Als feste Größe des intellektuellen US-Kinos ist Woody Allen nicht bloß ein viel besprochener Filmemacher, sondern selbstredend auch ein einflussreiches Mitglied seiner Zunft. Gewiss: Mangels weltumspannender Blockbuster in seiner Vita schlägt das Schaffen des New Yorkers im Massenkino eher überschaubare Wellen – im Gegensatz etwa zu den Arbeiten eines Steven Spielberg oder Christopher Nolan, die unentwegt zitiert und imitiert werden. Dessen ungeachtet ist die Auswirkung Woody Allens auf Filmschaffende wie Noah Baumbach oder Louis C. K. unübersehbar. Während Spielberg- oder Nolan-Trittbrettfahrer mitunter großen Erfolg genießen, sind Verneigungen vor dem Stadtneurotiker jedoch von variablem Erfolg gekrönt. Während etwa Seitensprünge in New York sein Publikum fand, ging die dialoglastige Komödie Ein ganz normaler Hochzeitstag Anfang der Neunziger unter – und wurde seither auch nicht reevaluiert.
Aus der Feder des Coen-Brüder-Lieblings
John Turturro (Barton Fink) kommt mit Plötzlich
Gigolo ein neues cineastisches Lustspiel auf den Markt, das
mit den üblichen Woody-Allen-Manierismen kokettiert. Und genauso wie
Paul Mazurskys höllischer Shopping-Mall-Besuch holt Plötzlich
Gigolo den Meister selbst in einer seiner raren, nicht
selbstinszenierten Darbietungen vor die Kamera. So, als wolle
Turturro, der selber die Hauptrolle spielt und auf dem Regiestuhl
Platz nahm, seinem Film damit das Gütesiegel für offiziell geprüfte
Woody-Allen-Qualität verleihen. Schade aber, dass ein solches
Prädikat nicht existiert – geschweige denn, dass es durch Allens
bloße Anwesenheit sogleich für den gesamten Film wirkt. Und so
kommt es, wie es wohl kommen musste: Während in den vergangenen
Jahren Produktionen wie Midnight in Paris und
Blue Jasmine unter Beweis stellten, dass Allens
Regiearbeiten auch wunderbar ohne ihn funktionieren, unterstreicht
Plötzlich Gigolo nun: Selbst mit tatkräftiger
Unterstützung des 78-Jährigen kann ein Unterfangen wie dieses
scheitern.
Eingangs ist Plötzlich
Gigolo wohlgemerkt noch recht amüsant: Der melancholische
New Yorker Florist Fioravante (Turturro) befindet sich ebenso wie
sein bester Freund und Mentor Murray (Allen) in arger Geldnot. Im
Laufe eines lockeren Gesprächs zwischen den leicht verschrobenen,
sentimentalen Freunden kommt aber eine pikante Idee Murrays zu Tage:
Seine Hautärztin Dr. Parker (Sharon Stone) ist derzeit auf der Suche
nach einem Mann, der mit ihr und ihrer heißblütigen Freundin Selima
(Sofía Vergara) einen Dreier vollzieht. Murrays Vorschlag: Er würde
Fioravante gern an die experimentierfreudigen Freundinnen vermieten.
Zunächst lehnt der schüchterne Frauenkenner ab – ihm würde wohl
niemand die Rolle eines Gigolos abnehmen. Doch Murray überzeugt ihn:
Zwar hat Fioravante kein Modelaussehen, dafür hat er Charakter,
Einfühlungsvermögen und allerhand sexuelle Erfahrung …
So lange sich Plötzlich
Gigolo auf das schelmische Geplänkel zwischen Turturro und
Allen konzentriert, ist diese Nischenproduktion ein wahres Fest für
Woody-Allen-Fans. Auch die Passagen, in denen sich das Duo mit den
Anfangsschwierigkeiten seines riskanten Business befasst, wissen zu
unterhalten. Dann aber versucht Murray, seinen Weggefährten an die
Witwe Avigal (Vanessa Paradis) zu vermitteln, die Teil einer
chassidischen Gemeinde ist und daher strengen soziokulturellen Regeln
folgt. Von diesem Punkt an verzettelt sich diese Komödie: Das Skript
versucht, satirisch auf die orthodoxe Gemeinde einzugehen, und
verhebt sich an diesem Subplot, unterdessen krankt die allmählich
aufkeimende Liebelei zwischen Avigal und Fioravante an schleppend
geskripteten Sequenzen sowie einer gelangweilt agierenden Paradis.
Bloß wenn Woody Allen auftaucht,
erhält Plötzlich Gigolo den anfänglichen Charme
zurück. Ganz gleich, ob er die Szene mit dem Protagonisten teilt
oder mit den liebevoll gemeinten, aber letztlich nicht in diesen
Streifen passenden Karikaturen orthodoxer Juden. Da hilft auch die
findige, schwer vergessliche Musikuntermalung nicht weiter: Turturro
erschuf mit seiner Woody-Allen-Hommage kein in sich rundes Werk,
sondern zwei halbe, mühevoll zusammengehaltene Filme. Einer davon
ist gut, der andere unfassbar dröge.
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