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Freitag, 10. April 2015

Plötzlich Gigolo


Als feste Größe des intellektuellen US-Kinos ist Woody Allen nicht bloß ein viel besprochener Filmemacher, sondern selbstredend auch ein einflussreiches Mitglied seiner Zunft. Gewiss: Mangels weltumspannender Blockbuster in seiner Vita schlägt das Schaffen des New Yorkers im Massenkino eher überschaubare Wellen – im Gegensatz etwa zu den Arbeiten eines Steven Spielberg oder Christopher Nolan, die unentwegt zitiert und imitiert werden. Dessen ungeachtet ist die Auswirkung Woody Allens auf Filmschaffende wie Noah Baumbach oder Louis C. K. unübersehbar. Während Spielberg- oder Nolan-Trittbrettfahrer mitunter großen Erfolg genießen, sind Verneigungen vor dem Stadtneurotiker jedoch von variablem Erfolg gekrönt. Während etwa Seitensprünge in New York sein Publikum fand, ging die dialoglastige Komödie Ein ganz normaler Hochzeitstag Anfang der Neunziger unter – und wurde seither auch nicht reevaluiert.

Aus der Feder des Coen-Brüder-Lieblings John Turturro (Barton Fink) kommt mit Plötzlich Gigolo ein neues cineastisches Lustspiel auf den Markt, das mit den üblichen Woody-Allen-Manierismen kokettiert. Und genauso wie Paul Mazurskys höllischer Shopping-Mall-Besuch holt Plötzlich Gigolo den Meister selbst in einer seiner raren, nicht selbstinszenierten Darbietungen vor die Kamera. So, als wolle Turturro, der selber die Hauptrolle spielt und auf dem Regiestuhl Platz nahm, seinem Film damit das Gütesiegel für offiziell geprüfte Woody-Allen-Qualität verleihen. Schade aber, dass ein solches Prädikat nicht existiert – geschweige denn, dass es durch Allens bloße Anwesenheit sogleich für den gesamten Film wirkt. Und so kommt es, wie es wohl kommen musste: Während in den vergangenen Jahren Produktionen wie Midnight in Paris und Blue Jasmine unter Beweis stellten, dass Allens Regiearbeiten auch wunderbar ohne ihn funktionieren, unterstreicht Plötzlich Gigolo nun: Selbst mit tatkräftiger Unterstützung des 78-Jährigen kann ein Unterfangen wie dieses scheitern.

Eingangs ist Plötzlich Gigolo wohlgemerkt noch recht amüsant: Der melancholische New Yorker Florist Fioravante (Turturro) befindet sich ebenso wie sein bester Freund und Mentor Murray (Allen) in arger Geldnot. Im Laufe eines lockeren Gesprächs zwischen den leicht verschrobenen, sentimentalen Freunden kommt aber eine pikante Idee Murrays zu Tage: Seine Hautärztin Dr. Parker (Sharon Stone) ist derzeit auf der Suche nach einem Mann, der mit ihr und ihrer heißblütigen Freundin Selima (Sofía Vergara) einen Dreier vollzieht. Murrays Vorschlag: Er würde Fioravante gern an die experimentierfreudigen Freundinnen vermieten. Zunächst lehnt der schüchterne Frauenkenner ab – ihm würde wohl niemand die Rolle eines Gigolos abnehmen. Doch Murray überzeugt ihn: Zwar hat Fioravante kein Modelaussehen, dafür hat er Charakter, Einfühlungsvermögen und allerhand sexuelle Erfahrung …

So lange sich Plötzlich Gigolo auf das schelmische Geplänkel zwischen Turturro und Allen konzentriert, ist diese Nischenproduktion ein wahres Fest für Woody-Allen-Fans. Auch die Passagen, in denen sich das Duo mit den Anfangsschwierigkeiten seines riskanten Business befasst, wissen zu unterhalten. Dann aber versucht Murray, seinen Weggefährten an die Witwe Avigal (Vanessa Paradis) zu vermitteln, die Teil einer chassidischen Gemeinde ist und daher strengen soziokulturellen Regeln folgt. Von diesem Punkt an verzettelt sich diese Komödie: Das Skript versucht, satirisch auf die orthodoxe Gemeinde einzugehen, und verhebt sich an diesem Subplot, unterdessen krankt die allmählich aufkeimende Liebelei zwischen Avigal und Fioravante an schleppend geskripteten Sequenzen sowie einer gelangweilt agierenden Paradis.

Bloß wenn Woody Allen auftaucht, erhält Plötzlich Gigolo den anfänglichen Charme zurück. Ganz gleich, ob er die Szene mit dem Protagonisten teilt oder mit den liebevoll gemeinten, aber letztlich nicht in diesen Streifen passenden Karikaturen orthodoxer Juden. Da hilft auch die findige, schwer vergessliche Musikuntermalung nicht weiter: Turturro erschuf mit seiner Woody-Allen-Hommage kein in sich rundes Werk, sondern zwei halbe, mühevoll zusammengehaltene Filme. Einer davon ist gut, der andere unfassbar dröge.

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