Dass Exodus: Götter und
Könige am 25. Dezember, also am 1. Weihnachtstag, in den
deutschen Kinos startete, war keine willkürliche Entscheidung.
Schließlich handelt es sich bei der 140-Millionen-Dollar-Produktion
um eine Bibelverfilmung, die in ihrem Prunk an solche Werke erinnert,
wie sie einst in gewisser Regelmäßigkeit die große Leinwand
erfüllten. Entgegneten Kinogänger in den 50ern Filmen wie Die
zehn Gebote aber noch mit einer gewissen
Selbstverständlichkeit, wurde Ridley Scotts Neuerzählung der
Moses-Geschichte von vielen Seiten aus bereits rein prinzipiell als
antiquiert bezeichnet. So urteilte mehrere Kritiker, dass es
reaktionär oder gar albern sei, heutzutage noch einen Film zu
drehen, der sich der Bibel annimmt.
Es sollte angebracht sein, sich zu
fragen, ob eben jene Kritiker in wenigen Monaten auch Star
Wars – Das Erwachen der Macht allein schon aufgrund ihrer
Prinzipien niederschreiben werden. Und ob sie die Der Herr
der Ringe-Trilogie verabscheuen (die ja bevrzugt zur
Adventszeit auf Zuschauerjagd ging). Auch in diesen Filmen agieren
Wesen, die mit ihren Fähigkeiten und ihrem Wissen weit über anderen
Figuren stehen. Das gesamte Fantasygenre platzt vor Prophezeiungen
und vor Auserwählten. Und immer wieder werden in diesen Geschichten
komplexe Mythen ausgebreitet, die von den sie betreffenden Figuren
oftmals als heilig aufgefasst werden. Doch bei solchen Werken halten
sich die Klagen, Geschichten über Ehrfurcht gebietende Überwesen
seien rückwärtsgewandt, in Grenzen. Sie werden zumeist als
Eskapismus gesehen, als visuell prächtige Fantastereien. Exodus:
Götter und Könige versteht sich ebenfalls als solch ein
Geschichtentypus. Scott transportiert sein Publikum in eine andere
Zeit und an einen anderen Ort. Und er geht davon aus, dass der
Zuschauer für die Dauer des Films bereit ist, zu glauben, dass sich
innerhalb dieser Geschichte übernatürliche Ereignisse abspielen
können.
Einen missionarischen Gedanken hat
Exodus: Götter und Könige indes genauso wenig
wie die Mittelerde-Saga oder vergleichbare Werke. Es gibt nicht einen
Filmmoment, der überdeutlich darauf abzielt, das Publikum zum
Christentum zu konvertieren – oder es in seinem christlichen
Glauben zu bestärken. Die emotionalen Intentionen dieser
Mammutproduktion beschränken sich stattdessen auf jene Mechanismen,
wie sie im Epochalkino alltäglich sind: Es geht darum, Rückschläge
zu verkraften, Hindernisse zu überwinden und ein gemeinschaftliches
Wohl anzustreben. Zahllose Blockbuster lassen grüßen. Nur, dass
sich Scott halt nicht aus einem Fantasy-Bestseller der vergangenen
Jahrzehnte bedient, sondern eine Bibel-Erzählung als Inspiration
nimmt.
Und nichts daran sollte verwerflich
sein. Denn vollkommen unabhängig davon, ob man gläubig ist oder
nicht, ob man die Institution Kirche befürwortet oder nicht: In der
Bibel stehen einige interessante Geschichten, die sich großartig für
pompöse Adaptionen eignen. Geschichten über Verrat, Angst,
Selbsterkenntnis und Zusammenhalt. Ob man nun davon ausgeht, dass
diese Geschichten auch Geschichte sind, darf auch mal für die Dauer
eines Films zweitrangig sein. Religiöse Debatten lassen sich viel
eher über Filme wie das seichte Drama Den Himmel gibt’s
echt führen, da diese eine klar ausformulierte, klerikale
Perspektive haben. Über deren Sinn und Verstand können entsprechend
geneigte Zeitgenossen gerne zanken. Exodus: Götter und
Könige dagegen ist einfach nur ein Bombastwerk, das
unterhalten will.
