Seiten

Mittwoch, 27. Mai 2015

Exodus: Götter und Könige


Dass Exodus: Götter und Könige am 25. Dezember, also am 1. Weihnachtstag, in den deutschen Kinos startete, war keine willkürliche Entscheidung. Schließlich handelt es sich bei der 140-Millionen-Dollar-Produktion um eine Bibelverfilmung, die in ihrem Prunk an solche Werke erinnert, wie sie einst in gewisser Regelmäßigkeit die große Leinwand erfüllten. Entgegneten Kinogänger in den 50ern Filmen wie Die zehn Gebote aber noch mit einer gewissen Selbstverständlichkeit, wurde Ridley Scotts Neuerzählung der Moses-Geschichte von vielen Seiten aus bereits rein prinzipiell als antiquiert bezeichnet. So urteilte mehrere Kritiker, dass es reaktionär oder gar albern sei, heutzutage noch einen Film zu drehen, der sich der Bibel annimmt.

Es sollte angebracht sein, sich zu fragen, ob eben jene Kritiker in wenigen Monaten auch Star Wars – Das Erwachen der Macht allein schon aufgrund ihrer Prinzipien niederschreiben werden. Und ob sie die Der Herr der Ringe-Trilogie verabscheuen (die ja bevrzugt zur Adventszeit auf Zuschauerjagd ging). Auch in diesen Filmen agieren Wesen, die mit ihren Fähigkeiten und ihrem Wissen weit über anderen Figuren stehen. Das gesamte Fantasygenre platzt vor Prophezeiungen und vor Auserwählten. Und immer wieder werden in diesen Geschichten komplexe Mythen ausgebreitet, die von den sie betreffenden Figuren oftmals als heilig aufgefasst werden. Doch bei solchen Werken halten sich die Klagen, Geschichten über Ehrfurcht gebietende Überwesen seien rückwärtsgewandt, in Grenzen. Sie werden zumeist als Eskapismus gesehen, als visuell prächtige Fantastereien. Exodus: Götter und Könige versteht sich ebenfalls als solch ein Geschichtentypus. Scott transportiert sein Publikum in eine andere Zeit und an einen anderen Ort. Und er geht davon aus, dass der Zuschauer für die Dauer des Films bereit ist, zu glauben, dass sich innerhalb dieser Geschichte übernatürliche Ereignisse abspielen können.

Einen missionarischen Gedanken hat Exodus: Götter und Könige indes genauso wenig wie die Mittelerde-Saga oder vergleichbare Werke. Es gibt nicht einen Filmmoment, der überdeutlich darauf abzielt, das Publikum zum Christentum zu konvertieren – oder es in seinem christlichen Glauben zu bestärken. Die emotionalen Intentionen dieser Mammutproduktion beschränken sich stattdessen auf jene Mechanismen, wie sie im Epochalkino alltäglich sind: Es geht darum, Rückschläge zu verkraften, Hindernisse zu überwinden und ein gemeinschaftliches Wohl anzustreben. Zahllose Blockbuster lassen grüßen. Nur, dass sich Scott halt nicht aus einem Fantasy-Bestseller der vergangenen Jahrzehnte bedient, sondern eine Bibel-Erzählung als Inspiration nimmt.

Und nichts daran sollte verwerflich sein. Denn vollkommen unabhängig davon, ob man gläubig ist oder nicht, ob man die Institution Kirche befürwortet oder nicht: In der Bibel stehen einige interessante Geschichten, die sich großartig für pompöse Adaptionen eignen. Geschichten über Verrat, Angst, Selbsterkenntnis und Zusammenhalt. Ob man nun davon ausgeht, dass diese Geschichten auch Geschichte sind, darf auch mal für die Dauer eines Films zweitrangig sein. Religiöse Debatten lassen sich viel eher über Filme wie das seichte Drama Den Himmel gibt’s echt führen, da diese eine klar ausformulierte, klerikale Perspektive haben. Über deren Sinn und Verstand können entsprechend geneigte Zeitgenossen gerne zanken. Exodus: Götter und Könige dagegen ist einfach nur ein Bombastwerk, das unterhalten will.

