Woody Allen wird einfach nicht müde:
Jahr für Jahr bringt der New Yorker einen neuen Film in die Kinos.
Bei einer solchen Produktivität müsste es jedoch mit Hexerei
zugehen, wäre jede einzelne Regiearbeit des intellektuellen
Neurotikers ein Volltreffer. Und auch wenn Allens jüngstes Projekt
von übernatürlichen Spielchen handelt, ist die Filmografie des
Oscar-Preisträgers kein Hexenwerk. Denn auf jeden besonders
gelungenen Film des 78-Jährigen folgt im Regelfall ein besonders
schwaches Werk. So zuletzt in den Jahren 2011 / 2012: Während
Midnight in Paris ein absolutes Glanzstück
darstellt, kam im Folgejahr mit To Rome With Love
eine regelrechte Gurke in die Lichtspielhäuser. Da 2013 der Kinowelt
die brillante Tragikomödie Blue Jasmine
einbrachte, ist es naheliegend, erneut eine dürftige Leistung Woody
Allens zu erwarten. Diese Erwartungen trügen allerdings: Das
unaufdringliche Lustspiel Magic in the Moonlight
ist durch und durch … nett.
Die Geschichte ist im Sommer 1928
angesiedelt: Der Erste Weltkrieg liegt nunmehr zehn Jahre zurück und
Westeuropa befindet sich in einem beachtlichen Wirtschaftsaufschwung.
Generell herrscht eine neue Weltsicht vor, weite Teile der
Gesellschaft sind offener und kulturell interessierter als noch in
den Jahrzehnten zuvor. Vor lauter Lebensfreude sieht niemand, welch
deprimierenden Umwälzungen sich in Bälde mit der
Weltwirtschaftskrise 1929 und dem politischen Rechtsruck anbahnen
sollten. Zynismus findet in den Goldenen Zwanzigern kaum statt.
Selbst der Bilderbuchzyniker Stanley (Colin Firth) konzentriert
seinen Missmut ganz und gar darauf, dass er übernatürliche
Ereignisse als Schwindel offenbart. Der Brite entlarvte bereits
zahlreiche Scharlatane und wird aufgrund dieser Erfolgsquote von
seinem alten Kupferstecher Howard (Simon McBurney) an die
französische Côte d'Azur zitiert. Dort hat sich die junge Sophie
(Emma Stone) mitsamt ihrer Mutter (Marcia Gay Harden) bei einer
reichen, amerikanischen Familie eingenistet und sorgt mit ihren
hellseherischen Kräften für Staunen und Verwirrung. Da selbst
Howard daran scheiterte, Sophie als Betrügerin zu enttarnen, soll
nun der selbstbewusste Stanley ran. Aber sogar er beißt sich am
außergewöhnlichen Medium die Zähne aus …
Gewiss
lässt sich Magic in the Moonlight als illustrer
Kommentar auf die gesellschaftliche Ignoranz gegenüber wahren
Problemen betrachten. Sämtliche Figuren dieser nostalgischen Komödie
nehmen ihre Lebenssituation als gegeben hin, niemand blickt kritisch
auf das große Ganze oder erkennt die Zerbrechlichkeit des
Roaring-Twenties-Lifestyles an. Die einzigen kritisch denkenden
Persönlichkeiten, Colin Firths tapsig-schnöseliger Stanley und sein
trockenhumoriger Kumpane Howard, nutzen derweil ihren Mut, Dinge zu
hinterfragen, lediglich für die Hexenjagd. Und sind wir kulturell
nunmehr knapp 85 Jahre später über Stanleys Verbissenheit, Medien
als Blender zu deklarieren, hinausgewachsen? Man bedenke: Derzeit
suchen viele von uns mit Eifer nach verräterischen Illusionsbrüchen
in Medien anderer Art (nämlich in Filmen, Serien und Videospielen),
stand uns schlicht verzaubern zu lassen und unser analytisches
Denkvermögen für politische Baustellen aufzuheben.