Die entscheidende Frage, die sich
stellt, ist die danach, ob Exodus: Götter und Könige
unterhält. Dass sich diese Frage trotz der beeindruckenden
Schauwerte nicht mit einem kräftigen „Ja!“ beantworten lässt,
liegt vornehmlich daran, dass dieses 150-minütige Abenteuer ein
wenig zwischen die Stühle fällt. Was wiederum passiert, weil das
von einem vierköpfigen Autorenteam geschriebene Skript keinen klaren
Ansatz findet, wie es mit dem Material umgehen soll.
Die Geschichte bietet das Potential,
mit einem emotionalen und dramatischen Kern sein Publikum zu bannen:
1.300 Jahre vor unserer Zeitrechnung wachsen Ramses (Joel Edgerton),
Sohn des Pharao Seti (John Turturro), und Findelkind Moses (Christian
Bale) wie Brüder auf. Sie stehen füreinander ein, beschützen sich
gegenseitig und scherzen auch miteinander. Bloß in einem Punkt
finden sie keine Übereinkunft: Während Ramses vor Prophezeiungen
Respekt hat, hält Moses sie für Humbug. Ebenso wenig Glauben
schenkt er der Erzählung des Sklavenältesten Nun (Ben Kingsley).
Während Moses ihn verhört, um zu erfahren weshalb die Sklaven
neuerdings vermehrt Aufstände anzetteln, erzählt Nun, von Moses
wahrer Herkunft zu wissen. Er sei Israelit und dazu geboren, sein
Volk aus der Sklaverei zu befreien. Zunächst ignoriert Moses diese
Behauptungen, als er aber Opfer einer Intrige wird und das Reich des
Pharao verlassen muss, ändert sich alles …
Die Dynamik zwischen Ramses und Moses
wird von den Autoren Adam Cooper, Bill Collage, Jeffrey Caine und
Steven Zaillian zwar in den ersten Filmminuten ausreichend etabliert,
ist aber nicht so zentral, dass sie als Herz des Films taugt. Bale
und Edgerton haben in ihrer ersten Handvoll an gemeinsamen Szenen
eine freundschaftliche Rivalität miteinander, sobald sich aber erste
ernstzunehmende Spannungen zwischen ihren Figuren abzeichnen, wirkt
es so, als seien sich Ramses und Moses völlig fremd. Zu keinem
Zeitpunkt thematisiert Exodus: Götter und Könige
auf textueller Ebene ausreichend, dass sich die zusammen groß
gewordenen Männer voneinander verletzt fühlen. Und auch die
Darsteller lassen kaum Wehmut in ihren Rollen aufglühen. Dies ist
dem DreamWorks-Zeichentrickfilm Der Prinz von Ägypten
deutlich besser gelungen – was nicht weiter von Belang wäre, hätte
Scotts Langerzählung einen anderen inhaltlichen Schwerpunkt, der das
Geschehen antreibt.
Doch die anderen thematischen Elemente,
aus denen sich die biblische Vorlage zusammensetzt, werden in dieser
Adaption ebenfalls bloß bruchstückhaft aneinandergereiht. Sei es
Moses Auseinandersetzung mit seiner leiblichen Herkunft, seine
Entwicklung zum Anführer eines ganzen Menschenstammes oder der nicht
unbedeutende Aspekt, dass ein gesamtes Volk generationenlang
versklavt wurde und dann endlich Freiheit erlangt. All diese Facetten
der biblischen Geschichte dienen in Exodus: Götter und
Könige primär dazu, von einer Monumentalsequenz zur
nächsten überzuleiten. Solch ein erzählerisches Vorgehen ist
keineswegs zu verachten – es gibt zahlreiche gute
Leinwandspektakel, bei denen die Handlung nur ein Alibi ist, um
möglichst imposante Bilder zu zeigen. Für solch ein nährstoffarmes
Prunkabenteuer weist Exodus: Götter und Könige
obschon ein ernüchternd gemächliches Erzähltempo auf, weshalb der
Oscar-nominierte Filmemacher Scott zwar mit all seinem Pomp zu
überwältigen weiß, aber nur szenenweise auch wirklich mitzureißen
vermag.