Die entscheidende Frage, die sich stellt, ist die danach, ob Exodus: Götter und Könige unterhält. Dass sich diese Frage trotz der beeindruckenden Schauwerte nicht mit einem kräftigen „Ja!“ beantworten lässt, liegt vornehmlich daran, dass dieses 150-minütige Abenteuer ein wenig zwischen die Stühle fällt. Was wiederum passiert, weil das von einem vierköpfigen Autorenteam geschriebene Skript keinen klaren Ansatz findet, wie es mit dem Material umgehen soll.

Die Geschichte bietet das Potential, mit einem emotionalen und dramatischen Kern sein Publikum zu bannen: 1.300 Jahre vor unserer Zeitrechnung wachsen Ramses (Joel Edgerton), Sohn des Pharao Seti (John Turturro), und Findelkind Moses (Christian Bale) wie Brüder auf. Sie stehen füreinander ein, beschützen sich gegenseitig und scherzen auch miteinander. Bloß in einem Punkt finden sie keine Übereinkunft: Während Ramses vor Prophezeiungen Respekt hat, hält Moses sie für Humbug. Ebenso wenig Glauben schenkt er der Erzählung des Sklavenältesten Nun (Ben Kingsley). Während Moses ihn verhört, um zu erfahren weshalb die Sklaven neuerdings vermehrt Aufstände anzetteln, erzählt Nun, von Moses wahrer Herkunft zu wissen. Er sei Israelit und dazu geboren, sein Volk aus der Sklaverei zu befreien. Zunächst ignoriert Moses diese Behauptungen, als er aber Opfer einer Intrige wird und das Reich des Pharao verlassen muss, ändert sich alles …

Die Dynamik zwischen Ramses und Moses wird von den Autoren Adam Cooper, Bill Collage, Jeffrey Caine und Steven Zaillian zwar in den ersten Filmminuten ausreichend etabliert, ist aber nicht so zentral, dass sie als Herz des Films taugt. Bale und Edgerton haben in ihrer ersten Handvoll an gemeinsamen Szenen eine freundschaftliche Rivalität miteinander, sobald sich aber erste ernstzunehmende Spannungen zwischen ihren Figuren abzeichnen, wirkt es so, als seien sich Ramses und Moses völlig fremd. Zu keinem Zeitpunkt thematisiert Exodus: Götter und Könige auf textueller Ebene ausreichend, dass sich die zusammen groß gewordenen Männer voneinander verletzt fühlen. Und auch die Darsteller lassen kaum Wehmut in ihren Rollen aufglühen. Dies ist dem DreamWorks-Zeichentrickfilm Der Prinz von Ägypten deutlich besser gelungen – was nicht weiter von Belang wäre, hätte Scotts Langerzählung einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt, der das Geschehen antreibt.

Doch die anderen thematischen Elemente, aus denen sich die biblische Vorlage zusammensetzt, werden in dieser Adaption ebenfalls bloß bruchstückhaft aneinandergereiht. Sei es Moses Auseinandersetzung mit seiner leiblichen Herkunft, seine Entwicklung zum Anführer eines ganzen Menschenstammes oder der nicht unbedeutende Aspekt, dass ein gesamtes Volk generationenlang versklavt wurde und dann endlich Freiheit erlangt. All diese Facetten der biblischen Geschichte dienen in Exodus: Götter und Könige primär dazu, von einer Monumentalsequenz zur nächsten überzuleiten. Solch ein erzählerisches Vorgehen ist keineswegs zu verachten – es gibt zahlreiche gute Leinwandspektakel, bei denen die Handlung nur ein Alibi ist, um möglichst imposante Bilder zu zeigen. Für solch ein nährstoffarmes Prunkabenteuer weist Exodus: Götter und Könige obschon ein ernüchternd gemächliches Erzähltempo auf, weshalb der Oscar-nominierte Filmemacher Scott zwar mit all seinem Pomp zu überwältigen weiß, aber nur szenenweise auch wirklich mitzureißen vermag.