Doch selbst wenn das zeitliche Setting
und die thematischen Zwischentöne in Magic in the
Moonlight in zu großem Einklang sind, um obigen
Interpretationsansatz vollauf in den Wind schlagen zu können: Der
meist so listige Woody Allen legt in sein Skript eine ungeahnt große
Sympathie für die zwei Hauptfiguren Sophie und Stanley. Zudem stimmt
Allen durch seine luftig-lockere Inszenierung einen derart
unbeschwerten Ton an, dass dieser cineastische Ausflug in ein
sommerliches Südfrankreich einer doppelbödigen Lesart nahezu allen
Antrieb nimmt. In oberster Priorität erblüht diese Geschichte von
Schein und Sein, Lug und Selbstbetrug, Romantik und Magie daher als
schlichte, kleine Komödie ohne weitreichende Ambitionen. Woody Allen
schwelgt hier in Nostalgie für altmodische Romanzen, die zwar mit
Witz punkten, sich aber jeglicher Selbstironie verweigern. Damit
dürfte es ihm schwer fallen, neue Fans zu gewinnen, und selbst unter
seinen größten Anhängern sollten sich wohl nur sehr wenige finden,
die Magic in the Moonlight zu den Höhepunkten
seiner Vita zählen. Trotzdem hat diese rund 17 Millionen Dollar
teure Produktion ihren Reiz und dürfte vor allem bei jenen Anklang
finden, denen es nach sorgloser Kinounterhaltung mit Esprit dürstet.
Das
liegt zum größten Teil darin begründet, wie toll die
Hauptdarsteller aufgelegt sind: Als scheinbar naive, in Wahrheit aber
trickreiche Seherin weiß The Amazing Spider-Man-Aktrice
Emma Stone mehrmals, die Szene an sich zu reißen und für diverse
Lacher zu sorgen. Colin Firth übt sich derweil mit ansteckender
Freude in seiner Paraderolle als stocksteifer, leicht schusseliger
Snob. Zudem stimmt die Chemie zwischen ihnen: Eine kleine Prise
Slapstick und zahllose amüsante Wortgefechte machen die Begegnungen
zwischen Sophie und Stanley zu einer warmherzig-vergnüglichen
Angelegenheit. Die größte Schwäche dieser Komödie ist dagegen ihr
etwas schluderig geschriebener Plot: So amüsant die Dialoge sind und
so einleuchtend Stanleys wankenden Positionen gegenüber wahrer (?)
Magie, die aufkeimende Romanze zwischen seinen Protagonisten hat
Allen klar übers Knie gebrochen. Wodurch die Charakterentwicklung
und der Schlussakt enorm an Wirkung verlieren.
Darüber hinaus tut sich Kameramann
Darius Khondji schwer, die austauschbare Story auf wirkliches
Kinoformat zu heben. Nur das schwärmerische Flair, das die
Darsteller und ihre Kostüme seinen überbelichteten, uninspirierten
Bilder verleihen, verhilft Magic in the Moonlight
auf ästhetischer Ebene zum Sprung vom edlen Fernseh- zum Kinofilm.
Dessen ungeachtet wecken Autorenfilmer Woody Allen, Colin Firth und
Emma Stone vor träumerischer Kulisse Sehnsüchte nach vergangenen,
simpleren Zeiten. Das mag angesichts der zuvor erläuterten,
möglichen Lesart dieser Komödie paradox erscheinen und so
vielleicht einen weiteren Kritikpunkt darstellen. Andererseits ist
der Charme dieser einfachen, netten filmischen Urlaubsreise so
bestechend, dass mit genügend Willen ihre inneren
Widersprüchlichkeiten ebenso abgeschüttelt werden können wie ihre
Seichtheit.
Fazit: Der nimmermüde Woody
Allen ergänzt sein Œuvre durch Magic in the Moonlight
um ein schlichtes Werk, das dank Emma Stone und Colin Firth sowie
leichtfüßiger Dialogwechsel ein gewisses altmodisch-unbedarftes
Charisma hat.
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