Als mit einiger Verzögerung auf die
Leinwände dieser Welt gelangtes Prachtwerk in der Tradition von
William Wylers Ben Hur, Stanley Kubricks
Spartacus oder Mervyn LeRoys Quo
vadis? ist Exodus: Götter und Könige
auf handwerklicher Ebene trotzdem eine Wucht. Filmliebhaber, die seit
längerem den Wunsch hegen, neu produzierte Sensationsunterhaltung in
diesem Stil zu sehen, werden aufgrund der riesigen Prachtbauten,
blendenden Kostüme und schwelgerischen Setdekorationen aus dem
Staunen nicht mehr herauskommen. Gerade, weil Scott Erinnerungen an
frühere cineastische Zeiten wecken will, empfiehlt es sich auch,
Exodus: Götter und Könige nicht in 3D, sondern
in 2D zu sehen, um ein möglichst „authentisches“
Retro-Filmerlebnis zu haben.
Die wertvollsten Beiträge zu
Exodus: Götter und Könige steuern
konsequenterweise nicht etwa Christian Bale (spürbar begeistert,
holt trotzdem nur Solides aus dem Material heraus), Joel Edgerton
(durchwachsen) oder die zahlreichen Nebendarsteller (durchweg nur
schmückendes Beiwerk) bei. Es sind Kameramann Dariusz Wolski
(Fluch der Karibik und seine Sequels),
Produktionsdesigner Arhtur Max (Königreich der Himmel)
sowie Kostümdesignerin Janty Yates (Gladiator),
die das Wohl des Projekts auf ihren Schultern tragen. Die
verschwenderische Ausstattung Max' und Yates' wird vom polnischen
Kameramann hervorragend in Szene gesetzt und verleiht Exodus:
Götter und Könige die Qualität eines sich bewegenden
Schlachtengemäldes.
Apropos Schlachten: Scott, Wolski und
Cutter Billy Rich verstehen es, durch lange Total- und prägnant
eingesetzte Nahaufnahmen, sowohl die visuelle Gewalt der großteils
praktisch umgesetzten Kämpfe zu unterstreichen, als auch an die
faszinierenden Details heranzufahren. Die visuell eindringlichsten
Momente von Exodus: Götter und Könige hätten es
dann fast schon verdient, als Standbild eingerahmt und ausgestellt zu
werden. Wer also eine klassische Materialschlacht im Kino erleben
möchte, bekommt mit Scotts Version der zehn Plagen (von denen neun
erstaunlich sind und eine grobschlächtig animierte Krokodile
heraufbeschwört) und der Flucht durchs Rote Meer genau dies
geliefert. Drumherum mangelt es Ridley Scotts Bombastfilm aber so
sehr an Fokus, dass er sich als Gesamtwerk nicht gerade für
respektable Platzierungen in Genrebestenlisten empfiehlt. Dank der
Hingabe zum Dreh mit praktischen Bauten und Heerscharen an Statisten
sowie einem Mangel an übereifrig-inkohärenter Exzentrik im Stile
von Darren Aronofskys Noah ist Exodus:
Götter und Könige jedoch auch weit davon entfernt, ein
künstlerischer Totalausfall zu sein.
Fazit: Nach dem
künstlerisch gescheiterten Experiment Noah folgt
nun ein gewollt altmodischer Bibelfilm. Ridley Scott geht mit
Exodus: Götter und Könige keinerlei Risiken ein,
setzt dafür umso mehr auf ausschweifende Handwerkskunst. In Zeiten
der digitalen Effektgewitter eine willkommene Abwechslung. Das
unkonzentrierte Drehbuch und das angesichts der flachen
Charakterzeichnung unnötig gelassene Erzähltempo hindern den
Bombastfilm aber daran, sich als rundherum imponierender
Genrevertreter zu empfehlen.
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