Als mit einiger Verzögerung auf die Leinwände dieser Welt gelangtes Prachtwerk in der Tradition von William Wylers Ben Hur, Stanley Kubricks Spartacus oder Mervyn LeRoys Quo vadis? ist Exodus: Götter und Könige auf handwerklicher Ebene trotzdem eine Wucht. Filmliebhaber, die seit längerem den Wunsch hegen, neu produzierte Sensationsunterhaltung in diesem Stil zu sehen, werden aufgrund der riesigen Prachtbauten, blendenden Kostüme und schwelgerischen Setdekorationen aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Gerade, weil Scott Erinnerungen an frühere cineastische Zeiten wecken will, empfiehlt es sich auch, Exodus: Götter und Könige nicht in 3D, sondern in 2D zu sehen, um ein möglichst „authentisches“ Retro-Filmerlebnis zu haben.

Die wertvollsten Beiträge zu Exodus: Götter und Könige steuern konsequenterweise nicht etwa Christian Bale (spürbar begeistert, holt trotzdem nur Solides aus dem Material heraus), Joel Edgerton (durchwachsen) oder die zahlreichen Nebendarsteller (durchweg nur schmückendes Beiwerk) bei. Es sind Kameramann Dariusz Wolski (Fluch der Karibik und seine Sequels), Produktionsdesigner Arhtur Max (Königreich der Himmel) sowie Kostümdesignerin Janty Yates (Gladiator), die das Wohl des Projekts auf ihren Schultern tragen. Die verschwenderische Ausstattung Max' und Yates' wird vom polnischen Kameramann hervorragend in Szene gesetzt und verleiht Exodus: Götter und Könige die Qualität eines sich bewegenden Schlachtengemäldes.

Apropos Schlachten: Scott, Wolski und Cutter Billy Rich verstehen es, durch lange Total- und prägnant eingesetzte Nahaufnahmen, sowohl die visuelle Gewalt der großteils praktisch umgesetzten Kämpfe zu unterstreichen, als auch an die faszinierenden Details heranzufahren. Die visuell eindringlichsten Momente von Exodus: Götter und Könige hätten es dann fast schon verdient, als Standbild eingerahmt und ausgestellt zu werden. Wer also eine klassische Materialschlacht im Kino erleben möchte, bekommt mit Scotts Version der zehn Plagen (von denen neun erstaunlich sind und eine grobschlächtig animierte Krokodile heraufbeschwört) und der Flucht durchs Rote Meer genau dies geliefert. Drumherum mangelt es Ridley Scotts Bombastfilm aber so sehr an Fokus, dass er sich als Gesamtwerk nicht gerade für respektable Platzierungen in Genrebestenlisten empfiehlt. Dank der Hingabe zum Dreh mit praktischen Bauten und Heerscharen an Statisten sowie einem Mangel an übereifrig-inkohärenter Exzentrik im Stile von Darren Aronofskys Noah ist Exodus: Götter und Könige jedoch auch weit davon entfernt, ein künstlerischer Totalausfall zu sein.


Fazit: Nach dem künstlerisch gescheiterten Experiment Noah folgt nun ein gewollt altmodischer Bibelfilm. Ridley Scott geht mit Exodus: Götter und Könige keinerlei Risiken ein, setzt dafür umso mehr auf ausschweifende Handwerkskunst. In Zeiten der digitalen Effektgewitter eine willkommene Abwechslung. Das unkonzentrierte Drehbuch und das angesichts der flachen Charakterzeichnung unnötig gelassene Erzähltempo hindern den Bombastfilm aber daran, sich als rundherum imponierender Genrevertreter zu empfehlen.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen