzahl an patriotischen Eskapaden mag variieren, ebenso wie der Gewaltgrad. Die Fronten sind indes klar: Die Alliierten sind Helden. Zweifel an den verwendeten Mitteln, geschweige denn der Ehrbarkeit der gegen die deutschen Heere kämpfenden Soldaten, sind in Filmen über den Zweiten Weltkrieg rar gesät.

Der Drehbuchautor und Regisseur David Ayer ist allerdings wenig an klaren Rollenverteilungen interessiert, wie er bereits mit dem Skript zu Training Day oder mit dem von ihm geschriebenen sowie inszenierten Found-Footage-Actiondrama End of Watch vorführte. Eben jener Linie bleibt Ayer auch in Herz aus Stahl treu. Es lässt sich sogar das Argument machen, dass er sich nach dem gemeinhin verrissenen Sabotage selber übertrifft: Trotz Superstar Brad Pitt in der Hauptrolle und endlos scheinenden Passagen reiner Zerstörungswut ist diese Weltkriegs-Geschichte desolater, intensiver und ambivalenter als Ayers bisheriges Schaffen.

Der eindrucksvollste Abschnitt dieser desperaten Erzählung ist die Zäsur zwischen den einleitenden und abschließenden Panzer-Actionpassagen. Der erzählerische Wende- und Mittelpunkt von Herz aus Stahl führt die zwei zentralen Figuren, den erfahrenen Panzerführer Don 'Wardaddy' Collier (Brad Pitt), und seinen erst kürzlich rekrutierten Schützling Norman Ellison (Logan Lerman), in die Wohnung zweier deutscher Zivilistinnen. Es sind die letzten Tage des Krieges, und genauso, wie Wardaddy bereits der Schmerz und die emotionale Abstumpfung der vergangenen Monate ins Gesicht geschrieben stehen, sind die jungen Frauen (Anamaria Marinca und Alicia von Rittberg) sichtlich von Angst erfüllt. Angst vorm Regime, das kurz zuvor Kriegsverweigerer in ihrem Heimatdorf exekutierte. Angst davor, als Kollateralschaden zu enden. Und Angst vor der bislang unbekannten Variabel, die die Alliierten darstellen. Was folgt, ist eine nach all dem Kampfgetümmel und visuellen, garstigen Schrecken bewusst entschleunigte Gesprächssequenz, die nach außen hin einen fragilen Frieden ausspielt. Unter der Oberfläche brodelt es allerdings. Die zwei Soldaten misstrauen den Deutschen, diese wiederum sind vom Geschehen überfordert, beäugen jede Geste der zwei so verschieden in den Raum tretenden Amerikaner.

Sobald Ayer, vermeintlich, der Anspannung eine Möglichkeit gibt, sich zu entladen, konterkarieren die trostlose Ausstattung, das Fehlen entsprechend positiver Filmmusik und die distanziert-kühle Kameraarbeit Roman Vasyanovs diesen Handlungsschritt. Norman und die jüngere der beiden Frauen bandeln miteinander an. Aber die übliche Bild- und Klangästhetik, die im US-Historienkino markiert, dass so eben ein Moment des Trosts in tristen Zeiten eingefangen wird, bleibt aus. Ebenso das andere Extrem. Keine sinistren Orchesterklänge. Keine grimmen Schatten, die verbildlichen, wie sehr ein unschuldiger Bube zum Schurken verkommt, der seine Machtposition gegenüber verängstigten Frauen ausnutzt. Ayer lässt das Geschehen stehen. Romantik fehlt, es wird jedoch auch keine explizite Anklage erhoben. Nur zwischen den Zeilen wird das diskutiert, was parallel dazu in den Köpfen wohl vieler Zuschauer vorgeht. Ist es eine Vergewaltigung? Die etwas ältere Cousine blickt gestreng in Richtung Schlafzimmer, Wardaddy entlockt seiner steinernen Miene ein entschuldigendes Lächeln: „Sie sind jung“, so als sei es zweifelsfrei auf Beidseitigkeit beruhender Leichtsinn.

Herz aus Stahl reißt somit auf exzellente Weise ein Thema an, das im Kino bislang monoton behandelt wurde. Es gibt bereits eine kleine Tradition an Tragikomödien, die romantisiert auf Beziehungen deutscher Frauen mit alliierten Soldaten zurückblicken. Frau Ella gehört beispielsweise dazu – und völlig daneben liegen diese Filme nicht, sind langjährige Liebesaffären und auch Ehen dieser Art sehr wohl verbucht. Filme über andere Kriege kennen derweil allein das Bild animalischer Soldaten, die sich nehmen, was sie wollen – ein ebenso reales wie abscheuliches Bild. Dass für spätere Generationen viel Unklarheit herrscht, welche realen Vorfälle in welche Schublade gehören, wurde dagegen bislang kaum adressiert. Ayer verherrlicht die Tat keineswegs, da er sie allerdings in einem sehr dunklen Grau zeichnet, fängt er besagte Debatte lang nachhallend ein. Und stärkt so seinen Film. Er lässt in Mitten seines Films das Übel in der Vorstellung des Betrachters entstehen, nachdem er zuvor mit schonungslosen Bildern gearbeitet hat. Somit entsteht eine explosive, nachhallende Mischung.

Im Anschluss an diesen Vorfall dreht Ayer die Schraube der Anspannung sogar noch fester zu. Während eines improvisierten, kärglichen Mahls ruft er in Erinnerung, dass Wardaddys Truppe noch aus weiteren Männern besteht. Wurden diese zuvor nur flüchtig eingeführt, zeigen sie nun nicht etwa im Kampf, sondern ausgerechnet in einem Moment der Stille ihre wahren Gesichter. Jon Bernthal, Michael Peña und vor allem Shia LaBeouf dürfen nun weitere Facetten ihrer Rollen zeigen, verstören, Mitleid erregen, verwirren. Und dann endet dieser Film im Film, der mit seinen starken Dialogen in ähnlicher Form problemlos auch ein Inglourious Basterds-Kapitel hätte darstellen können, mit einem Paukenschlag. Betrachter wie auch die handelnden Figuren befinden sich erneut im schwarz-matschbraunen, ohrenbetäubenden Kriegsalltag, der knapp zwei Drittel von Herz aus Stahl ausfüllt.


Die Schlachten reichen zwar nicht an die Komplexität, emotionale Zerrissenheit und resolute Regieführung des Mittelteils heran. Trotzdem sind sie überaus intensiv und machen durch gekonnt in Szene gesetztes Chaos und verstörende Momentaufnahmen spürbar, wieso innerhalb weniger Tage aus dem naiven, unverbrauchten Norman ein völlig ausgebrannter Recke werden kann. Ayers Gewaltspitzen und Ekeleskapaden verkommen dadurch nie zum Selbstzweck, sondern dienen stets der Erzählung und brennen sich somit langfristig in Erinnerung. Die Panzerkämpfe zeigen zudem die Wucht, mit der diese Gerätschaften durchs Land bretterten, ohne den Film zäh zu gestalten. Die ersten Feldzüge sind daher sogar mitreißender und visuell ungewöhnlicher als das sich auf einen Ort beschränkende Finale. Dies liegt auch an einem weiteren Aspekt: Obwohl hier der aufkeimende Heroismus der Figuren als selbsteingeredet unterstrichen wird, überreizt die letzte Schlacht ihren Spannungsbogen minimal. Umso stärker präsentiert sich dafür der Gänsehaut-Score aus der Feder des Gravity-Komponisten Steven Price, durch den die aussichtslose Stimmung des Films auch in den unsicherer gespielten Augenblicken aufrecht gehalten wird.

Dienstag, 9. Juni 2015

Auf den Erpel, der besser schnattert, als alle anderen


Die meisten Menschen feiern ihren Geburtstag jedes Jahr, und nicht nur, wenn ein Meilenstein ansteht. Manche Feiern fallen zwar größer aus als andere, doch der Umstand, dass sie stattfinden, gilt gemeinhin als normal. Unseren fiktionalen Helden ist eine alljährliche Feier hingegen nicht garantiert. Vergangenes Jahr überschlugen sich die Medien mit Glückwünschen für den besten aller Pechvögel, Donald Duck. Dachte aber alle Welt an den watschelnden Disney-Star, als er 80 Jahre alt wurde, so bleiben dieses Jahr vielerorts die Gratulationen aus. Ich finde, dass dies bekämpft werden muss! Und da ein simples Alles Gute, Donald! nicht ausreicht, nutze ich Donalds Wiegenfest, um mich mal in seinem Namen ungeheuerlich über eine ärgerliche Sache ... äh ... zu ärgern!

Es geht um die allseits beliebte Zeichentrickserie DuckTales. Versteht mich nicht falsch, auch ich liebe diesen Klassiker unter Disneys animierten Abenteuerserien, da das Storytelling zumeist mit einer zügigen, aber wirksamen Dramaturgie vonstatten geht, weil Dagobert hier ausnahmsweise mal recht konstant (und sympathisch) charakterisiert wird und oftmals auch das Design und die Musik zu gefallen wissen. Aber es gibt nunmal einige Episoden, die mich ungeheuerlich nerven. Und dies sind nicht unbedingt die direkten Carl-Barks-Adaptionen. Denn anders als einige Comic-Jünger, die DuckTales nicht mögen, weil die verfilmten Geschichten des zurecht gefeierten Enten-Künstlers inhaltlich von den Vorlagen abweichen, komme ich damit klar. Fernsehen ist ein anderes Medium als Comichefte, daher sind Abweichungen unvermeidlich.

Womit ich aber nicht d'accord gehe, ist die Darstellung Donalds in der Serie. Dass der Erpel Nummero uno kaum eine Rolle spielt, kann ich verstehen. Damals war er in den USA noch ungleich populärer als heutzutage, und angeblich hatten die Storykünstler Angst, er würde die Abenteuer in der Serie überschatten. Daher zogen sie es vor, mit eher sekundären sowie neuen Figuren zu arbeiten, weil so das Augenmerk der Zuschauer auf die Geschichten fiele. Für jene Zeit eine nachvollziehbare Entscheidung. Dass man die gelegentlichen Folgen, in denen Donald auftaucht, aber nahezu durchgehend mit einem einzelnen Running Gag bestreitet, bringt mich auf die Palme: Ohhhh, Donald brabbelt Schwachsinn und ist obendrein schwer zu verstehen!

Ja, Donalds heisere Stimme war schon zu Walts Zeiten Thema, man denke etwa an den Cartoon Donald's Dream Voice. Allerdings sind Geschichten, laut denen Donald für sein Umfeld als nahezu unverständlich dargestellt wird, eine Seltenheit. Zumeist wird er von anderen Figuren sehr wohl verstanden, und je nach Autor wird er auch als recht schlagfertig gezeichnet - und das nicht nur im nonverbalen Sinne. Wenn Donald in DuckTales also als dumm und sprachbehindert durch seine Episoden gereicht wird, grenzt das an Majestätsbeleidigung. Dass er in der Folge Sphinx for the Memories respektive Mein Gott, Donald eine der peppigsten Zeilen der ganzen Serie quaken darf, ehe er für den Rest der Episode den Deppen gibt, ist da ein ungewöhnlicher, aber nicht ausreichender Trost. In der englischen Originalfassung sagt Matrose Donald, ehe er Landgang hat: "The night is young, and I'm old enough!" Du toller Hecht, du ...

Für das angekündigte DuckTales-Revival wünsche ich mir, und natürlich auch dem heutigen Geburtstagskind, dass er wieder ins Hauptensemble aufgenommen wird. Mittlerweile hat es Donald in den USA ja leider durchaus nötig. Und wenn Donald schon regelmäßig aufkreuzt, so soll er bitte nicht weiter auf seine Aussprache reduziert werden - aber sein Genuschel dafür verwenden dürfen, öfter frechere Kommentare zu bringen. Halt so, wie zu seinen besten animierten Zeiten.